Vergessene Helden!
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Die wenigsten denken bei Fender an ausgefallene Gitarrendesigns. Vielmehr steht der Name für die klaren Konstanten der Gitarrenwelt: Stratocaster, Telecaster, Jazzmaster – und eben, was so dazwischenliegt.
Doch in der langjährigen Firmengeschichte gab es zahlreiche Modelle und Ansätze, bei denen Fender durchaus Neues wagte. Modelle, die in Vergessenheit gerieten und Modelle, die wirklich niemand mehr auf dem Schirm hat. Manche waren einfach zu speziell, zu exzentrisch. Andere verfehlten den Markt, für den sie gedacht waren. Der Blick in die Geschichte solcher großer Namen wie Fender offenbart eben manchmal Kurioses und Interessantes.
Wir wollen an dieser Stelle ein paar der vergessenen Fender-Helden besingen. Sicher nicht alle – die sparen wir uns für einen Teil 2 auf. Wir alle schätzen die großen Fender-Modelle viel zu sehr, um sie kleinzureden – aber Fenders Geschichte geht eben weit über Jaguar, Jazzmaster, Tele und Strat hinaus. In diesem Sinne:
Esquire (1950–69)
Die Esquire repräsentierte Fenders ersten echten Versuch, im Bereich Solidbody-E-Gitarren. Als sie Anfang der 50er-Jahre vorgestellt wurde, bot sie eine damals bahnbrechende Technologie in Sachen Klang und Spielbarkeit – da war diese Schönheit also durchaus eine kleine Revolution. Durch mehrere Änderungen entwickelte sie sich zu den bekannteren Broadcaster- und Telecaster-Versionen. Besonders interessant bei diesem Modell war die Evolution des Halses: Während sie bis 1959 mit einem bundierten Ahornhals ausgestattet war, gab es ab dann die Option eines Palisandergriffbretts. Ist wirklich nicht leicht, eine originale Esquire aus den 60ern heutzutage noch in die Hände zu kriegen. Alternativen aber gibt’s:
Musicmaster (1956–80)
Anfängermodelle gab es eben auch … zu Anfang. Dieses als „Dreiviertelgröße“ bezeichnete Modell war ein Zugeständnis von Fender an jüngere Gitarristen und Einsteiger. Ich bin mir nicht zu 100 % sicher, aber ich glaube, das macht Fender zur ersten Firma, die eine Produktlinie schlichtweg für Einsteiger und junge Menschen rausbrachte. Im Laufe der Jahre erlebte die Musicmaster verschiedene Design- und Hardware-Änderungen, darunter eine verlängerte Mensur und eine modifizierte Kopfplatte und wurde so quasi „erwachsen“, aber nach der dritten Version von ’75 bis ’80 verschwand die Musicmaster zumindest offiziell aus dem Portfolio.
Duo-Sonic (1956–69)
Die Duo-Sonic diente als komplementäres Modell zur Musicmaster, jedoch mit zwei Tonabnehmern. Sie zielte darauf ab, Einsteigern einen erschwinglichen und dennoch qualitativ hochwertigen Einstieg in die Fender-Welt zu bieten. Zwei Hauptversionen dieser Gitarre wurden produziert, wobei die Unterschiede hauptsächlich in der Konfiguration der Tonabnehmer lagen. Charakteristisch für die Duo-Sonic war die Anwinklung der Tonabnehmer – und in Neuauflage auch inzwischen erhältlich:
Mustang (1964–81)
Als Erweiterung der „Dreiviertel-Size“-Reihe kam die Mustang mit ihrem ikonischen Design und dem zusätzlichen Vibrato-System auf den Markt. Sie bot Gitarristen mehr Flexibilität und Variation, nicht nur in Bezug auf den Klang, sondern auch in Bezug auf das Spielgefühl und die Handhabung. Hier wuchsen quasi diese Dreiviertel-Designs in die Welt „der Großen“ rein und wurden vor allem durch Kurt Cobain wieder populär. Entgegen vieler Annahmen kam die Gitarre früher nicht viel zum Einsatz und bekam 1990 das Re-Issue, das sie zur Kultgitarre des Grunge und des Punks werden ließ. In der ursprünglichen Absicht war sie jedoch als Einsteiger- oder Schülergitarre konzipiert und obwohl sie anfangs beliebt war, trat im Laufe der Zeit ein allmählicher Niedergang in der Beliebtheit ein, der durch verschiedene Faktoren beeinflusst wurde. Zum einen suchte eine sich ändernde Musikszene Gitarren mit mehr Power und Output und nach der Übernahme durch CBS ging es auch mit der Qualität vieler Gitarren bergab. So mussten mehrere Jahrzehnte vergehen, bis es die Mustang raus aus dem Status „Studentengitarre“ schaffte.
