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Test: ESP Will Adler Warbird Custom Shop Distressed, E-Gitarre

Wie viele Kratzer passen auf eine neue Gitarre?

11. Februar 2020

Als Gitarrist hat man es mit dem Nachnamen Adler nicht unbedingt leicht. Fällt besagter Name in einer Musiker Unterhaltung, breitet sich umgehend in den Gesichtern von Drummern, insbesondere wenn sie einen Bezug zum Modern-Metal-Drumming besitzen, ein respektvolles Lächeln aus. Gemeint ist die Assoziation zu einem der aktuellen Top 10 Drummern in diesem Segment, Chris Adler. Nur wenigen ist sein Bruder Will Adler ein Begriff, der als Rhythmusgitarrist der Band „Lamb Of God“ mehrere Jahre zusammen mit seinem Bruder in dieser Band gespielt hat. Insbesondere aufgrund des hohen Beliebtheitsgrades in den USA verfügt der Gitarrist über gleich mehrere Custom/Signature-Modelle, von denen uns das mit Abstand teuerste Modell, die ESP Will Adler Warbird Custom Shop Distressed, zum Test vorliegt.

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Das Konzept der ESP Will Adler Warbird Custom Shop Distressed

Wie auch bei den anderen Modellen, die für Will Adler gefertigt werden, handelt es sich bei dem Warbird Modell optisch um eine Les Paul Kopie, die sich jedoch in einigen Details vom Original gehörig unterscheidet. Insbesondere die Optik des Testinstrumentes sticht durch ihren sehr hohen Distressed Charakter und dem riesigen „Knochenvogel“-Aufkleber hervor. Allerdings besitzt das Instrument keinen Anspruch auf eine realistische Abnutzung des Lacks, wie er bei echten Vintage-Instrumenten vorkommt, vielmehr wurde die Lackierung nur sehr stark verkratzt.

So wurde der Lack auch dort künstlich entfernt, wo im normalen Spiel keinerlei Abnutzung auftritt und auch die Kanten des Korpus Bindings, die nach einem solchen Spielbetrieb spätestens an der Armauflage rundgeschmirgelt sein müssten, sind scharfkantig wie bei einem fabrikneuen Instrument. Deutlich authentischer wurde die Hardware ge-aged. Insbesondere die Tonabnehmerkappen wurden sehr schön in Bezug auf die ungleichmäßige Oxidation unter und neben den Saiten auf alt getrimmt, wenngleich auch hier die beiden Kappen nur kopiert und gedreht wurden. Ein echtes Vintage-Instrument hat bei der hinteren Tonabnehmerkappe der Bridge immer eine höhere Abnutzung und Oxidation als die des Halstonabnehmers.

ESP Will Adler Warbird Custom Shop Distressed Korpus

Was ein wenig befremdlich bei der massiven Used-Ausrichtung des Instruments ist die Tatsache, dass im Gegensatz zum stark verkratzten Korpus bzw. Kopfplatte der Hals fabrikneu und komplett unbeleckt daher kommt. Irgendwie wollen diese beiden Parts optisch nicht wirklich zusammenpassen, aber wie immer, alles Geschmackssache.

Mit einem Ladenpreis von knapp 7.500 Euro liegt das Instrument weit außerhalb des Segmentes, wo man selbst im Metal von einem realistischen Gegenwert sprechen kann, vielmehr befindet man sich bereits stark in der Liebhaber- und Fan-Abteilung. Man darf aber auch nie vergessen, dass solch optisch ausgefallene Custom-Shop-Versionen auch immer einen großen Werbeeffekt für die gesamte Produktreihe eines Instrumententyps darstellt, sprich auch die preislich niedriger angesiedelten Varianten der Warbird profitieren verkaufstechnisch von der Präsens eines optischen Zugpferdes ungemein.

ESP Will Adler Warbird Custom Shop Distressed Rückseite

ESP Will Adler Metal-Gitarre – Die technischen Details

Im modernen Metal-Segment hat in den letzten Dekaden eine deutliche Verschiebung von der Dominanz des Sologitarristen hin zur Aufwertung des Rhythmusgitarristen stattgefunden. Wie auch aktuelle Metal-Produktion nahezu ausschließlich dem Prinzip Druck, Druck und noch mehr Druck stattfinden, legt das aktuelle Songmaterial vieler Bands den Fokus nur noch auf druckvolle Riff-Kaskaden, fast immer im Down- oder Droptuning angesiedelt. Wo früher ein breiter Teppich für den Solisten ausgerollt wurde, der mit individuellem Ton und extravaganten Scales im Highspeed-Bereich den Hörer beeindruckte, generiert man heute zumeist einen Gitarrensound, der das Maximale an Masse aus dem High-Gain herausholt, teilweise so fett, dass man bereits Probleme hat, einen Bassisten überhaupt noch im Klangbild einer Plattenproduktion oder einer Live-Show ausmachen zu können.

