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Test: ZYLIA ZM-1, Multitrack-Mikrofon-System

Ich gebe mir die Kugel!

10. Dezember 2018
ZYLIA zm-1

ZYLIA ZM-1

Wenn der Sohn fragt, was denn das Modell des Todessterns auf meinem Schreibtisch soll und die beste Ehefrau von allen angesichts der Verpackung argwöhnt, ich hätte mir ja schon wieder neu Sportschuhe gekauft – dann weiß man, dass man ein ganz besonderes Testmuster in den Fingern hat. Und „besonders“ ist auch der Anspruch, den der polnische Hersteller ZYLIA mit seinem „ZYLIA Portable Recording Studio“ erhebt: Mit nur einem Mikrofon soll man eine komplette Band (oder andere wahllos im Raum verteilte Schallquellen) aufzeichnen können. Einfach das Mikro in die Mitte stellen, loslegen und später dann eventuell noch die einzelnen Instrumente in der Mehrspuraufnahme nachbearbeiten. Weshalb die Entwickler dann auch schon auf der Verpackung selbstbewusst verkünden: „Record audio like never before – Spherical microphone that rocks your world.“ Und ganz nebenbei erlaubt ZYLIA in der Pro Version auch das Anfertigen von 3D Audio. Das alles klingt einfach und gut. Aber auch zu gut, um wahr zu sein? Das probieren wir jetzt mal aus.

ZYLIA Portable Recording Studio Bild 3

Das ZYLIA Portable Recording Studio im Proberaum. Das freut sogar den Hund.

Zylia ZM-1 ausgepackt (es sind wirklich keine Schuhe!)

Im edel anmutenden mattschwarzen Karton findet sich ein schwarzes Kugelmikrofon, das ZM-1, mit seinen insgesamt 19 Mikrofonkapseln, dazu ein kleines Tischstativ, das gleichzeitig auch als Gewinde-Adapter dient: Die Mikro-Kugel selber hat nämlich ein ¼-Zoll-Gewinde (wie bei Kamerastativen), der dreibeinige Standfuß am unteren Ende ein 5/8-Zoll-Gewinde inklusive Adapter auf 3/8-Zoll. Da ist also für wirklich jedes Befestigungsszenario die passende Größe dabei; ich mag es, wenn so kleine, preiswerte Details das Musikerleben ein wenig unkomplizierter machen (wer hat nicht schon fluchend nach einem Stativ-Adapter gesucht?).

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Außerdem mit dabei: Ein mit drei Metern extra-langes USB-Kabel (ein weiteres nettes Detail), ein 50-seitiges (englischsprachiges) Heftchen im Zigarettenschachtel-Format mit dem Aufdruck „User Manual“ und eine gut bebilderte Schnellstart-Anleitung.

Zylia ZM-1 angeschaut: Was ist das denn?

Die schwarze Kugel (ca. 10 cm Durchmesser und rund 500 Gramm schwer) macht neugierig – und Außenstehende ratlos. „Was ist das denn für ein Teil?“ war die am häufigsten gestellte Frage von neugierigen Musikerkollegen. Die Mutmaßungen reichten da vom fast naheliegenden Kugellautsprecher bis hin zum „Luftbefeuchter“.

Auf der Kugel verteilt sind die 19 Mikrofonkapseln (Digital-Mikros, MEMS-Technologie, omni-directional) – zehn auf der oberen Hälfte, neun auf der unteren. Geschützt werden die durch unterschiedlich geformte (und auch unterschiedlich große) Schaumstoffabdeckungen. Wobei „geschützt“ vielleicht der falsche Ausdruck ist: Streicht man vorsichtig darüber, ertastet man in der Mitte eine kreisrunde Öffnung – geradezu prädestiniert für kleine Kinder mit Forscherdrang und einem spitzen Bleistift. (Und wer hier anmerkt, dass das ja wohl übertrieben sei, hat vermutlich keine Kinder; mein Sohn hatte früher die Angewohnheit, Butterkekse in Diskettenlaufwerke zu schieben. Aber das nur nebenbei).

Eine Ordnung in der „An-ordnung“ ist nicht zu erkennen. Und das ist auch so beabsichtigt, da die Qualität der Aufnahmen bei symmetrischer Anordnung der Mikrofonkapseln bei der hier verwendeten Technik („Beamforming“ – dazu gleich mehr) geringer ist als bei einer wahllosen Verteilung.

