Ein Oszillator für transzendente Schwingungsformen
Der polnische Hersteller von Eurorack-Modulen Xaoc Devices hat seinen Katalog um einen neuen Oszillator ergänzt. Xaoc hat sich hierbei die FOF-Synthesetechnik (Time-Domain Formant-Wave-Function, 1980 von Xavier Rodet) zu eigen gemacht und etwas erweitert.
Inhaltsverzeichnis
Der Oszillator trägt den Namen ‚Sofia‘ mit dem Subtitel ‚1955 Transcendent Waveform Analog Oscillator‘. Nun, der Name macht schon sehr gespannt und ob er hält, was er verspricht, werden wir nun gemeinsam herausfinden.
FOF-Synthese
Die FOF-Synthese – oder auch einfach nur Formanten Synthese – ist ein relativ komplexes Thema, aber natürlich lässt sich das Modul auch ohne hochfundiertem Verständnis nutzen. Ein Formant selbst ist ein Bereich im Frequenzspektrum, der am meisten Energie (Amplitude) aufweist und dessen Lage unabhängig von der Grundfrequenz gleich bleibt. Die einfachste Möglichkeit, Formanten synthetisch zu erzeugen, ist der Einsatz von Bandpassfiltern mit einer gewissen Resonanz. Sofia ist aber ein reiner Oszillator und Xaoc Devices hat hier das Prinzip der FOF-Synthesetechnik noch mal etwas genauer unter die Lupe genommen. Ich zitiere an der Stelle mal aus dem Handbuch von Sofia:
„Die von X. Rodet in den 1980er Jahren aufgestellte klassische FOF-Synthesetechnik synthetisiert stimmähnliche Formanten effizient im Zeitbereich, ohne auf digitale Filter zurückgreifen zu müssen, deren Implementierung damals teuer war. Rodet beobachtete, dass die komplexe Reaktion eines Stimmtrakts in parallele akustische Resonanzfilter zerlegt werden kann, die als Reaktion auf jeden Luftdruckimpuls aus dem Kehlkopf, abklingende Sinustöne erzeugen. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Dichte und der Abklingrate der abklingenden Sinuskurve und der Frequenzposition und spektralen Breite des Formanten.“
Oder mal ganz pragmatisch ausgedrückt: Mit Sofia ist es möglich, filterähnliche Effekte zu erzeugen. Vowel-Effekte oder generell resonanzfreudige Patches sind somit die Hauptmerkmale des Oszillators.
Der Aufbau von Sofia
Mit 24 TE Breite zählt Sofia schon eher zu den größeren Oszillator-Modulen, ist dennoch mit 30 mm Einbautiefe recht schmal gehalten. Das Modul benötigt Strom von 90 mA bei +12 V und 80 mA bei -12 V. Optisch reiht sich Sofia zu den bestehenden XAOC-Modulen ein. Eine silbernes Frontpanel mit schwarzer Beschriftung und schwarze bzw. rote Potikappen.
Die Schieberegler sind mit roten (Damp) bzw. grün/roten (Ratio) LEDs ausgestattet. Das alles hat gewohnte Xaoc-Qualität, liegt gut in der Hand und fühlt sich relativ robust an. Einzig die kleinen Potentiometer (Pitch FM und Global FM) und die Kippschalter sind etwas sehr klein geraten.
Bei den Schaltern fand ich das weniger problematisch, bei vielen belegten Patch-Buchsen kann es aber doch recht umständlich sein, an die kleinen Drehregler zu kommen. 15 der 17 Patch-Buchsen liegen im unteren Bereich und haben trotz der hohen Anzahl ausreichend Abstand zueinander, nur mit gewinkelten Kabeln könnte es eng werden.
