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Test: Heil Sound PR30, PR35, PR40, Tauchspulenmikrofone

Neuer Heilsbringer für die Gitarrenfront?

23. März 2019
heil sound pr30 pr35 pr40

Heil Sound PR30, PR35, PR40

Für Tontechniker, die sich auf die Aufnahme von Gitarren spezialisiert haben, ist es ein alter Hut, bei den Verfechtern anderer Instrumentengruppen sorgt der bisweilen an Fanatismus grenzende Aufwand bei Gitarrenaufnahmen teilweise nur noch für verwunderte Blicke und ratloses Kopfschütteln. Warum dieser Affenzirkus, der sich nur schwer mit rationalen Argumenten erklären lässt? Nun, der Fachmann weiß es längst, kein Einzelinstrument ist so komplex in der Tonformung wie eine verzerrte E-Gitarre.

Wer echte Gitarren mit echten Verstärkern, echten Lautsprechern und echten Mikrofonen aufnehmen will, legt während einer Session gerne einmal Kilometer zwischen Regie und Aufnahmeraum zurück oder aber hält ständigen Funkkontakt zum Azubi, der die Mikrofone schiebt. Schon 5 mm verändern den Klang brachial, so dass sich die klanglichen Möglichkeiten ins Unermessliche steigern lassen. In diesem Bereich hat sich in vergleichsweise kurzer Zeit ein neuer Name, der amerikanische Hersteller Heil Sound, etabliert. Dieser schickt sich an, die ewige Vorherrschaft des schmalen Protagonisten mit den 2 Buchstaben und den 2 Zahlen zu relativieren.

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Heil Sound im Studio

Heil Sound im Studio

Dynamisch, Kondenser oder was?

Ich wage die These, dass ohne die Aufnahme von verzerrten Gitarren das Shure SM57 , wenngleich es natürlich auch bis zum heutigen Tag ein Snare Klassiker ist, wahrscheinlich schon vor einer Ewigkeit aus dem Programm genommen worden wäre. Oder zumindest nicht weiterhin preislich stramm über der 100,- Euro Marke liegen würde. Stattdessen ist das mit dem charakteristischen hohlen „Mittennöck“ ausgestattete dynamische Mikrofon DAS Gitarrenmikrofon schlechthin und millionenfach auf allen Bühnen und Studios dieser Welt zu Hause.

Natürlich gibt es mannigfaltige Möglichkeiten, Gitarren abzunehmen, selbst aufwändige Röhrenmikrofon-Lösungen werden von einigen Künstlern favorisiert, aber wenn es um den Standard weltweit geht, hat es bis zum heutigen Tag kein Hersteller geschafft, dem größten Umsatzbringer von Shure wirtschaftlich das Wasser zu reichen. So mutet es schon verdächtig an, dass der Hersteller Heil Sound – oder kurz Heil genannt – in den letzten Monaten immer wieder in einem Atemzug mit dem Protagonisten erwähnt wird.

Ich selber wurde erstmals auf die Firma Anfang des Jahres aufmerksam, als der FOH Peter De Wint meiner Band GRAVE DIGGER, auf unserer Europa-Tournee darauf bestand, seine eigenen Mikrofone mitzunehmen und mir die Modelle PR30 und PR31 für die Live-Abnahme der Gitarre nahelegte. Um mir ein besseres Bild auch im Studio machen zu können, liegen nun die Modelle Heil Sound PR30, PR35 und PR40 zum Test vor. Dieser Test beschäftigt sich ausschließlich mit der Abnahme von Gitarren, primär im Bereich Crunch bis High-Gain, da hier die klanglichen Unterschiede aufgrund des extrem hohen Obertonanteils sehr massiv ausfallen.

Der Aufbau der Mikrofone Heil Sound PR30, PR35 und PR40

Heil Sound PR30

Wie auch bei dem PR40 gilt es zunächst bei dem PR30, eine optische Irreführung aufzuklären. Auch wenn man das Mikro bzgl. der Optik schnell mit einem Großmembran-Kondensatormikrofon verwechseln kann, wird das Heil Sound PR30 bzw. PR40 nicht seitlich, sondern axial besprochen. Sich dessen bewusst, hat der Hersteller, einer typisch amerikanischen Bedienungsanleitung gleich, an wirklich jeder nur erdenklichen Stelle einen Warnhinweis platziert. Das Champagner-farbene Mikrofon (auch mit dem Anhang B in Schwarz erhältlich) hat eine Nierencharakteristik und wiegt trotz der massiven Aufmachung gerade einmal knapp 250 Gramm, was auch die Fixierung an einem lang gespannten Galgen ohne massives Quetschen der Schraubfixierung ermöglicht.

