Mächtige Waffe in Sci-Fi-Optik
Der Hype um die finnische Firma Darkglass hat mich in den letzten Jahren eher genervt, trotzdem muss ich gestehen, dass sich auch auf meinem Pedalboard ein B3K findet. Diskussionen um Hype und Preis hin oder her, objektiv muss man feststellen. dass Darkglass einfach gute Produkte anbietet, vor allem im Bereich der Bass-Verzerrer, die ja das Kerngeschäft sind. Als Nicht-Fanboy habe ich das Portfolio der Company aber weitgehend nicht auf dem Schirm gehabt und so war ich doch deutlich überrascht, als ich den „neuen Darkglass Alpha·Omega“ in einem riesigen Karton geliefert bekam. Ich hatte ja vor einigen Jahren ja bereits einen Alpha·Omega zum Test und das war ein stinknormales, sehr gutes, wenn auch etwas überladenes Zerrpedal. Wie groß kann man die Dinger denn bauen? Nun gut, auspacken hilft und im nächsten Moment hatte ich ein vollwertiges Bass-Topteil in der Hand, denn um ein solches handelt es sich beim Darkglass Alpha·Omega 900 LTD. Und das Ding ist auch noch rot und mit einem riesigen weißen Roboter bedruckt, was ist denn da los?
Aber der Reihe nach. Hätte man sich als guter Fachautor vorher mit der Materie beschäftigt, wüsste man, dass es den Darkglass Alpha·Omega 900 schon seit mehr als einem Jahr gibt und dass er bislang im ganz normalen blaugrauen Darkglass-Finish zu haben war. Es handelt sich dabei um einen Verstärker mit 900-Watt-Digitalendstufe und einer vollanalogen Transistorvorstufe, die die aus dem Alpha·Omega-Pedal bekannte Schaltung als Zerrkanal beinhaltet. Tatsächlich hat Darkglass einige so aufgebaute Amps im Angebot, der Microtubes 900 ist am Ende im Prinzip das Gleiche mit dem B7K. Interessantes Konzept, zweikanalige Bassverstärker sind eher selten, in der Regel werden Zerrsounds ja mit vorgeschalteten Pedalen erzeugt oder gleich ein Fender Bassman in die Zerre getrieben, wo dann aber der Clean-Kanal fehlt. Hier ist ein Darkglass-Zerrpedal direkt fest verbaut … braucht man so was? Vermutlich nicht wirklich, aber mal schauen, was der Darkglass Alpha·Omega 900 LTD noch alles kann, bislang war bei Darkglass ja schon vieles dabei, was zwar nicht zwingend notwendig, aber definitiv „nice to have“ war.
Warum jetzt aber dieser Roboter auf dem Amp? Nun, beim Darkglass Alpha·Omega 900 LTD „Centurion“ handelt es sich, wie die Buchstaben andeuten, um eine limitierte Edition. Darkglass bietet gerade verschiedene Produkte mit lasergeätzten Grafiken von Ignacio Bazan (angeblich wissen Computerspieler, wer das ist) an. Ansonsten ist der LTD mit dem „normalen“ Alpha·Omega 900 identisch, das optische Tuning schlägt mit lediglich 4,- Euro Aufpreis zu Buche – wenn man’s mag, kann man die durchaus investieren und die 1124,- Euro bezahlen, die für den Amp aufgerufen werden. Vergleichbare Class-D-Hybride gibt es auch deutlich günstiger, man darf aber auch nicht vergessen, dass der Darkglass Alpha·Omega erstens in Finnland und nicht in Fernost produziert wird und zweitens noch eben die Alpha·Omega-Schaltung an Bord hat, die als Pedal 313,- Euro kostet.
Darkglass Alpha·Omega – Facts & Features
Kurz die Rahmendaten, mit Abmessungen von 267 x 254 x 70 mm und einem Gewicht von 2,9 kg ist der Darkglass Alpha·Omega 900 kein Westentaschen-Amp, aber auch lange nicht so groß und schwer wie vollanaloge Transistortopteile vergleichbarer Leistung, von Röhrenverstärkern mal ganz zu schweigen. Die Schaltungen stecken in einem robusten und im Fall der LTD-Version aufwändig verzierten Metallgehäuse, allerdings gibt es keine Metallbügel oder Überstände, die die Drehknöpfe des Bedienfelds schützen. Das ist gerade, da kein Case mitgeliefert wird, erst mal nicht so gut, die beste Transportlösung die mir spontan einfällt wäre, das Styropor aus der (definitiv nobel und dekorativ wirkenden) Pappschachtel, in der der Amp geliefert wird, in einen kleinen Baumarkt-Metallkoffer zu setzen, da sitzt der Amp gut drin und ist geschützt.
