Ein Blick ins Innere von Effektpedalen!
Wie funktioniert ein Effektpedal? Viele Musiker nutzen ihre Effektpedale tagtäglich und denken nie über die Technik nach, die sich im Inneren der kleinen Wunderkisten befindet. Und das ist auch vollkommen in Ordnung.
Inhaltsverzeichnis
Niemand MUSS die Technik verstehen, denn man darf auch einfach mit dem Pedal spielen und Spaß daran haben. Aber in letzter Zeit haben mich in meiner Werkstatt ein paar spannende Zuschriften erreicht, die gezeigt haben, dass der eine oder andere Gitarrist doch gerne mehr über das Innenleben seines geliebten Pedals erfahren möchte.
Aus diesem Grund möchte ich in diesem Workshop Fragen nachgehen wie: Wie funktioniert ein Effektpedal generell? Warum funktioniert es manchmal nicht? Und was ich alles machbar, um den Sound nach meinen Wünschen anzupassen? Ich möchte in diesem Workshop die grundlegende Technik eines Pedals so beschreiben, dass auch Musiker, die keine Technikfreaks sind, die sich ohnehin mit der Materie auskennen, ein Grundverständnis für ein Effektgerät erlangen können, ohne durch graue Theorie den Spaß zu verlieren. Denn darum geht es in der Musik doch – oder nicht?
Wie funktioniert ein Effektpedal?
Ich habe eine Zeit lang überlegt, welches Pedal ich nehmen möchte, um es exemplarisch auf den Seziertisch zu legen und habe mich letztlich für einen Verzerrer entschieden. In meinen Augen ist er in seinem Aufbau am verständlichsten und die meisten Gitarristen dürften wohl schon einmal einen Tubescreamer gespielt oder zumindest gehört haben. Der kleine, grüne Geselle ist ein guter Booster und ein legendärer Verzerrer, der sich aufgrund der Betonung der Mitten gut im Sound durchsetzt.
Schrauben wir den TS-9 also einmal auf und schauen an, was er so zu bieten hat.
Der Schaltplan des Tubescreamers
Die Schaltung unterteilt sich in funktionale Komponenten wie der Stromversorgung und dem Bypass-Schalter, der per JFET gesteuert wird, die restlichen Komponenten gehören zum Signalweg. Hier durchläuft das Gitarrensignal zunächst einen Input-Buffer, gelangt dann in die Verzerrstufe, anschließend geht es durch die Klangregelung. Am Schluss folgt noch der Output-Buffer. Im Input-Buffer wird das Pedal von der Gitarre abgekoppelt, damit der Sound frisch und klar bleibt.
In der Verzerrstufe wird natürlich die Verzerrung erzeugt und die Komponenten der Klangregelung dienen der klanglichen Abstimmung des Sounds. Der Output-Buffer isoliert das Pedal schließlich vom Verstärker oder anderen, folgenden Effektgeräten.
Der Schalter des Tubescreamers
Um den Verzerrer einzuschalten, wird ein kleiner Taster betätigt, der die Bypass-Schaltung kurzzeitig mit der Masse verbindet. Der Tubescreamer hat, wie ja viele wissen, keinen True-Bypass. Das bedeutet, dass das Signal immer durch den Input- und den Output-Buffer geleitet wird. Deshalb nutzen ihn auch viele Gitarristen, um lange Signalketten durch den Tubescramer als Buffer klanglich frisch zu halten.
Der Schalter ist als sogenannter Flip-Flop-Schalter umgesetzt. Das hat nichts mit der sommerlichen Fußbekleidung zu tun, sondern beschreibt zwei JFET-Transistoren, die jeweils abwechselnd den Bias einer jeweiligen Diode steuern. Es wird Flip-Flop genannt, weil immer ein Transistor aktiviert ist. Wird ein Transistor aktiviert, so wird der andere dementsprechend in den inaktiven Zustand versetzt. Auf diese Weise lässt sich mit einfachsten Mitteln ein simpler Schalter umsetzen. Ein Umbau zu einer True-Bypass-Schaltung ist möglich, würde dem Pedal aber einen Teil seines Charakters nehmen.
