THE CAGED-SYSTEM - Mit Lagerfeuer-Akkorden zur umfassenden Griffbrettorientierung
Sich auf der Gitarre zurechtzufinden, ist (gerade für Anfänger) erstmal gar nicht so einfach. Selbst wenn man dann mal den ersten Fingersatz der Moll Pentatonik auswendig gelernt hat und anfängt damit herumzunudeln, kennt man sich doch immer noch nicht so wirklich aus. Erste Gehversuche mit Tonleitern fallen manchmal vielleicht sogar recht leicht, aber so wirklich Läufe oder Runs across the fretboard spielen gelingt dann doch nur mit auswendig gelernten Fingersätzen und Licks. Spätestens wenn das Thema „Akkorde ausspielen“ oder gar Jazz fällt, steigen die meisten aus.
Warum ist es denn so schwer, auf der Gitarre Tonleitern zu finden?
Sieht man sich im Vergleich zur Gitarre mal das Klavier näher an, fällt direkt auf: Jede Oktave sieht durch die Anordnung von schwarzen und weißen Tasten gleich aus. Lernt man also einmal die Töne einer bestimmten Tonleiter in einer Oktave auswendig und checkt verschiedene Fingersätze, so findet man diese leicht in allen anderen Oktaven wieder. Hier hat man dann die Arbeit für jede neue Tonart, da diese immer andere Fingersätze erfordern. Aber wir wollen ja (im Moment zu mindest) nicht Klavier lernen…
Auf der Gitarre ist das (leider) anders. Durch die Quartstimmung zwischen allen nebeneinander liegenden Saitenpaaren außer zwischen der zweiten (b) und dritten (e) Saite sehen optische Muster dort erstmal auch in jeder Oktave immer wieder anders aus. Der Vorteil: hat man das Prinzip einmal verstanden, lässt es sich (der durchaus auftretenden optischen Muster wegen) leichter in andere Tonarten transferieren als auf dem Klavier. Mal wieder trifft der Spruch zu: alles hat seine Vor- und Nachteile.
Glücklicherweise gibt es ein System, das einem, durch das geschickte Nutzen von bekanntem Material, ein Tool an die Hand gibt, mit dem man sich, mit etwas Übung, eine leicht zu erlernende und gute Orientierung auf dem gesamten Griffbrett der Gitarre erarbeiten kann. Die Rede ist von:
THE CAGED-SYSTEM für E-Gitarre
Das CAGED System baut, wie der Name schon sagt, auf den „Wald-und-Wiesen“-Akkordgriffbilder von C-, A-, G-, E- und D-Dur auf. Diese Griffbilder lernen fast alle Gitarrenschüler im Laufe der ersten Wochen oder Monate ihres ersten Gitarrenunterrichts einmal. Sie sind in der ersten Lage auf dem Griffbrett zu finden, relativ einfach zu greifen und machen sich allesamt Leersaiten zu Nutze, um mit möglichst wenigen Fingern die benötigen Töne greifen zu können. Durch viele Tondopplungen klingen sie sehr voll und warm. Auch viele Popsongs lassen sich bereits einfach mit diesen Akkorden (und den jeweiligen Moll-Varianten) begleiten oder sind sogar im Original damit aufgenommen.
Gitarrenstunde Nr. 1: C-, A-, G-, E- und D-Dur Griffbilder:
Doch wie hilft einem das weiter, um sich auf dem Griffbrett, v.a. in höheren Lagen zurechtzufinden?
Um die Vorteile des Systems nutzen zu können, muss man erstmal die Zähne zusammenbeißen. Es folgt der Angstgegner eines jeden Gitarrenlernenden: Der Barré-Akkord
Diese Griffe „verschieben“ durch gleichzeitiges Herunterdrücken aller sechs Saiten mit dem Zeigefinger der Greifhand quasi den Sattel auf einen beliebigen Bund und ermöglichen so wiederum das Greifen der gewohnten „offenen“ Griffbilder aus der ersten Lage. Üblich sind hier meistens die Griffbilder von E-Dur/Moll- oder A-Dur/Moll.
