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Konzeptstudie: SSL Big SiX als Zentrum eines Tonstudios

20. September 2023

SSL_BiGSiX_Logo

Mit dem BiG SiX (und davor dem SiX) hat SSL, bekannter Hersteller für wohnzimmergroße und wohnungsteure Pulte, Gehversuche im Bereich Kompaktmischpulte gemacht – und wenn man dem Test von Jörg Hoffmann hier (und auch einigen solchen in anderen Medien) Glauben schenken darf, recht erfolgreich. Gut, das Ding ist ca. zehnmal so teuer wie typische kleine Kompaktmixer, aber dafür bietet es “den SSL-Sound” (wasauchimmer das sein soll) und ist auch sonst ne runde Sache, nicht zuletzt dank eines 16×16-Audiointerfaces und einer schönen Monitoring-Sektion. Worauf sich die Frage stellt: kann so ein BiG SiX das Zentrum eines heutigen Klein- oder Heimstudios sein?

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Meine Motivation

Nachdem ich mir so “zu Weihnachten” einen BiG SiX angeschafft hatte und im Verlauf des Jahres ein Umzug im Raum steht, denke ich über Umgestaltung nach. Das Interface als Zentrum des Studios benötigt aktuell ein paar Helferlein: neben dem alten Multiface II ist das noch ein QuadMic (für Mikrofonquellen), ein Behringer ADA8000 (für mehr als acht Kanäle), ein DI800 (für Impedanzanpassung und Brummschleifenentfernung), ein RX1602 (um mal schnell ein paar Synths zusammenzumischen), ein SM M-Patch 2 (als Lautstärkeregler für die Lautsprecher, deren da sind zwei BM5A und ein BM14S), und noch der alte MON400 (falls ich noch nen separaten Kopfhörerkanal brauche, wenn ich mit jemandem aufnehme).

Alles in allem sieben Geräte, und es wäre ja schön, wenn ich die mit einem Gerät ersetzen könnte. Und mit den sieben Sachen ist schon sehr viel abgedeckt, was man im typischen Klein- oder Heimstudio braucht, also wenn der BiG SiX das kann, wär das schon toll, oder?

Out of Scope

Das ist jetzt kein vollständiger Test – dafür verweise ich wiederum auf den von Jörg. Eher eine Betrachtung zu einer bestimmten Anwendung.

SSL_BiGSiX_frontsideX

Architektur des SSL BiGSiX

Schaut man sich mal die Toplevel-Architektur des BiG SiX an, so werden Erinnerungen wach:

Vier Mono-Kanalzüge mit Micpre, Insert und HPF,
Vier Stereo-Kanalzüge,
Pro Kanal 3-Band-EQ mit fixen Frequenzen und 2 Sends sowie den Alt3/4-Mute-Trick,
2 Aux-Returns,
das ist die Blaupause eines Mackie 1202 VLZ Pro.

Der 1202 VLZ war seinerseits eine Evolution vom Original-1202-Micro von ca. 1992, und die Evolution gabs deshalb, weil eher überraschend das Nischenprodukt 1202 plötzlich der Kompaktmixer schlechthin war, und der VLZ-Nachfolger wurde das gleiche. Mackie baut das Ding inzwischen in der vierten Generation, und natürlich gibts zahllose Klone.

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Ich hatte mir vor über 20 Jahren nen VLZ gebraucht gekauft, und weil der anfing, ein bisserl zu kratzen, ich ohnehin Fader lieber habe, und außerdem für ne bestimmte Anwendung nen echten Subbus wollte, kam noch vor einiger Zeit ein Behringer Xenyx X1622 USB dazu (für den Preis von €169).

Für die Relation: für den Behringer habe ich also ca. 6.8% vom Preis vom SSL gezahlt. Bei den heutigen Preisen sinds aber schon 10%.

Natürlich ist ein BiG SiX nicht nur viel größer (geometrisch), sondern auch viel teurer, also: was kriegt man dafür dazu? Ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • Lo- und Hi-Bands im EQ sind umschaltbar bzgl. Kuhschwanz oder Glocke,
  • Auxes sind Stereo (toll!),
  • Alle Kanalzüge mit Pegelreglern,
  • One-Knob-Kompressoren auf den Monokanälen und G-Bus auf der Summe,
  • Zwei Kopfhörerkanälse,
  • Inserts im Main,
  • 16in-16out-Audiointerface,
  • Pegelmeter pro Kanalzug,
  • Talkback-Mic-Anschluß mit Phantomspeisung und LMC,
  • Sonstnoch zahlreiche witzige Routing- und Schaltoptionen.

