Die Gitarrentechnik par excellence!
Herzlich willkommen zum 2. Teil des Tapping-Workshops auf AMAZONA.de. Der 1. Teil hat sich ausschließlich mit den Möglichkeiten des „1-Finger-Tapping“ beschäftigt. Dabei wurden Arpeggien und Tonleitern durch Hinzufügen von getappten Noten erweitert bzw. variiert, wobei, wie bereits erwähnt, nur ein Finger der Schlaghand für das Tapping zuständig war. Dies gilt es nun zu erweitern – und zwar durch das Hinzufügen weiterer Tapping-Finger.
Wem das jetzt auf den ersten Blick „unheimlich“ vorkommt, sollte sich evtl. noch mal den 1. Teil dieses Workshops ansehen und die darin enthaltenen Übungen und Beispiele durchgehen. Dann sollte es mit Teil 2 keine Probleme geben.
Die verwendeten Notationszeichen sehen in diesem Workshop wie folgt aus:
P = Pull-off
H = Hammer-on
T = Tap (Anschlagshand)
Ⓣ = “Hammer-on from nowhere” (Greifhand)
Zusätzlich benutze ich noch folgende Bezeichnungen, um die Tapping-Finger der Schlaghand zu kennzeichnen:
i = Zeigefinger
m = Mittelfinger
a = Ringfinger
c = kleiner Finger
Steht also neben einer getappten Note (T) z.B. ein m, bedeutet das, dass dieser Ton mit dem Mittelfinger der Schlaghand getappt wird. Diese Bezeichnungen stammen von der klassischen Gitarre und dürften weithin bekannt sein.
Los geht es also!
Wie im 1. Teil möchte ich zunächst mit einer Vorübung beginnen, die dazu dient, die am Tapping beteiligten Finger zu trainieren. Diese Übung gleicht vom Prinzip der aus dem 1. Teil, nur werden jetzt alle 4 Finger der Schlaghand für das Tapping verwendet!
Mit dem Zeigefinger der Greifhand greift man im 5. Bund auf der e-Saite den Ton a. Nun tappt zunächst der Zeigefinger (i) der Schlaghand im 12. Bund auf der e-Saite und führt ein Pull-off zurück zum a aus – das wird dann dreimal wiederholt. Dasselbe macht man dann mit den übrigen Fingern der Schlaghand: mit dem Mittelfinger (m) im 13. Bund / mit dem Ringfinger (a) im 14. Bund / mit dem kleinen Finger (c) im 15. Bund. Hierbei soll – wie bei allen Übungen und Beispielen – auf rhythmische Genauigkeit und eine ausgewogene Dynamik geachtet werden. Diese Übung kann natürlich auf alle Saiten übertragen werden.
Das Ganze fühlt sich wahrscheinlich erstmal ungewohnt an und u.U. tappt man – vor allem mit dem kleinen Finger – erstmal ins Leere. Aber…nicht aufgeben! Je öfter und regelmäßiger man diese Übung macht, desto schneller kommen die Finger auf Zack:-)
Übung 1
Gitarre Workshop – Skalen-Tapping mit 2 Fingern
Im nächsten Beispiel werden zunächst abwechselnd der Zeige (i)- und Ringfinger (a) der Schlaghand zum Tappen verwendet. Die Finger der Greifhand wechseln dabei zwischen dem Ton c im 8. Bund und dem Ton a im 5. Bund auf der e-Saite.
Beispiel 1
Die nun folgenden Beispiele sind inspiriert von Jennifer Batten und Steve Lynch. Die beiden amerikanischen Musiker gelten als Pioniere des 4-Finger-Tapping.
ANMERKUNG: Einige werden jetzt evtl. fragen…“und was ist mit Stanley Jordan“? Nun, der ebenfalls aus den USA stammende Gitarrist wurde bzw. wird oft zur „Tapping-Liga“ gezählt und sorgt(e) bei seinen Performances regelmäßig für fassungsloses Staunen. Seine Art, Melodien, Akkorde und Bassfiguren miteinander zu verschmelzen um so den Eindruck zu erwecken, es würden mindestens drei Gitarristen gleichzeitig spielen, war bzw. ist einzigartig. Jordan selbst bezeichnet(e) diese Spielweise allerdings als „Touch Guitar“ und nicht als Tapping. Aufgrund seiner Klavierausbildung (er begann „erst“ mit 11 Jahren Gitarre zu spielen) sieht er den Gitarrenhals ähnlich wie eine Klaviertastatur – somit ist seine Herangehensweise anders.
Jennifer Batten wurde einem größeren Publikum als Gitarristin von Michael Jackson bekannt, den sie auf einigen Tourneen begleitete. Außerdem spielte/tourte sie mit Gitarrengott Jeff Beck.
Steve Lynch dürfte in unseren Gefilden (leider) weitgehend unbekannt sein. Er war Mitglied der Hardrockband „Autograph“, die in den USA Mitte/Ende der 80er für Furore sorgte. Sein Buch „The right touch“ erschien 1982 und dürfte eine der ersten Publikationen sein, die sich mit dem Thema Tapping auseinandersetzen.
Beispiel 2 ist ein typisches Tapping-Lick à la Batten/Lynch. Hierbei werden zwei Pentatonik-Skalen miteinander kombiniert, nämlich die A-moll- und E-moll-Pentatonik. Die Greifhand spielt den A-moll-Pentatonik Fingersatz in der V. Lage, die Schlaghand den E-moll-Pentatonik Fingersatz in der XII. Lage. Die Finger der Schlaghand „spiegeln“ quasi den Fingersatz der Greifhand.