Thema Bedienfeld und Drehknöpfe: Wie zu erwarten, ist da eine ganze Reihe von Reglern vorhanden, mit denen man den Sound bearbeiten kann. Neben Gain, Master, einem einzelnen Regler für den eingebauten Kompressor, Input und Output findet man einen Input-Pad für „aktive Bässe“ (mein passiver Preci brauchte den trotzdem) sowie einen Mute-Schalter. Ebenso wie der graphische Sechsband-EQ (Bass bei 80 Hz Kuhschwanz, Mitten bei 250, 500, 1,5 kHz und 3 kHz Glocke, Treble bei 5 kHz Kuhschwanz) wirken alle diese Optionen auf beide Kanäle. Den Zerrkanal aktiviert man über einen Schalter auf der Frontplatte oder den mitgelieferten Fußschalter (dazu später mehr) und hat dann zusätzlich die Einstelloptionen des Alpha·Omega-Verzerrers. Kurz rekapituliert, der besteht aus zwei Zerrschaltungen in einem, Alpha und Omega eben, zwischen denen stufenlos gemischt werden kann. Der Drive-Regler bestimmt den Zerrgrad, Level die Lautstärke des Zerrkanals (pre EQ), Blend den Anteil zwischen verzerrtem und trockenem Signal. Zusätzlich gibt es zwei Schalter für „Bite“ und „Growl“, die die hohen Mitten (2,8 kHz) für mehr Attack und die Bässe für nun mehr Low-End boosten. Durchaus sinnvoll, da der Zerrkanal ja keinen eigenen EQ hat.
Auf der Rückseite geht es munter weiter mit Optionen. Neben zwei Speakon-Klinke-Kombibuchsen (vorbildlich!) befindet sich ein Schalter zur Anpassung der Mindestimpedanz von 4 auf 2 Ohm. Das ist natürlich für den seltenen Fall, in dem man zwei ganze Fullstacks mit dem Alpha·Omega anblasen möchte, ungemein notwendig, hat aber tatsächlich einen deutlich sinnvolleren Nebeneffekt: Mit gedrücktem 2-Ohm-Schalter halbiert sich die Leistung an 4 oder 8 Ohm, was vor allem unterdimensionierte Boxen, die oft Teil von bei Konzerten gestellten Backlins sind, vor der doch beachtlichen Leistung des Darkglass Alpha·Omega 900 schützt. Keine schlechte Idee, sind doch zum Beispiel gerade charmant klingende ältere Ampeg-Boxen oft nur auf 300 Watt ausgelegt (ob man die wirklich kaputt bekommt, ist natürlich eine andere Frage, aber man weiß ja nie).
Weiter geht es mit einem von Werk ab leider nicht schaltbaren seriellen Effektweg, einem Miniklinke-Aux-In, einem in der Lautstärke separat regelbaren Kopfhöreranschluss 6,3 mm Klinke, einem USB-Anschluss und einer MIDI-Buchse. Mittels (nicht mitgeliefertem) MIDI-Fußschalter und über USB einstellbarem Routing kann man an dem Verstärker fast alle Schaltoptionen plus den Kompressor mit dem Fuß betätigen oder auch den Kompressorregler mit anderen Effekten belegen. Vor den anderen Parametern der analogen Vorstufe macht der digitale Wahn aber naturgemäß Halt. Mitgeliefert wird nur ein Fußschalter mit einem Schalter, der über ein simples Klinken-Instrumentenkabel mit dem auf der Rückseite befindlichen Anschluss verbunden werden kann. Das Ding schimpft sich Smart Switch, mein Schlagzeuger stellte die Theorie auf, dass der Schalter entweder selbst intelligent sein muss oder nur von intelligenten Menschen bedient werden kann. Beides war falsch, das Konzept ist denkbar dumm, aber gut: Normales Schalten aktiviert und deaktiviert den Zerrkanal, drückt man den Schalter aber für drei Sekunden oder länger, wird der Amp stummgeschaltet.
Das ist es aber noch nicht mit den Optionen, denn der Darkglass Alpha·Omega 900 hat zwei DI-Ausgänge auf der Rückseite. Der erste ist mit „Pre“ beschriftet und zieht das trockene Basssignal vor allen EQs und Effekten, am zweiten steht „Post“, und der bekommt natürlich das Signal hinter der gesamten Kette, sogar latenzkompensiert. Gerade für Recording ganz nett, man braucht keine zusätzliche DI, sondern bekommt trockenes und vom Amp gefärbtes Signal simultan geliefert. Zusätzlich kann man über einen kleinen Schalter das an Post-DI und Kopfhörern anliegende Signal mit drei verschiedenen Boxensimulationen beaufschlagen oder jene ganz deaktivieren. Auch das sehr praktisch, sowohl live als auch für Recording, gerade wenn man Zerrsounds benutzt, die doch von der Speaker-Charakteristik extrem beeinflusst werden. Man kann über USB auch jede beliebige Impulsantwort in einen der Slots legen, es spricht also auch nichts dagegen, den eigenen Stack zu mikrofonieren, zu messen und zum Beispiel dem Livemischer so auch in der Hitze des Gefechts ein perfektes Signal zu liefern.
