Vom Rechner ins Rack
MOK Waverazor Dual Oscillator ist eine Koproduktion von 1010music, deren Hardware schon von der Bitbox bekannt sein dürfte, und dem Hersteller der Software: MOK (das Kürzel steht für Media Overkill). MOK ist ein neues Unternehmen mit Entwicklern in den USA, Deutschland und Japan. Rob Rampley und Taiho Yamata sind dabei keine Unbekannten, arbeiteten sie doch u. a. an folgenden Produkten mit: Quadrasynth, QS Series, Andromeda, Ion, Micron, Fusion, Venom, GuitarPort, Pod Farm, Guitar Hero. Hier ist also viel Know-how von Alesis mit im Spiel. Mal sehen, ob der patentierte Oszillator die Reise ins Eurorack gut überstanden hat.
MOK Formfaktor = 1010music Formfaktor
Wer die Geräte von 1010music kennt, wird es sicher schon vermutet haben: Die Hardware mit dem bekannten Layout der digitalen Module wurde auch für MOK Waverazor Dual Oscillator verwendet. Das bedeutet, man bekommt wieder vier kontaktfreie Encoder, 2 Buttons und einen Touchscreen. Daneben gibt es noch vier Eingänge und vier Ausgänge. Selbstverständlich dürfen die 20 CV-Eingänge nicht fehlen, mit denen man beliebige Oszillator-Parameter steuern kann – aber dazu später mehr unter Presets.
MOK Waverazor Dual Oscillator spricht CV und MIDI
Auch der MOK Waverazor Dual Oscillator versteht MIDI-Signale über einen MIDI-TRS-Eingang im Arturia-Format. Ebenso kann er über die beiden Präzisions-CV-Eingänge auch mit einer V/Okt-Charakteristik angesprochen werden. Diese Eingänge kann aber auch auf Hz/Volt eingestellt werden, um so kompatibel mit z. B. älteren Korg-Synths und Sequencern zu sein.
Für die Hi-Precision-CV-Eingänge und für die 16 Modulationseingänge gilt: Alle können im CV-Menü angepasst werden. Das betrifft sowohl die Skalierung als auch den DC-Offset. Die Parameter für die Modulationseingänge bieten sogar noch weitreichendere Möglichkeiten, z. B. den genauen Anteil der Tonhöhenveränderungen für die einzelnen Waveform-Slices, auch dazu später mehr.
Warum gibt es 2 Hi-Precision-CV-Eingänge? Weil der MOK Waverazor Dual Oscillator zwei Oszillatoren kombiniert. Diese sind identisch und können an den Ausgängen einzeln oder im Mix abgegriffen werden. Über diese CV-Eingänge ist der MOK Waverazor Dual Oscillator also paraphon steuerbar. Über MIDI gelingt das leider nicht.
Ebenfalls muss man hervorheben, dass der Oszillator monophon ist, wo das Plug-In doch polyphon spielbar war. Anscheinend hat die Hardware nicht für mehr als eine Stimme pro Oszillator gereicht. CV und MIDI können übrigens gleichzeitig genutzt werden.
Neue Oszillator-Dimensionen
Für die gleichnamige Plugin-Software haben die Entwickler ein Patent auf die Oszillator-Umsetzung. Hier sind nämlich nach eigenen Angaben völlig neue Ansätze verarbeitet. Wie setzt sich nun so ein Waverazor-Oszillator zusammen, was ist das Neue daran?
Im Gegensatz zu herkömmlich gleichförmig schwingenden Oszillatoren setzt sich eine Schwingungsform des MOK Waverazor Dual Oscillator aus bis zu 8 sog. Slices zusammen. Diese werden aus einem Vorrat von 127 Waveform-Shapes ausgesucht. Alle Features wie Mutant AM oder Multi-Sync gehen auf diesen Aufbau aus einzelnen Schwingungsformen zurück. Das Neue daran ist, dass AM oder Sync sich bei jedem Slice anders auswirken – so werden eben pro Slice verschiedene Seitenbänder erzeugt.
Um das zu verdeutlichen, hier eine Abbildung aus dem Plugin Waverazor LE, das man übrigens kostenlos bei Traktion herunterladen kann. Bezahlen muss man „nur“ mit einem Namen und einer E-Mail-Adresse.
Aber so neu scheint mir das Konzept nicht. Denke ich an den Test des Rossum Electro Music Control Forge Moduls zurück, so konnte dieser genau das Gleiche: Aus 8 Schnipseln und verschiedenen Verläufen eine Schwingungsform zusammensetzen, die sich als Hüllkurve oder eben im Audiobereich einsetzen lässt.
