1010music Nanobox Fireball und Lemondrop - digitale Synthesizerzwerge
Die neue Hardware-Serie von 1010music nennt sich Nanobox und ist kompakt und ziemlich bunt ausgefallen. Im folgenden Testbericht widmen wir uns dem 1010music Nanobox Fireball, einem polyphonen Wavetable-Mini-Synthesizer und der 1010music Nanobox Lemonbox, einem polyphonen Granular-Mini-Synthesizer.
Inhaltsverzeichnis
Bereits getestet hatten wir aus derselben Serie den pinken 1010music Nanobox Razzmatazz Drum-Sequencer mit FM-Synthese und Sampling. Den Testbericht dazu findet ihr unter DIESEM LINK.
Ein kurzer Rückblick
1010music hat mit dem Blackbox Compact Sampling Studio und dem Bluebox Compact Digital Mixer und Recorder zwei Geräte auf den Markt gebracht, die auf Basis eines Touchscreens professionell klingende mobile Musikproduktion auf kleinstem Raum ermöglichen. Ideal für unterwegs und spontane Sessions.
Nanobox Fireball und Lemondrop – Unpacking:
Überraschend klein, sehr bunt, aber professionell in Haptik und Verarbeitung ist der erste Eindruck. Das 9,5 x 7,6 cm kleine Gehäuse ist aus durchgefärbtem Kunststoff, die Encoder und Taster sind gummiert und somit auch bei schweißtreibenden Sessions griffsicher. Der Touchscreen ist mit 2 Zoll sehr kompakt und spiegelt stark. Der Druckpunkt der Tasten ist o. k., der Abstand der Potis auch für Grobmotoriker ausreichend.
Auf der Rückseite befinden sich von links nach rechts ein USB-C-Anschluss zum Anschluss eines handelsüblichen 5 V, 500 mA Netzteils oder einer Powerbank für die Stromversorgung, daneben fünf Miniklinkenbuchsen für MIDI In/Out, Clock In und Line In/Out in Stereo und zuletzt ein Micro-SD-Slot mit eingesetzter Micro-SD-Karte, auf der das Betriebssystem, die Patches und die Samples bzw. Wavetables abgelegt sind. Ein passender Adapter von Miniklinke auf DIN für MIDI und ein farblich passendes USB-C-Kabel befinden sich in der Verpackung, ein Netzteil wird nicht mitgeliefert.
Nanobox Fireball – technische Eckdaten
Der Fireball ist ein 8-fach polyphoner mono-timbraler Wavetable-Synthesizer mit 2 Wavetables- und einem VA-Oszillator mit den Schwingungsformen Sägezahn, Dreieck, Rechteck, zusätzlich Noise mit 96 kHz Sampling-Frequenz und 48 kHz in der weiteren internen Verarbeitung. Das alles mit einer Auflösung von 32 Bit. Die A/D- und D/A-Konverter arbeiten mit 24 Bit Auflösung. Die Wavetables haben 2048 Samples pro Cycle bei 256 Cycles und sind als WAV-Dateien auf der Micro-SD-Karte abgelegt. Als Ausgangsmaterial dienen intern 103 Wavetables und 123 Presets bzw. auf der SD-Karte. Zur weiteren Klangbearbeitung verfügt der Fireball über 2 Filter, 2 Hüllkurvengeneratoren, 2 LFOs und einen Motion-Sequencer, 6 Effektalgorithmen können in 2 Effekt-Slots in 12 Kombinationen eingesetzt werden.
Nanobox Lemondrop – technische Eckdaten
Der Lemondrop ist ein 4-fach polyphoner mono-timbraler Granular-Synthesizer mit 2 Granular-Oszillatoren und einem VA-Oszillator. Die Samples werden mit 48 kHz/32 Bit interner Auflösung verarbeitet. Es werden 16 Grains pro Oszillator verarbeitet, somit bei 2 Oszillatoren und 4 Stimmen maximal 128 Grains insgesamt. Die maximale Sample-Länge pro Oszillator beträgt 30 Sekunden, 153 Presets und 311 Wavefiles bilden die Ausgangsbasis für granulare Klangreisen.
