Was die AMAZONA Guitar & Bass-Redaktion gerade hört
Inhaltsverzeichnis
Die Musikbranche bringt stetig neue Instrumente, Geräte und Gadgets auf den Markt und unser Autorenteam hält euch diesbezüglich immer auf dem Laufenden. Doch auch fast vergessene Klassiker unter den Instrumenten und Interviews mit Weltstars und Musikern von nebenan finden in unseren Artikeln immer wieder Erwähnung. Wir versuchen, euch näherzubringen, wie man mit den alten Schätzchen und den neuen Entwicklungen auf kreative Weise Musik machen kann und in vielen Testberichten und Beiträgen finden sich Hinweise auf die musikalischen Wurzeln und den aktuellen Stil unserer Autoren.
Aber welche Alben, welche Songs, welche Konzerte haben das Autorenteam aus dem Bereich Guitar& Bass beeinflusst und zu den Musikern gemacht, die wir heute sind? Darüber möchten wir in unserer Kolumne „Album des Monats“ Auskunft geben. Im Unterschied zu den „Album des Monats“-Kolumnen in anderen Online-Magazinen und gedruckten Zeitschriften geht es bei uns nicht unbedingt um Neuerscheinungen, sondern um Alben, die wir aktuell gerade auf der Playlist haben. Es ist also gut möglich, dass ihr in unserem Ranking Alben wiederentdeckt, die euch selbst durch eine bestimmte Lebensphase begleitet haben. Aber vielleicht lernt ihr auch Alben von Bands kennen, die euch bislang noch unbekannt waren. Unser Ziel ist es, dass ihr uns ein bisschen besser kennenlernt und dass ihr in Punkto Musik Altes und Neues für ruch (wieder-) entdeckt. Denn so, wie auf dem Markt für Gitarren, Bässe, Effekt-Pedale und Verstärker, gibt es auch unter den Musikschaffenden neue und alte Bekannte, die nur darauf warten, entdeckt zu werden.
Best of Rock & Alternative, September 2023
Swans – The Beggar
Michael Gira ist der Schamane der Rockmusik – und ein Pionier des Drone- und Noise-Rocks. Vor ungefähr acht Jahren sah ich Swans das erste Mal live. Ich kannte die Band zu dem Zeitpunkt nicht und wurde von einem Kumpel mitgeschleppt. Ich wusste weder, wer Michael Gira war, noch was ich zu erwarten hatte. Was dann passierte, gehört immer noch zu meinen liebsten Konzerterfahrungen: Michael Gira behandelte seine Band wie seine Apostel und seine Musik wie eine Predigt – eine völlig durchgeknallte Predigt, bei der mit einer alten und abgeschrabbten Telecaster den Ton vorgab. Mäandrierende Riffs, Kakophonien, ein Hauch Blues, ein Hauch Post-Rock und einfach nur Noise, Noise, Noise. Es war ritualistisch und schlichtweg großartig.
Die Platten der Band sind eine Erfahrung für sich. Ich habe mich lange auf „The Beggar“ gefreut – es könnte Giras letztes Album sein, denn der Gute ist inzwischen ein alter, gezeichneter Mann, der in seinen Lyrics entsprechende Andeutungen macht. „Michael Is Done“ heißt eines der schönsten Stücke auf dem Album. Die Musik braucht Geduld und Nerven. Mit herkömmlichem Rock hat das nichts zu tun, aber wer Michael vertraut und sich auf die Tracks einlässt, wird mit einem intimen und extrem emotionalem Hörerlebnis belohnt. Der 45-Minuten-Track des Albums „The Beggar Lover (Three)“ ist mein persönliches Highlight und einfach ein irre durchdachtes und einzigartiges Stück Musik. Gira forever.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
TOTO – Falling In Between Live 2007, Paris, Zentih
Es war ein magischer Moment in meinem (musikalischen) Leben – es muss 2009 gewesen sein, als ich bei „Pop around the clock“ auf 3sat an Silvester einen unfassbaren Gitarristen mit unheimlich schöner, grüner Music Man Gitarre und einer phantastischen Band über die Bühne wetzten sah. Mir bis dato unbekannt (ich war auch erst 12), eröffnete sich mir so die Kultband TOTO. Das übertragene Konzert: Falling In Between Live at Zenith Paris 2007. WOW! Ich war sprachlos.
Toto ist seit Jahrzehnten eine „umstrittene“ Band, von den einen als „zu soft“ abgestempelt und von anderen verehrt. Sieht man sich die Leute an, die bei Toto aktiv waren oder sind, so findet man herausragende Musiker, die mit allen Größen der Musikgeschichte zusammengearbeitet haben und grandiose Songwriter sind.