Die Spannungsversorgung des Pedals
Die Spannungsversorgung ist bei vielen Pedalen ähnlich. Die angeschlossenen 9 V werden mit Kondensatoren gefiltert, um Nebengeräusche des Netzteils zu minimieren. Eine Schutzdiode blockiert den Durchlass, um vor Schäden zu schützen, die durch den Anschluss eines Netzteils mit falscher Polarität entstehen können. Und ein simpler Spannungsteiler liefert die 4,5 V, die der verwendete Transistor benötigt. Im Grunde ist es eine relativ einfache Angelegenheit, die übrigens in Röhrenverstärkern ganz ähnlich aussieht. Hier aber natürlich in deutlich größerem Maßstab.
Wie funktioniert ein Effektpedal? – Der Signalweg
Nach der Beschreibung der notwendigen Komponenten kommen wir jetzt endlich zum Signalweg. Der erste Kondensator im Signalweg filtert die ganz tiefen Frequenzen und damit potentielles Brummen aus dem Signal. Außerdem schützt er die Pickups der Gitarre vor möglichen Spannungen, die sie im Falle eines defekten Pedals anderenfalls beschädigen könnten. Der nachfolgende Transistor stärkt sozusagen das Signal, wie man es von einem Buffer-Pedal kennt. Er dient einer hohen Input-Impedanz und erhält die Lautstärke des gelieferten Signals. Es wird hier also noch nichts geboostet, sondern lediglich 1:1 verstärkt. Die so erreichte hohe Eingangsimpedanz sorgt für ein frisches Signal, weil die Pickups eine niedrigere Impedanz haben und das Signal daher nicht bedämpft wird.
Kommen wir jetzt zur wichtigen Zerrstufe des Tubescreamers. Hier arbeitet ein OpAmp. Meist ist es der legendäre 4558. In seinem Feedback-Loop wurden zwei Dioden platziert, die für die Verzerrung sorgen. Außerdem wird hier der Sound geformt, da an diesem Punkt die Frequenz des verzerrten Signals mit einem Bandpass-Filter festgelegt wird. Diese Gain-Stufe ist natürlich wieder mit einem Kondensator vom Eingangs-Buffer entkoppelt. Durch das Filter werden lediglich die Frequenzen oberhalb von 720 Hz stärker verzerrt, die tieferen Frequenzen verzerren sehr viel geringer, damit der Sound definiert bleibt.
Ein variabler Widerstand, von außen als Gain-Poti zu sehen, regelt die Verzerrung. Die beiden Dioden kappen sozusagen die oberen und unteren Spitzen des Signals und sorgen so für die Verzerrung. Die Dioden arbeiten ähnlich wie ein Kompressor. Unterhalb des Thresholds erfolgt keine Verzerrung. Wird die Lautstärke erhöht, kappen die Dioden die Pegelspitzen und sorgen so für eine Verzerrung des Signals. Als Standard sind im Tubescreamer zwei antiparallele Siliziumdioden verbaut, man könnte aber auch Germaniumdioden oder LEDs verbauen, denn sowohl mit verschiedenen Diodentypen als auch einer veränderten Anzahl von Dioden kann hier für symmetrische, asymmetrische und mehr oder weniger Verzerrung gesorgt werden. Die Dioden sind deshalb antiparallel angeordnet, da auf diese Weise sowohl die obere als auch die untere Spitze der Schwingungsform bearbeitet werden kann. Der Xotic RC Booster basiert beispielsweise auf dieser Schaltung und hat für seinen Klang noch ein paar Dioden mehr bekommen. Dadurch ist er cleaner im Sound.
Eine Kombination aus Widerstand und Kondensator im Feedback-Loop des OpAmps dient als High-Pass-Filter. Hier wird das Signal etwas ausgedünnt, damit es nicht zu matschig wird. Möchte man den Sound verändern, könnte man an dieser Stelle ansetzen. Ein kleiner Kondensator im Feedback-Loop agiert als Low-Pass-Filter, um die Höhen etwas zu entschärfen und sozusagen die Kanten der gekappten Signalspitzen zu glätten. Das verzerrte Signal enthält einen Teil des unbearbeiteten Eingangssignals, um die Dynamik zu erhalten.
