Harley Benton Marquess - traditionell und modern zugleich!
Harley Benton – eine Erfolgsgeschichte ‚made in Germany‘. Seit 1997 produziert Thomann unter dem Label günstige Einsteigerinstrumente, welche die Welt der Gitarren und Bässe für jedermann erschwinglich machen sollen. Die etwas älteren Semester werden sich noch an die Anfangszeit erinnern. Damals galt es nur nach einer genauen Expertise, einen HB zu kaufen, da die Qualitätsstreuung doch recht groß war. In der Zwischenzeit hat sich vieles getan und das Niveau der Verarbeitung ist deutlich gestiegen. Zu Recht gehört Harley Benton heute zu beliebtesten Marken im Preisbereich bis 500,- Euro. Während man sich über viele Jahre damit zufrieden gegeben hat, die großen Klassiker nachzubauen, wagt man sich seit einiger Zeit an eigenständige Modelle. Der Marquess ist solch ein Design und seit geraumer Zeit als 4- oder 5-Saiter erhältlich. Grund genug, ihn mal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Harley Benton Marquess – Solide und gut!
Mit 299,- Euro für den 4-Saiter und 349,- Euro für die 5-saitige Variante gehört der Harley Benton Marquess zum mittleren Bereich der Einsteigermodelle. Gut geschützt durch Kartons kam der Bass zeitnah nach der Bestellung bei mir an. Nach dem Auspacken ein erster Check und die erhoffte Erleichterung. Trotz Versand ohne Gigbag ist das Instrument in einem tadellosen Zustand und bereit für weitere Inspektionen. Dabei fällt einem sofort die wertige Verarbeitung des Basses auf. Alles wirkt ordentlich und akkurat, nach Kanten, Dellen oder Lacknasen sucht man vergebens. Die 24 Bünde wurden sauber in das Griffbrett gesetzt und stehen auf keiner Seite über. Der Hals besteht aus Ahorn und zwei Streifen Padauk und wurde mit 5 Schrauben am Korpus befestigt. Dabei sitzt er makellos und bombenfest in der Halstasche ohne einen Spalt. Das Griffbrett besteht aus einer dicken Lage Amaranth, das wohl besser unter dem Namen Fuchsschwanz bekannt ist und eine dunkle Farbe besitzt, die an Ebenholz erinnert. Passend dazu ist der 40 mm breite Sattel aus Graphit ebenso in Schwarz gehalten.
Der Korpus wurde wiederum aus Sungkai gefertigt. Dieses im Instrumentenbau im Instrumentenbau neuartige Holz kommt aus Indonesien und gilt als besonders umweltfreundlich. Der Baumbestand zählt nicht zu den gefährdeten Arten und wächst dazu schnell wieder nach. Sunkai wird nachgesagt, dass es trotz seiner jungen Jahre eine mittlere Härte entwickelt und damit gut für den Gitarren- und Bassbau geeignet ist. Da es optisch aber nicht besonders spektakulär ist, hat man sich dazu entschieden, zusätzlich eine Decke aus Ahorn aufzuleimen, die mit ihrer Maserung durch die schwarze Lackierung hindurchscheint. Optisch macht das richtig was her und ist in Anbetracht der Preisklasse ein echte Kampfansage an die Konkurrenz. Über das Alter der Hölzer gibt der Hersteller keine Angaben. Bei dem günstigen Preis dürfte man keine allzu lange Lagerung erwarten. Da der klare Lack relativ dick aufgetragen wurde, sollte dies jedoch kein Problem sein.
Für die hellen Spots in der Optik sorgt die in Chrom gehaltene Hardware, die wie alle anderen Teile passgenau verbaut wurden. Die Pickups aus dem Hause G&B sind wieder komplett in Schwarz ausgeführt, die Polepieces sind unter Kappen versteckt. Zur Verfügung steht die klassische P/J- Bestückung, also ein typischer Precision Bass als Splitcoil und ein Jazz Bass Singlecoil am Steg. Dies dürften aber die einzigen wirklich traditionellen Elemente an dem Bass sein, denn die Elektronik wurde wiederum komplett aktiv gehalten. Die 4 Regler sind mit je einem Volume für den Pickup sowie einer 2-Band-Elektronik, bestehend aus Bässe und Höhen, belegt.
Low Budget Bassgitarre – Traditionell, ergonomisch und cool!