Auf dem Livealbum „Falling In Between Live At Zenith Paris“ von 2007 vereinen sich Originalmitglieder der Band, wie Gitarrist Steve Lukather, Sänger Bobby Kimball mit später hinzugekommenen festen Bandmitglieder wie Simon Phillips (dr) und Freunden der Band, die für erkrankte oder nicht verfügbare Musiker einspringen, wie Leland Sklar (eb) oder Gregg Philliganes (keys). Ergänzt durch die Stimme und Gitarre von Tony Spinner ergibt sich so eine Formation, die musikalisch glänzt und mit altbekannten wie neuen Arrangements von Hits der Band aufläuft. Man erlebt eine grandiose Energie, Spielfreude, technisches Handwerk und Songs, die zu Recht Geschichte geschrieben haben in einem Konzert. Es ist wenig übrig von der als „soft“ abgestempelten Band. Zählt zu meinen „Einsame-Insel-Platten“. Einfach phantastisch.
Best of Metal, September 2023
Tool Undertow
Als Bassist kommt man an dieser Band wohl nicht vorbei: Tool! Die Läufe und der Sound von Paul D’Amour am Bass haben mich auf Anhieb umgehauen. Ein bisschen hasste ich ihn anfangs auch, denn seine Läufe haben mich damals schier zur Verzweiflung gebracht. Als das Album 1993 erschien, war ich zugegebenermaßen noch ein bisschen jung für diese Art von Musik, aber nur wenige Jahre später sollte mich das Video zu „Sober“ während des nächtlichen VIVA2-Marathons eines Teenagers mit Schlafproblemen senkrecht im Bett stehen lassen. Das unter der Regie von Fred Stuhr gedrehte Video wurde in Stop-In-Motion-Technik hergestellt und gruselte wie faszinierte mich damals gleichermaßen. Im Gegensatz zu anderen Videos, wie beispielsweise dem zur zweiten Single „Prison Sex“, wurde das Video zu „Sober“ aber immerhin von den Musiksendern als präsentabel eingestuft. Es ist übrigens das einzige Video, in dem man in kurzen verwackelten Sequenzen die Bandmitglieder zu Gesicht bekam.
Bereits in den 1980er-Jahren gründeten Maynard James Keenan, Adam Jones und Paul D’Amour in Los Angeles die Band Tool. Ihr erstes komplettes Album erschien allerdings erst 1993. Die Band produzierte es gemeinsam mit keiner Geringeren als Sylvia Massy, die später mit Ikonen wie Johnny Cash und Tom Petty, aber auch den Red Hot Chili Peppers und System of a Down zusammenarbeite.
Bis heute gibt es nur wenige Songs, die mir so eine Gänsehaut bescheren, wie der Song „Sober“. Auch beim vermutlich 1.874.627. Anhören schlägt mir dieser Song noch immer in die Magengrube und weckt in mir Erinnerungen an die besten Momente meines Lebens. Verschwitzte Nächte in winzig kleinen, gammligen Discos (so nannte man Clubs damals noch) und schmerzende Fingerkuppen im heimischen Zimmer vor dem Verstärker.
Sicher, für einige ist „Undertow“ der Beginn des Mainstream im Heavy Metal. Ich find’s trotzdem geil!
Neben „Sober“ sind für mich aber vor allem „Crawl Away“, „4°“ oder „Undertow“ mit ihren teils brachialen Instrumenten und dem emotionalen Gesang von Maynard James Keenan Songs, die auch heute nicht an Kraft verloren haben.
Ich muss allerdings zugeben, dass es auch Parts auf der Platte gibt, mit denen ich persönlich nicht wirklich etwas anfangen kann, aber dafür haben andere Tracks eine solche Wucht, dass ich dieses Album trotzdem als mein Album des Monats vorstellen wollte.
Übrigens: Nur zwei Jahre nach der Veröffentlichung von „Undertow“ verließ Bassist Paul D’Amour die Band und machte damit Platz für Justin Chancellor. Der Brite treibt uns Bassisten mit seinen noch heftigeren Läufen bisweilen in den Wahnsinn, zeigt aber auch, dass ein Bass so unendlich viel mehr ist, als eine tiefer gestimmte Gitarre.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Alice Cooper – Road
Was hat er nicht alles für Skandale produziert, der Schock-Rocker aus Detroit. Obwohl er doch, wie so viele Kollegen aus seiner Zeit, mit einer braven Beatles Coverband gestartet ist. Dass die Band dann später auch Songs der Rolling Stones ins Programm aufnahm, war wohl der Beginn des Mr. Bad Guy.
Ob das Spiel mit einer Würgeschlange oder die gespielte Hinrichtung nach stundenlanger Tortur auf der Bühne, auf die (schlechte) Presse konnte sich Vincent Damon Furnier immer verlassen. Zahlreiche Bühnen- und Alkoholexzesse später gipfelte seine Karriere im 1989 erschienenen Album Trash, das von Desmond Child produziert wurde und zahlreiche bekannte und brillante Gastmusiker aufweisen kann. Seit 1974 ist er nun Solo unterwegs und zahllose, skandalträchtige Shows flankieren seinen Weg, dem er mit seinem neuen Album Road nun ein kleines Denkmal gesetzt hat.
