Mit dem Jet in die Unendlichkeit!
Aus Knoxville/Tennessee stammt die kleine Effektschmiede Hologram Electronics, die uns mit ihrer aktuellen Kreation beglückt: dem als „Resynthesizer“ bezeichneten Bodentreter namens Infinite Jets. Der hierzulande mit 495,- Euro nicht ganz billig zu habende Spaß wird als Effektsuite, die das Instrument auf neue und aufregende Weise transformiert beworben. Was genau also erwartet den interessierten Instrumentalisten eigentlich bei der Begegnung mit einem Resynthesizer?
Infinite Jets – Facts & Features
Vorab der Versuch, das Funktionsprinzip des Infinite Jets in einem Satz zusammenzufassen: Es handelt sich grob gesagt um einen zweikanaligen Sampler mit sehr kurzer Sampling-Zeit, der das Input-Signal aufzeichnet, dann resynthetisiert wiedergibt und dabei vielfältig moduliert mit Effekten, Hüllkurven oder einem LFO. Sämtliche Möglichkeiten, dieses Gerätes auszuleuchten, würde den Rahmen eines Testberichtes bei Weitem sprengen, aber ich werde mein Möglichstes tun!
Neben einem Aufkleber umfasst der Lieferumfang lediglich den Originalkarton und ein ausführliches gedrucktes Handbuch in Englisch. Was fehlt, ist leider ein passendes Netzteil, wobei es ein üblicher Netzadapter mit 9 Volt und mindestens 200 Milliampere sein sollte.
Das Auge isst bekanntlich mit und hier hat die amerikanische Tretmine bereits einiges zu bieten: In schmuckem Cremeweiß betritt der Testkandidat das Testlabor mit schwarz eingefassten weißen Potiknöpfen und einer Beschriftung, die zwischen türkis, himmelblau, orange und schwarz changiert. Mit 185 x 117 x 36 mm ist er nicht gerade klein und mit 635 Gramm dafür nicht besonders schwer.
Übersichtlich angeordnet teilen sich sechs Drehknöpfe, davon einer mit Rasterung, ein Dreiwege-Kippschalter, drei Fußtaster und eine Art Kontrollpanel, bestehend aus vier mehrfarbigen LEDs die Oberseite.
Von den drei Fußtastern ist lediglich dem zentral Liegenden eine LED zugeordnet. Dieser dient dem Aktivieren des Gerätes, dementsprechend leuchtet die LED im Bypass rot und bei aktiviertem Effekt in freundlichem Türkis. In Blau erstrahlt dieses Lämpchen, wenn Reglerbewegungen aufgezeichnet werden, was in der Tat möglich ist, dazu später mehr! Die beiden anderen, mit „A“ und „B“ bezeichneten Taster sind den beiden Samplekanälen zugeordnet und kommen ohne LED aus.
Gitarren Samplerpedal
Mittig rechts sind vier LEDs angeordnet (3 + 1), die diverse Kontrollfunktionen übernehmen, in der oberen Reihe befindet sich zunächst der Indikator für den Samplerkanal A, welcher das Outputsignal dieses Kanals anzeigt. Mittig platziert ist der Indikator für das Inputsignal, gefolgt von dem für den Samplerkanal B. Unterhalb mittig sitzt dann noch das Lämpchen mit der Bezeichnung „Mod“, welches leuchtet, wenn das Signal auf eine der vielfältigen Möglichkeiten moduliert wird.
Betrachten wir uns nun die Drehregler von rechts nach links, wobei „Env Shape“ den Anfang macht und eine Auswahl von sechs verschiedenen Schwingungsformen anbietet, welche die Hüllkurve der Samplerkanäle formen. Direkt daneben befindet sich „Env Time“, der die Dauer des Durchlaufs der angewählten Schwigungsform bestimmt, dabei auch unendlich anbietet. Wobei der Sound so lange klingt, bis der nächste getriggert wird. Außerdem gibt es hier noch den „Repeat Waveform“ Modus, der die angewählte Schwigung loopt.
Oben rechts befinden sich die beiden Regler „Drive“, welcher eine analoge stufenlos dosierbare Verzerrerschaltung gleichzeitig für das Eingangssignal wie für den Synthsound anbietet und „Dry“, mit dem das Eingangssignal zugemischt werden kann. Für Modulationen ist der „Dimension“-Regler zuständig und für die Anwahl der vier verschiedenen Modi oder der beiden speicherbaren User-Presets das 10-fach gerasterte „Voice“-Poti.