Nochmal für die Relation: während der VLZ Pro insgesamt 65 Regler/Fader und 26 Taster aufweist, hat der BiG SiX 89 Regler/Fader und 141 Taster.

Geometrische Integration und so

Wie schon angedeutet ist der BiG SiX gemessen an den Features (Kanäle) recht groß. Wie groß? Ohne die Seitenwangen (die tatsächlich recht gut ausschauen) paßt es in ein 19’’-Rack und damit auch in so nen netten Mixer-Rackwagen. Und auf nem ordentlichen Produktionstisch paßt es auch gut hin – z.B. bei nem Studio Desk Commander V2 zwischen die Racks zusammen mit nem Behringer XTouch (ausgemessen, nicht ausprobiert), oder bei der nicht mehr erhältlichen StudioRTA Producer Station an die Seite (da wo bei der ersten Generation die seltsamen CD-Halter waren).

Von den Anschlüssen sind einige hinten oben (Monokanal-Eingänge, Aux-Eingänge, Kopfhörer und Talkback-Mic), die meisten in zwei Reihen auf der Rückseite. Während die Anschlüsse auf der Rückseite vorbildlich beschriftet sind, bringt das freilich wenig, da die Anschlüsse und die Beschriftung unter einem Überhang platziert sind, so daß man seinen Kopf (entweder kopfüber oder hinter dem Pult sitzend) wirklich direkt vor dem Anschlußfeld platzieren muß, wenn man nicht auswendig weiß, wo man hin muß. Das ist freilich sehr ärgerlich und erfordert ansich ne zusätzliche Patchbay. Naja, aktuell verwende ich für meine Interface-Studiozentrum-Lösung auch ne Patchbay, und hab noch eine mit nem schönen liechtensteinigen Namen im Keller, aber toll isses trotzdem nicht.

Die roten Linien zeigen, in welchem Winkel man die Beschriftung lesen könnte…

Ah, die Rackeinbaurahmen: im Handbuch steht da was davon und ne Teilenummer, aber keine Ahnung, wo man sowas kriegt. Egal, mit nem Stück Holz, ner Feile, nem Schraubstock, nem Bohrer und nem Gummihammer sowie zwei Blechen kriegt man das auch selber hin. Aber wenn jemand weiß wo man die Rackeinbaurahmen kriegt – danke für die Info!

Alles in allem ist das Ding nicht klein, definitiv größer als kleine und mittelgroße Audiointerfaces, aber im Vergleich zu den sieben Komponenten, die es ersetzen soll, relativiert sich das wieder. Und es ist ja zum Rumstehen, nicht zum Rumtragen, und damit ist weder das Gewicht noch das externe Netzteil ein Problem.

SSL BiG SiX als Audiointerface

Eines der Geräte, die das BiG SiX ersetzen soll, ist das Audiointerface, also: wie funktioniert es als solches, insbesondere was die Kanalzahl angeht? Als Reminder: aktuell isses ein Multiface, d.h. Je 18 Kanäle rein und raus (davon 8 Line analog, 8 über ADAT, 2 über SPDIF).

Als Interface funktionierts erstmal auf Anhieb, und zwar sowohl mit nem MPC One als Class Compliant, als auch mitm (Windows10-)Computer mit ASIO-Treiber. Check.

Ich stelle jetzt drei Szenarien dar: möglichst viele Eingänge, möglichst viele Ausgänge, und möglichst viele Kanäle rein und raus (vielleicht, wenn man nen Projekt aus der DAW durch möglichst viele HW-Effekte schicken will? Es gibt Leute, die tun sowas).

Viele Eingänge

Ich kann erstmal alle Kanalzüge direkt als Eingänge verwenden – dabei habe ich (nicht unüblich für aktuelle Interfaces) vier Kanäle optional mit Micpre oder Hi-Z, und acht “normale” (wenn auch mit Pegelregler) – und jeder gibt mir noch nen Level-Meter dazu! Das sind schonmal 12.

Wenn ich jetzt den Ext1 oder Ext2 auf den Main schicke, kriege ich zwei weitere. Die letzten zwei – sind auf dem Bus B. Und da kriege ich keinen der ungenutzten Eingänge (den anderen Ext) hin.

