Erfahrungsbericht: Das Plek-Verfahren im Praxistest
Mythen und Legenden ranken sich rund um das Thema „Bespielbarkeit“ von Instrumenten. Kaum ein Forum und kein Testbericht kommen um die Themen „Saitenlage“ und „Sauberkeit der Intonation“ der Instrumente herum. Das Plek-Verfahren verspricht nun, die letzten Ressourcen der Gitarre oder des Basses herauszukitzeln, und zwar mit High-Tech und auf den Hundertstel Millimeter genau. Was genau da passiert und wie beziehungsweise ob sich der finanzielle Aufwand nun lohnt, soll der folgende Artikel ausführlich beleuchten.
Das Plek-Verfahren – was genau ist das?
Der Name „Plek“ ist der Markenname eines patentierten Verfahrens, bei dem der Hals des Saiteninstruments – und hierbei ist es egal, ob E-Gitarre, Akustik-Gitarre oder Bass – maschinell unter Saitenspannung vermessen, ausgewertet und direkt bearbeitet werden kann. Unter Saitenspannung natürlich deshalb, weil nur so die exakten Werte des Instruments unter realen Bedingungen gemessen werden können. Uff. Das ist ein Versprechen, das der Erfinder des Verfahrens, Gitarrenbauer Jörg Kuhlo, da seinen potentiellen Kunden macht. Das Musikhaus Thomann hat sich ein solches Wundermaschinchen gegönnt und bietet, neben anderen Anbietern, diesen Service in seinem Service Center an. An dieser Stelle bereits ein dickes Dankeschön an den mehr als freundlichen Werkstattleiter Rudolf Ens, der mir das Plek-Verfahren ausführlich nahegebracht hat und ganz nebenbei eine unglaubliche Fachkompetenz an den Tag gelegt hat.
Das Musikhaus Thomann bietet unterschiedlich gestaffelte Varianten des Plek-Verfahrens an, beginnend bei der Satteloptimierung für 59 Euro über den Standard-Plek Service für 198 Euro bis hin zum Premium Plek-Verfahren inklusive Neubundierung für 415 Euro. Für meine ziemlich runtergespielte Music Man LukeII mit Neusilber-Bünden bot sich das Standard-Plek-Verfahren an, da die Bünde zwar deutliche Spielspuren aufwiesen, jedoch noch knapp ausreichend Material zur Bearbeitung durch die Fräse vorhanden war. Dazu mehr weiter unten im Text. Also rein ins Köfferchen mit der Lady und ab nach Burgebrach…
Workshop E-Gitarre – Der erste Kontakt
Normalerweise wird das „zu plekende“ (ja, der Duden wird erweitert werden müssen) Instrument per Paketdienst ins Service Center übermittelt. Da sich das aber für eine Story zum Thema als suboptimal erweisen würde, steht der persönliche Besuch der Werkstatt an. Nach dreistündiger Autofahrt und kurzer Anmeldung im Service Center begrüßt mich Werkstattleiter Rudolf Ens persönlich und wir betreten gemeinsam die heiligen Hallen. Und da steht sie, in ihrer Erscheinung einer Telefonzelle nicht ganz unähnlich, die Plek-Maschine und wartet darauf, meine LukeII auf das Hundertstel Millimeterchen zu vermessen.
Zunächst wird die Probandin von Rudolf Ens in Augenschein genommen, um etwaige Komplikationen im weiteren Verlauf auszuschließen. So wird zum Beispiel schon mal die Halskrümmung und der Zustand der Bünde beurteilt. Hier zeigt sich, dass die Bünde der Luke schon extrem flach sind und einige Dellen und Macken aufweisen. Außerdem sterben bei der zu Beginn der Behandlung anstehenden Untersuchung trotz relativ hoher Saitenlage einige Töne bei Bendings ab. Es muss also voraussichtlich vergleichsweise viel Material entnommen werden, um die Bünde wieder wie neu erscheinen zu lassen. Ob jetzt also noch genug Spielraum vorhanden ist, die Bundstäbchen entsprechend zu behandeln, wird gleich die Vermessung zeigen.