Schon die Namen der Titel verraten, wo der Meister der Horrorfrösche die Locken hat. „I’m Alice“ und „Welcome To The Show“ eröffnen das Poesiealbum, gefolgt vom Erfolg („All Over The World“) und dem fulminanten, vorübergehenden Höhepunkt der Karriere („White Line Frankenstein“), das auf Tom Morello als Mitstreiter baut und musikalisch ein so richtig bilderbuchmäßiges Zitat alter Cooper Songs und textlich eine Anspielung auf das wilde Tourleben darstellt.
Nachdem er mit den „Rules Of The Road“ noch mal mit einem Augenzwinkern den ungeschriebenen Gesetzen des Tourlebens huldigt („You gotta rock, you gotta roll, you gotta shock and lose control“), verabschiedet sich Alice mit „The Big Goodbye“ vorübergehend von der Bühne. Nicht, weil er keinen Bock mehr hat, sondern weil die Tour zu Ende geht. Mit „Road Rats Forever“ setzt er den „Men behind the man“ ein musikalisches Denkmal. Großartig!
Das Album verabschiedet sich mit dem geradezu melancholischen „100 More Miles“, in dem Alice es kaum erwarten kann, endlich wieder zu Hause zu sein, und einer kleinen Liebeserklärung an den Tourbus.
Musikalisch macht dieses Album alles richtig, wir hören Alice Cooper at it’s best. Treibende Rhythmen treffen auf hart nach rechts und links gepannte Gitarren, sogar ein Drumsolo hat seinen Platz auf diesem Album. Der alte Mann weiß noch, wie’s geht, auch wenn die Range der Stimme deutlich abgenommen hat. Mit diesem Album verweist der alte Schock-Rocker die Kids auf die Plätze. Hörbefehl!
Best of Indie, September 2023
Baby Universal – Baby Universal
Passend zum Spätsommer in Berlin ist mir das selbstbetitelte Album von Baby Universal wieder in die Hände, beziehungsweise auf die Ohren gefallen. Vielleicht, weil deren letztes Konzert, das ich besucht habe, ebenfalls zu dieser Jahreszeit hier in Berlin stattfand. Oder weil der raue und melancholische 70er-Jahre-Retro-Sound, der in Richtung The Doors und INXS geht, mit einer modernen Eigenständigkeit, so perfekt zu dieser Jahreszeit passt. Live ist oder vielmehr war die Band eine echte Wucht und das konnten sie zum Glück auch auf ihre Platten übertragen, die sie live eingespielt haben. Die Musiker überraschen mit unerwarteten und großartigen Arrangements, die unglaublich grooven und den markanten Gesang von Conny Ochs tragen. Mit den Songs „Dancing Witches“, „Boys and Girls“, „Alright in the Air“ und „Dance Radio“ haben sie meiner Meinung nach absolute Hits geschrieben, die leider nie die Aufmerksamkeit bekommen haben, die sie verdient haben. Immer wieder, auch wenn ich die Platte länger nicht gehört habe, habe ich Ohrwürmer dieser Songs. Vielleicht entdeckt der eine oder andere diese authentischen Künstler aus Halle ja jetzt noch für sich. Sehr zu empfehlen!
Ursprünglich entdeckt habe ich diese Band, weil ich das Vorgängerprojekt namens „Zombie Joe“ bereits kannte, das aus denselben Bandmitgliedern bestand. Sie haben mich live absolut umgehauen und der eine oder andere wird diese Band wahrscheinlich sogar kennen.
Ich spielte mal ein Konzert als Vorband und freute mich mehr auf den Auftritt von „Zombie Joe“, als auf meinen eigenen.
Nicht vergessen werde ich den Moment, in dem der komplett schwarz gekleidete Gitarrist auf unsere Band zustürmte und mit finsterer Miene fragte, wer von uns der Gitarrist sei. Als ich als junger Spund ängstlich meinen Finger hob, stellte er sich freudestrahlend vor und frage, ob er meine 4x 12er-Box auch benutzen könnte. Später habe ich mich wunderbar mit der Crew unterhalten und prompt alle CDs gekauft, die es gab.
Der Gitarrist, Hannes Scheffler, spielte bei Baby Universal eine wunderbare Yamaha AES1500 B mit einem Bigsby, das er dezent und gekonnt eingesetzt hat. Soweit ich mich erinnere, nutze er als Verstärker einen klassischen Fender Combo. Damit kreierte er einen tollen Sound, der seine Spielweise live perfekt trug und auf den Alben noch immer trägt.
Da sich die Band leider vor geraumer Zeit aufgelöst hat, werde ich wohl auf eine Reunion hoffen müssen, um noch einmal ein Konzert von ihnen besuchen zu können. Aber auch in ihren Solo-Projekten sind die Musiker noch aktiv.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Alice Cooper finde ich auch super. Hoffe dass ich ihn noch mal auf seiner Tour 2024 live sehen kann.