Gitarrenstunde Nr. 10: Die Standard-Barré-Akkordgriffbilder:
Diese Barré-Griffbilder lassen sich beliebig verschieben, um andere Grundtöne zu erreichen. So erhält man schnell und relativ einfach die Möglichkeit, auch Akkorde spielen zu können, wie beispielsweise F-Dur (E-Dur Shape als Barré Akkord im ersten Bund), die nicht mit offenen Saiten zu greifen sind. Durch die ähnliche Optik der Akkorde, lassen sie sich recht schnell finden, wenn man einmal der Greifhand beigebracht hat, diese sauber zum Klingen zu bringen. Wir sind aber erst beim (haha^^) AE-System.
Es darf anspruchsvoller sein?!
Komplizierter wird es und ein wenig Finger-Akrobatik, wenn man das gleiche Prinzip mit den verbleibenden drei Voicings des CAGED-Systems, C-, G- und D-Dur, in ihrer Barré Variante ausprobiert.
Gitarrenstunde Nr. 15: Die „unüblichen“ Standard-Barré-Griffbilder:
Auch diese Griffbilder lassen sich nun verschieben um andere Grundtöne zu erreichen.
Und wie findet man nun diese ganzen Akkorde mit „#“ oder „b“-Vorzeichen?!
Lernt man nun einmal alle Ton-Namen auf den Saiten sechs, fünf und vier der Gitarre, so kann man nicht nur jeden Grundton der chromatischen Tonleiter als Dur-/Moll-Akkord spielen, sondern hat auch noch die Qual der Wahl, welches der Voicings man verwenden möchte. C-Dur ist dann nicht mehr an das „normale“ C-Dur-Griffbild gebunden, sondern man kann auch beispielsweise das G-Dur-Griffbild mit Barre-Finger am fünften Bund verwenden. Warum sollte man das ausprobieren? Der Sound ändert sich trotz des gleichen Akkordinhalts. Die Töne sind anders angeordnet und ergeben dadurch einen anderen Sound. Anderer Sound = mehr klangliche Ausdrucksmöglichkeiten.
Gitarrenstunde Nr. 20: Die Tonnamen der tiefen drei Saiten
Cool, mit etwas Übung lassen sich nun also alle Dur-Dreiklänge auf der Gitarre von jedem Grundton der chromatischen Tonleiter aus spielen. (Kleine Anmerkung: ab dem zwölften Bund wiederholen sich die Tonnamen. 12. Bund = Leersaite, 13. Bund = 1. Bund (nur eine Oktave höher).
Und was mach ich damit nun? Wie geht’s weiter?
Der nächste Schritt beim Üben, könnte sein, die fünf Akkord-Shapes „horizontal“ auf dem Griffbrett zu verbinden. D.h. man spielt den gleichen Akkord von einem Grundton aus und spielt alle fünf erlernten Shakes auf- und absteigend. Im Beispiel mit E-Dur hieße das:
Die Verbindung zwischen den Griffbildern beim Caged System
Der aufmerksame Beobachter hat schon erkannt, was es als Nächstes zu verstehen gilt: Die Töne der rechten Hälfte jedes Griffbilds findet man teilweise in der linken Hälfte des nächst höheren Griffbildes wieder.
Versteht man und „sieht“ man diese Verbindungen auf dem Griffbrett ist man schon ein ganzes Stück näher ans „Verstehen“ der Zusammenhänge herangerückt.
Abstrahieren ist der nächste Schritt
Als nächstes übt man das wiederum von verschiedenen Akkorden aus. In tieferen Lagen beginnend aufsteigend, in hohen Lagen beginnend absteigend und irgendwo mittig startend in beide Richtungen.