Ein dreifacher Kippschalter bestimmt den Triggermodus zwischen zwei automatischen und einem manuellen. Die beiden automatischen, bezeichnet mit „Poly“ und „Mono“, zeichnen selbstständig Fragmente des Eingangssignals auf und geben diese je nach angewähltem Sampling Effect Style (siehe unten) automatisch wieder, wobei „Mono“ immer nur ein Sample auf einmal ausgibt und bei „Poly“ beide Samples ineinander übergehen. Im „Manual“-Modus entscheidet der User mit einem Tritt auf den entsprechenden Fußtaster, welcher Sampler wann sampelt.
An Anschlüssen gibt es sage und schreibe ganze drei Stück: „In“ und „Out“ als Monoklinke und ein Anschluss für ein Expressionpedal. Somit ist auch klar, dass es sich um ein Monopedal handelt.
Die vier Sampling Effect Styles des Infinite Jets
Mit dem „Voice“-Knopf wird zwischen den vier sogenannten Sampling-Effect-Styles gewählt, die sowohl grundsätzlich über Textur und Art des Sounds als auch über die Modulationsziele bestimmen, diese sind nämlich für jeden Style verschieden und diesem jeweils fest zugeordnet. Diese Modulationsziele sind immer direkt über den Dimensionregler im Zugriff.
- BLUR
Bei diesem Style handelt sich um eine Art „Freeze“-Sampling, ähnlich dem des Ehx Superego. Neben der Standardbetriebsart, bei der die Originaltonhöhe beibehalten wird, gibt es noch die Möglichkeiten, das Ganze entweder eine Oktave höher, eine Oktave tiefer oder eine Oktave höher und eine Oktave tiefer wiederzugeben. Mit dem Dimensionregler wird eine Kombination aus Delay, Filter und Feedback dosiert.
- Synth
Hier werden zwei Synthsounds, mutmaßlich im Gerät fest gespeicherte Samples, angetriggert, wobei der eine etwas „härter“ und der andere etwas „weicher“ klingt. „Dimension“ regelt die Cutoff-Frequenz eines Lowpass-Filters. Die Synthsounds erklingen immer eine Oktave tiefer als das Eingangssignal.
- Glitch
In dieser Betriebsart werden Minisamples des Eingangssignals aufgezeichnet und mehr oder weniger zufällig wiedergegeben. Das erinnert an solche Effekte wie Stutter, S&H oder auch Delay. Auch hier gibt es zwei „Glitches“ mit unterschiedlicher Belegung des Dimensionreglers. Bei „Glitch A “ wird die Länge oder eher die Kürze der Samples beeinflusst, bei „Glitch B “ die Reihenfolge der bis zu 6 verschiedenen Snippets im Speicher bestimmt. So richtig kontrollieren lässt sich das insbesondere im Fall von „Glitch B“ nicht, es ist eher eine Beteiligung an dem musikalisch durchaus wertvollen Chaos, welches hier entsteht.
- Swell
Statt Sampling wird hier das Eingangssignal direkt beeinflusst, zunächst durch die angewählte Hüllkurve, anschließend durch ein Delay via Dimensionregler. Bei „Swell B“ kann man sich zusätzlich eines tieffrequenten, verzerrten Waveshapings erfreuen.
Grundsätzlich haben die Fußtaster und teilweise die Regler je nach angewähltem Sampling-Effect-Style immer mal eine spezielle, aus der Reihe fallende Funktion. Insofern ist beim Kennenlernen und wahrscheinlich auch später immer mal wieder ein Blick in das Handbuch fällig.
- User-Presets
Zwei! Lediglich zwei kümmerliche User-Presets stehen für das Abspeichern eigener Einstellungen zur Verfügung. Angesichts der immensen Möglichkeiten des Infinite Jets ist das fast schon lustig
Infinite Jets – Modulation und Automation
Das komplette Potenzial kann das hübsche Pedal erst entfalten, wenn man sich seiner Modulationsmöglichkeiten und der On-Board-Automation bedient! Modulationsziel ist immer der Dimensionregler bzw. dessen jeweils zugeordneten Parameter. Als Modulationsquelle dient entweder ein LFO, der sich per Reglerdoppelbelegung detailliert einstellen lässt, die Automation, die es erlaubt, 10 Sekunden lang die Reglerbewegung von Dimension und Drive aufzuzeichnen oder ein alternativ zum LFO schaltbarer Envelope Generator. Dem optional anschließbaren Expressionpedal lässt sich von den Reglern Dimension, Drive, Dry, Env Shape oder Env Time einer zuordnen und steuern.
Das Testgerät ist sauber und hochwertig verarbeitet, was für alle Anschlüsse und Bedienelemente gilt. Die Ausstattung muss man hingegen als spartanisch bezeichnen. Ich persönlich würde mir durchaus einen Dry-Output, einen Effekt-Loop oder einen MIDI-Anschluss wünschen.