Wie fühlt sich der Marquess nun an? Trotz des ungewöhnlichen Designs und außergewöhnlichen Hölzern wirkt er erstaunlich traditionell. Der Body fügt sich im Stehen wie im Sitzen gut an den Körper an und ermöglicht ein problemloses Verwirklichen aller Spielpositionen. Sowohl Freunde der „Bass am Knie“ als auch die „Oberkante unter Hals“ Fraktion kommen hier zurecht, genauso wie alle anderen dazwischen. Kopflastigkeit ist nur minimal festzustellen und das auch nur mit einem schmalen Gurt. Wer den Neckdive von Fender Bässen gewohnt ist, wird keinerlei Ziehen in der Schulter spüren. Und überhaupt zum Thema Fender: Mit geschlossenen Augen fühlt und schwingt der Marquess genau wie ein Klassiker aus dem Hause Leo. Das Halsprofil bezeichnet Harley Benton als Modern C und liefert damit eine treffende Beschreibung. Rundung und Spielgefühl erinnern an einen Precision Bass, jedoch ist der Hals nicht ganz so fett, sondern eher etwas filigraner gehalten. Mir persönlich gefällt es gut, damit kann man schön arbeiten.
Ein kleines Manko bringt die Preisklasse dann leider doch mit sich, Stichwort Saitenlage! Grundsätzlich kam der Bass direkt spielfertig aus dem Karton und musste nicht mal groß nachgestimmt werden. Persönlich fand ich die Saitenlage jedoch etwas hoch, weswegen ich mich am nächsten Tag, nachdem das Instrument sich temperiert hat, mit Werkzeug an die Arbeit gemacht habe. Hier war dann leider nicht mehr viel herauszuholen, ab einem gewissen Punkt ging es nicht ohne Schnarren. Woran das liegen mag, kann ich so nicht beantworten. Da bei Instrumente dieser Kategorie vor allem am Finetuning gespart wird, wäre das ein erster Ansatzpunkt. Meiner Meinung nach kann ein guter Gitarrenbauer mit einer guten Abrichtung der Bünde da noch einiges herausholen, hier würde sich eine kleine Investition sicherlich lohnen. Allerdings gehöre ich auch zu den Spielern, die es gerne besonders tief mögen. Den meisten Bassisten sind mit der schnarrfrei machbaren Saitenlage des Marquess sicherlich mehr als zufrieden. Diese liegt bei meinem Modell im mittleren Bereich bei leichter Rundung im Hals. Für Fingerstyle und Plektrum also genau richtig, lediglich die Slapper müssen etwas mehr Schwung in dem Daumen bekommen.
Dem Spielspaß tut dies jedoch keinen Abbruch. Das Instrument fühlt sich gut am Körper an und schwingt richtig schön mit. Unplugged hört man einen gesunden Attack und eine leichte Betonung in den tiefen Mitten, dabei aber trotzdem eine insgesamt hellen Klangfarbe. Das Instrument ist leicht und resonant, spritzig und agil. Die tiefen Register haben einen schönen Growl, in den mittleren Lagen knurrt es anständig und die hohen Töne kommen klar und singend mit einer guten Portion Belcanto daher. Der Hals lässt sich in allen Lagen gut bespielen und die Greifhand kann mit verschiedenen Positionen arbeiten, auf die das Instrument auch entsprechend reagiert.
Harley Benton Marquess: Zurück in die Zukunft?!
Nach diesen positiven Eindrücken ging es voller Spannung an diverse Amps. Mein Test-Setup besteht aus 3 unterschiedlichen Settings:
- Einmal ein neutraler Studioklang, der Bass geht direkt über eine passive DI von Radial ins Line-In des Interface und wird über hochwertige Kopfhörer und In-Ears abgehört.
- Dann der AER Amp One, ein kraftvoller Transistor-Combo mit 10er-Speaker mit warmem und wenig färbendem Klang.
- Einem klassisches Röhren-Setup aus einem Fender Bassman sowie der passenden 2x12er-Box.