Noch mehr Unerhörtes
Es gibt aber noch mehr Manipulationsmöglichkeiten, die sich um das Slice-Konzept drehen, das auch seine Tücken hat. Besonders fällt dabei ins Auge:
X-Tune – verstellt die Tonhöhe von verschiedenen Slices in verschiedenen Stärken. Das kann eine dramatische Auswirkung auf das Obertonspektrum haben. Wendet man es auf einen Sinus an, hört es sich wie ein sehr durchgreifender Sync-Effekt gemischt mit Amplitudenmodulation an. Allerdings gibt es hier ein Problem. Moduliert man die Tonhöhe von Silces, passiert es, dass bei Rückkehr zur Ausgangslage die Phasen der einzelnen Slices nicht mehr übereinstimmen. Das liegt in der Natur der Sache (man stelle sich zwei Platten vor, die perfekt synchron laufen. Schiebt man ein kurz an, so sind sie danach zwar immer noch gleich schnell, aber nicht mehr an derselben Stelle). Erst ein Tip auf den Phase-Reset oben rechts im Bildschirm holt den Sinus wieder zurück.
Bedient man sich des X-Tune Knopfes kommt es außerdem zu deutlichen Stufenerscheinungen, wenn man das schnell macht. Bewegt man ihn langsam, gibt es auch glatte Übergänge. Die Mod-CV-Eingänge sind davon jedoch nicht betroffen, sie haben eine maximale Abtastrate von 30 Hz – FM-Modulationen sind mit diesen also nicht möglich.
X-Vol – verstellt die Lautstärke von verschiedenen Slices in verschiedenen Stärken
R-Size – multipliziert oder teilt die Länge eines Slices. So kommt man von FM zu Wave-Sequencing mit einem Dreh
R-Duty – wirkt wie eine Pulsbreitenmodulation, nur auf jedes Slice einzeln und egal bei welcher Schwingungsform, geht nicht thru-Zero
Shape, Even Shape und Odd Shape – über einen Modulator kann man den Slices die 127 Schwingungsformen zuordnen, Even und Odd verstellen dabei nur grad- und ungeradzahlige Slices
Und es gibt noch einige weitere. Einen komplette Übersicht gibt es im PDF-Handbuch, das kurz und knapp alles erläutert, aber an manchen Stellen ruhig etwas ausführlicher sein könnte.
Klangcharakter des MOK Waverazor Dual Oscillator
Dem MOK Waverazor Dual Oscillator einen Charakter zuzuschreiben ist einfach: Obwohl man auch die feine Klinge führen kann, liegen die Stärken in brachialen Sounds mit komplexen Obertonspektren, Dubstep, Drum‘n‘Bass oder Noise-Music kommen einem da als erstes in den Sinn. Dabei sind der Dreh- und Angelpunkt die vorgestellten Modulationen, die alle Slices gleichzeitig betreffen. Über diese kann man aus einfachen Schwingungsformen sukzessive immer komplexere Gebilde erzeugen.
Ein weiteres Feld, das durch den MOK Waverazor Dual Oscillator abgedeckt wird ist verständlicherweise Wave-Sequencing. Setzt man den R-Duty-Cycle sehr weit runter, so bleiben die einzelnen Slices viel länger einzeln aktiv. Kombiniert man dann etwa Sinus-Schwingungen mit Noise, kommen interessante nachvollziehbare Sequenzen zum Vorschein.
Nicht alles klingt schön, im Sinne von perfekt aufgelöst – es knarzt und zappelt ordentlich an einigen Stellen und Kollege Aliasing ist häufig mit von der Partie. Dieser Oszillator will digital klingen und stellt das auch ganz bewusst in den Vordergrund.
Das Bedienungskonzept …
Obwohl das Bedienkonzept gegenüber der Plugin-Version in einigen Punkten geändert werden musste, wurde die Optik des Designs übernommen. Vor allem das prominente Waveform-Display ist geblieben. Nutzt man den Audioeingang des MOK Waverazor Dual Oscillator, kann man es auch als Oszilloskop benutzen.
Eine spontane Assoziation wäre das Bedienpanel der taktischen Station auf einem klingonischen Kampfschiff. Und tatsächlich lässt sich als Bediensprache neben englisch auch klingonisch angeben. Variiert man dann noch die beiden Display-Farben zu Gelb und Pink, hat man eine sehr gute Approximation einer solchen taktischen Station. Das ist zwar ganz witzig, aber leider ist das Design auch manchmal irreführend und stellt optisch Verbindungen zwischen Parametern her, zwischen denen gar keine existieren.
Über den HOME-Button kommt man zu je zwei Bildschirmen der beiden Oszillatoren. Der INFO-Button führt zunächst zu einem Menü, von dem aus Einstellungen für System, MIDI, CV-Eingänge und Controls sowie zu den Oszillatoren vorzunehmen sind. Gibt es unter den einzelnen Kategorien mehrere Bildschirme, so kann man über virtuelle BACK- und NEXT-Buttons auf dem Touch-Display entsprechend navigieren.
Auf den Hauptseiten des MOK Waverazor Dual Oscillator, über die man mit dem Home-Button navigiert, können auch die Echtzeitänderungen vorgenommen werden. Jede der Oszillator-Seiten verfügt dabei über vier Modulatoren, die über die vier Encoder angesprochen werden können. Die jeweils zweite Oszillatorseite birgt dann noch ein großes X/Y-Pad, mit dem man ebenfalls modulieren kann. Man kann eingehende CV-Signale über die Optionen im Controls-Menü auch noch anpassen, z. B. welchen Startwert es haben soll, wie die Skalierung ist oder wie groß der DC-Offset sein soll.
