Aus dem Osten nichts Neues?!
Eine Les Paul ist ein Les Paul ist eine Les Paul … ja, ja, alles schon mal gesehen. Aber irgendwas Neues muss die Lady doch bieten, wenn die Gibson-Tochter Epiphone die hier vorzustellende Gitarre als „Modern Les Paul“ anpreist. Und eine neue Lackierung reicht da definitiv nicht aus. Wollen wir mal sehen, was uns da aus dem fernen Reich der Mitte so auf den Schoß hüpft.
Epiphone Modern Les Paul – Facts und Features
Der Hersteller verspricht uns bei einem Blick auf die Website ja schon mal das Faded Pelham Blue vom Himmel. Leichter, vielseitiger, moderner soll sie sein, all das, ohne das klassische Design zu verwässern. Und so präsentiert sich die Modern Les Paul beim Auspacken schon mal in einer neuen markanten Farbe. „Faded Pelham Blue“ nennt sich die Lackierung und ist einem hellen Petrol nicht unähnlich. Wie gewohnt umläuft ein cremefarbenes Binding den Korpus und den Hals und setzt so die Decke vom transparent lackierten Korpus aus Mahagoni ab. Der eingeleimte Hals, der ebenfalls transparent lackiert ist, besteht aus dem gleichen Material wie der Korpus. Das Griffbrett kontrastiert mit dunklem Ebenholz und beherbergt 22 Bünde der Kategorie „medium“. Die Kopfplatte schließt sich deckend schwarz lackiert an, wie immer im leichten Winkel und, ebenfalls wie immer, ohne stabilisierenden Holzkragen, wie er bei anderen Herstellern immer häufiger angewendet wird.
Leichter soll sie geworden sein, sagt der Hersteller. Gefühlt hat sich da nicht viel getan. Aber halt, 3,9 kg sagt die Waage autoritär und verweist das Gefühl des Testers in die Schranken der Objektivität zurück. Da hat sich im Vergleich zum klassischen Vorbild schon deutlich was geändert, bringen doch klassische Les Pauls gern mal mit knapp 5 kg den Spieler an die Grenze der Tragfähigkeit seiner Wirbelsäule. Aber wo wir gerade beim Fühlen sind, das Halsprofil fühlt sich irgendwie anders an. Hier trügt das Gefühl diesmal nicht, denn das Hals-Shaping nennt sich tatsächlich „Asymmetrical Slim Taper“ und wird in Richtung der tiefen E-Saite etwas kräftiger. Der Hals/Korpus-Übergang ist ebenfalls modifiziert, das „Contoured Heel Profile“ soll ein verbessertes Handling in den oberen Lagen ermöglichen.
Der Vollständigkeit halber sei die Decke noch erwähnt, die aus Triple-A-Riegelahorn bestehen soll, was aber dank der sauber ausgeführten, deckenden Lackierung wenigstens optisch bei keiner der Farbvarianten dieses Modells eine Rolle spielt. Klanglich mögen sich hier die Feingeister und Holzwürmer ob der Möglichkeiten der Klangbeeinflussung austoben.
Die sonstigen Neuerungen der Modern Les Paul finden wir jetzt Hardware-seitig bereits am Kopf, hier werkeln Grover Rotomatic Locking-Tuner, die der Unart der siebenundvierzig Saitenwicklungen um den Mechanikschaft entgegenwirken können und somit zu Stimmstabilität und schnellerem Saitenwechsel beitragen sollten. Am anderen Ende der Gitarre arbeitet ein klassisches StopBar-Tailpiece dem Saitenzug entgegen, die Einstellmöglichkeiten für Saitenlage und Oktavreinheit übernimmt der knapp davor montierte Locktone ABR Steg. Ausgestattet mit zwei Humbuckern, einem 3-Wege-Toggle-Switch sowie zwei Volume- und zwei Tone-Reglern ist dann alles beim Alten. Sollte man meinen. Dem ist aber nicht so, denn auch hier zeigen sich ein paar auf den ersten Blick unsichtbare Neuerungen. Die von Epiphone entwickelten ProBucker sind splitbar. Dies geschieht über die Pull-Funktion des jeweiligen Volume-Reglers. Als Goodie kann dann noch das Tone-Poti des Hals-Pickups gezogen werden, was mit einem Phase-Switching noch mehr Flexibilität in die Tonwandlung bringen soll.