Zwischenfazit
Features, wohin das Auge blickt und fast alle davon potentiell sehr sinnvoll – außer dem Zerrkanal, man hat halt ein Alpha·Omega-Pedal in den Amp gebaut und das war’s. Trotzdem, wenn der obendrein solide gebaute und gut verarbeitete Darkglass Alpha·Omega 900 jetzt noch klanglich überzeugt und die Optionen auch alle gut funktionieren, steht zu erwarten, dass man hier tatsächlich ein Basstopteil der Extraklasse vorfindet, für den auch der Preis von 1124,- Euro (bzw. 1120,- Euro für die normal lackierte Version) gerechtfertigt ist. Aber das darf das Gerät jetzt auch gleich im Praxistest unter Beweis stellen, die Erwartungen sind jedenfalls hoch.
Darkglass Alpha·Omega 900 LTD „Centurion“ – Praxistest
Klassischerweise schleppe ich einen Testamp erst mal mit zur Bandprobe, um mir einen Überblick zu verschaffen. Also ab an den Ampeg-Fullstack damit und los. Letzten Sonntag standen zunächst einige Stücke mit dem Fretless an, also stöpselte ich meinen bundlosen Sandberg California, passiv mit P-Tonabnehmer, an und hörte – meinen Bass. Trotz des natürlich charakteristischen Klangs der Ampeg-Boxen war es doch verblüffend, wie neutral der Darkglass Alpha·Omega 900 erst einmal agiert, bevor man anfängt, mit den Reglern zu spielen. Auch mein alter Neckthrough-Matsumoko-Preci von 1983, dessen Sound ich durch direktes Ins-Pult-Aufnehmen bei den letzten Studiosessions gut kenne, klang genau wie „er selbst“ und Gleiches gilt für den „normalen“ Preci, den ich für die gleich folgenden (Geduld!) Klangbeispiele verwendet habe.
Der Equalizer ist zwar auf sechs Bänder limitiert und nicht parametrierbar, die Frequenzen sind aber mit Bedacht gewählt und abgestimmt und man kann damit noch einiges an Klangformung vornehmen. Gleiches gilt für den Kompressor, der lässt sich zunächst zwar nur in der Kompressionsintensität regeln, ist aber ebenfalls für den Livebetrieb bereits von Werk sehr gut abgestimmt. Über den USB-Zugang kann man da aber auch, zumindest mit dem Laptop, relativ unkompliziert weitere Parameter anpassen.
Also, mal ein paar Klangbeispiele, alle über DI direkt ins Interface – ich will den Einfluss der Boxen da raushalten und der Leser muss mein Wort dafür akzeptieren, dass die Endstufe wirklich ziemlich neutral ist. Für Vorstufe und die eingebauten DI-Boxen kann ich das beweisen, hier die ersten drei Beispiele, einmal Bass trocken ins Interface, einmal DI pre und einmal Clean-Kanal neutral DI post:
Das klingt auf jeden Fall schon mal ganz gut, aber so klingt mein Bass halt, also habe ich mir direkt mit dem EQ und etwas Kompression einen etwas moderneren Sound gebaut.
Moment, was habe ich vergessen? Die Speaker-Simulation, die war bislang aus. Also alles zurück auf neutral und mal die drei verschiedenen Werksmodelle durchgeschaltet. Das erste etwas old school, das zweite deutlich moderner, das dritte wirklich Vintage, man hört den Unterschied sehr deutlich, und die Modelle sind auch noch ziemlich gut.
Mit den verschiedenen Boxensimulationen und den Einstellmöglichkeiten von EQ und Zerrvorstufe kann man sich jetzt nach Herzenslust Zerrsounds basteln. Die klingen zum Teil dann tatsächlich wie ein mikrofonierter Bassstack bzw. bei Auswahl der passenden Boxensimulation auch sehr stark wie das, was aus dem tatsächlichen Stack kommt. Deutlich besser als ein direkt ins Interface gespieltes Alpha·Omega-Pedal sowieso. (Bei einem der Beispiel habe ich noch ein EBS Stanley Clarke Wah benutzt, der Amp hat natürlich kein Auto-Wah oder sonstiges verbaut.)
Welchen Einfluss die Speaker-Simulation auf den Klang hat, lässt sich erahnen, wenn man den Sound mit Wah mal ohne die Simulation ins Interface jagt – das klingt nicht wirklich schön. So wenig schön, dass ich halb durch keine Lust mehr hatte weiterzuspielen.
Halten wir fest, der Clean-Kanal klingt sehr neutral und mit einem guten Instrument davor sehr gut, lässt sich mit dem gut abgestimmten EQ noch super anpassen, und die Zerrsounds klingen sowohl am Stack als auch direkt ins Board oder Interface dank der Speaker-Simulation grandios. Die ist überhaupt eins der sinnvollsten Features, die ich in letzter Zeit gesehen habe, das sollte neuer Industriestandard werden.
But wait, there’s more – der Amp ist natürlich drauf ausgelegt, mit der Zerrvorstufe zu harmonieren, was dazu führt, dass der Clean-Kanal auch mit anderen Verzerrern oder generell Effekten sehr gut funktioniert. Das ist durchaus nicht selbstverständlich, man höre.