Der wahre Sound des Rock!
Es war das Jahr 1981. Die meist langen Haare der Rockgitarristen waren gestylt und mit Haarlack verklebt, die Mode war geschmacklos und der Marshall Sound beherrschte die Musikindustrie. Der JCM 800, benannt nach Jim Marshalls Initialen und Autokennzeichen, ist immer noch eine der legendärsten Kreationen der Verstärkergeschichte. Heute wollen wir dieser absoluten Legende des Rock, dem Marshall JCM 800, Modell 2203 mit einer Leistung von satten 100 Watt, unsere Ehrerbietung erweisen.
Im Jahr 1982 (vor nunmehr 36 Jahren) erwarb ich eines dieser Modelle gebraucht und bin somit dessen Zweitbesitzer. Entsprechend seiner Bezeichnung, wie sollte es auch anders sein, berappte ich DM 800,- dafür. Wenn man bedenkt, dass dieser gebrauchte Vintageamp je nach Zustand heute für ca. 1100,- Euro den Besitzer wechselt und ein Reissue momentan neu ca. 1.550,- Euro kostet, war das ein guter Deal. Ich war zweimal in Versuchung, diesen Amp zu verkaufen, da Anfragen bestanden und beide Male bugsierte ich das Verstärkertop aus seinem Flightcase im Keller in die Wohnung, schloss es an eine Box an, vernahm den einzigartig kraftvollen, Respekt einflößenden Sound und Spirit des Rock und entschloss mich, mich nicht davon zu trennen. Einen Verkauf hätte ich bereut, da ich diesen Amp ja auch mindestens 15 Jahre live einsetzte und somit auch bereits eine emotionale Bindung bestand.
Unzählige Studioproduktionen wurden mit diesem Verstärker eingespielt. Für alles, was rockig war, wurde live und im Studio dieser Einkanaler bemüht. Dieser Verstärker prägte wie kaum ein anderer den Gitarrensound der 80er Jahre. Auch als Basis für zahlreiche Modifikationen, die meist noch etwas mehr Verzerrung aus ihm herauskitzelten, war er der ideale Kandidat.
Hat man diese 100-Watt-Bestie mit der dazugehörigen 4 x 12″ Box desselben Herstellers beispielsweise in der eigenen Wohnung stehen, muss man den Mastervolume-Regler (bei voll aufgedrehtem Gain-Regler) lediglich bis zur Marke 0,8 drehen, um die Scheiben zum Klirren zu bringen, ich habe das selbst ermittelt! Die Lautstärkereserven sind quasi „Overkill“ und geben einem das gute Gefühl, jederzeit nachlegen zu können, bis die Ohren bluten. Wer einen Eindruck haben möchte, wie die Bestie in der sogenannten „britischen Einstellung“ (alle Knöpfe auf 10) klingt, dem empfehle ich, sich den Spaß zu machen und das folgende Video mal anzuschauen:
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Mit der JCM-800-Serie erreicht Marshall in den 80er Jahren die Poleposition im Rockolymp und verpasst der aufstrebenden Rockmusik seinem bis heute unüberhörbaren Klang. Als die JCM-800-Serie im März 1981 auf dem Markt erschien, brachte sie zunächst gar keine technischen Neuerungen. Ausschließlich die Optik hatte man neu gestaltet. Insbesondere das über die ganze Länge durchgehende Bedienpanel der Verstärkerchassis offenbarte das neue Erscheinungsbild. Der Grund für die Maßnahme war, dass zwei Gegebenheiten ungünstig aufeinandertrafen und so Marshalls Zukunft zu gefährden drohten. Denn in dieser Zeit endete einerseits der Vertrag mit der Firma Rose-Morris, die 15 Jahre lang die Rechte für den weltweiten Vertrieb besaß. Andererseits hatte Rose-Morris noch reichlich Ware auf Lager, sodass Marshall Absatzprobleme bei neuen Partnern befürchten musste. Mit dem cleveren Schachzug, ein neues Design einzuführen, kam Marshall aus der Bredouille.
Die von den Topteilen abgeleiteten Combos sahen insofern anders aus, als dass die Bedienungselemente nicht mehr oben, sondern nun vorne positioniert waren. Parallel dazu bekamen sie neue Modellbezeichnungen: 4010 (1×12″, 50 Watt), 4104 (2×12″, 50 Watt), 4103 (2×12″, 100 Watt). Als zwischenzeitlich die baugleichen Combos waagerecht statt senkrecht angeordnete Eingangsbuchsen erhielten, hatte sich entgegen anderslautender Gerüchte an der Technik rein gar nichts geändert.