Der Sound wird im nachfolgenden Tone-Stack noch weiter geformt. Hier arbeitet ein passives Low-Pass-Filter, eine aktive Klangregelung und zu guter Letzt eine passive Lautstärkeregelung. Das Low-Pass-Filter nimmt dem verzerrten Sound die Schärfe. Diese Aufgabe wird wieder von einer Kombination aus einem Widerstand und einem Kondensator übernommen. Das Tone-Poti blendet in der aktiven Klangregelung einen Widerstand und Kondensator über. So wird er in der einen Stellung zu einem weiteren Low-Pass-Filter und filtert damit alle Höhen heraus. In der anderen Extremstellung wird er zu einem High-Pass-Filter und somit in Verbindung mit dem weiterhin passiven Low-Pass-Filter zu einem Band-Pass-Filter mit einem Peak bei ungefähr 3 kHz und ist optimal, um die Mitten anzuheben.
Alle Frequenzen lassen sich natürlich auch mit schicken Formeln berechnen und der Frequenzverlauf grafisch darstellen, aber das ist hier nicht das Ziel des Workshops „Wie funktioniert ein Effektpedal?“ An dieser Stelle soll es um ein Grundverständnis der Schaltung gehen, damit der Blick ins Innere des Pedals keine Schweißausbrüche erzeugt. Der hier platzierte OpAmp agiert als Buffer, damit im Tone-Stack kein Lautstärkeverlust entsteht. Denn das wollen Gitarristen ja auf jeden Fall vermeiden.
Durch die unterschiedlichen Filter und Verstärkungen erhält der Tubescreamer seinen markanten, mittigen Ton.
Nun folgt ein simples Volume-Poti, das einen Teil des Signals an Masse leitet und somit das Signal leiser macht. Der Buffer am Ausgang mit einer 1:1-Verstärkung und einer niedrigen Impedanz sorgt für eine ideale Voraussetzung für den Verstärker oder nachfolgende Effekte, damit diese mit ihrer hohen Impedanz wieder einen frischen Sound erzeugen können.
Der Unterschied zu der Schaltung eines TS-808, TS-9 und des TS-5 besteht im Übrigen lediglich in zwei Widerständen im Output-Buffer und eventuell in einem anderen IC. Für diesen wurde damals übrigens das damals günstigste Modell genutzt, das erhältlich war. Ein klasse Beispiel dafür, dass es nicht immer das teuerste Element sein muss, das einen Sound zur Legende macht.
Der Tubescreamer lässt sich sehr gut modifizieren und den eigenen Klangvorstellungen anpassen. Ob mehr Gain, mehr Bass oder ein anderer Verzerrungscharakter – hier ist vieles machbar. Vieles davon könnte auch schaltbar gemacht werden, um mehr Klangoptionen zu erhalten.
Und damit beenden wir unsere Reise zur Klärung der Frage: Wie funktioniert ein Effektpedal? Mit diesem Grundverständnis für das Pedal kann man den Verzerrer nun weiterspielen oder überlegen, an welchen Stellschrauben man drehen könnte, damit man den gewünschten Sound erhält. Und wer keine Lust hat, so tief in die Materie einzutauchen, um einen Mod selbst zu machen, kann sich natürlich jederzeit vertrauensvoll an das Team DelayDude wenden.
nerdiger artikel. love it!
„Und ein simpler Spannungsteiler liefert die 4,5 V, die der verwendete Transistor benötigt.“
Sollte das nicht OpAmp heißen, der braucht zusätzlich Vcc-?
@Filterspiel Da habe ich mich auch gewundert; ich hätte den Hauptzweck der 4,5V ebenfalls darin gesehen, den Operationsverstärkerschaltungen ihre virtuelle Mase zu geben.
Aber: die Transistoren brauchen natürlich genauso eine Vorgabe für den Ruhepegel, wenn man das Signal immer per Kondensator einkoppelt. Und da gilt das gleiche wie beiden Operationsverstärkern: die genaue Spannung ist eigentlich egal, aber halbe Versorgungsspannung ist schon das Optimum.