Man kann/sollte auch probieren nur die hohen drei Saiten (e, b, g), die mittleren drei (entweder b, g, d oder g, d, a) oder tiefen drei Saiten (d, a, e) zu benutzen. Je besser man diese Zusammenhänge erkennen und „sehen“ lernt umso besser. So baut man sich ein Repertoire an Umkehrungen von Dur- (und Moll)-Dreiklängen auf und lernt diese auf dem Griffbrett miteinander zu verbinden.
Muss ich das auch verstehen oder nur mechanisch ausführen? Wo ist denn der Moll-Dreiklang?
Das Wichtigste dabei ist, dass man die Abläufe nicht nur mechanisch auswendig lernt, sondern wirklich verstehen lernt, wie die Fingersätze zusammenhängen. Wo steckt der Grundton in jedem Voicing? Idealweise lernt man immer auch, welcher Ton die Terz und welcher Ton die Quinte ist. (Später kann man so, aus Dur, ganz leicht Moll machen indem man die Dur Terz einen Bund/Halbton tiefer greift oder aus Dur, beispielsweise einen übermäßigen Akkord, indem man die Quinte einen Bund/Halbton höher greift.)
Kommt man damit gut zurecht, kann man zum nächsten Schritt weitergehen.
Die Verknüpfung mit Arpeggien, Pentatoniken und Tonleitern
In diesem vorerst letzten Schritt verknüpft man nun, die erlernten Griffbilder in den Shapes C, A, G, E, D jeweils mit ihren Arpeggien, Pentatoniken und Tonleitern. Sind diese Verknüpfungen einmal tief genug im Gehirn (und den Fingern) verankert, kann man quasi immer an jeder Stelle auf dem Griffbrett die passende Tonleiter zum erklingenden Akkord spielen, wenn man an das entsprechende Paket aus Akkord, Arpeggio, Skala denkt. Im Solospiel kann man bewusst auf „sicheren“ Akkordtönen seine Melodie beenden oder Spannung erzeugen, indem man auf Optionstönen (also z.B. der None) stehen bleibt.
Wie sieht so ein Paket aus?
Das Chord-Arpeggio-Penta-Scale-Paket baut sich Schritt für Schritt auf. Am Anfang steht eben das bereits besprochene Akkord-Griffbild. Dieses wird in der jeweiligen Lage in drei Schritten erweitert durch:
1.) das Arpeggio des Dreiklangs (Grundton, gr. Terz, reine Quinte), dieses wird erweitert durch:
2.) die Dur-Pentatonik (ergänzt zum Arpeggio die große None und große Sechste), diese wird erweitert durch:
3.) die Dur- oder Ionische Skala/Tonleiter (ergänzt zur Dur-Penta noch die reine Quarte und große Septime)
Lernt man auch hier immer direkt die Intervalle mit, lassen sich in der Zukunft weitere Akkordtypen, Arpeggien, Pentatoniken und Skalen/Tonleitern, einfacher davon ableiten und so schneller lernen.
Caged System für Gitarre – Und wie trainiert man das?
1.) Argeggio lernen
Wie mit allem muss man einfach erstmal irgendwo anfangen. Man nimmt sich beispielsweise das E-shape vor. Spielt den Akkord z. B. in der achten Lage (Barré Finger am achten Bund -> C-Dur). Dabei versucht man sich die Töne des Akkord-Griffs vor dem inneren Auge auf einem imaginären Griffbrett vorzustellen. Nun erst einmal nur diese Töne einzeln hintereinander spielen, ohne den Akkord als Ganzen zu greifen. Als nächstes ergänzt man die fehlenden Töne des Arpeggios. Ein Arpeggio ist eine Akkordbrechung. man spielt also immer in aufsteigender oder absteigender Reihenfolge den Grundton, die (in diesem Fall große) Terz und (in diesem Fall) reine Quinte des Akkords. Auf C-Dur bezogen wären das die Töne: C – E – G.