Das vor Augen ist auch das Handwerkszeug von Will Adler an seine Funktion innerhalb seiner Band angelegt, will heißen, möglichst hohe Transparenz, selbst bei maximalem Gain, gute Saitentrennung innerhalb des Riffings und eine massive Bauweise, die auch härtere Anschläge ohne Intonationsprobleme in den Griff bekommt. Die Basis für diesen Anspruch bildet der durchgehende, dreiteilige Ahornhals des Instruments, der mit angeleimten Mahagoniflügeln und einer Ahorndecke versehen wurde und der erwartungsgemäß ein extrem langes Sustain offeriert. Perfekt für einen starken Soloton, aber in Will Adlers Funktion leider nur eine nette Dreingabe.

Das Griffbrett wurde in Ebenholz ausgeführt und hat eine Mensur von 24,75“. Das Shaping des Halses wurde als „Thin U“ tituliert, was es recht gut trifft. Der Hals ist recht schlank und vergleichsweise breit, liegt gut in der Hand und wird den meisten Spielern von seiner Handhabung her entgegenkommen. Die gesamte Hardware wurde in „vergilbtem“ Gold ausgeführt, was eine Art Bronze in der Grundfarbgebung aufkommen lässt. Handwerklich sehr hübsch gemacht, wäre die Oxidation nicht so absolut gleichmäßig, käme die Optik einer echten Vintage-Hardware sehr nahe. Als Griffbretteinlage wurden, sofern ich mit meiner Interpretation richtig liege, kleine „Warbirds“ verwendet.

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ESP Will Adler Warbird Custom Shop Distressed Korpusübergang

Als Tuner wurden 6 Sperzel Mechaniken mit Locking-Funktion verwendet, die absolut gleichmäßig und leichtgängig ihre Funktion erfüllen. Als Gurtpins wurden normale Pins genommen, die wahrscheinlich sehr schnell gegen Locking-Mechaniken getauscht werden. Gemäß seiner Funktion als Rhythmusgitarrist wurde auf ein Vibratosystem verzichtet, vielmehr ist die Gitarre mit einer klassischen Brücke und einem Stop-Tailpiece ausgestattet. Um den Anwaltsschreiben von Gibson zu entgehen, hat man erst gar nicht versucht, etwas Glockenförmiges als Trussrod-Abdeckung zu verwenden, sondern hat sich für eine übergroße abgeschnittene „Reverse-Glocke“ entschieden.

Als Tonabnehmer kommen 2 Fishman Fluence zum Einsatz, die nach Will Adlers Vorgaben angefertigt werden. Ob es sich hierbei um technische Änderungen handelt, die auch auf den Klang Einfluss nehmen oder ob nur der optische Aspekt für den Signature-Charakter sorgt, konnte leider nicht in Erfahrung gebracht werden. Wie alle Fishman Fluence Pickups haben auch hier die Tonabnehmer zwei unterschiedliche Klangcharakteristika, wobei eine etwas mehr Richtung aktive, die andere mehr in Richtung passive Ausrichtung angelegt sind. Geschaltet werden diese per Push/Pull-Poti, in diesem Fall ist es der Klangregler auf der Gitarre. Zudem hat jeder Tonabnehmer einen eignen Volume-Regler.

Als Besonderheit ist die Stromversorgung der Pickups zu sehen. Wie auch bei anderen Herstellern, die ihre Instrumente im Hochpreissegment anbieten, werden die Tonabnehmer über einen Akku mit Strom versorgt, der über die Kombination USB-Stecker/externes Netzteil geladen wird. Eine gute Sache, was für eine Reduzierung des Batteriemülls sorgt, wenngleich der verbaute Akku natürlich auch irgendwann einmal entsorgt werden muss.