Zu diesem Zeitpunkt wird auch mir die Entscheidung abverlangt, wie das „Action Setup“ eingestellt werden soll, wie also die Zielvorgabe des abgeschlossenen Vorgangs nun genau aussehen soll. Da ich weder eine briefmarkenflache Saitenlage bevorzuge, noch die Option, ein komplettes Briefmarkenalbum unter den Saiten durchschieben zu können in Frage kommt, fällt der Begriff „Medium“. Ein paar Daten zum Instrument müssen nun noch aufgenommen werden. Die Maschine muss wissen, wie viele Bünde die Gitarre aufweist, wie breit der Hals ist und wie lang der Abstand zwischen Sattel und Steg ist. Ferner muss die verwendete Saitenstärke angegeben werden um ein optimales Ergebnis erhalten zu können. In diesem Fall ist die bevorzugte Stärke ein Satz von 009 auf 042. Und nun beginnt der spannende Teil.
E-Gitarre Tutorial: Die Vermessung – Dr. Who is entering the TARDIS
Die Gitarre wird nun gestimmt, damit die Saitenspannung auch den realen Bedingungen entspricht, und in die Maschine eingespannt. Der Computer wird mit den Maßen der Gitarre gefüttert, in diesem Fall also 22 Bünde, Saitenstärke 009 – 042, Länge der Mensur und Breite des Halses. Und dann beginnt der Messvorgang.
Ein spitzer, pfeilförmiger Metallfinger beginnt die Gitarre abzutasten und nach allen Regeln der Computerkunst in Zahlen umzuwandeln, auf dass der Fräskopf im Folgenden ausreichend Informationen zur Verfügung gestellt bekommt. Im Video weiter unten sieht man unter anderem auch ganz eindrucksvoll, wie dieser Messvorgang vonstatten geht. Der Finger gleitet über den Hals, lokalisiert akribisch die Positionen der Bundstäbchen, die Saitenführung, schiebt die Saiten beiseite und vermisst die abgerockten Metallstäbe auch genau da, wo später wieder die Action stattfinden soll. So entsteht ein Profil, das später auf dem Computermonitor jedes einzelne Bundstäbchen und seinen Zustand in Hinblick auf das ausgewählte Endergebnis aufzeigt. Der Messvorgang dauert mehrere Minuten, währenddessen mir Rudolf Ens Details des Plek-Verfahrens erläutert. Die ein oder andere Anekdote aus den Kindertagen der ersten Plek-Maschinen kommt da auch auf den Tisch, die in diesem Artikel beschriebene „Telefonzelle“ ist das Endergebnis einer langen Entwicklungsarbeit. Vor nicht allzu langer Zeit lag die Gitarre noch auf dem Rücken und wurde von oben massiert. Gitarrenwellness halt.
Kaufberatung Gitarre Plek-Verfahren: Das Messergebnis
Hat das Instrument die nötigen Schritte des Sensors überstanden, spuckt der Computer kryptische Grafiken aus, die eine Aussage über den Zustand des Patienten treffen und entscheidend für die weiteren Schritte sind.
Auf dem Computermonitor entsteht nun eine stark verzerrte, aber dadurch extrem deutliche Darstellung des Zustandes des Instruments. Die orangene Linie symbolisiert den gemessenen Verlauf der Saite, die grüne Linie den Idealzustand, den die Maschine im Rahmen des Plek-Verfahrens nun zu erreichen sucht. Dazu stehen mehrere Optionen zur Verfügung, die im Folgenden erläutert werden.
Unten im Bild erkennt man die einzelnen Bundstäbchen und stellt fest, dass im unteren Bereich bei den Bünden 3 bis 5, sowie – und hier wird es deutlicher – bei den Bünden 15 bis 22 deutliche Diskrepanzen des Ist-Zustandes und des Idealzustandes vorzufinden sind. Gerade im oberen Halsbereich erklärt das auch das Absterben der Töne bei den Bendings.
Die anschließende Grafik zeigt den Messwert aller Bundstäbchen (orange) und die Idealzustand (grün). Die rot unterlegten Zahlen rechts im Bild warnen davor, jetzt den Fräser auf das Material loszulassen, denn dann würde der Fräskopf aufgrund seines Profils seitlich neben den Bundstäbchen das Holz des Griffbretts beschädigen. Am 17. Bund der hohen e-Saite (oben rechts im Bild) sieht man deutlich, dass die orangene Linie UNTER der grünen Linie liegt, was das Schnarren der Saite in diesem Bereich der Gitarre erklärt. Rudolf Ens spricht nun mit seiner Maschine und bittet höflichst darum, die grüne Linie überall auf der Grafik unter die orangene Linie zu bekommen, was in der Praxis dann bedeuten würde, dass zum Beispiel an einem der Bundstäbchen 0,04 mm des Materials abgenommen werden müssten. 0,04 mm ist eine tatsächlich recht klein wirkende Korrektur, die aber in der Praxis für das Spielgefühl und die Performance des Instruments von höchster Bedeutung ist. Ich vergleiche das gern mit einer Unregelmäßigkeit an einem Zahn, die oftmals von außen gar nicht sichtbar, geschweige denn mit den Fingern tastbar ist, aber die Zunge spielt ständig daran herum. Kennt jeder, oder?