Der vertiefte Ring in der Mitte ähnelt zwar auf den ersten Blick einem Gewinde und lässt vermuten, dass man da die Kugel öffnen könne, doch ist das ein LED-Ring. Der leuchtet weiß, wenn das ZM-1 mit dem Rechner verbunden ist, blau, wenn ZM-1 von der Software erkannt wurde und rot, wenn das Kugelmikro aufnahmebereit ist.

ZYLIA Portable Recording Studio Bild 1

Ring of Fire…

Angeschlossen an den Rechner wird das ZM-1 per USB; die dazugehörige Buchse liegt etwas versteckt neben der Stativbohrung. Beim Aufschrauben des Tischfußes  ist darauf zu achten, dass die USB-Buchse dabei nicht verdeckt wird. Was aber unproblematisch ist, sofern man nicht mit Gewalt versucht, das Gewinde zu überdrehen – ansonsten passt das nämlich ganz genau. Der Tischfuß hätte vielleicht auch zwei Zentimeter höher ausfallen können, da der Platz zwischen Buchse und Tischoberfläche doch relativ knapp ist – aber passt schon. (Gibt es eigentlich USB-Winkelstecker?).

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Etwas unglücklich ist, dass man zum Entfernen der USB-Verbindung den zwischen den metallenen Standbeinen des Tischfußes versenkten Stecker nicht zu fassen bekommt und daher am Kabel ziehen muss, was auf Dauer sicher nicht so gut ist. Ein kleiner roter Punkt schließlich verrät, wo „vorne“ ist. Ja ich weiß, „vorne“ auf einem Kugelmikro? Erklärung folgt.

ZYLIA Portable Recording Studio Bild 2

Das ZL-1 kann auch auf ein Stativ geschraubt werden

Die Software: Installation, Registrierung und etwas Geheimdienstarbeit

Die dazugehörige Aufnahmesoftware, das „ZYLIA Studio“, muss von der Website des Herstellers heruntergeladen werden – nachdem man sich registriert und die Seriennummer des ZM-1 eingegeben hat. Beim Testmuster befand die sich als winziger Aufkleber an der Innenseite im Knick eines der Standfüße und konnte nur mit Hilfe der Smartphone-Kamera entziffert werden – James Bond lässt grüßen. Die polnischen Entwickler versicherten aber auf Nachfrage, dass besagter Aufkleber bei den Verkaufsexemplaren deutlich größer ausfallen würde.

Anschließend werden dann Treiber und Software heruntergeladen. Schön ist, dass besagte Software auch ohne Eingabe des Lizenzschlüssels 30 Tage getestet werden kann. Neben dem Treiber und dem ZYLIA Studio gehören auch noch das „ZYLIA Studio Pro“ (das erstaunlicherweise nicht die Pro-Version des ZYLIA Studios ist, sondern dessen Plugin-Version für AU und VST2/VST 3) sowie den ZYLIA Ambisonics Converter und das ZYLIA Ambisonics Converter Plugin zum Download-Paket des hier getesteten „ZYLIA Pro Sets“. Im preiswerteren Standardset fehlen Konverter und Plugin. Mit dem Converter Plugin werden die ZM-1 Multichannel-Aufnahmen in „High Order Ambisonics“ (HOA) umgewandelt für 3D-Recordings für Facebook 360 und YouTube 360-Plattformen. Studio und Converter gibt es für Mac OS X, Windows 7/10  und Linux (nur 64 Bit!), die Plugins derzeit nur für Mac und Windows.

ZYLIA Portable Recording Studio Bild 5

Das Plug-in ZYLIA Studio Pro

Intermezzo: Die Technik dahinter. Oder da drin

Eine komplette Band mit nur einem Mikro und das in guter Qualität? Wie soll das denn gehen? Nun, die dabei verwendete Technik ist zum Teil a) schon etwas älter und wird b) unter anderem auch beim Militär und im WLAN verwendet, wurde aber von Zylia neu gedacht und mit anderen Technologien kombiniert.

„The technology behind ‘extraction of sound sources’ is a technique developed by our internal R&D department. We use a combination of spatial filtering (beamforming) and blind sound source separation.“ – verrät uns das Handbuch.