Beispiel 2
Das folgende Beispiel ist ähnlich – allerdings werden hier zwei unterschiedliche Fingersätze der A-moll-Pentatonik kombiniert. Das erfordert eine höhere Konzentration, da beide Hände verschiedenartig agieren.
Beispiel 3
Beim nächsten Beispiel wird wieder die A-moll- und E-moll-Pentatonik kombiniert – dieses Lick stellt die aufsteigende Variante zu Beispiel 2 dar.
Beispiel 4
Steve Lynch entwickelte die typische „Van Halen-Triole“ in den frühen 80er Jahren weiter, indem er eine weitere getappte Note auf einer benachbarten Saite hinzufügte. Im folgenden Beispiel 5 entsteht daraus ein E-moll Arpeggio. Dabei spielt die Greifhand die Töne e und g auf der h-Saite, die Noten h und e‘ werden danach im 12. Bund auf der h- und e-Saite jeweils vom Zeige- und Mittelfinger der Schlaghand getappt.
Beispiel 5
Beispiel 6 zeigt die Anwendung dieses Konzepts über die Akkordfolge Am Em F und G. Es wird ausschließlich auf der d- und g-Saite gespielt.
Beispiel 6
Gitarre Workshop – Lineares Tapping mit mehreren Fingern
Bis jetzt hatten die meisten Übungen und Beispiele eins gemeinsam: getappte Töne wechselten sich immer mit einer von der Greifhand gegriffenen Note ab. In den folgenden Beispielen tappt die Schlaghand mehrere Töne hintereinander – das erfordert eine gute Koordination der Tapping-Finger.
In Beispiel 7 werden, wie in Beispiel 2, zwei Fingersätze der A-moll Pentatonik miteinander kombiniert. Dabei spielen die Finger der Greifhand jeweils die ersten beiden Töne auf jeder Saite, die der Schlaghand die beiden folgenden.
Beispiel 7
Auch diatonische Tonleitern können auf diese Art gespielt werden – in Beispiel 8 wird die A-moll Tonleiter quasi gleichmäßig auf beide Hände verteilt. Die Finger der Greifhand spielen die ersten drei Töne, die der Schlaghand die folgenden Töne drei auf jeder Saite. Dieses Beispiel ist ungleich schwieriger zu spielen als das vorherige, da nun eben drei Finger nacheinander tappen.
Beispiel 8
Bei Beispiel 9 werden die gespielten Töne genauso auf beide Hände verteilt wie in Beispiel 8 (3 Töne Greifhand / 3 Töne Schlaghand). Allerdings wird dieses Lick ausschließlich auf der e-Saite gespielt. Die verwandte Tonleiter ist ebenfalls die A-moll Skala.
Beispiel 9
Gitarre Workshop – Akkord-Tapping / Modern Approach
Natürlich kann die Tapping-Technik nicht nur solistisch genutzt werden. Auch für das Spielen von Akkorden und/oder Rhythmen eignet sich diese Technik hervorragend. So lassen sich beispielsweise Akkordvoicings realisieren, die auf der Gitarre eigentlich unspielbar wären.
Beispiel 10
Beispiel 11 zeigt eine Akkord-Tapping-Variante, die von Gitarristen wie Joe Satriani und Reb Beach (Winger) populär gemacht wurde. Hierbei werden die Töne eines E-moll Dreiklangs (Takt 1) und eines B-moll Dreiklangs (Takt 2) auf beide Hände verteilt. Das entstehende Ostinato hat einen etüdenhaften Charakter.
Beispiel 11
Tapping kann auch eine Inspirationsquelle für Riffs sein…Beispiel 12 zeigt eine bluesig-rockige Variante. Dabei ist die Greifhand für die ostinate Bassfigur zuständig – die Schlaghand tappt, unter Zuhilfenahme eines Slides, mit zwei Fingern passende Akkordtöne (Slide von c/f# zu c#/g; c# ist die Durterz von A – g die kleine Septime; zusammen ergibt das einen A7 Akkord).
Beispiel 12
Das letzte Beispiel dieses Workshops steht unter der Überschrift „Modern Approach“. Denn so oder so ähnlich wird Tapping mittlerweile angewandt: nicht mehr nur als Spieltechnik, die vorwiegend beim Solospiel eingesetzt wird, sondern als Grundlage oder Ingredienz von Riffs und Songs.
Beispiel 13
Ich hoffe, ich konnte Dir die Spieltechnik des „Tapping“ in diesem zweiteiligen Workshop näherbringen! Mir hat die Arbeit daran jedenfalls sehr viel Spaß gemacht.
In diesem Sinne,
„Keep on tapping“;-)
Danke für Deinen gut gemachten Workshop. Wollte das gerade meinem Sohn weiterreichen, finde aber den Link zum ersten Teil nicht… – Jetzt mithilfe von Google doch gefunden, aber dort funktioniert kein einziges Video (Youtube-Links defekt).
Könntet ihr das korrigieren? Danke und Gruss
@AQ Hi AQ, danke für Deinen Kommentar…ich habe das mit den nichtfunktionierenden Videolinks weitergeleitet:-)
@Thorsten Praest Die YouTube-Links in Teil 1 führen immer noch ins Leere, leider!
Sind sicher nicht hochgeladen…