Da der Bass sich nur aktiv spielen lässt, sollte man grundsätzlich darauf achten, immer frische Batterien am Start zu haben. Den EQ habe ich zu Beginn flat gelassen und über die Volume-Regler die Pickups alleine angespielt. Diese klingen so, wie man es von ihnen erwartet. Der Preci am Neck bringt das typische Knarzen mit sich und dengelt schön in den Mitten. Mich erinnert er sofort ein wenig an den Seymour Duncan von Steve Harris. Der Bridge-Pickup nölt wiederum in bester Manier und kommt klanglich bekannterweise dünner daher. Hier lässt sich dann wunderbar mit dem Onboard-Preamp arbeiten, der angenehme Regelwege hat, die hörbar was am Sound verändern, ohne gleich zu intensiv einzugreifen. Ein klein wenig Boost in den Bässen für den Bridge-Pickup bringt sofort das nötige Fundament für einen durchsetzungsfähigen Sound, der für knackige Riffs und solistische Einlagen bestens geeignet ist. Beim Preci wiederum lohnt es sich, beherzt die Höhen herauszudrehen, um einen ordentlichen Motown- und Bluessound zu erzeugen – nicht authentisch, aber brauchbar. Mit neutralen Höhen und leicht angehobenen Bässen klingt der Preci wiederum richtig rockig und drückt ohne Ende, was besonders in Kombination mit einem Plektrum enormen Spaß macht.
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Klanglich würde ich das Korpusholz Sungkai am ehesten mit Erle vergleichen, vielleicht mit etwas dickeren Bässen, wie man sie von einem weichem Mahagoni her kennt. Um hier eine genauere Einschätzung zu geben, müsste ich aber mehrere Instrumente dieses Holzes miteinander vergleichen, wofür es leider noch keine Gelegenheit gab. Zusammen mit dem Griffbrett und der Elektronik funktioniert das Holz bei diesem Instrument sehr gut und liefert einen allgemeintauglichen Sound, irgendwo zwischen Vintage und Modern mit einer leichten Tendenz in das rockig-härtere Metier. Dies macht sich auch bei den Setups bemerkbar, die dem Grundklang ihren Stempel aufdrücken können. Entsprechend nüchtern klingt das unbearbeitete Signal der Aufnahmen. Ob man das mag, ist natürlich subjektiver Natur. Die einen möchten charakterstarke Instrumente mit hohem Wiedererkennungswert, andere haben lieber einen neutralen Sound und formen den mit Effekten, Amps und Boxen. Der Marquess gehört eindeutig eher ins zweite Lager, was ihn somit universell einsetzbar macht. Persönlich hat mir am besten die Kombination mit der Vollröhre gefallen. Dank des hohen Outputs kommt man schnell in die nötige Sättigung und den Sweetspot, um ein großes und rundes Signal zu bekommen. Aber auch mit einem nüchternen Transistorverstärker macht der Marquess eine gute Figur, besonders wenn man den Klang mit dem einen oder anderen Pedal pimpt. Wandelbarkeit und Durchsetzungskraft sind wohl die beiden stärksten Attribute dieses Basses.
Optisch auf jeden Fall was für mich – vor allem in Blue Stain ein Leckerchen wie ich finde :)
Kann man eine Einschätzung geben wie „Metal“ das Frollein ist? Ich bin kurz davor in eine lokale Black Metal Band einzusteigen und bin eh gerade auf der Suche nach einem bezahlbaren Arbeitsgerät. Natürlich lässt sich alles tonal verbiegen bis es passt – aber wenn der Grundsound schon satt genug ist, um so besser :)
@SkandinAlien Hi SkandinAlien,
vielen Dank für dein Feedback! :-)
Ich bin kein Speziallist für Metal, würde den Bass aber trotzdem als sehr brauchbar dafür einstufen. Der old-school Metal wurde ja u.a. auf Fenderbässen gespielt, sehr prominent ist Steve Harris von Iron Maiden. Wie im Artikel beschrieben geht der Marquess ein wenig die Richtung – und das ist bekanntlich nicht der schlechteste Sound!
Trotzdem würde ich das Instrument klanglich eher traditioneller einordnen. Im modernen Metal sind tendenziell härtere Bässe gefragt, daher vielleicht auch mal in Richtung Warwick oder Spector schauen? Die dürften etwas passender sein, kosten aber auch in ihren günstigen Serien etwas mehr…
Ich denke im Großen und Ganzen kannst du dem Marquess bedenkenlos eine Chance geben. Ich würde relativ schnell in einen Satz knackiger Steels investieren und mich nach einer guten Zerre umsehen, dann sollte einem amtlichen Metalsound nichts im Wege stehen.
Und nie vergessen: Sound kommt aus den Fingern oder vom Pick ;-))
Viele Grüße,
Sebastian Stolz