Der auf der Grafik sichtbare „rote Bereich“ der Messung erweist sich leider als kleines Problem bei der weiteren Behandlung. Die Bundstäbchen der Luke sind schon relativ flach, was ein adäquates Abfräsen des Materials erst mal unmöglich erscheinen lässt. Die Alternative, den Halsstab etwas zu lockern, würde im unteren Bereich des Halses zu Problemen führen, also fällt diese Möglichkeit aus. Rudolf Ens wählt also einen anderen Fräser aus, von denen 3 verschiedene zur Verfügung stehen. Dieser von ihm gewählte mittlere Fräser hat ein sehr flaches Profil, die Bünde werden also damit von oben nicht rund, sondern etwas flacher und müssen dann noch von Hand nachbearbeitet werden, damit keine Kanten übrig bleiben. Nach diversen zusätzlichen Einstelloptionen, unter anderem eine Einstellung, die sich auf den Radius des Griffbretts bezieht und den Radius von 12,1 Zoll auf 11,8 Zoll verringert, sind dann aber doch letztendlich alle Zahlenwerte im grünen Bereich. Die Korrekturen sind jetzt natürlich etwas geringer, als sie notwendig wären. Der Werkstattleiter weiß hier aber tatsächlich genau, was er tut, was machbar ist und was dem Instrument Schaden zufügen würde. Hätte es sich um eine „normale“ Kundengitarre gehandelt, hätte Rudolf Ens den Kunden informiert und nachgefragt, ob er wirklich das Geld für das Plek-Verfahren ausgeben möchte. Eine Neubundierung wäre dann wahrscheinlich sinnvoller. Bei meinem Instrument ist dies auch definitiv die letzte Plek-Behandlung, beim nächsten Mal sind neue Bundstäbchen fällig.
Die Fräse im Einsatz
Jetzt gibt’s also das „Go“ meinerseits, die Maschine gibt den Befehl, die Tür zu öffnen, die Saiten zu entfernen und die Gitarre neu einzuspannen. Die Saiten müssen übrigens gar nicht komplett runter vom Instrument, entspannen und beiseite binden reicht völlig. Ein neuer Saitensatz ist bei der Behandlung also nicht zwingend notwendig.
Die Position des Instruments wird erneut vom Messfühler eingelesen, damit der Fräskopf die Informationen auch korrekt umsetzen kann. Dann beginnt der eigentliche Bearbeitungsvorgang. Die Maschine arbeitet in mehreren Arbeitsschritten. Das Material sollte nicht auf einmal abgenommen werden, das ist materialschonender und es entsteht weniger Hitze unter der Bearbeitung. Die Bundstäbchen bleiben so geschützt bis zum letzten Arbeitsgang.
Im folgenden Video habe ich noch mal die einzelnen Arbeitsschritte verkürzt dargestellt. Ich habe leider versäumt, den Zeitaufwand zu protokollieren, aus meiner Erinnerung heraus ist der komplette Vorgang aber nach gut drei Stunden zu Ende. Je nach Aufwand und Zustand des Instruments variiert das natürlich. Es ist beeindruckend, mit welcher Präzision die Maschine im Hundertstel-Millimeter-Bereich arbeitet. Insgesamt durchläuft die Gitarre 4 Schritte während des Bearbeitungsvorgangs, der letzte Durchgang ist dann sozusagen der Feinschliff. Jedenfalls innerhalb der Maschine.
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Ist der Feinschliff durch die Maschine vollendet, legt der Werkstattleiter noch mal Hand an und poliert die Bundstäbchen von Hand. Mit Hilfe eines Fretguards, damit das Holz nicht beschädigt wird, nimmt er sich einzelne Bundstäbchen noch mal vor und beseitigt die letzten Kanten aufs Akribischste.
