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Test: AMS Neve 8801, Channelstrip

Kleines Stück vom großen Glück

18. Februar 2019
AMS Neve 8801 VSB

AMS Neve 8801

Auf einer echten Neve Konsole Musik zu produzieren, bleibt für die meisten von uns ein ewiger Traum, dem man allerdings durch den Gegenstand dieses Testberichtes, dem AMS Neve 8801, auch als Normalsterblicher ein entscheidendes Stück näher kommen kann.

Der aus einem transistorisierten Vorverstärker (mit Übertrager), Dynamiksektion und Equalizer bestehende Kanalzug entstammt, wie der Name schon sagt, dem Neve 88RS (von dem im Testbericht über das lizenzierte UAD-Plugin einiges zu erfahren ist) und bietet neben dem Namen, mit dem sich jeder Musikproduzent in seiner Equipmentliste gerne schmückt, eine beeindruckend hohe Anzahl an Features.

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AMS Neve 8801: Lieferumfang und Verarbeitung

Mit einer Höheneinheit im 19″-Format begnügt sich der 21 cm tiefe, aus gebürstetem Metall konstruierte und im Stammwerk in Burnley (UK) handverlötete Testkandidat. Das ist bemerkenswert, weil sich auf der dunkelblauen Frontplatte neben der Eingangsbuchse im XLR/Klinkenkombiformat nicht weniger als 21 Drehknöpfe und 10 beleuchtete Drucktaster neben einigen mehrteiligen LED-Aussteuerungsanzeigen tummeln! Beim Arbeiten mit dem Gerät sind also spitze Finger gefragt, wobei durch die versetzte zweireihige Anordnung der Bedienelemente alles gut zu erreichen und bedienen ist.

Neben dem Kanalzug wird eine CD mit Anleitung und Software sowie ein recht mächtiges und schweres externes 36 Volt Netzteil mitgeliefert.

Gibt es das Budget her, lassen sich bis zu 16 Kanalzüge miteinander verbinden und dann durch den passenden Summierer (AMS Neve 8816) samt Faderpack (8804) zusammenfügen, was den eingangs erwähnten Traum für kleine bis mittlere Tonstudios erreichbar erscheinen lässt. Die Equalizer-Sektion samt Filterabteilung ist auch separat in einer Stereoausführung unter der Bezeichnung 8803 erhältlich.

AMS Neve 8801: Funktionen & Features

Ein Druck auf das Gain-Poti wählt die Quelle des Eingangssignals zwischen Line, DI und Mikrofon, wobei korrespondierend das entsprechende Kontrolllämpchen aufleuchtet. Das vierte Lämpchen mit der Beschriftung „Digi“ ist nur wählbar, wenn die optionale digitale Wandlerkarte (8801 ADC Board) eingebaut ist, was beim Testgerät nicht der Fall ist. Die maximale Verstärkung beträgt 24 dB für Line und DI-Signale sowie 70 dB für Mikrofone. Drei Druckknöpfe stehen für die Pegelabsenkung um 20 dB (Pad), Phasenumkehr und Phantomspeisung zur Verfügung.

ams neve 8801

Auch stehen der Input-Sektion zwei durchstimmbare Filter, die per Taster in den Sidechain der Dynamiksektion zugewiesen und aus dem Signalweg entfernt werden können, zur Verfügung. Die Flankensteilheit beträgt 12 dB pro Oktave und die Frequenzbereiche reichen von 30-300 Hz für den Highpass und 1,5 – 18 kHz beim Lowpass. Auch hier aktiviert ein Druck auf das Frequenzpoti die Funktion, eine rote Leuchte sorgt für die Kontrolle derselben.

Wandert der Blick weiter nach rechts, fällt er auf die aus Limiter/Kompressor und Expander/Gate bestehenden Dynamiksektion. Leider sind die beiden Funktionen nur gemeinsam schaltbar, möchte man nur eine der beiden nutzen, muss man das nicht benötigte Modul entsprechend einstellen, also beispielsweise die Range des Expander/Gate auf 0 dB.