Maximal also 14 Eingänge gleichzeitig für unabhängige Quellen nutzbar. Dazu kann ich aber freilich den noch freien Ext für ne Zuspielung vom Computer nutzen, wenn ich was overdubbe, und an den Monitor-Out oder die Kopfhörer schicken.

Viele Ausgänge

Zunächst kann ich die ersten vier Kanälzüge über ihre Inserts direkt als Ausgänge verwenden. Dann schicke ich die vier Sterokanalzüge an Main, Bus B, Cue1 und Cue2 (die Cues sind ja zum Glück stereo, hab’ ich schon erwähnt, wie toll ich das find’?), dann einen Ext and den Monitor Out und den zweiten an nen Kopfhörer.

Theoretisch (wenn ich mir nen Splitkabel für die Kopfhörer nehm) kann ich also auf 16 Ausgängen gleichzeitig raus. Toll! Aufnehmen geht dann aber gleichzeitig irgendwie nicht mehr, oder? Realistisch und ohne den Kopfhörer-Trick ist aber 14 raus-2 rein analog zum “Viele Eingänge”-Fall möglich.

Viel rein, viel raus

Die vier Monokanalzüge kann ich 4-in-4-out nutzen wegen der Inserts. Das Gleiche gilt für den Masterbus in Kombination mit z.B. Ext2, denn der Master hat auch nen Insert. Für die verleibenden Optionen – die vier Stereokanalzüge und ein Ext1-Cue-Paar, muß ich mich pro Paar entscheiden, also lande ich bei irgendwas nach Wunsch zwischen 6in-14out und 14in-6out (und ja, 10in-10out für fünf Stereoeffekte geht auch).

Zusammenfassung

Auch wenn das Interface ein echtes 16×16 ist – so nutzen kann mans nicht. Was häufig im Heimstudio nicht der Showstopper sein wird, aber wichtig zu wissen, wenn man sein Setup auf “ich brauch 16 Eingänge gleichzeitig” plant.

BiG SiX als Monitorcontroller

Die Monitoringsektion gehört für mich zu den Highlights. Kurz in Stichpunkten:

Ein Monitorweg mit 2 alternativen Ausgängen mit Pegel, Dim, Mono und Cut (Mute),
Quellauswahl für den Monitorweg Main, Bus B, Ext1 oder Ext2,
Zwei Kopfhörerwege (mit schönen Amps),
Quellauswahl dafür Monitor, Cue1, Cue2.

„It goes to eleven“

Interessanterweise hat der Pegelregler für Monitor als einer der wenigen keine dB- sondern eine Spinal-Tap-Referenz. Am Schluß hat man in den typischen Szenarien, in denen ich denke, zwei oder maximal drei Referenzen (sowas wie K-20 oder K-14), und dafür muß man sich dann irgendwie Markierungen machen. Außerhalb der Referenz hören? Dafür ist dann der Dim-Regler da, da stehen dB von -3 bis -30; -30 find ich da fast ein bissl wenig (viel), denn wenn ich von ner kalibrierten Lautstärke (im Heimstudio so um die 75dB SPL) auf die Zimmerlautstärke will, brauch’ ich mehr als 30dB Dämpfung.

Monitorausgänge gibts zwei, wobei die entweder-oder sind. Heißt: an den einen die Nearfields, an den anderen die Woofer geht nicht. Schade.

Am Schluß geht aber alles mit Knöpfen und Reglern, ohne undurchschaubare Presets, und auch wenn der Computer grade aus ist, abgestürzt ist, oder sonstwas. Das ist fein und durchaus (auch in Kombination mit den feinen Audioeigenschaften) für die meisten Heimstudios eher ein Upgrade.

Was fehlt?

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit (manche Sachen waren schon erwähnt, manche nicht):

Option, den Main-Insert post-Compressor/post-fader zu schieben (das wäre fein, wenn ich noch nen genau kalibrierten Limiter dahintersetzen will),
Solo-Funktion (es gibt tatsächlich nur PFL),
Nen ADAT-Pärchen wäre noch das Tüpfelchen aufm “i” (gerne ohne jegliche Integration in den Mixer. SSL hat die IP bei den Interfaces).
Das wars eigentlich!

Sonstiges: BiG SiX als normales Mischpult

Aber wie ist das Ding so als normales Mischpult? Hier überschneide ich mich kurz mit dem was Jörg erzählt hat (aber anders als er aus der Perspektive von jemandem, ders eher mit nem Mackie 1202 als mit ner SSL 9000 vergleicht): das ist ein feines Pult!