Die Epiphone Modern Les Paul in der Praxis
Mit „nur“ 3,9 kg ist die Modern Les Paul geradezu ein Leichtgewicht, wenn man Vergleiche zu den Schwestern aus dem Mutterhaus zieht. Trotzdem sind auch knappe 4 Kilo noch immer ein ganz schöner Brecher, wenn man länger als 2 Stunden auf der Bühne steht. Ausgewogen an Gurt und auf dem Schoß gibt’s aber hinsichtlich des Handlings nichts zu meckern. Wer Angst hat, die neuerdings verbauten Locking-Mechaniken könnten durch ihr höheres Gewicht zu einer Kopflastigkeit führen, kann beruhigt aufatmen, bei diesem Gesamtgewicht fällt das definitiv nicht auf. Der Saitenwechsler dankt den Tunern jedoch wegen des vereinfachten Handlings und der deutlichen Zeitersparnis. Die Mechaniken laufen sauber ohne Hakler. Die Gitarre ist sauber eingestellt, die Saitenlage ab Werk ist komfortabel, die Bespielbarkeit bis in die höchsten Lagen exzellent. Das neue Halsprofil trägt dazu genauso bei, wie der gelungene Hals/Korpus-Übergang. Einen Rippenspoiler sucht man nach wie vor vergeblich. Eigentlich schade, denn hier hätte man tatsächlich noch etwas mehr Ergonomie hinzufügen und etwas Gewicht einsparen können. Ein Kritikpunkt beim Handling ist aber leider nicht wegzudiskutieren: Die klassischen Potiknöpfe, die jetzt als Pull-Potis zum Coilsplitting und zum Phase-Switching herhalten, sind gerade wegen ihrer Bauform mit leicht verschwitzten Händen nicht mehr wirklich sinnbringend zum Gezogenwerden zu bewegen. Schnelles Umschalten ist nur schwer möglich, den Potiknopf fürs Phase-Switching hatte ich dann auch direkt in der Hand. Nachdem ich diesen durch seinen Kollegen von nebenan getauscht hatte, ging es aber deutlich besser. Hier wäre aber eine Fixierschraube, wie man sie von den Dome-Speed-Knöpfen kennt, sinnvoller. Alternativ könnte man auch seitens des Herstellers über Push-Potis nachdenken. Ansonsten entspricht das Handling der Modern Les Paul dem des allseits bekannten Vorbildes.
Unverstärkt bekommt man das, was man von einer Les Paul erwartet, ein lauter, leicht indirekter Ton, aber perkussiv und von langem Sustain geprägt. Hier also keine Überraschung. Schließen wir die Lady mal an und hören, was uns erwartet. Und hier macht sich jetzt tatsächlich bei mir ein kleines bisschen Frust breit. Die Tonabnehmer können das, was die Gitarre unverstärkt verspricht, in meinen Augen nur mangelhaft übertragen. Es fehlt in allen Schalterstellungen an Präsenz, an Charakter. Es fehlt das Quäntchen Höhen und die präzise Basswiedergabe. Doch gehen wir die Optionen mal einzeln durch. Beginnen wir clean mit einem „Durchschalten“ vom Hals über die Mittelstellung zum Steg. Niemand erwartet von Humbuckern eine brillante Darstellung der Höhen, hier klingt aber alles eigenartig „belegt“ und irgendwie unlebendig. Splitten wir den Hals-Pickup, ist das Ergebnis schon hörenswerter und klingt für mich eher nach dem, was ich ungesplittet erwartet hätte. Die Mittelstellung des Toggles ist nun auch deutlich brillanter und hat einen höheren Praxiswert. Im vierten Klangbeispiel schalte ich den Phase-Switch während des Spiels zur Mittelstellung dazu, um den Unterschied zum Normalbetrieb deutlicher zu machen. Hier zeigen sich funky Qualitäten, die man von einer Les Paul erst mal so nicht erwartet.