Der Limiter/Kompressor lässt sich mit „Gain Makeup“, „Threshold“, „Ratio“ und „Release“ stufenlos regeln, schaltbar sind zusätzlich die Funktionen „Hard Knee“, „Fast Attack“, „Auto Release“ und „Link“. Letztere Funktion erlaubt das Koppeln mehrerer 8801-Kompressoren, um beispielsweise ein Stereosignal zu bearbeiten. Die Attack-Zeit kann zusätzlich im Inneren des Gerätes mit dem Umsetzten von Jumpern variiert werden. Ein fünfteiliges, rotes LED-Segment gibt Auskunft über die Gain-Reduktion des Kompressors.

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Auch die Expander/Gate-Abteilung knausert nicht mit Möglichkeiten: Hier gibt es ebenfalls 4 stufenlos regelbare Parameter wie „Hysteresis“, „Threshold“, „Range“ und „Release“, aber auch schaltbare Funktionen. Per Druck auf die Parameterpotis lässt sich das Modul in den Expandermodus versetzen, die Attack-Zeit zwischen zwei Werten umschalten, dem Sidechain ein externes Keysignal zuführen und mit der „Invert“-Funktion einen Ducking-Modus aktivieren.

Die Gain-Reduktion des Gates wird durch eine fünfteilige grüne LED-Kette angezeigt.

Mittig im Gerät sitzt eine aus 4 Drucktastern bestehende Sektion, die AMS Neve als „Audio Router“ bezeichnet. Dynamiksektion, Equalizer und ein Insert-Weg können hier einzeln aktiviert und deren Reihenfolge frei gewählt werden. Das zuletzt gewählte Routing bleibt gespeichert, auch wenn das Gerät zwischendurch ausgeschaltet wird.

Sagenumwoben sind seit jeher insbesondere die Equalizer aus dem Hause Neve, der Kanalzug bietet hier einen typischen Pult-Equalizer mit zwei vollparametrischen Mitten (120 Hz bis 2 kHz und 0,8 bis 9 kHz) und durchstimmbaren und zwischen Glocken- oder-Kuhschwanzcharakteristik umschaltbaren Filtern für Höhen (1,5 bis 18 kHz) und Bässe (33 bis 440 Hz). Die beiden letztgenannten Bänder können zwischen zwei Q-Werten umgeschaltet werden, sofern die Filtercharakteristik auf  „Peak“ (Glocke) geschaltet ist.

ams neve 8801

Die Output-Sektion besteht aus dem Gain-Regler, der auf den symmetrischen Line-Output und den Kopfhörerausgang, die beide auf der Rückseite montiert sind, gleichermaßen wirkt. Der Pegel des Kopfhörerausgangs kann bei Bedarf auch wieder mit dem Versetzen eines internen Jumpers um 6 dB abgesenkt werden.

Gut funktionierendes Metering bietet hier die 7-teilige, dreifarbige LED-Anzeige, die wahlweise den Pegel des Ausgangs oder des gewählten Eingangs darstellt. Der Vollständigkeit halber sei noch ein weiterer Drucktaster mit diversen LEDs erwähnt, der wiederum nur bei montierter Digitaloption relevant ist. Darüber hinaus gibt es für jede Sektion (Input, Dynamics, Insert, EQ) eine Übersteuerungsanzeige in Form eines rot aufleuchtenden Drucktasters, sodass man das Gainstaging innerhalb des Gerätes jederzeit im Blick behält.