Heil Sound PR-30

Der Frequenzgang der Kapsel liegt laut Hersteller bei 40 Hz – 18 kHz, wobei der Frequenzgang vergleichsweise linear ausgeführt ist. Lediglich eine dezente Überbetonung bei 80 Hz und ein kräftiger Boost von 10 dB bei 4 kHz verbiegen die Kurve ein wenig, wobei gerade die Betonung im Höhenbereich bei Gitarrenaufnahmen einen nicht zu unterschätzenden Vorteil darstellt. Wie bei nahezu allen Tauchspulenmikrofonen gestaltet sich auch das Heil Sound PR30 sehr hart im Nehmen, wenn es um Schalldruck geht. In diesem Fall sind es 146 dB SPL.

In Sachen Zubehör bietet der Hersteller leider nur das absolute Minimum, will heißen, eine Mikrofonklemme, die zusammen mit dem Mikrofon in Schaumstoff gepackt in einer Pappschachtel daher kommt. Für ein Mikrofon mit einem Ladenpreis von 339,- Euro ein Armutszeugnis.

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Heil Sound PR30 Aufsicht

Heil Sound PR30 Aufsicht

Heil Sound PR40

Optisch auf den ersten Blick recht nahe am PR30 gelegen, kommt das Heil Sound PR40 mit einer anderen Kapsel daher, die allerdings wie auch das PR30 über eine vergleichsweise große Membran und daher für ein dynamisches Mikrofon über eine große Empfindlichkeit verfügt. Der Frequenzgang geht mit 28 Hz – 18 kHz noch einen Schlag tiefer, der maximale SPL mit 148 dB noch einen Ticken höher.

heil sound PR-40

Heil Sound PR-40

Der 4 kHz Boost des PR40 fehlt hier, dafür steigt eine leichte Höhenüberzeichnung von 1,5 kHz gleichmäßig bis auf ca. 5 kHz an, um dort bis ca. 10 kHz ebenfalls mit einem Boost von knapp 10 dB zu verbleiben. Eine interessante Kurve, ich bin gespannt, wie sich dies auf die Gitarrenwiedergabe auswirkt.

Heil Sound PR40 Verpackung

Heil Sound PR40 Verpackung

Heil Sound PR35

Im Gegensatz zu den Modellen PR30 und PR40 ist das Heil Sound PR35 als Handheld-Variante ausgelegt und liebäugelt mit der Gesangsübertragung als primäres Einsatzgebiet, was auch der optional mit einem Schraubendreher zu aktivierendes Hochpassfilter bei 80 Hz widerspiegelt. Allerdings verfügen viele Gesangsmikrofone über geradezu herausragende Klangeigenschaften bzgl. der Gitarrenabnahme, das SM58 sei nur als eins von vielen Beispielen genannt.

heil sound PR-35

Heil Sound PR-35

Auch das Heil Sound PR35 hat eine dezente Betonung zwischen 70 – 100 Hz, läuft dann allerdings nahezu linear bis 1,5 kHz durch und steigt nur sehr moderat um 2 dB bis kurz vor 5 kHz an und hat dort einen weiteren Peak von knapp 2 dB, um dann gleichmäßig bis 15 kHz wieder auf die Null-Linie abzufallen.

Heil Sound PR35 Zubehoer

Heil Sound PR35 Zubehör

Die Heil Sound Mikrofone PR30, PR35, PR40 in der Praxis

Wie bereits erwähnt, geht es im diesen Test „nur“ um verzerrte Gitarren, wobei selbst die 13 Soundfiles nur einen winzigen Teil der Klangvariationen wiedergeben können, die sich mit nur 3 Mikrofonen erzeugen lassen. Die Soundfiles wurden mit einem Celestion G12 65 12 Zoll Lautsprecher, Baujahr ca. 1981, in einer passenden 4×12 Marshall Box aufgenommen. Als Verstärker kamen 3 verschiedene Kanäle des Hughes&Kettner Triamp ohne jegliche Pedale zum Einsatz, als Gitarre eine Fame Forum IV Ironfinger. Die gesamte Verkabelung wurde mit Cordial Kabeln durchgeführt, als Pult kam ein Mackie 32-8-8 mit deaktivierter Klangregelung zum Einsatz.

Allein der Wechsel des Verstärkers, des Lautsprechers oder der Gitarre hätte die Klangvielfalt um ein Vielfaches erhöht, daher empfehle ich auf jeden Fall das jeweilige Mikrofon mit seinem persönlichen Setup zu testen. Allein das PR40 klang an einem 75 Watt Celestion Speaker katastrophal, mit der gleichen Einstellung / Amp / Gitarre an einem 12 Zoll Koch Speaker geradezu himmlisch.