Aber niemand spielt eine Les Paul ausschließlich clean, oder? Also dicken wir mal den Sound etwas an. Die eben von mir bevorzugte Stellung des gesplitteten Hals-Pickups macht den Anfang. Der Sound der Gitarre lebt jetzt deutlich auf, ist aber noch immer irgendwie leblos. Ungesplittet wird’s jetzt etwas breiter und rockiger. Schalten wir durch zum Steg-Pickup. Etwas lebendiger, aber noch immer von einem charaktervollen Ton weit entfernt. Mit ein klein wenig mehr Distortion kann mich da die Mittelstellung mit geschrabbelten Akkorden noch am ehesten überzeugen.
Alles in allem bisher nur bedingt befriedigend, also ab ins Highgain-Paradies. Böse Zungen behaupten, je höher der Gain-Pegel wird, desto gleicher wird der Charakter der Gitarre. Ich behaupte das Gegenteil und sage, dass nur ein gutes Sound-Fundament auch im Highgain-Bereich richtig auftrumpfen kann. Schaumerma …
Der Hals-Pickup bleibt eigenartig kraftlos, macht mir aber mit etwas mehr Verzerrung schon deutlich mehr Spaß. Der Steg-Pickup kommt jetzt deutlich besser zur Geltung und trennt schön die einzelnen Saiten. Das ist dann spätestens beim Umschalten auf Highgain vorbei. Da matscht es doch sehr bei der Akkordwiedergabe. Solo-Lines flutschen jedoch recht frisch ans Ohr, hier trumpft dann auch der Hals-Pickup wieder etwas auf. So richtig gern mag ich Mittelstellung des Toggles beim Solieren, der Sound ist sehr eigenständig und äußerst brauchbar. Bleibt zu erwähnen, dass die Pickups extrem einstreuempfindlich sind, bei höheren Gainsettings war es schwierig, das Brummen mit Hilfe eines Gates in praxistaugliche Bahnen zu lenken. Das gilt sowohl für den Humbucker-, als auch für den Splitbetrieb.
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Schön, dass das auch im Video festgehalten wird. Hab‘ die „kleinere“ Epiphone Les Paul Muse. Jo, die Epiphone Humbucker sind im Vergleich zu den PUs bei Gibson Gitarren vielleicht verhältnismäßig flat, obertonarm und undynamisch. Hat sich aber hier bei mir schon in einigen Tracks bewährt,
Klar, manchmal braucht man das genau so. Aber ich finde es immer einfacher, lo-fi aus ner guten Quelle zu basteln, als umgekehrt. Aber Epiphone muss dem Mutterschiff ja auch Platz lassen, den Preisunterschied zu rechtfertigen:-)
Ziemlich enttäuschend für den preis.
Manche sagen ja, harley benton ist mittlerweile besser vom preis/leistungsverhältnis.
Glaube stephan hat das auch gesagt.
@Numitron Ich führe als Beispiel immer gern meine Hagstrom Ultra Max an. Die kostet nur unwesentlich mehr, ist aber der Epiphone in allen Bereichen deutlich überlegen. Die Verarbeitung der Epiphone ist aber völlig in Ordnung und den Preis absolut wert. Lediglich die Tonabnehmer sind das Problem. Aber wenn ich da anfange auszutauschen, bin ich preislich auch schnell in Regionen, wo ich gleich nach einer Komplettlösung schauen kann