Anschlüsse auf der Rückseite des AMS Neve 8801

Zunächst der erwähnte Klinkenausgang für einen Kopfhörer, gefolgt von dem Line-Ausgang, der ebenfalls wie der Insert-Weg mit Send und Return in XLR ausgeführt ist. Der Instrumenteneingang wiederum ist natürlich eine Klinkenbuchse, darunter befindet sich dann ein SUB-D Anschluss, der Trägersignale für den Sidechain und Linksignale senden und empfangen kann. Obschon bereits in der Front vorhanden, gibt es einen Mikrofoneingang in XLR-Ausführung und einen Comboeingang für Line-Signale. Ein USB-Anschluss verbindet das analoge Outboard mit einem Rechner, wo das Routing und weitere Einstellungen gespeichert werden können (siehe unten). Ein kleiner Schiebeschalter trennt bei Bedarf die Erdung vom Gehäuse, während der letzte Anschluss für das externe Netzteil vorgesehen ist.

ams neve 8801

Auf der Rückseite des AMS Neve 8801 befindet sich ganz links ein Fach für die optionale Digitalkarte, daneben jede Menge Anschlüsse

AMS Neve 8801: Neve Recall Software

Boah, das war nervig! Nach mehreren misslungenen Versuchen, die Neve Recall Software auf meinem Macbook Pro mit High Sierra zu installieren, ist es mir dann nach dem Studium einschlägiger Internetforen dann doch gelungen … Leider ist der bei mir (und offenbar vielen anderen Usern) dann schließlich funktionierende Installationsprozess, der doch deutlich vom Standard abweicht, nirgends auf der Website von AMS Neve dokumentiert. Und wenn die Software dann installiert ist, funktioniert sie noch lange nicht: USB Kabel verbinden, 8801 einschalten, Rechner hochfahren, USB Kabel abziehen, Software starten, wieder dranstecken, dann funktioniert es.

Und das dann auch eher leidlich: Die Software reagiert träge und zickig, Multitasking funktioniert nicht so richtig (Das Foto musste ich tatsächlich mit einem „externen“ Fotoapparat machen, Bildschirmfoto ist nicht möglich …).

Die Idee an sich ist aber nicht schlecht: Man kann den Gerätezustand mit allen Einstellungen speichern, beim Aufrufen wird das Audiorouting (die Reihenfolge von EQ und Dynamiksektion) direkt ins Gerät geladen und die einzelnen Reglerpositionen mit einem roten Punkt angezeigt. Bewegt man dann einen Regler, wird er so lange groß und farbig angezeigt, bis der gespeicherte Wert erreicht ist. So kann man Einstellungen wieder herstellen.

AMS Neve darf hier gerne mal nachbessern und GUI und Performance an heutige Standards angleichen, so wie sich das aktuell darstellt, ist das eher kein Kaufargument.

AMS Neve 8801 Neve Recall

Könnte ein Update gut vertragen: Die Neve Recall-Software

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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    costello RED

    Vielen Dank für den aufschlussreichen Test: Endlich ist die Lücke 8801 geschlossen :-) Die „nur“ gute Bewertung scheint, wenn ich den Test richtig gelesen habe, nicht den klanglichen Eigenschaften geschuldet, sondern der veralteten Software (womit ich leben kann) und der vollgestopften Frontseite, die die Bedienung etwas fummelig macht. Gemessen am Shelford Channel und den API’s ist der 8801 ja fast noch als günstig zu bewerten. Vielleicht wird er eines Tages mal mein Tascam Model 24 ergänzen, als edle Verstärkung für Gesang und akustische Instrumente.

  2. Profilbild
    Christian Spohn RED

    Ja, hast du so richtig verstanden… Die Software nervt enorm, vor allem bei der Installation. Jeder, der schon mal 60plus Minuten vor dem Rechner verbracht hat nur um erfolglose Installationsversuche zu zählen, kennt diese Mischung aus Zorn und Hilflosigkeit… Dabei ist es am Ende kein Problem, wenn man die richtige Methode anwendet.
    Es wäre auch kein Problem, diese auf der Produktseite zu dokumentieren und für jedermann zugänglich zu machen, ohne stundenlanges Wühlen durch irgendwelche Userforen. Passiert bloß nicht, warum auch immer. Sowas muss dann, finde ich, in die Bewertung des eigentlich sehr guten Produktes einfließen.

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