Als Referenz wurde bei den ersten beiden Setups jeweils eine Spur mit dem SM57 als Referenz aufgenommen, gefolgt von den drei Protagonisten. Als Besonderheit habe ich dann noch jeweils 2 verschiedene Heil Mikrofone gemischt, was aufgrund bestimmter Phasenauslöschungen und Überbetonungen einige sehr interessante Sounds ergab.

Setup 1: Medium Crunch, Kanal 2A

Das Shure liefert den weltbekannten Vintage-Retro-Sound, wie man ihn kennt. Viele gepresste Hochmitten, wenig Bass, etwas Höhen und ein extrem hohes Durchsetzungsvermögen.

Das PR35 geht hier völlig anders zu Werke, mehr Mitten, weniger Hochmitten und der beschriebene Höhenboost erzeugen bei diesem Verzerrungsgrad ein sehr angenehmes Klangbild.

Die größere Membran des PR40 ermöglicht einen deutlich fokussierteren Tiefmittenanteil, wobei der Höhenanteil dennoch stark abgebildet wird. Zudem verfügt das Mikrofon über deutlich mehr Headroom, dadurch auch mehr Dynamik.

Das PR30 legt den Fokus am deutlichsten auf die typischen Gitarrenfrequenzen. Viele Mitten, dezent hohl, mit viel Punch und Druck.

Die Kombination zweier Mikrofone erzeugt einen dezenten Scoop-Sound, der je nach Abstufung hervorragend die Frequenzlöcher stopft, die je nach Arrangement frei werden. Klangliche Vielfalt? Nahezu unendlich.

Setup 2: Medium Crunch, Kanal 2B

Hier das Ganze mit deutlich mehr Verzerrung und einem anderen Kanal am Verstärker. Bestimmte Komponenten werden weiter ausgereizt, andere verschwinden komplett. Klanglich ein völlig neues Bild, obwohl nur der Kanal des Amps geändert wurde.

Setup 3: Medium Crunch, Kanal 3A

Dieses Soundfile wurde mit dem dritten Kanal 3B des Triamp an einem Koch 60 Watt 12 Zoll Speaker im passenden 4×12 Cabinet aufgenommen.

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Fazit

Nicht ohne Grund gilt Heil Sound als der aktuelle „heiße Scheiß“ in Sachen Gitarrenabnahme. Die Modelle PR30, PR35 und PR40 brillieren mit individuellen Stärken und eröffnen eine große Palette an klanglichen Möglichkeiten. Auch wenn der vergleichsweise hohe Preis den einen oder anderen abschrecken wird, man erhält einen hohen Gegenwert, was die Anschaffung allemal lohnt.

Plus

  • sehr guter Klang, insbesondere bei der Gitarrenabnahme
  • gute Verarbeitung

Minus

  • Preis

Preis

  • Ladenpreise:
  • Heil Sound PR30: 339,- Euro
  • Heil Sound PR35: 325, Euro
  • Heil Sound PR40: 439,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    Guernica

    Nun ja,
    das SM 57 ist keineswegs State Of The Art.
    Für live kommen da z.B. (und besser) das Beyerdynamics M201, Audix D2, Audio Technica ATM230 und unzählige andere in Frage.
    Heil baut ohne Frage aber auch wirklich gut klingende Mikrofone.
    Für live geht es auch nicht in Millimeter in der Mikrofonierung.
    Für Studio sei die automatische Steuerung von Peter Weihe ins Gedächtnis gerufen, das erspart den Azubi.
    Was oft vernachlässigt wird: Neben Abstand und Position zum Speaker ist auch die Winkelung ein Soundfaktor.

    • Profilbild
      Axel Ritt RED

      @Guernica @Guernica, natürlich gibt es auch bei der Gitarrenabnahme noch weitere Hersteller, welche ebenfalls, abhängig vom Verzerrungsgrad, einen guten bis sehr guten Gitarrensound generieren, aber bei allen Festivals-, Hallen- oder Clubshows, die ich weltweit spiele, gibt es nahezu immer nur das SM 57, was als Standard eingesetzt wird.

      Wer mit diesem Mikrofon klar kommt, kann weltweit spielen, oder er muss seine eigenen Mikrofone mitnehmen.

    • Profilbild
      Ashatur AHU

      @Guernica Dazu sind die Shure Mikrofone fast unzerstörbar dazu kommt deren ungewöhnliches Frequenzbild und dazu der Preis, da braucht man sich nicht wundern das sie der Standart schlechthin sind.

      • Profilbild
        Axel Ritt RED

        @Ashatur für High Gain nach wie vor mit die erste Wahl, wobei der Preis für den Klang eigentlich zu hoch ist, zumal die Heil Mikrofone je nach Amp/Lautsprecher Kombination das SM57 qualitativ und soundlich deutlich toppen.

        Aber der Sound ist so charakteristisch und etabliert, da wird sich an der Pole Position so schnell nichts ändern, wenn überhaupt jemals …

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