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John McGeoch – stiller aber stilprägender Gitarrist des Post-Punk

9. April 2018

John McGeoch

In letzter Zeit kreuzt der am 25. August 1955 in Schottland geborene und leider mit 48 Jahren viel zu früh verstorbene Gitarrist John McGeoch sehr häufig meinen Weg, wenn ich mich eingehend mit Musik beschäftige. Das letzte Mal war es gestern, als ich einen Song hörte, der zum Ende des ersten Teils einer durchaus empfehlenswerten britischen Mini-Serie namens “Born to Kill“ lief. Meines Erachtens ist diese finale Szene des erste Teils, gerade durch diese verwendete Musik im Hintergrund, sehr stark geworden – vermutlich die stärkste – und prägt sich längerfristig beim Betrachter ein.

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Der Song, der da läuft, heißt “The Light Pours Out Of Me“ und ist vermutlich einer der intensivsten, den die britische Kultband Magazine je veröffentlichte. Bass und Drums bilden eine treibende Einheit, der merkwürdige Sprechgesang von Howard Devoto verfehlt seine Wirkung nicht und die Gitarre fräst sich beim Hörer in den Schädel. Hier leistete McGeoch nicht nur die Gitarrenarbeit, in diesem Song von 1978 wirkte McGeoch auch als Co-Komponist.

https://www.youtube.com/watch?v=0J1sOQdvudc

Aber zurück zu den Anfängen McGeochs. Da ist erstmal nichts Ungewöhnliches. Mit 12 die erste Gitarre, dudelte in den ersten Jahren Blues Standards runter, orientierte sich in seinen Lehrjahren an der Klampfe an den damals (und auch heute immer noch) angesagten Herren Hendrix und Clapton, spielte Cream Songs nach. 1970 erste Banderfahrungen in einer lokalen Band namens “The Slugband“. Dann kam der Umzug der Familie nach London und McGeoch begann ein Kunst-Studium an der Manchester Polytechnic, welches er auch abschloss. Sein Interesse an Zeichnen, Malerei und Photographie sollte auch später dazu führen, dass er in einer seiner späteren Bands (The Armoury Show), das Cover des Albums aktiv mitgestaltete.

Im Aprill 1977 lernte er Howard Devoto kennen, der gerade die Buzzcocks in einer frühen Phase (eine der impulsgebenden Punkbands jener Jahre) verließ und einen Gitarristen suchte. Sie gründeten Magazine mit Barry Adamson am Bass, Bob Dickinson an den Keyboards (ab 1978 Dave Formula) und Martin Jackson an den Drums (1978 ersetzt durch John Doyle).

Was diese Band auszeichnete, waren sehr starke, sozialkritische und lyrische Texte und zugleich die musikalische Experimentierfreude (die Verwendung von Synths in diesem Genre, was die Distanzierung zum reinen Punk verdeutlicht), die bezeichnend ist für diese frühe Phase des New Wave.

Nach dem dritten Album (The Correct Use Of Soap) der Band stieg McGeoch 1980 aus und widmete sich einem neuen Kapitel. Siouxsie & the Banshees suchten nach dem plötzlichen Ausstieg 1979 von Drummer und Gitarristen, neue Leute. Mit dem nicht weniger bedeutenden Drummer Budgie (Peter Edward Clarke) und eben mit John McGeoch fanden sich ideale Partner und so entstanden während dieser Phase einige der vermutlich stärksten Songs (und Ohrwürmer) im Siouxsie & the Banshees Repertoire.

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Mehr Informationen

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https://www.youtube.com/watch?v=eVTtFjU0T-Y

gäbe noch einige mehr… aber belassen wir es mal bei den 3 Beispielen.

Leider führte ein Nervenzusammenbruch, bedingt durch den Tourstress und Alkoholproblemen, 1982, bei dem er auf der Bühne während eines Madrider Konzertes mental zusammenklappte, dazu, dass er aus der Band aussteigen musste.

An folgenden 3 Alben der Band war er beteiligt: Kaleodoscope, Juju und A Kiss In The Dreamhouse

Siouxsie Sioux sollte die Arbeit mit John McGeoch und sein Talent an der Gitarre später in einem Interview hervorheben, in dem sie über ihn sagte:

“John McGeoch was my favourite guitarist of all time. He was into sound in an almost abstract way. I loved the fact that I could say, “I want this to sound like a horse falling off a cliff“, and he would know exactly what I meant. He was easily, without a shadow of a doubt, the most creative guitarist the Banshees ever had“

Später wirkte McGeoch noch lange Jahre (von 1986 – 1992) bei PiL mit und spielte 3 Alben mit John Lydon und der Band ein.

Auch für die Sugarcubes (die isländische Kultband, bei der Björk die Frontfrau war) spielte er u.a. einen Track ein, in diversen anderen Projekten wirkte er noch mit und komponierte auch Tracks für das Fernsehen in seinen späteren Jahren.