Nanobox Fireball und Lemondrop – das User-Interface
Zentrales Element ist der Touchscreen. Obwohl nur 2 Zoll groß, lässt sich Text gut ablesen und die Grafiken sind hoch genug aufgelöst. Der Screen reagiert flott auf Eingaben. Über Druck auf den Home-Button kommt man zum Homescreen, hier Dashboard genannt. Dieser zeigt die zwei Schwingungsformen der Wavetable- bzw. Grainsample-Oszillatoren und darunter befinden sich Buttons für die weiteren Pages für Filter, Hüllkurven, LFO, Motionsequencer und Effekte. Betrifft eine Page mehrere Elemente (Oszillator 1-3, Filter 1-2, FX 1-2 etc.), wechselt man mit dem Layer-Button zwischen den Elementen. Mit den Arrow-Buttons kann man in vorige Pages zurückwechseln oder zu Sub-Pages für den jeweils gewählten Parameter wechseln, etwa um Modulationsquellen zuzuordnen. Zusätzlich zu den Pages der Klangerzeugung gibt es noch Performance-Features – ein Grid-Keyboard mit zuweisbaren Tonarten und Skalen und ein X/Y-Pad, auch hier macht der Touchscreen eine gute Figur.
Patches wählt man aus, indem man auf den Patch-Namen ganz oben im Display tippt. Dann öffnet sich eine Liste, in der man durch die Patches browsen kann. Ein Druck auf den Load-Button im Display lädt das gewählte Programm. Ähnlich funktioniert das Wählen der Wavetables bzw. der Granular-Samples. Ein Tipp auf die Schwingungsform im Hauptscreen öffnet die jeweilige Oszillator-Sub-Page. Ein erneutes Tippen auf die Schwingungsform dort öffnet die Schwingungsformliste. Zunächst im Factory-Directory, aber auch User-Wavetables und Recordings können auf der Micro-SD-Karte abgelegt werden.
Nicht logisch erscheint mir, dass man auf den Filter-Pages die Filterkurve am Touchscreen manipulieren kann, bei den Hüllkurven die Kurvenpunkte aber nicht. Da wird man auf klassisches Menü-Diving zurückgeworfen. Der obere Knopf wählt den Parameter, der untere editiert den Wert.
Zusammengefasst: Es ist es faszinierend, wie 1010music auf so kleinem Raum ein funktionierendes UI umgesetzt hat. Ich empfehle aber vor allem für den Live-Einsatz die Verwendung eines externen MIDI-Controllers.
Nanobox Fireball und Lemondrop – die Synthese
Fireball und Lemondrop unterscheiden sich durch die Syntheseart der Oszillatoren 1 und 2.
Die beiden Wavetable-Oszillatoren des Fireball basieren auf Wavetables mit 2048 Samples pro Cyle mit 256 Cycles, User-Wavetables können auf der Micro-SD-Karte abgelegt werden und im Internet findet man Tutorials über das Erstellen eigener Wavetables.
Im Display ist stets ein Single Cycle-Wellendurchlauf der Wavetables abgebildet, samt der zugehörigen Parametern Pitch, Level und Position. Kästchen rechts neben den Parametern und Werten bilden die Modulations-Slots ab. Ist das Kästchen rot ausgefüllt, ist dieser Slot bereits mit einer Modulationsquelle verknüpft.
Genauso aufgebaut sind die beiden Granular-Oszillatoren des Lemondrop.