Die vorher frei verdrahteten Potis und Buchsen waren lediglich mit auf das Printboard verlegt worden. 1982, ein Jahr nach der Einführung der JCM 800-Serie, produzierte Marshall auch zweikanalige Verstärker, die dann auch eine Hallspirale und einen Einschleifweg besaßen, um sich den Bedürfnissen der 80er Jahre anzupassen. Da sich ab Mitte der 1970er Jahre bereits auch die Firma MESA/BOOGIE mit zweikanaligen Verstärkern, die gleichfalls schön zerrten, auf dem Markt tummelte, war Marshall gezwungen, sich dem Fortschritt anzupassen und nachzulegen.
Mein eigenes Verstärkertopteil besitzt noch die legendären „Vertical“, also übereinanderliegende Inputs, was sich in einem etwas höheren Gebrauchtpreis widerspiegelt.
Auch dieses Video nimmt sich diesen Amp zur Brust. Hier handelt es sich jedoch um einen Reissue:
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Das Modell 2204 war praktisch identisch, besaß aber lediglich zwei EL34 in der Endstufe und lieferte eine Leistung von 50 Watt. Mit nur einem Blick waren die beiden Modelle leicht auseinanderzuhalten. Das 100-Watt-Modell (2203) besitzt an der Oberseite des Gehäuses ein schwarzes Plastikgitter, das die Wärme der Röhren ableitet. Die 50 Watt Version besitzt dieses Gitter nicht. Man erzeugte mit der Präsentation eines 2203 also stets einen gewissen Respekt. Man sagt dem 2203 im Vergleich zur 50-Watt-Version (2204) außerdem eine deutlich bessere Dynamik nach, was durchaus logisch ist, auch ich kann dies bestätigen.
Da der Verstärker aber nicht übermäßig viel Gain erzeugt, helfen sich viele Gitarristen mit einem Booster oder Verzerrer (gerne den Ibanez Tubescreamer), da dieser die Bässe nicht so stark anhebt und somit schwammig macht, um den Sound noch fetter zu bekommen. Ich selbst bin kein ausgesprochener Fan des Tubescreamers, aber für das Anblasen eines JCM 800 eignet er sich hervorragend.
Da der Amp einen Wahnsinnssound hat, aber halt genau nur einen Wahnsinnssound, wünscht man sich natürlich etwas mehr Flexibilität. Ich ließ bei meinem Verstärker eine kleine Modifikation einbauen, eine Treiberröhre und eine Buchse, die es gestattete, ein Signal von einer Vorstufe direkt an die Treiberröhre vor der Endstufe einzuspeisen (quasi ein halber Einschleifweg). Ich benutzte dann das Verstärkertop lediglich als Endstufe und hängte eine 19″ MESA/BOOGIE Studio Preamp und später einen Marshall JMP-1 Vorstufe und ein Rocktron Intellifex davor und hatte einen erstklassigen Sound!
Hier noch ein weiteres Demovideo des Amps. Dieser hier verfügt über nebeneinanderliegende (horizontale) Eingangsbuchsen und wird mit einer 4 x 12″ Marshallbox betrieben:
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Es existiert praktisch kein Rockgitarrist, der diese Amps nicht schon einmal benutzte, hier seien nur einige angeführt: Gary Moore, Zakk Wylde, Kirk Hammett, Eric Clapton, Jeff Beck, Yngwie Malmsteen, Jeff Hanneman (Slayer), Paul Gilbert, Slash …
Ich hoffe, ihr hattet Spaß mit diesem Artikel und konntet einige bislang unbekannte Informationen aufschnappen. Stay tuned!
Ja, ich hatte Spaß mit dem Artikel … :-)
Und welchen Amp benutzt du nun 36 Jahre später live? Das würde mich mal interessieren …
Ich benutze einen Koch Twintone Combo. Der hat gute klare Sounds und klingt verzerrt für meinen Geschmack auch sehr schön, Hall und schaltbarer Effektweg (Modifikation) sind auch an Bord und gewichtsmäßig ist er noch im Rahmen.
son ding steht bei mir zuhause seit knapp 20 jahren rum, samt box dazu. ungenutzt. ich kann mich nicht aufraffen, es reparieren zu lassen und zu verhökern. das andere ding, was genauso lange rumsteht is ne 80er „strat“ :D