Sofias Bedienelemente
Das Frontpanel besitzt mittig einen großen Drehregler zur Einstellung der Frequenz (+/-1 Oktave) und darüber einen, etwas kleineren, um den Oktavbereich (8 Oktaven) auszuwählen. Der Frequenzbereich reicht von 0,4 Hz bis zu 12 kHz für den Basiston und bis zu 120 kHz für die Ripple-Elemente. Links und rechts davon finden wir 2 Regler, um die 3 Signale zu mischen. Die Potis und Patch-Buchsen der beiden Ripple-Elemente sind, identisch zueinander, links und rechts außen angesiedelt. Zur Einstellung stehen jeweils Regler für Ratio, Warp und Damp zur Verfügung. Hier mal eine kurze Erläuterung zu den Drehreglern.
- Elements Mix: Mischverhältnis zwischen Ripple A und Ripple B
- Fund-Elem Mix: Mischverhältnis zwischen Basiston und der beiden Ripple Elemente
- Ratio-Regler: definiert die Dichte der Ripple Elemente relativ zum Basiston – eine Erhöhung führt dazu das die Formanten sich immer weiter vom Grundton entfernen, bei Maximalwert 8 Oktaven über der Grundfrequenz. Die CV-Inputs zur Steuerung der Ratio-Regler besitzen auch jeweils einen Attenuator direkt über der jeweiligen Buchse.
- Damp-Regler: Die Schiebepotentiometer steuern die Abklingrate der Ripple Elemente. Bei Minimalwert werden schmale Spitzen erzeugt, bei Maximalwert erfolgt nur ein ganz leichtes Abklingen. Das Ergebnis ähnelt einem Resonanzfilter.
- Warp: Ist der Warp-Regler mittig gestellt, ist die die Dichte des Ripple Elements konstant. Wird der Regler im Uhrzeigersinn gedreht, erhöht sich der Wert und die Schwingungsform wird so gebogen, dass die Dichte zu Beginn der Periode höher ist und allmählich abnimmt (je nach Ratio) – siehe Abbildung. Dreht man den Warp-Regler entgegengesetzt des Uhrzeigersinn, wird die Schwingungsform in die entgegengesetzte Richtung gebogen. Folglich steigt die Dichte beim Abklingen auf den mit Ratio eingestellten Wert. Folglich verarbeitet die Warp-CV-Buchse auch bipolare Steuerspannungen.
Jedes Ripple Element hat zusätzlich drei Kippschalter für Schwingungsform, Ratio und Damp. Als Schwingungsform können wir zwischen Sinus und Rechteck wählen. Sind die Kippschalter für Ratio und Damp auf OFF gestellt, erfolgt kein Pitch-Tracking.
Die 17 Patch-Buchsen von Sofia bestehen aus 3 Eingängen zur Frequenzsteuerung, 8 Eingängen zur Modulation der Parameter und 6 Ausgängen für verschiedene Signale. Die Eingänge zur Modulation sind selbsterklärend, alle anderen erläutere ich kurz:
Eingänge zur Frequenzsteuerung:
- Pitch CV 1/V Okt: zur Modulation der Tonhöhe
- Pitch FM: behält die Schwingungsform bei
- Global FM: behält das Gesamtspektrum bei und wirkt sich hauptsächlich auf die Frequenz des Grundton aus
Ausgänge:
- Main Out: Mix aus Basiston und Ripple Elementen (je nach Mixeinstellung)
- Fund Out: Basiston (reiner Sinuston ohne Beeinflussung der Ripple Elemente)
- A/B Out: Ausgang der beiden Ripple Elemente (ohne Abklingrate bzw. Damp)
- Impulse A/B: Ausgang der Abklingrate
Die Klangerzeugung von Sofia
Wie bereits erwähnt, bedient sich Xaoc Devices für Sofia der FOF-Synthesetechnik und erweitert diese mit einem eigenen Prinzip. Die Klangerzeugung ergibt sich durch einen Basiston – genauer gesagt eine subtil angezerrte Sinusschwingung – und zwei modulierten sog. Ripple Elementen. Die Ripple Elemente lassen sich zwischen Sinus- und Rechteckschwingung schalten. Da sich die Ripple Elemente immer vom Basiston ableiten, indem sie bei jedem Durchlauf einer Schwingung des Basistons neu gertriggert werden, bleibt das ganze auch schön harmonisch. Der Basiston ist also quasi immer Carrier und die Ripple Elemente die Modulatoren. Auf den Basiston hat man keinen Einfluss, außer natürlich dessen Frequenz, während man mit den weiter oben beschriebenen Reglern und CV-Eingängen noch mal ganz gezielt Einfluss auf die Ripple Elemente nehmen kann. Das macht vorwiegend Spaß mit LFOs und Hüllkurven natürlich, aber auch Audiosignale führen zu sehr interessanten Ergebnissen. Mit den beiden Impuls-Ausgängen und den Einzelausgängen der Ripples lässt sich Sofia somit auch wunderbar selbst patchen.