Während der Magazine und Siouxsie & The Banshees Jahre wirkte er auch bei der Produktion der Visage Alben als Gitarrist mit. Am größten – oder genauer gesagt – einzigen relevanten Hit (gerade hier in Deutschland) der Band/des Projekts, dem Synth Pop Klassiker “Fade To Grey“ war er allerdings nicht beteiligt.

Wichtig zu erwähnen, ist, dass er in einigen Produktionen auch noch Saxophon oder auch Keyboards spielte, in vielen Kompositionen der o.g. Bands ist er als Komponist oder Co-Komponist aufgeführt. Selbst als Produzent betätigte er sich schon 1980 (für Zzzang Tumb – eine schwedische Punk-Funk Band).

Sehr außergewöhnlich: Als profilierter Musiker machte er sogar 1995 noch eine Ausbildung zum Krankenpfleger.

Sein verwendetes Equipment ist relativ spärlich, im Vergleich zu anderen Gitarristen seines Ranges:

In den frühen, prägendsten Jahren seines musikalischen Schaffens verwendete er als Haupt-Gitarre eine Yamaha SG1000 und seine favorisierten Effekte waren Flanger der New Yorker Bodentreter Schmiede MFX.

In späteren Jahren erweiterte er sein Gitarrenequipment. Die Squier 1957 Stratocaster kam beim o.g. Bandprojekt The Armoury Show zum Einsatz. Auch Carvin und Washburn Gitarren sollten in einigen Songs Verwendung finden.

Spieltechnisch fiel er vor allem mit seinen Arpeggien und String Harmonics auf. Auch klammerte er sich im Spiel nicht unbedingt immer an den konventionellen Skalen.

Am 4. März 2004 verstarb dieser stille Gitarrist, der eigentlich eher ein Anti-Gitarrist war, skandalfrei als der bekannte Unbekannte, im Schlaf. Er hinterlässt eine Witwe und eine Tochter und sein Werk voller Inspiration, das andere Gitarristen und Musiker antreibt.

Die Zahl seiner prominenten Fans ist hoch: Ob Johnny Marr (Zitat: “When I was in my teens, there weren’t many new guitar players who were interesting and of their time.[…] John McGeoch. [His work] was really innovative guitar music which was pretty hard to find back then. To a young guitar player like myself, those early Banshees singles were just class“), Ed O‘ Brien (Radiohead), U2s “The Edge“, Dave Navarro oder John Frusciante… sie alle verweisen auf John McGeoch als bedeutenden Einfluss ihres eigenen Schaffens.

Wer mehr Infos braucht und des Englischen halbwegs mächtig ist, findet interessante Aussagen von Zeitzeugen aus den o.g. Bands in einem Radiofeature über ihn:

https://www.youtube.com/watch?v=pwIgzdUh0-Q (6. Teile, der Rest findet sich auch auf dem Kanal)

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Fazit
Gerade für Gitarrenneugierige, die Gitarren in ihre Songs einbauen wollen, ohne die klassischen Stereotypen vom Gittarenhelden bedienen zu wollen, zu können, zu müssen - whatever - ist John McGeoch ein inspirierender Hörtipp.
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Forum
    • Profilbild
      costello RED

      Hi Wellenstrom, jetzt verstehe ich Deinen Post zum SS-30, wo Du von Recherchen zu Magazine schreibst. Gratulation zum Super- Feature zu McGeoch! Liest sich klasse und die genannten Bands sind natürlich genau „meins“ : -)

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        AMAZONA Archiv

        @costello Vielen Dank Costello, das geht runter wie Öl. Naja, meine Schreibe ist da noch ungeübt… ging mir nur darum, das Interesse an einen Musiker zu wecken, der in Deutschland oder generell, außerhalb dieser Szene nie wirklich bekannt war.

        Hehehe, sach ja, musikalisch sind wir ’ne Art Blutsbrüder….schade nur, dass sich der Kosmos Magazine jetzt erst, auf meine alten Tage, erst so richtig erschließt. Im Prinzip könnte man da über jeden einzelnen Musiker in dieser Band ein Feature schreiben, wie auch zu diesem ganzen Umfeld dieser Szene in Manchester in jenen Tagen. Wusste z.B. gar nicht bis gestern, das Dave Formula mal Mitbewohner war von Martin Hannett. Interessant zu sehen, wie klein dieses kreative Keimzelle in Manchester eigentlich war. Alle sind da mit allen irgendwie verbunden gewesen.