Toller Artikel, vielen Dank dafür :D
Auf dem YT-Kanal von JHS Pedals gab’s in den letzten Wochen eine zusammenhängende und aufeinander aufbauende Serie Live Streams von Josh Scott, die den Aufbau und das Design von Pedalen zum Gegenstand hatten – vom Nachbau einer Boost-Schaltung, über deren Modifikation hin zu Overdrive bis zum Abschluss des Designs hin zum fertigen Breadboard-basierten Prototypen. Fand ich sehr interessant :)
Das Flipflop besteht aus zwei NPN Transistoren im Schaltungsteil CP8 und steuert die beiden JFET Transistoren, die dann so angesteuert den Signalfluss je nach Zustand des Flipflops durchlassen.
@ DelayDude: gut erklärender Artikel über die Funktionsweise des TUBE SCREAMERS … aber nicht, wie die Überschrift dies anzeigt, über die Funktionsweise von “Effektpedalen generell“ (im Plural – weil solche gibt es für sehr sehr viele unterschiedliche Effekte … weswegen dann deren Funktionsweise auch überaus unterschiedlich ist; deswegen kann man aber auch unmöglicherweise ALLE diese ‚Effektpedale‘ in EINEM einzigen Artikel behandeln wollen, weil sie doch völlig anders konzipiert und aufgebaut sind).
Neben einer für den jeweiligen Effekt (einschließlich dessen Varianten oder gar Kombinationen) entwickelten Schaltung ist ja eigentlich nur noch die Stromversorgung wichtig … und darüber wäre in der Tat ein ganzer Artikel zu schreiben. Es gibt ja nicht nur die klassische “9-V – Blockbatterie“ (alternativ dazu eine externe Versorgung mit 9 V … wobei hier schon von erheblicher Bedeutung ist, ob es eine positive (i.S.v: ‚Center-positive) Versorgungsspannung oder eine negative (i.S.v. ‚Center-negative‘) ist. Daneben gibt’s einige Effektgeräte mit externer 12 … oder 15 … oder gar 18 V Gleichspannungsquelle – und natürlich so manche Exoten mit sogar WECHSELspannungsversorgung.
Darüber zu schreiben wäre für viele Nutzer wohl interessant … einschließlich eben der Polarität (bei DC-Spannungen).
Ich glaube, dass hier ein erheblicher Bedarf beim Normalo-Musiker ohne nennenswertes Technik-Verständnis besteht.
@Nvelope @ DelayDude (ff): Genauso wichtig ist die Versorgung der jeweiligen Geräte mit STROM (gemessen in mA oder eben A = Ampere); die heutige doch auch sehr komplexen Effektgeräte benötigen oft Versorgungsstöme von oberhalb (oder gar deutlich oberhalb) von 100 mA – weswegen sich die schon erwähnten 9-V-Blockbatterien ausschließen, da diese solche Ströme eigentlich nicht (und schon gar nicht sehr lange) liefern können.
Die Mehrfach-Netzteile mit unterschiedlichen und teilweise voneinander völlig getrennten Ausgangsbuchsen benennen die Strom-Belastbarkeit zumeist klar – doch die Nutzung von daisy-gechainten Mehrfach-Kabeln (EIN Eingang, vom Netzadapter … auf mehrere Ausgänge zu mehreren Effektpedalen) erlaubt schwerlich einen Überblick, weswegen für viele Musiker bezüglich des Strombedarfes ihrer Effektgeräte Klarheit herrschen muss, damit selbst ‚höher belastbare‘ (z.B. 1 A max. Ausgangsstrom) bei 5 oder mehr daisy-gechainten Effektpedalen keine Überlastung erfahren und letztlich versagen.
Meine (technische) Erfahrung mit vielen (i. A. wenig technik-affinen) Musikern zeigte mir über viele Jahre, dass DORT grundlegender technischer Erklärungsbedarf herrscht.
Aber auch gut, dass manche zu kaufende Effektpedale heute den Strombedarf auch ausweisen – wie eben auch EuroRack-(Synth)Module mit ihren 2 oder 3 unterschiedlichen Versorgungsspannungen, so dass modulare Synthies adäquate Netzteile bekommen, die für alle Module ausreichen.