Eher anekdotisch ein Moment, in dem ich BiG SiX mit dem MPC One kombinierte, und dort Alex Balls DR-110 Sample Pack benutzte, und dann auf dem Kanal für die Hihat mal die Höhen aufdrehte. Der Sound klingt so wie ne billige 80s-Drummachine mit analoger Klangerzeugung, und man würde erwarten, daß es mit “Höhen aufdrehen” sich von “schlecht” in “schlecht und beißend” verwandelt. Der EQ – so einfach er ist (3 Regler) – ist ne Waffe und ein chirurgisches Werkzeug gleichermaßen. Ebenso ein Spaß ist freilich der G-Bus-Kompressor und die Channel-Kompressoren sind auch fein (außer für Baßinstrumente, weil die da eigentlich nur mit der Transiente durchbeißen, wobei man dann einfach nen zweiten Kanal verwendet und mit NY-Compression de facto transient shaping machen kann…).

Da fühlt sich der Kleine auch wohl.

Ebenso hervorzuheben im Vergleich zu den kleinen Kindern ist, daß eben an Tastern (EQs, Sends, Inserts können abgeschaltet werden usw.), Pegelmetern (für jeden Kanalzug und Master) und kreativen Routingoptionen nicht gespart wurde. Allein der Moment, wenn man verstanden hat, wofür “ST Cue 1 to G Comp & Sum to Main Bus” gut sein kann, ist ein wunderbare Studionerdmoment.

Ein Spaß!

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Fazit
Kann ich meine sieben Sachen (Siebensachen?) ersetzen?
Fast. Daß ich mit dem Pult den RX1602 nicht mehr brauche, ist logisch, und auch, wenn ich nicht mehr Subwoofer separat schalten kann, kann der SM M-Patch 2 gehen; der MON400 sowieso, weil ich doch eher nicht mehr als 2 Kopfhörermixer regelmäßig brauche.

Die Ein/Ausgänge sind ein bisserl weniger als mit Multiface+Konsorten, und digital fehlt ganz. Den Verlust der MIDI-Ports kann ich leicht verschmerzen, und wenn ich DIs brauche, nehm ich ne kleine, und wenn ich doch mehr Mikrofone als vier brauche, hebe ich den QuadMic auf - aber die Sachen sind eben nicht alle dauernd im Weg.

Andererseits ist die Aufnahme oder Wiedergabe von mehreren Kanälen doch ein bisserl unpraktischer als bei nem Interface. Beim Interface schließ’ ich an. Beim BiG SiX muß ich Taster drücken usw. Und das blöde Anschlußfeld hilft auch nicht.

Was aber mein Hauptproblem ist: eigentlich möchte ich den BiG SiX viel lieber mit irgendwelchen kleinen Hardwaresetups verwenden, so wie mit dem MPC.

Summa Summarum: kann der BiG SiX “Zentrum des Studios”? Ja, definitiv. Aber der kann noch andere Sachen so toll, daß ich zukünftig doch wohl eher wieder mit nem klassichen Interface arbeiten werden. Das wird dann eins mit vielleicht nicht 16, aber sagen wir 12 Eingängen, plus ADAT, außerdem Hi-Z-Eingängen und mindestens vier Micpres, dann kommt noch ein Volume 2 dahinter - und für den Fall, daß ich nen Hardwareaufbau gebaut habe, den ich gern Multitrack aufnehmen will, steck’ ich schnell ein USB-Kabel ein und gut is’.

Von der Bewertung kriegt das Ding für die spezielle Anwendung nur ein gut - insgesamt wären das aber drei Sterne von mir!

Plus

  • Feines Pult
  • Class-Compliant
  • Sehr durchdacht

Minus

  • Unpraktische Platzierung der Patchbay
  • Kein Digitalanschluß am Interface
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Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Alter Schwede, 2,5K€ für den SSL. Für den Preis ein MT48 mit ADAT/SMUX 8Pre? In dem Bereich hast du auf jeden Fall Auswahl.

  2. Profilbild
    Tora

    Hallo,
    zu ergänzen wäre vielleicht noch, dass man mit dem Big Six beim Mixdown quasi inntegriert analoges Summieren mal ausprobieren kann, wenn man das den möchte. Und zum Preis: Ich selber habe den normalen „Six“ und der kling über alles einfach richtig gut.

  3. Profilbild
    georgep

    Sieht einfach so gut aus im Studio… die lichter am Pult sind einfach Sexy… in mein Upgrade List… (vom-Mackie1202VLZ4)

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