Das Endergebnis
Abschließend kommt das, was man landläufig als „Setup“ bezeichnet. Jetzt wird also wieder besaitet und Saitenlage und gegebenenfalls die Oktavreinheit der Gitarre eingestellt. In meinem Fall wurden also meine bevorzugten Elixir Optiweb 009 auf 042 organisiert. Wie oben schon beschrieben, ist eine Neubesaitung nicht zwingend, deshalb auch im Preis nicht mit enthalten. In meinem Fall war sie aber nötig, die alten Saiten hatten schon wieder 2 Gigs auf dem Buckel. In so einem Instrumentenparadies stellt das die Belegschaft nicht vor allzu große Probleme. Vorteil meiner Anwesenheit war jetzt natürlich, dass ich das Endergebnis direkt checken durfte. Aber der Erfahrung der kompetenten Mitarbeiter der Werkstatt, denen ich natürlich während ihres normalen Arbeitstages über die Schulter schauen durfte, kann man auch auf dem Postweg bedenkenlos vertrauen.
Abschließend kann ich sagen, dass ich mit dem Ergebnis der Behandlung mehr als zufrieden bin. Das Plek-Verfahren hat mir eine teure Neubundierung vorläufig erspart, die Gitarre hat an Bespielbarkeit und Sauberkeit der Intonation, gerade in hohen Lagen, deutlich gewonnen. Kein Schnarren trübt mehr das Spiel, keine Bendings verenden im schnöden „klönk“ des Kontaktes mit dem naheliegenden Bundwrack. Alles in allem habe ich am Ende der Behandlung wieder die Gitarre in der Hand, in die ich mich vor Jahren verliebt hatte. Der Unterschied zu vorher ist deutlich spürbar, die Gitarre klingt in den oberen Lagen wieder sauber und der Spielspaß ist deutlich erhöht. Die Kompetenz des Teams um Rudolf Ens ist auf höchstem Niveau und es blieben keine Fragen unbeantwortet. Vielen Dank für diesen seltenen Einblick und das Wiederherstellen meines „Arbeitspferdes“.
Erst mal ganz vielen Dank für die verständliche Beschreibung des Verfahrens. Jetzt kann ich mir endlich wirklich etwas unter den einzelnen Serviceleistungen vorstellen.
Aber: gerade vor dem Hintergrund der musikalischen Kompetenz des Autors gesehen — muss wirklich diese generische „wir-sind-hip“-Musik beim Video sein?
Dann doch bitte lieber ganz ohne.
@S_Hennig Hey, vielen Dank für den Input, beim nächsten Mal spiel ich selbst was drunter. Auf den Gedanken bin ich gar nicht gekommen, manchmal hat der Schuster die schlechtesten Schuhe… :D
LG,
Jan
Ein simpler Drumloop, zur Untermalung, ohne Aussagekraft, ist völlig legitim.
Peppt das Video ein bissl auf. Danke für das Video und die Tipps.
@Coin sehr gern und Danke :-)
Hallo Jan,
danke für den Artikel und die darin enthaltenen Infos. Er hat mich überzeugt, dass ich meine Ovation Custom Elite jetzt in naher Zukunft pleken lassen werde. Bislang war mir das Risiko „Beschädigung“ durch Versand und/oder pleking immer zu groß.
@hejasa Vielen Dank :-)
Ist das Ergebnis denn am Ende wirklich besser als es bei einem mit traditionellen Mitteln arbeitenden Gitarrenbauer geworden wäre? Schließlich kostet das manuelle Abrichten der Bünde üblicherweise weniger als die Hälfte. Ich habe da meine Zweifel.
@camarillo Ich kann dazu nur sagen, ich warte das Ergebnis ab. Ich bin grundsätzlich von Natur aus ein skeptischer Mensch, aber nach allem, was ich über das Pleking gelesen und gehört habe, scheint es das Mittel der Wahl. Für mich kommt hinzu, dass der Gitarrenbauer in meiner Nähe für Kundschaft aus aller Welt Gitarren restauriert und baut, dementsprechend sind die Preise, leider.
@camarillo So präzise kann kein Gitarrenbauer arbeiten, zumal er nicht diese exakten Möglichkeiten des vorherigen Vermessens und Aufspüren der Schwachpunkte hat. Bei meiner Luke sind bei der Vermessung Dinge ans Tageslicht getreten, die man nur schwer manuell hätte aufspüren können, schon gar nicht in der Kürze der Zeit. Und wenn ein Gitarrenbauer sich so intensiv um Dein Instrument kümmert, kommen bei regulärem Stundensatz auch schnell 3-stellige Beträge auf die Rechnung
Sehr spannend, dank dir für den tollen und detaillierten Einblick!
@Vincent Vielen Dank Vince :-)