ESP Will Adler Warbird Custom Shop Distressed USB-Stecker

ESP Will Adler Warbird – In der Praxis

Es ist fraglich, ob die ESP Will Adler Warbird Custom Shop Distressed jemals an einen cleanen Kanal angeschlossen werden wird, was sich eigentlich als sehr schade herausstellt. Je nach verwendeter Einstellung kann das Instrument auch sehr perlige, klare Sounds in den verschiedenen Pickup-Konstellationen liefern, insbesondere wenn man auf die passive Emulation der Pickups zurückgreift.

Fakt ist aber auch, dass jeder Orchesterleiter oder auch die Kumpels vom örtlichen Jazz-Quartett grüne Pickel bekommen würden, sollte man es wagen, zu einer öffentlichen Aufführung mit einem Instrument zu erscheinen, das diese optischen Qualitäten besitzt. Im Gegenzug wird alles, was sich mit abgeschnittenen Halbwellen beschäftigt, zumindest um ein respektvolles „Oha“ nicht umhin kommen, sobald man das Instrument aus dem mitgelieferten Koffer nimmt.

Wie viel im dunklen Bühnenlicht von dem ausgefallenen Finish noch beim Zuschauer ankommt, steht auf einem anderen Blatt, klanglich jedoch liefert die ESP Will Adler Warbird Custom Shop Distressed genau das, was die Optik verspricht. Die gesamte Konstruktion liefert ein differenziertes Klangbild auch bei maximalem Gain, kombiniert mit einem ausgezeichneten Schwingungsverhalten. Auch das Quäntchen mehr Ahorn, das durch den durchgehenden Hals geschaffen wird, sorgt für einen Hauch mehr Frische im Grundsound als der zumeist Tiefmitten-basierte Sound, den die klassische Mahagonihals-Mahagonikorpus-Kombination liefert.

ESP Will Adler Warbird Custom Shop Distressed Profilansicht

Die Klangbeispiele wurden mit einem ENGL Savage II, einem Marshall 4×12″ Cabinet mit Celestion G12-75 und 2 Shure SM57 Mikrofonen erstellt.

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Fazit

Mit der ESP Will Adler Warbird Custom Shop Distressed bietet das japanische Unternehmen ein Instrument, das akustisch und vor allem optisch nahezu alle Trademarks erfüllt, die ein Hig- Gain-Protagonist erfüllen sollte. Wer sich gerne in modernen Metal-Gefilden aufhält, findet bei diesem Instrument ein ausgezeichnetes Werkzeug, das mit sauberer Saitentrennung, großem Durchsetzungsvermögen und einem herausragenden Sustain brilliert.

Dass das künstliche Aging des Instruments lediglich Coolness-Faktoren dient und in keiner Weise einer echten Abnutzung entspricht, sollte man ebenso cool zur Kenntnis nehmen und sich für den begeisterten Besitzer freuen. Schließlich geht es hier ja nicht um ein authentisches Blues-Werkzeug, sondern um ein optisch und akustisch herausragendes Instrument für den ambitionierten Metaller. Zudem, wer seinen Geldbeutel um knapp 7.500,- Euro für ein einzelnes Instrument erleichtern kann, ist ohnehin ein sehr glücklicher Mensch.

Plus

  • Klang
  • Sustain
  • Verarbeitung
  • ausgefallene Optik

Preis

  • ca. 7.500,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    hejasa AHU

    Toller informativer Test und besonders das Soundbeispiel Clean finde ich wirklich oberste Klasse, erinnert an Jimi Hendrix, die anderen hören sich für mich an, wie ein Dutzend gestimmter Kettensägen, wer’s braucht, warum nicht? Aber als Keyboarder wüßte ich nicht, wie ich noch mit was dazwischen kommen soll, vielleicht mit ner B3 über Distortion oder Fuzz oder am besten beides:-))

  2. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    7500 Teuronen für eine Gitarre, deren Hals offenkundig aus mindestens 2 Teilen mit jeweils liegenden und stehenden jahresringen verleimt wurde (siehe Bild)? Die so lieblos und unglaubwürdig gereliced wurde?
    Ich finde ESP-Äxte meistens ganz gut, aber das Ding hier ist dekadent und unglaubwürdig.
    Wer auf so was steht, kauft auch skinny Jeans mit Löchern in Kniehöhe und krempelt den Hosensaum genau einmal um, damit man im Climate-Change-Winter wenigstens ein bischen friert.
    Geht gar nicht.

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