Overdrive mit ordentlich Schmackes!
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Heute haben wir es mit einem Fuzz-Pedal zu tun, welches als Vorbild nicht die üblichen Verdächtigen, sondern den Vintage-Röhrenverstärker Bell & Howell 385 heranzieht. Dieser ist ein Filmprojektor aus den 1950er-Jahren, dessen Sound mithilfe einer Röhrenendstufe erzeugt wurde. Fast jedes Gerät, welches mit Glaskolben arbeitet und über eine Eingangsbuchse verfügt, wurde im Laufe der Zeit von Gitarristen auf klangliche Tauglichkeit und vor allem Zerrfreundlichkeit überprüft. Die Pedalschmiede Walrus Audio, welche für hochwertige Pedale bekannt ist, hat nun die Schaltung dieses Filmprojektors in ein kleines Pedal eingedamft.
Anbei eine kurze Anmerkung des Autors: In den ersten Jahren meiner Gitarrenlaufbahn (immer knapp bei Kasse) erbeutete ich ein altes Tonbandgerät vom Sperrmüll. Dieses verfügte u. a. auch über einen empfindlichen Phono-Eingang mit einer 5-poligen DIN-Buchse. Ich lötete mir also einen Adapter von Klinke auf DIN und siehe da, ich konnte meine Stromgitarre nun über den eingebauten Lautsprecher hören. Dabei bemerkte ich, dass man durch Aufdrehen des Eingangsreglers den Apparat in die Übersteuerung treiben konnte, was erstaunlich gut klang (jedenfalls nach meinen damaligen Maßstäben). Auch der Ausnahmegitarrist Richie Blackmore (Deep Purple, Rainbow) ist dafür bekannt, dass er seinen Ton u. a. mithilfe eines Tonbandgerätes erzeugte und das Signal anschließend in seinen Marshalls einspeiste, womit er seinen „Signatur-Sound“ erfand, den man auch heute noch sofort wiedererkennt.
Verzerrung muss also nicht ausschließlich mithilfe von Pedalen oder Röhrenverstärkern generiert werden, deswegen kam man möglicherweise auf die Idee, die Schaltung dieses Filmprojektors zu kopieren und die Röhren durch Halbleiter zu ersetzen. Das ist jedoch kein Einzelfall. Auch das bei Gitarristen außerordentlich beliebte Pedal EP-Booster von Xotic bedient sich der Schaltung der Vorstufe eines Echoplex-Delay-Effekts.
Walrus Audio 385 – Facts & Features
Das in den USA hergestellte Pedal besitzt die Abmessungen 12,1 x 6,6 x 3,5 cm und wird wie üblich mit 9 V, DC versorgt. Der Stromverbrauch gestaltet sich ca. 100 mA moderat. Die Schaltung arbeitet intern mit 18 V, um den Dynamikumfang des originalen Amps abzubilden. Dies wird im Allgemeinen durch einen speziellen Chip erreicht, der die Speisespannung von 9 V auf 18 V bringt.
Die MK II-Version des originalen Walrus Audio 385 ist jetzt mit einem zusätzlichem zweiten Kanal und optionalem Gain-Boost ausgestatten, welche das Pedal deutlich flexibler als sein Vorgänger macht. Jeder Kanal bietet separate Volume- und Gain-Regler und kann auf zwei mögliche “Presets” gespeichert werden. Diese werden mit dem rechten Fußtaster angewählt. Die LED wechselt von weiß auf rot, so ist man stets im Bilde, welcher Modus gerade aktiv ist. Unser Testobjekt wäre übrigens auch in Schwarz zu erstehen.
Die Umschaltung erfolgt mittels Relais, das bedeutet, dass lästige Knackgeräusche beim Umschalten vermieden werden und der Schalter angenehm „soft“ agiert. Das Pedal wurde natürlich mit True-Bypass ausgestattet. Die Eingangs- und Ausgangsbuchsen wurden strinseitig postiert.
Bedienelemente
Jeder der „zwei Kanäle“ besitzt einen unabhängigen Gain- und Volume-Regler. (Volume A, Gain A, Volume B, Gain B ). Beide „Kanäle bedienen sich einer gemeinsamen Klangregelung (Treble und Bass), damit ist das Anpassen an den Verstärker ein Kinderspiel. Die Bedienung ist einfach und sinnvoll. Der kleine 385+ Schalter fügt eine weitere Gain-Stufe hinzu, für einen dickeren, satteren Ton mit extra Sustain.
Der linke Fußtaster schalten den Effekt aktiv, der rechte übernimmt die „Kanalumschaltung“ (A/B).
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Sound
Beginnen wir zunächst mit Modus 1, der etwas weniger Zerrung an den Start bringt. Hier lassen sich Sounds von leichtem Crunch bis moderatem Rock erzeugen. Bei allen Klangbeispielen stehen die Bass- und Treble-Regler auf 12 h.. Beginnt man, mit diesen zu experimentiern, lassen sich natürlich eine Vielzahl an klanglichen Varianten erzeugen. Wir hören zunächst einige Sekunden den cleanen Sound meines Peavey Classic 20, dann wird das Pedal aktiviert, so ist der Vergleich besser einzuschätzen:
Als Booster mit wenig Verzerrung erreicht man eine „bluesigen Leadsound“. Man hört, dass das Klangbild sich etwas von den gängigen Fuzz-Pedalen unterscheidet.
Reißen wir den Gain-Regler voll auf, erhalten wir einen satten Rock-Leadsound:
Nun wird Modus 2 mithilfe des kleinen Schalters aktiviert, dieser produziert weit mehr Verzerrung, der Gain-Regler steht zunächst auf 9 h:
Nun mit etwas mehr Gain (11 h), wir kommen in den Rock-Bereich:
Und schließlich mit maximaler Verzerrung in Modus 2, das Sustain ist quasi endlos:
Die Klangbeispiele wurden mit folgendem Equipment aufgenommen:
Stratocaster SSH – Walrus Audio 385 – Peavey Classic 20 MH – MESA/Boogie 1 x 12″ Thiele Box mit Creamback Celestion Lautsprecher – Shure SM57 – MOTU M4 – Mac mit Logic.