Diese Einstellungen gelten dann auch für die Modulation über MIDI-CC, die ebenfalls möglich ist. Jedem der 20 Modulations-Slots kann dabei ein (beinahe) beliebiger MIDI-CC (0 -119) zugewiesen werden.
… geht auf
Nach einer kurzen Zeit hat man die Struktur des MOK Waverazor Dual Oscillator verinnerlicht und navigiert flott zu den gewünschten Seiten. Warum dann das „beinahe“? Nun, eine wichtige Quelle für Soundänderungen sind eben die vier Encoder, die ja bestimmten CV-Slots zugewiesen sind. Lädt man das eine oder andere mitgelieferte Preset, so sieht man auch dass sich die Zuweisungen ändern können, das muss man sich dann entsprechend merken.
Eigene Presets im MOK Waverazor Dual Oscillator
War man bis vor Kurzem noch gebunden an die Zuweisungen, die die mitgelieferten Presets bringen, so gibt es dafür nun den Waverazor Dual Oscillator Editor. Diese Standalone-App für Windows und macOS ermöglicht nun die komfortable Einstellung aller Parameter und vor allem eine beliebige Zuweisung der Modulations-CV-Eingänge zu bestimmtem Waverazor Parametern, wir reden hier von über 160 Modulationszielen.
Da man ein neues Preset nur über den Umweg der SD-Karte in den MOK Waverazor Dual Oscillator übertragen kann, bietet der Editor einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: In ihm ist die tatsächliche Sound-Engine integriert – what you edit is what you hear. Der Editor reagiert sogar auf MIDI, so dass man auch die Modulationszuweisungen am Rechner vornehmen kann – das ist wirklich eine sehr komfortable Art, Sound für den MOK Waverazor Dual Oscillator zu editieren.
Die Preset-Verwaltung ist übersichtlich und leicht zu bedienen. Allerdings gibt es gerade mal 6 Factory Presets – aber, und das ist ein großes aber, es gibt Hunderte Presets mit einer bestimmten Ausgangskonfiguration, z. B. 4 Sinus-Slices oder 8-Sinus-Slices. Swarm-Konfigurationen in allen möglichen Schwingungsformen, Audio-Input etc. pp. Zusammen mit den nun völlig eigenen Kreationen, die mit dem Editor möglich sind, bietet sich ein sehr reichhaltiges Potential für Klangdesign.
Sehr angetan bin ich vom Klingonen-Modus. Als Trekkie ist das ja fast schon ein Must-Have. Leider geht die Eurorack-Idee dann verloren, wenn man sich doch genötigt fühlt, das Modul an den Laptop/PC anstöpseln zu wollen, weil es über den Editor so einfach geht. Da kann man doch gleich zur Software greifen – und die ist sogar umsonst???
Dennoch grundsätzlich ein tolles Modul und eine schöne Vorstellung. Vielen Dank für die aufschlussreichen Soundbeispiele.
@Marco Korda Hi, nur de LE-Variante der Software ist kostenlos (bezahlen tut man mit seinem guten Namen, kennt das noch irgendwer?) und bietet kaum den ganzen Umfang des Moduls. Den Editor braucht man eigentlich nur für die Modulationszuwesiungen (siehe Kommentar unten).
Und ja – der macht richtig Alarm!
Den hab ich schon länger im Auge; es stellt sich bei der „Softwarelastigkeit“ nur die Frage, ob das im Eurorack sein muss oder Audio vom Mac ins Eurorack für so etwas Komplexes nicht doch die Lösung ist. Dagegen sprechen die vielen CV-Modulationsmöglichkeiten direkt im Modul…
Wie schaut es denn mit Updates aus? Die Softwareversion hat ja erst kürzlich den Anstieg auf 2.5 erlebt.
@agehherst Hi, ich stehe seit beginn des Tests mit den Entwicklern in Kontakt und kann bestätigen, die arbeiten wie wild daran, der MOK Waverazor ist denen ein echtes Herzensanliegen. Der Editor ist eigentlich nur da (klar Komfort) um die Modulationszuweisungen vorzunehmen, das ist das einzige das nicht am Gerät geht.
Durch die vielen Vorlagen hat man auch ohne Rechner am Modul genug Möglichkeiten einfach darauflos zu experimentieren. Und Wellenformen sind über die Slices auch schnell zusammengestellt. Ich persönlich nutze den Editor kaum bis gar nicht.
Und ich hatte das Modul mal im Proberaum an der PA – einfach ein Brett!
Hab mir kürzlich auf Grund des Tests das Plugin gekauft. Hab keinen Bedarf am Modul. Bin noch am durch die Bedienung durchfummeln, aber es kommen schön krass extreme Klänge bei raus.
Ja, das ist in der Tat was für die harte Fraktion. Dagegen ist Metal Weichspüler ;) und Rock Babypuder :D. Interessant sind Presets, die sich grundlegend mit den X/Y-Controls verstellen lassen können, das reicht manchmal schon für einen ganzen Track – also viel Spass noch damit!