Wo fängt Low Budget an?
Knapp 1900€ soll man also parat haben, wenn man in den Genuß der „low budget“ Version der John Petrucci Majesty X kommen will. Ganz im Ernst, für den Preis bekommt man bei anderen Herstellern die Top Modelle der Kollektionen. Die Sterling Majesty X kostet aber dennoch nur ungefähr die Hälfte des Music Man Originals, was durch die Produktion in Indonesien ermöglicht wird. Sterling by Music Man ist also quasi die Squier oder die Epiphone der MusicMänner, so wie mittlerweile viele der großen Hersteller leistet sich auch Music Man eine eigene Low Budget Marke. Aber während man die Kopien der eben genannten Hersteller für 3-stellige Beträge erwerben kann, muss Sterling Ball schon gute Argumente liefern, wenn ein solcher Preis gerechtfertigt sein soll.
Sterling Majesty X – Facts & Features
Vergleicht man die hier getestete Sterling by Music Man Majesty X mit dem deutlich höherpreisigen Original, fällt zuerst die wesentlich weniger opulente Holzauswahl auf. Warten die Originale mit teilweise atemberaubenden Quilted Maple Decken auf, muss hier Riegelahorn herhalten, das allerdings zugegebenermaßen trotzdem einen nicht zu unterschätzenden Eyecatcher-Effekt hat. In durchsichtigem „Royal Red“ lackiert, wirkt das Instrument edel und wertig. Der Korpus selbst besteht aus Mahagoni, genauso wie der eingeleimte Hals. Die Verbindung der Hölzer ist perfekt gelungen, auch durch die durchsichtige Lackierung ist es nur unter günstigem Licht zu erkennen, wo Decke und Hals beginnen, und wo der Korpus aufhört. Der eben schon erwähnte Mahagoni Hals trägt ein Griffbrett aus Ebenholz und 24 perfekt abgerichtete Jumbo Bünde aus Edelstahl. Als Griffbretteinlagen dienen kleine Wappen, das Markenzeichen der John Petrucci Signature Gitarren. Die Saitenlage ab Werk ist mit „sportlich“ sehr gut umschrieben, viel flacher geht nicht. Der rückseitig lackierte Hals geht, stabilisiert mit Hilfe eines kleinen Holzkragens, über in die von Music Man Instrumenten bekannte, sehr kleine Kopfplatte, mit der charakteristischen 4/2 Bestückung der Tuner. Die Kopfplatte ist leicht abgewinkelt, die Saiten verlaufen also mit ordentlich Druck und schnurgerade über den 42mm breiten Sattel.
Die Mensur ist mit 648mm angegeben, also sind wir da eher Fenderlastig unterwegs. Am anderen Ende zieht, mit Unterstützung dreier Federn, ein freischwebend aufgehängtes, auf zwei Bolzen gelagertes Sterling Vibratosystem an den Saiten. Nach hinten abfallend tiefer (und etwas unsauber) unterfräst, lässt es Upbendings bis zu 5 Halbtönen zu, ohne dass die Saiten auf dem Griffbrett aufliegen oder Töne absterben würden. Nach unten geht es bis kurz vors komplette Erschlaffen der Saiten. Der Vibratohebel kann mit einem im Lieferumfang enthaltenen Inbusschlüssel in seiner Gängigkeit fixiert werden. Die Gitarre schlüpfte übrigens in Eb-Stimmung aus dem mitgelieferten Gigbag. Ob das Standard ist, bleibt mir verborgen, auf jeden Fall ist die Gitarre perfekt eingestellt.
Wenden wir uns der Elektronik zu. Für 1900€ kann und darf man Markentonabnehmer erwarten. Und richtig, hier arbeiten zwei Profis aus der DiMarzio Pickupschmiede, nämlich ein Crunchlab und ein LiquiFire Humbucker, die ohne großen Schnickschnack über einen kleinen 3-Weg Toggle geschaltet werden. Und der ist echt so winzig und futuristisch, dass er erstmal kaum auffällt. Quasi als Stilmischung aus Fender und Gibson wurde hier der „klassische“ Toggle unter der Decke verbaut und ein kleiner, schlichter, abgerundeter Stahlstift ragt rund 8mm aus der Decke und gibt einem das „Fendergefühl“ beim Schalten. Witzig und stylisch, auf jeden Fall mal was anderes. Sicher bedienbar ist er jedenfalls und er verrät auf den ersten Blick die Schalterstellung. Nach erfolgter Pickupwahl wird das Signal auf den Volume Regler geleitet, der als Push-Poti ausgelegt ist und einen 12db active Boost auslöst. Die hierfür benötigte Spannung bezieht die aktive Elektronik aus dem korpusrückseitig in einem Extrafach platzierten 9V-Block. Das Fach lässt sich leicht und fingernagelschonend öffnen. Ein Tonregler rundet die Ausstattung ab. Die Potis laufen leicht und sind am unteren Korpusrand gut erreichbar platziert.
