Little Willi in the Bedroom!
Mit dem Marshall DSL1CR widmet sich der größte Name im Gitarrenverstärkersegment nicht dem „Testosteron geschwängerten Fullstack Geballer“ vergangener Epochen, sondern dem anderen Ende der Fahnenstange, dem Übungsverstärkerbereich. Allerdings nicht in der Absicht, den nächsten akustischen Billigheimer im zweistelligen VK-Bereich unter die Übungswilligen zu werfen, sondern vielmehr einen winzigen Vollröhrencombo mit der übersichtlichen Leistung von einem Watt an den Mann zu bringen. Was denn, nur ein Watt? Abwarten!
Das Konzept des Marshall DSL1CR
Um es noch mal kurz in die Runde zu werfen, um die Lautstärke eines Verstärkers zu verdoppeln, muss man die Leistung verzehnfachen, was im Umkehrschluss bedeutet, dass ein 100 Watt starker Vollröhren Bolide gerade einmal die vierfache Lautstärke eines 1-Watt-Verstärkers produzieren kann. Im Laufe des Tests wird der Zwergen-Verstärker noch unter Beweis stellen, was voll aufgerissene 1 Watt Vollröhre für einen Lärm machen können. Sich dessen bewusst, verfügt der Marshall DSL1CR auch über einen Druckschalter auf der Rückseite des Gehäuses, der die Leistung auf 0,1 Watt (!) reduziert.
Der eine oder andere wird sich jetzt natürlich fragen, warum ein solch „leistungsarmer“ Amp mit einem Ladenpreis von knapp 340,- Euro zu Buche schlägt, was in der Tat gerade bei vietnamesischer Fertigung doch ein sehr ambitionierter Kurs ist. Nun, all die anachronistischen Bauelemente wie Transformatoren, Röhren etc. erhöhen die Fertigungskosten ungemein, sollen in diesem Fall aber auch den geliebten Röhrensound ins Schlafzimmer retten, womit der DSL1CR eindeutig in der Bedroomamp-Klasse anzusiedeln ist. Es ist allerdings anzumerken, dass ohne einen exorbitanten Klang oder sehr flexible Einsatzmöglichkeiten der VK den einen oder anderen Kritiker auf den Plan rufen wird.
Die Konstruktion des Marshall DSL1CR
Knuffig ist er ja wirklich, der kleine Würfel, nachdem er sich aus der Verpackung geschält hat. Mit den Abmessungen von 35 x 21 x 33 cm und einem Gewicht von ca. 7,7 kg lässt sich der in offener Bauweise konstruierte Combo auch von zarten Frauenhänden mittels des im Verhältnis zu den Gehäuseabmessungen gigantisch groß aussehenden Tragegriffs problemlos transportieren. Mittels 2x ECC83 und 1x ECC82 erzeugt der Combo laut Verkaufsjargon den „legendären DSL-Sound“, mit deren Verwendung ich persönlich etwas weniger großspurig umgehen würde. Die DSL-Serie gilt unter Fachleuten mehr als der „Marshall des kleinen Mannes“, die zwar den großen Namen trägt, klanglich jedoch gerade mit der H-Serie nicht einmal ansatzweise mit den echten Legenden der JCM, JTM oder Plexi-Serie mithalten kann.
Um die Abmessungen des Combos gering zu halten, verwendet Marshall in diesem Verstärker einen von Celestion gefertigten lediglich 8 Zoll großen Lautsprecher, welcher gemäß der Leistung des Verstärkers maximal 15 Watt verträgt. Der Amp verfügt über 2 Kanäle (Classic Gain / Ultra Lead), welche über einen Druckschalter auf der Frontseite des Gehäuses oder mit dem mitgelieferten Fußschalter geschaltet werden können, wobei der Ultra-Gain-Kanal über einen Tone-Shift-Schalter in seiner klanglichen Grundausrichtung variiert werden kann. Beide Kanäle teilen sich eine Dreiband-Klangregelung und einen Digital-Reverb-Regler. Rechts außen befindet sich der Netzschalter, eine Standby-Funktion besitzt der Marshall DSL1CR aufgrund seiner Röhrenkonstellation nicht.
Rückseitig befinden sich neben einem seriellen Effektweg, dem Kaltgerätestecker und dem Anschluss für den Lautsprecher noch zwei weitere Miniklinkenstecker, die dem primären Einsatzgebiet des Verstärkers geschuldet sind. Zum einen befindet sich dort ein Audio-In, der das Zuspielen von MP3-Dateien etc. ermöglicht, zum anderen gibt es einen Emulated-Out, welcher eine Lautsprechersimulation zwecks Demo-Recordings ermöglicht. Dass eine Miniklinke als Zuspieler noch Sinn macht, lässt sich aufgrund der Kopfhöreranschlüsse der meisten Smartphones etc. noch erklären, was aber bitte soll ein Miniklinke-Output für Recordings bringen? Bei allem Verständnis für das Einsparen von Platz, hier muss auf jeden Fall mit Adaptern gearbeitet werden, wobei ein Adapter direkt am Verstärker eine sehr unschöne Hebelwirkung auf die Buchse ausübt. Hier hätte auf jeden Fall eine 6,25-mm-Klinkenbuchse hingehört.