Infinite Jets – Sound und Praxis
Nach dem ersten Einschalten muss das Pedal zunächst kalibriert werden, die Eingangsstufe lernt hierbei das angeschlossene Instrument und die Spielweise des Benutzers kennen. Das ist kinderleicht: zwei Fußtaster gleichzeitig drücken, ein Paar Sekunden spielen, fertig! Das Gerät merkt sich die Kalibrierung nach dem Ausschalten, lediglich beim Instrumentenwechsel muss dieser Vorgang wiederholt werden.
Beim ersten Kennenlernen gibt sich der Infinite Jets schon recht spröde und schwer zugänglich. Das Tracking ist äußerst träge und irgendwie will das Gerät nicht so richtig das machen, was es soll. Der (mehrfache) Konsum des Handbuchs und möglichst vieler Tutorialvideos war für mich schon unerlässlich, um mit dem Gerät etwas anfangen zu können. Dann allerdings nimmt einen das Gerät durchaus in Beschlag und man kommt nur schwer davon los. Es ist so ein typisches „Ich setz mich mal ein halbes Stündchen dran“-Gerät, von dem man dann erst Stunden später durch den Druck auf der Blase wieder in die Realität zurückgeholt wird. In erster Linie erzeugt das Pedal Ambient-Sounds und Flächen, für Unisonodopplungen von virtuosen Passagen mit Synthsounds ist es komplett ungeeignet. Outstanding präsentiert sich nach meinem Dafürhalten vor allem der „Glitch“-Effekt.
Da der Infinite Jets ein Monogerät ist, sind die Hörbeispiele so gestaltet, dass auf der rechten Seite das Originalsignal und links das resynthetisierte Signal des Infinite Jets zu hören ist. Zunächst der „Blur“-Effekt mit Gitarre (Noname-Japanstrat):
„Blur“ von einer Rhodessimulation angesteuert:
Noch mal „Blur“ mit Gitarre und Rhodes, aber mit automatisiertem Dimensionregler:
Interessant auch die Möglichkeit, über den „Manual“-Modus die beiden Sampler mit unterschiedlichen Sounds zu füttern, die man allerdings vor dem Eingang zusammenmischen muss, wie hier mit E-Gitarre und Synth geschehen. Durch Betätigung des jeweiligen Fußtasters kann man die Sampler A oder B aktivieren und so Flächensounds kreieren:
„Blur“ mit Drumloop:
Den „Synth“ Effekt kennt man so ähnlich auch von anderen Pedalen. Zu hören hier zunächst mit Gitarre, dann mit Drumloop. Der automatisierte Dimensionregler steuert den Cutoff des Filters.
„Glitch A“, angesteuert von der Gitarre und automatisiertem Dimensionregler
Das Gleiche mit „Glitch B“:
Hier ist „Glitch B“ mit Rhodes zu hören:
Rhodes und Gitarre steuern abwechselnd „Glitch A“ im Manual Modus an:
Beide Glitcheffekte mit Drumloop und Automation des Dimensionreglers:
Zu guter Letzt noch der „Swell“-Effekt, der ja als Einziger ohne Sampling funktioniert. Angesteuert mit verzerrter Gitarre im „Manual“-Modus, der den Effekt bei Betätigung eines Fußtasters aktiviert.
Letztlich kann man in einem Testbericht die Möglichkeiten des Infinite Jets nur andeuten … Insgesamt ist die Klangqualität über jeden Zweifel erhaben, kristallklar und ohne ungewollte Nebengeräusche werden die Sounds zu Gehör gebracht.
Wirklich neu ist das nicht — erinnert mich irgendwie an Effektschraubereien an BBD-basierten Delays, kombiniert mit Flanger, Doubletracking und Pitch Shifter (sprich: MXR Pitch Transposer in Kombination mit MXR Flanger/Doubler sowie Yamaha E-1010 und EH 16 Second Delay).
.
Alles das in einer Dose zu haben, ist sicher praktisch — und ich könnte mir den einen oder anderen Saitenschinder vorstellen, der genau diesen Sound sucht…
@iggy_pop Hallo Iggy_pop,
danke für den Kommentar!
Ich denke, einen Superego als Klangerzeugung bräuchte man schon noch als Klangerzeugung zusätzlich zu dem von Dir genannten Gear.
Sowas wie „Glitch“ bekommt man damit dann doch auch nicht hin. Zugegeben, auch dieser Sound ist nicht neu, war aber vorher m.W. nur mit aufwändigem Programmieren an der DAW möglich und nicht einfach so per Druck auf einen Fußschalter und in Echtzeit modulierbar…