Electric XII (1965–68)
Fender hört wie jede größere Gitarrenfirma seit jeher auf dem Markt. Kristallisiert sich ein Ansatz heraus, wird die eigene Version rausgebracht. In einer Zeit also, in der 12-saitige Gitarren an Popularität gewannen, brachte Fender die Electric XII heraus. Eingefangen werden sollte der sogenannte „Byrds-igen Jingle-Jangle“-Sound – ein luftiges und durchdachtes Instrument sollte also her. Und das war die Fender Electric XII: Ihr Korpusdesign ähnelte dem der Jazzmaster und Jaguar, jedoch mit notwendigen Anpassungen, um die zusätzlichen Saiten und Mechaniken unterzubringen. Das Problem: Fender war zu spät dran. Es gab schon eine ganze Reihe etablierter 12-Saiter, was dazu führte, dass die XII nie richtig Fuß fassen konnte. Die „Hockeyschläger“-Kopfplatte, die zwar notwendig war, ging damals auch völlig am ästhetischen Empfinden der Ära vorbei.
Coronado-Serie (1966–72)
Das war er: Fenders erster Versuch, sich im Hollowbody-Bereich zu etablieren. Die Coronado-Serie bot Gitarristen eine ganz neue Palette von Klängen und Spielgefühlen. Ein bemerkenswertes Merkmal der Coronado ist ihr Design, das von Roger Rossmeisl entwickelt wurde. Rossmeisl, ein europäischer Gitarrendesigner, war zuvor für Rickenbacker tätig und hatte dort einige der ikonischsten Designs des Unternehmens entwickelt – und ganz ehrlich, den Rickenbacker-Charakter sieht man der Coronado an. Die Coronado-Serie bestand aus verschiedenen Modellen. Zunächst gab es die Coronado I (ein Tonabnehmer), Coronado II (zwei Tonabnehmer) und die 12-saitige Variante, die Coronado XII. Trotz ihres auffälligen Designs und ihrer hochwertigen Verarbeitung war die Coronado aber nicht so erfolgreich wie erhofft. Sie konnte sich nicht gegen die Dominanz von Gibsons ES-Modelle wie die ES-335 durchsetzen. Das Feedback-Problem und die Tatsache, dass die Coronado nicht das traditionelle „Fender-Gefühl“ bot, trugen wahrscheinlich zu ihrem gemischten Empfang bei. Schade – weil die Coronado zweifelsohne eine ungewöhnliche aber interessante Gitarre war.
Bronco (1967–79)
Diese einfache, aber effektive Einsteigergitarre war tatsächlich ein ordentlicher Erfolg für Fender. Ihre Einfachheit in Design und Handhabung machte sie besonders beliebt bei Einsteigern und Schulbands. Unkompliziert, schnörkellos – so muss das. Auf den ersten Blick könnte man die Bronco leicht mit einer Fender Mustang verwechselt werden, da sie einen ähnlichen Körper und Kopfplatte hat. Sie unterscheidet sich jedoch in einigen Schlüsselmerkmalen: Tonabnehmer – die Bronco hat nur einen einzigen Tonabnehmer, einen speziellen Singlecoil am Steg. Und das Vibrato: Ein einzigartiges Merkmal der Bronco ist ihr spezifisches „Bronco Vibrato“-System, das einfacher als das Mustang-Vibrato-System ist. Wie viele ältere Gitarrenmodelle von Fender, hat auch die Bronco in jüngster Zeit einen Kultstatus erreicht. Ihre Einfachheit, kombiniert mit der Qualität der Vintage-Fender-Bauweise, macht sie bei Sammlern und Spielern beliebt. Ich persönlich hatte noch nie eine in der Hand – aber so schwer sind die auch nicht zu kriegen. Und wer eine Neuauflage sucht: Die Ben Gibbard Fender Mustang ist quasi eine moderne Bronco.