Zur Verdeutlichung habe ich hier mal Screenshots vom Oszilloskop der jeweiligen Klangelemente gemacht und wie das Ganze in der Summe aussehen kann:
Wie klingt Sofia?
Mit Sofia scheint alles möglich zu sein. Von wilden, harschen Klängen über zornige Bässe bis zu organischen Sounds kann man eine sehr breite Klangpalette erforschen. Self-Patching ist nicht nur möglich, sondern wird dringend empfohlen. Hier wird’s dann noch mal richtig interessant. Sofia kann ziemlich einfach, aber auch sehr komplex und nach mehreren Oszillatoren mit Filter und Low-Pass-Gate klingen. Möchte man etwas Klassisches und eher Seichtes, nutzt man einfach nur den Basiston, hat man Bock auf brechiale und schrille Sounds, so sind auch diese im Handumdrehen mit den beiden Ripple-Elementen gemacht.
Und dazwischen findet man haufenweise feine Nuancen, wenn man sich etwas Zeit nimmt beim patchen und tweaken. Im Bassbereich setzt sich Sofia stark durch und in den Höhen kann es schon echt gefährlich werden, wenn man die Ratio der Ripple Elemente weit aufgedreht hat. Mit einer zusätzlichen Hüllkurve und einem VCA lassen sich ganz amtliche Kickdrums erzeugen und füttert man Sofia mit ein paar schnellen LFOs oder auch (den eigenen) VCOs, sind auch S0unds möglich, die ein wenig an Bitreduktion erinnern. Der Kernzoszillator glänzt immer als Bass, während die Ripple-Elemente auch alleine z. B. gut für perkussives Material taugen.
Zu den Klangbeispielen: Als einzige Klangquelle habe ich natürlich nur Sofia benutzt und bis auf die Beispiele 3, 4 und 6 habe ich auch kein Filter verwendet. Alle Beispiele, bei denen sich im Verlauf das Timbre hörbar ändert, beginnen mit dem Basiston und die Ripple-Elemente wurden beigemischt.
Interresant, von der FOF-Synthesetechnik hatte ich bis dato nicht mitbekommen und an Xaoc bin ich bisher auch immer vorbeigelaufen. Danke für den Test!
Danke für diesen Test.
Diesen Oszillator würde ich mal echt gerne testen.
Formant Wave Funktion hört sich verdammt spannend an.
Vielen Dank für den tollen Test und den nächsten GAS Anfall ;) Liest sich wirklich sehr interessant und die Klangbeispiele sind MEGA! Ich fang dann mal an zu planen, wo ich die 24 TE Platz her bekomme…
XAOC ist meiner Meinung nach eine der besten Buden am derzeitigen Synthmarkt. ich hab zwar erst zwei Module von denen, verwende die aber überraschend oft. Bei diesem Osc krieg ich leider auch eine GAS-Attacke.
Wow coole Sounds ich glaube der macht spaß und auch
3 frequency control inputs
8 parameter control inputs
6 signal outputs
Jedemenge ein uns Ausgänge vorhanden
Vielen Dank für den super Test! Interesse Steigt! 😁