“Beamforming” ist ein Verfahren zur Positionsbestimmung von Quellen in Wellenfeldern, wie zum Beispiel Schallfeldern, das zum Beispiel in der Fahrzeugentwicklung eingesetzt wird, um aus einem Wust von Geräuschen (Motor, Klappern von Teilen, Quietschen etc.) die einzelnen Quellen zu lokalisieren und ggf. auszuschalten. Dabei werden Mikrofon-Arrays genutzt, um aus den Zeitverzögerungen, mit denen die einzelnen akustischen Ereignisse auf die unterschiedlich positionierten Mikrofone treffen, die Richtung der Geräuschquelle zu orten. Außerdem wird Beamforming auch zur Verbesserung der Klangqualität und des Stereo-Effekts von Notebooks und Tablets eingesetzt; hier werden dann aber keine Mikro-, sondern Lautsprecher-Arrays eingesetzt, um dem Höreindruck eine gewisse Räumlichkeit zu verleihen. Und schließlich kommt Beamforming auch beim WLAN-Standard 802.11ac vor, wo das Funksignal durch Verwendung mehrerer gezielt ausgerichteter Antennen verstärkt wird.

Dieses Beamforming wird bei ZYLIA nun mit der „blind sound source separation“-Technik kombiniert, auch als „Blind Signal Separation“ (BSS) bekannt. „Blind“, weil die Trennung der gemischten Signale geschieht, ohne Informationen (oder kaum Informationen) vom Ursprungssignal oder dem Mix zu haben. Das kennen wir zum Beispiel bei Plugins, die den Gesang aus einem Mix subtrahieren. Oder aus Agentenfilmen, wo aus dem Stimmengewirr einer Party plötzlich wie von Zauberhand nur noch die des Oberschurken zu hören ist. Wobei der ausführende Agentenhelfer entweder ein Nerd oder jemand in einem weißen Kittel ist und auf seinem Bildschirm immer eine Wellenform abgebildet ist – für den Laien der Inbegriff hochwissenschaftlicher akustischer Vorgänge.

ZYLIA Portable Recording Studio Bild 8

Der ZYLIA Ambisonics Converter wandelt die Tracks in 3D-Sound

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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    iggy_pop AHU

    Ich bin mir nicht sicher, ob Mikrophone diesen Formates wirklich ein einigermaßen hochauflösendes und vor allem ausgewogenes Klangbild mit klar definierter Ortungsschärfe zu liefern vermögen, vor allem, wenn die Signalquellen nicht in unmittelbarer Nähe zum Mikrophon aufgestellt sind.
    .
    Die Bedienoberfläche der Software erinnert mich irgendwie an diese uralte Software, mit der man LPs digitalisieren, entrauschen und entknacken konnte. Wie hieß sie noch? Wenn die Resultate des Mikrophons genauso professionell zu überzeugen wissen, kann ja nichts in die Hose gehen…
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    Ein Gimmick für die Generation, die Smartphones für die Antwort auf alle Fragen hält und glaubt, daß MP3 super klingt
    .

  2. Profilbild
    Franz Walsch AHU

    Ja es gibt USB-Winkelstecker! Einfach den Begriff beim großen »A« in die Suchmaske eingeben.
    Ist das Mikrofon mit der Software gedongelt? Kann die Aufnahme auch in anderen Programmen bearbeitet werden?
    Ambisonic ist ein freies Audioobjekte-Format und die Software zu großen Teilen Freeware.
    Der Bauform des Mikrofons (das gilt auch für das Sennheiser Ambeo,
    RØDE – NT-SF1 etc.) ist ein Apfelsinen großer Sweetspot geschuldet.
    Für Facebook Audio gibt es die kostenlose »Facebook FB360-SpatialWorkstation« zur Bearbeitung des Ambisonic-Formates.
    Mir scheint der »ZOOM H3-VR Ambisonic Recorder« das bessere und flexiblere Gesamtpaket zu einen moderateren Preis zu sein.
    Wer mehr zu dem Format wissen will, findet Vorträge zum Ambisonic-Format auf der Seite des «Schoeps« Kanals bei »YT«.

  3. Profilbild
    Ohrenmann

    Ich weiß das der Artikel recht alt ist, aber ich musste beim lesen jetzt doch noch mal was zu dem Artikel sagen .. „ein Kind mit Bleistift kann in die Löcher die Mikrofone beschädigen“ … da drängt sich der Verdacht auf , das der Autor von MEMS Mikrofonen keine Ahnung hat… ich kenne diese nur als kleine eckige , fast völlig geschlossene „Würfel“ die einen Schlitz haben , durch die Luft eindringt und im inneren eine Membran bewegt … da müsste das Kind schon gezielt mit einem Schraubenzieher unter die Bausteine Hebeln um die kaputt zu kriegen, die Polster dienen nicht als Schutz sondern haben natürlich akustische Funktion, untere Hälfte anderes, da diese Seite mit den direkten reflektionen der Oberfläche auf dem das Mikro steht, fertig werden müssen..

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