2.) zur Pentatonik erweitern
Klappt das in dieser Lage sicher und gut, kann man sich entweder die nächste Lage vornehmen oder in derselben Lage zu den Tönen des Arpeggios die Töne der Dur-Pentatonik ergänzen. Diese wären als Intervall auf den Grundton bezogen: große Sekunde (= 9, wenn man eine Oktave höher denkt) und große Sechste (= 13, wenn man eine Oktave höher denkt). In C-Dur gedacht, wären das die Töne: D – A
Die Dur Pentatonik besteht also aus der Intervallstruktur: Grundton – große Sekunde – große Terz – reine Quinte – große Sechste
oder in C-Dur aus den Tönen: C – D – E – G – A
3.) zur Tonleiter vervollständigen
Im finalen Schritt kommen zum Pentatonik Fingersatz noch die Intervalle: reine Quarte und große Septime hinzu um die Dur-Tonleiter (Ionische Skala) zu vervollständigen. In C-Dur wären das die Töne: F – B (in Deutschland oft „H“ genannt).
Die Dur-Tonleiter besteht demnach aus der Intervallstruktur: Grundton – große Sekunde – große Terz – reine Quarte – reine Quinte – große Sechste – große Septime
oder in C-Dur aus den Tönen: C – D – E – F – G – A – B
Das klingt alles so mega trocken … wie mache ich damit Musik?
Sehr richtig, erstmal ist das alles sehr theoretisch und hat noch wenig mit Musik zu tun. Das aller wichtigste dabei ist, dass man bei aller Disziplin nie das wesentliche aus den Augen verlieren darf: Es geht um Musik. Sobald man also halbwegs vertraut mit einem Arpeggio, einer Pentatonik oder Tonleiter ist, sollte man versuchen mit diesem neuen Tool zu improvisieren. Versuche zu einem modalen Playback in der entsprechenden Tonart zu spielen und zu erforschen wie das neue „Tool“ klingt. Checke den unterschiedlichen Klang aus, den es erzeugt, wenn man zwischen Improvisation mit Arpeggien oder der Tonleiter wechselt. Welchen Sound erzeugt die Pentatonik im vergleich zur ganzen Tonleiter. Wie spielt man erst einen Ausschnitt Arpeggio um dann am Ende der Phrase einen Tonleiter Ausschnitt anzuhängen?
Resümee
CAGED ist im Endeffekt eine nie enden wollende Spielwiese, die – wenn man das Konzept einmal verstanden hat – Wege öffnet, die verschiedenste Klanglichkeiten und sehr umfangreiche Griffbrettübersicht mit sich bringt.
Viel Spaß beim Üben!
Gerne mehr von solchen Workshops, auch wenn der Preis ziemlich heftig ist 😉
Es ist interessant, dass viele Lehrer nun auf das CAGED System setzen. Ich persönlich nutze es nicht, weil die Schüler es erst dann richtig umsetzen können, wenn sie Barré-Griffe spielen können beziehungsweise diese verstehen. Der erste Akkord auf der E-Gitarre ist aber meistens ein Powerchord bestehend aus Grundton, Quinte und Oktave. Über diesen lassen sich spielend leicht die Töne auf dem Gitarrenhals finden. Schon mit dem ersten Powerchord-Griff mit dem Grundton auf der E- oder A-Saite erschließe ich mir die Töne der E, A, d und g Saite. Mit dem nächsten Powerchord-Griff mit dem Grundton auf der d-Saite kommen dann die Töne der h-Saite hinzu. Die e-Saite erübrigt sich, weil die Töne mit der E-Saite identisch sind, eben nur entsprechend oktaviert. Nimmt man nun zwei bis drei recht einfache Skalen wie die Dur/Moll-Pentatonik, die Blues-Skala oder die Dur-Tonleiter, kommt man als Anfänger schon recht weit.
Ich muss allerdings sagen, dass ich immer mehr zur Lick-Didaktik zurückgehe. So habe ich früher gelernt. Man lernt Licks bekannter Songs auswendig und kombiniert diese neu. Schüler können damit viel schneller improvisieren als über Skalen und Arpeggios. Wenn man diese dann noch mit Theorie unterfüttert, entwickelt sich ebenfalls ein tiefes Verständnis.