Sterling Majesty X in der Praxis
Das Gesamtgewicht der Gitarre liegt bei ca. 3kg. Auf dem Schoß macht sich trotz der kleinen Kopfplatte eine leichte Kopflastigkeit bemerkbar, was wohl am geringen Korpusvolumen liegt, das der Kopfplatte mit den schweren Lockingtuner nichts entgegenzusetzen hat. Am Gurt hingegen hängt sie satt wie ein zusätzliches Körperteil vorm Bauch. Insgesamt wirkt die Gitarre sehr klein und zierlich, das Shaping des Bodies ist praxistauglich. Die Position des hinteren Gurtpins hingegen ist bei Verwendung eines Gurtes ohne Security Locks äußerst problematisch. Durch die Spitze in der Korpusform ist der Pin an der schon nach vorne verlaufenden Zargenseite angebracht. Hängt die Gitarre nun gerade am Gurt, kann ein ausgeleiertes Loch im Gurt schon dazu führen, dass die Gitarre vom Gurt rutscht. Warum bei einer Gitarre dieser Preisklasse nicht direkt Security Locks verbaut werden, die man dann mit jedem beliebigen Gurt kombiniert erdebebensicher an der Gitarre befestigen kann, wird sich mir nie erschließen. Ernie Ball selbst bietet solche Security Locks an. Würde man die einfach dem Lieferumfang zufügen, wäre ein dickes Minus weniger unter diesem Bericht. Aber jetzt her mit dem Plektrum und ran an die Saiten…
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Ein erster Trockentest lässt hohe Erwartungen aufkommen. Die Sterling Majesty X singt schon unverstärkt, die Tonentfaltung ist direkt und das Sustain macht Freude. Die Bespielbarkeit ist erstklassig in allen Lagen, Deadspots finden sich keine, sebst gezogene Töne können noch mit dem Vibrato nach oben moduliert werden, ohne dass man Angst haben muss, die Töne kläglich verenden zu hören. Dieses Problem tritt nicht mal dann auf, wenn man die B-Saite schon 4 Halbtöne zieht und dann noch den Vibratohebel bedient. Also volles Rockgitarrenpotential, jetzt wollen wir mal der elektrischen Tonwandlung auf den Zahn fühlen.
Beginnend wie immer mit einem cleanen Sound, schalten wir uns durch die möglichen Pickup Kombinationen. Der Halshumbucker lässt, da er konstruktionsbedingt durch die 24 Bünde deutlich weiter hinten sitzt als zum Beispiel der Pickup einer Strat, das typische, hohle Timbre in der Tonwandlung vermissen. Trotzdem ist der Sound definiert und straff, die einzelnen Töne setzen sich gut voneinander ab. Der Bass ist nicht überrepräsentiert, die Höhen sind dezent. In Mittelposition kommen erwartungsgemäß ein paar silbrige Höhen hinzu, der Bass bleibt präsent aber dezent im Hintergrund. Kein Matsch oder Mulm zu hören. Der Stegpickup lässt dann dementsprechend erwartet die Bässe noch weiter zurücktreten, die Höhen werden crisp, ohne zu ätzen. Schaltet man den 12db Boost dazu, mischen sich erste Verzerrungen in den Sound, die Mitten treten hervor und der Sound wird schön durchsetzungskräftig.
Etwas angezerrt dringt uns das positive Erlebnis der cleanen Einstellung ebenfalls ans Ohr. Die Wiedergabe ist kräftig und modern. Schaltet man den Boost dazu, fängt der Sound an zu leben und zu singen. Die Töne bleiben immer einzeln wahrnehmbar und gleichberechtigt. Im ersten der beiden folgenden Beispiele lasse ich die Gitarre ausklingen, um das enorme Sustain zu verdeutlichen.
Schaltet man um auf einen Distotion Sound, bemerkt man, dass die Wiedergabe auf Präsenz und Tontrennung ausgelegt ist, hier wird der Sound schnell harsch, die Mitten sind sehr präsent. Das sind aber genau die Frequenzen, die sich im Bandkontext hervorragend durchsetzen. Die Wiedergabe bleibt druckvoll und transparent ohne Mulm im Bassbereich und ohne nervige Höhen.
Und jetzt ab ins Highgain Paradies. Dies sollte ja die Paradedisziplin einer John Petrucci Signature Gitarre sein, oder? Schauen wir erstmal, wie sich der Steghumbucker bei einem Highgain Sound verhält. Wie erwartet alles da, genau in der richtigen Dosierung. Bässe, Mitten, Höhen, eine gewisse Aggressivität und klare Tonentfaltung, die allerdings auch keine Spielfehler verzeiht. Fuddeln ist nicht. Für die Leadsounds habe ich in den Klangbeispielen wie immer ein Delay zugeschaltet. Hier macht die Gitarre jetzt richtig Spaß. Auch hier merkt man dem Halspickup an, dass er nicht in Höhe des 24. Bundes platziert ist. Wer das möchte, ist bei dieser Gitarre falsch. Aber Attack und Tonkultur machen einfach Spaß. Am Ende des Beispiels des Neck Humbuckers mal ein überzogenes Bending aus linker Hand und Vibratohebel. Die Gitarre bleibt nahezu in Tune. Überdehnt man die Werkssaiten noch mal, ist die Verstimmung nach so einem Kamikaze-Einsatz kaum wahrnehmbar. Der Bridgepickup schreit im Leadsound, dass es eine wahre Freude ist. Fans von Highgainsounds dürften hier vor Freude sabbern. Und das Aufhören fällt echt schwer, selten habe ich eine Gitarre so ungern zurückgegeben, auch wenn ich sie stilistisch nahezu nie einsetzen könnte.
Nun denn,jammern auf hohem Niveau.Was will man denn für eine Einsteigergitarre (Low Budged) verlangen ?
Wenn ins Profilager geht dann muss man halt 6000-12000 Euro zahlen !!! :-)