  1. Profilbild
    TobyB RED

    Hallo Welle,

    ich schon wieder. Sauber geschrieben und auch in den richtigen Kontext gebracht. Ich würde meinen das in der prä Thatcher und in der Thatcher Zeit an sich, die besten Bands aus GB kamen. Sie hatten Haltung, Stil und die Texte waren immer eine Ansage. Und hier sind viele zeitlose Klassiker entstanden. Und ich bin sicher das da noch etliche Perlen zu entdecken sind. Seine Biografie ist nahezu archetypisch für englische Musiker.

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      AMAZONA Archiv

      @TobyB Yep! Bin da voll bei Dir. War eine spannende Entwicklung in einer vollkommen angespannten Zeit (Niedergang der britischen Industrie, steigende Arbeitslosenzahl und steigende soziale Spannungen). Eigentlich leben wir heutzutage in gar nicht mal so unähnlichen Verhältnissen (m.E. sind sie mittlerweile bei weitem extremer), aber die Luft für sozialkritische Tendenzen in der Musik ist sehr viel dünner geworden. Wo gibt es noch die Labels, die da Freiräume haben… und heute gibt es da einen merkwürdigen Trend, öffentlich kritische Musiker zu ächten und sie in irgendeine ideologische Ecke zu pressen, wo sie nicht hingehören. Strange times these days, sach ich mal.

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        TobyB RED

        Hallo Welle,

        wir haben heute andere Zeiten und versuchen hier andere Antworten auf die selben Fragen zu erhalten. Auf der einen Seite haben wir die totale Individualisierung, Globalisierung und auf der anderen Seite Digitalisierung mit allen okonömischen Folgen. Die kritischen Label gibt es noch. Ich feier grade meine Homies aus Meckpomm, Feine Sahne Fischfilet. Der Punkt ist, so denke ich, du wirst sowas nicht unbedingt nicht unbedingt auf Spotify oder im Streaming finden. Streaming ist ja der natürliche okönomische Fressfeind des Musikers. Und Musikmachen kostet nun mal Geld und Zeit und beides sind Ressourcen. Und da sie begrenzt sind, beißt sich das mit einer Flatrate.

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          AMAZONA Archiv

          @TobyB Ja, spannendes Feld… da könnte man ganze Abhandlungen drüber schreiben… allein zur Individualisierung. Da hat sich einiges verkehrt und der ursprünglich eher positiv besetzte Begriff verkehrt sich nun ins Gegenteil. Eigentlich ist der Individualismus/die Individualisierung ja gleichzusetzen mit Selbstbestimmung, die Loslösung von der Fremdbestimmung. Heute ist es m.E. eher der Weg zurück in eine viel stärkere Form der Fremdbestimmung, weil das Individuum allmählich die „Instinkte“ verloren hat, sich zu solidarisieren, wenn es um die Durchsetzung eigener NOTWENDIGSTER Interessen (die dann letztlich doch größere gesellschaftliche Gruppierungen betreffen) geht. Diese „Individualisierung“ ist m.E. in vielen Fällen Betrug und Selbstbetrug. Wir gaukeln uns oftmals Isolation und das Fehlen von Möglichkeiten der Einflußnahme als Freiheit vor.
          Vergleiche mal Deine rechtliche Situation mit der vor 25 Jahren!

          • Profilbild
            TobyB RED

            Moin Welle,

            klar darüber kann man trefflich philosophieren. Ich bin nicht böse erst 1992 – 1994 in GB gelebt zu haben. Wobei gemessen an den deutschen Verhältnissen war das schon schräg in Birmingham. Aber ich mache mir nichts vor mit einem deutschem Arbeitsvertrag und deutscher Firma im Rücken, da warst du privilegiert. Ich komme musikalisch erst später ins Rennen, mein Einstieg in die britische Musik war mit 14, Frankie and Frankie only. Später kamen dann Postpunk und Schuhstarmusik hinzu :-) Was dann eine wilde Mischung aus späterem Manchester und Acid und dann eben Elektronik wurde. Was ich an britischen Musikern, immer gut fand und finde, ist Haltung und dieses verwurzelt sein. Ich picke mal Manic Street Preachers und Primal Scream raus. Oder von Anfang/Mitte der 1980er Specials, Billy Bragg, Latin Quarter. Meine Situation ist heute auch privilegiert, ich kann machen was mir Spass macht und bekomm dafür auch noch Geld. Ich sehe und nehme aber das Gegenteil war und bin damit nicht einverständen.

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            AMAZONA Archiv

            @Wellenstrom: Das Zauberwort lautet Aufmerksamkeitsökonomie.
            Es ist schon bemerkenswert, dass die Begeisterung für belanglose Dinge in ihrer Wirksamkeit zur Machtsicherung weit über alles hinaus geht, was Gewalt bewirken könnte. Orwells berühmter Roman müsste heute völlig anders geschrieben werden, als eine Geschichte von smartphonenden, internettenden gutgelaunten Trotteln.

  2. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Top Story, ich bin begeistert, du kannst dich richtig gut aus! Das gefällt mir sehr gut.

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