Starcaster (1976–79)
Nach den nicht ganz so erfolgreichen Coronado-Modellen versuchte Fender mit der Starcaster erneut, im Bereich der Semi-Solid-Gitarren Fuß zu fassen. Man lernt eben nicht aus. Als Fenders Versuch, in den Markt der Halbresonanzgitarren (semi-hollowbody) einzutreten – ein Markt, der zu der Zeit hauptsächlich von Gibson mit Modellen wie der ES-335 dominiert wurde –, war die Starcaster eine deutliche Abweichung von Fenders typischen Solidbody-Designs. Die Starcaster verwendete spezielle „Wide Range“ Humbucker-Tonabnehmer. Diese wurden ursprünglich von Seth Lover für Fender entwickelt und sind für ihren klaren und lauten Klang bekannt. Trotz ihres innovativen Designs war die Starcaster aber auch zu ihrer Zeit nicht besonders erfolgreich. Dies könnte teilweise auf ihre Abweichung von Fenders traditionellen Designs zurückzuführen sein oder darauf, dass sie in einen Markt eintrat, der bereits von anderen etablierten Modellen dominiert wurde. Es ist die gleiche Geschichte, die sich mehrmals wiederholt hat – vorhandener Markt, Fender versucht es, scheitert – und versucht es wieder. Doch auch hier gibt es vor allem bei Squier gute Neuauflagen.
Katana (1985–86)
Jap, ihr seht richtig: Das Katana-Ungetüm stammt auch von Fender. Sie ist eine der ungewöhnlicheren und kurioseren Erscheinungen in der Geschichte von Fender. In den 1980er-Jahren experimentierten viele Gitarrenhersteller mit radikalen Designs, um den veränderten musikalischen Vorlieben und ästhetischen Trends der Zeit gerecht zu werden. Und auch Fender war davor nicht gefeit. Zu dieser Zeit wurden Heavy Metal und Hard Rock immer populärer und viele Gitarrenhersteller versuchten, Instrumente zu entwickeln, die sowohl in Bezug auf das Design als auch auf den Klang diesen Genres entsprachen. Es musste martialisch aussehen. Gefährlich. Nun ja – die Katana hat eine unverwechselbare und scharfe Körperform, die an die namensgebende japanische Schwertklinge erinnert und erfüllte also dieses Kriterium. Ausgestattet war die Katana mit zwei Humbuckern. Trotz ihres kurzen Produktionszeitraums hat die Fender Katana in den letzten Jahren einen gewissen Kultstatus erreicht. Meines Wissens standen sogar Avenged Sevenfold mit der Katana auf der Bühne.
Toronado-Serie (1998–2006)
Diese Gitarre kombinierte klassische Fender-Designelemente wie den Jag/Jazz-Korpus mit Humbuckern und einem Gibson-ähnlichen Layout. Die Toronado bot eine perfekte Mischung aus alt und neu. Die Toronado wurde erstmals 1998 vorgestellt und war ursprünglich Teil der Deluxe-Serie von Fender, die in der mexikanischen Fabrik des Unternehmens produziert wurde. Solider Korpus, zwei Humbucker-Tonabnehmern, was untypisch für viele Fender-Gitarren ist, die traditionell mit Singlecoil-Tonabnehmern ausgestattet sind. Dies verlieh der Gitarre einen wärmeren, volleren Klang, die durchaus viele in den 00er-Jahren ansprach.
Marauder (2012–13)
Die Marauder, ursprünglich in den 60ern als Prototyp konzipiert, wurde in der Modern Player-Serie wiederbelebt. Mit dem unverwechselbaren Korpusdesign und einer Kombination aus modernen und retro Tonabnehmern war sie eine Hommage an Fenders Erbe, der Versuche eines ästhetischen und klanglichen Rundumschlags. In der Form ist die Marauder meines Wissens nur in der Modern Player Serie neu aufgelegt worden. Doch auch diese Version ist sehr schwer zu finden und alles andere als geläufig. Die Marauder bleibt also eine flüchtige Erscheinung der Fender-Welt.
Meteora (2018–heute)
Womit wir bei der Gegenwart angekommen sind. Eine der jüngsten Innovationen von Fender, die Meteora. Mit einem kantigen, futuristischen Design, das an eine verlängerte Jazzmaster erinnert, repräsentiert sie Fenders fortwährenden Drang, sich selbst neu zu erfinden und die Grenzen des Gitarrendesigns zu erweitern. Und bislang läuft die Meteora gut: Mehrere Bands standen mit der Meteora auf der Bühne und das Design schafft es, mehrere Welten in sich zu vereinen und besitzt mit den beiden Fireball Humbucker auch einen unverwechselbaren, durchsetzungsstarken Sound.
Danke, sehr schön!
Über etwas vergleichbares zu Bässen würde ich mich auch freuen :-)
Sehr interessant. Da wäre noch die Fender Elite/Flame (1984), auch unter dem Namen Robben Ford Model bekannt, aber total vergessen worden. Ausgestattet mit 2HB, DC, Wurde nur 1984 gebaut, anscheinend nur 800 Stück.