Hier ist im Display die Kurvenform des Samples abgebildet. Weiße vertikale Striche oder Balken zeigen die Position der gerade abgespielten Grains. Da hier insgesamt 19 Parameter editiert werden können, kann man mit dem oberen Drehknopf durch die Liste der Parameter scrollen. Grains können hier über Beat Sync von 1/64 bis zu 8 Bars synchron zur Clock ausgelesen werden. Ist Sync off, wird die Abspielfrequenz über den Parameter Density geregelt. Grain-Size definiert die Länge der Grains in Prozent von etwa 20 ms bis zu einer einer Sekunde. Über den Windows-Parameter wird die Größe des Sample-Abschnitts definiert, aus dem die Grains ausgelesen werden. Des Weiteren kann die Play-Position definiert werden, Jitter und Speed. Toll ist die Möglichkeit, den Audioeingang live dem Grain-Oszillator zuzuweisen.
Der weitere Signalfluss ist bei Fireball und Lemondrop identisch. Die drei Oszillatoren werden gemischt und durch die Lautstärkehüllkurve ENV 1 geformt. Danach geht es in die seriell oder parallel schaltbaren Filter. Das gefilterte Signal geht über FX 1 und FX 2 über Master-Volume und Master-Compressor zur Line-Out-Buchse, es kann vor den Effekten das Line-In-Signal zugemischt werden.
Als Filtertypen stehen Notch, Bandpass, Highpass und Lowpass zur Auswahl. Man kann das Filter bei voll aufgedrehter Resonanz zur Selbstoszillation bringen, der Charakter ist aber eher kühl und digital.
Beide Hüllkurven sind klassische ADSR-Kurven, Hüllkurve 1 ist fix als Lautstärkehüllkurve zugewiesen, kann aber auch andere Parameter modulieren und auch die Hüllkurvenabschnitte selbst können moduliert werden.
Bei den Modulationsmöglichkeiten sind Fireball und Lemondrop umfangreich ausgestattet.
Die beiden LFOs haben die Schwingungsformen Sägezahn fallend, Sägezahn steigend, Dreieck, positives Dreieck, Sinus, positiver Sinus, Rechteck, positives Rechteck und Random. Sie reichen von 0,1 Hz bis 12 Hz, also nicht bis in den Audiobereich. Sie lassen sich zur Clock von 8 Bars bis 1/64 Bar synchronisieren.
Eine weitere Modulationsquelle ist der Modulations-Sequencer, der auf bis zu 64 Steps pro Takt positive oder negative Modulationswerte an die Modulationsziele schicken kann. Zur Fernsteuerung über MIDI- Controller und Automation in der DAW können die Modulationsziele – also die Syntheseparameter – auch über MIDI-CC angesteuert werden.
Auch mit Effekten sind die Nanoboxen gut ausgestattet, aber leider nicht vollständig flexibel. Den beiden Effekt-Slots sind leider nicht alle vorhandenen Algorithmen zugeordnet. FX 1 bietet Flanger plus Distortion, Chorus oder Phaser, FX 2 bietet Delay oder Reverb. Die absolut gängige Kombination Reverb plus Delay ist daher leider nicht möglich. Die Qualität der Effekte insgesamt ist gut.
Nanobox Fireball und Lemondrop – Klang und Praxis
Für das Hardwaresetup ist es ein klarer Minuspunkt, dass die USB-C-Buchse nur für die Stromversorgung ausgelegt ist. So hat man live und im Studio an den kleinen Kästchen schnell ein Gewirr aus Adaptern und Kabeln hängen.
Ist alles fertig verkabelt und das erste Patch angespielt, kommt schnell Freude auf. Die Nanoboxen klingen wirklich gut und haben ein erstaunliches Low-End. Ich habe in den Klangbeispielen Klassiker wie Waldorf Microwave, Sequential Prophet VS oder Yamaha EX-5R mit eingebaut und im Zusammenspiel geben sich die Nanoboxen da keine Blöße. Als bremsend im kreativen Prozess erweist sich die Patch-Anwahl. Es dauert leider je nach Patch ein paar Sekunden, bis alle Daten des nächsten Patches von der Micro-SD-Karte geladen sind. Auch ist mir der Lemondrop mehrfach beim Patch-Wechsel mit Blackscreen und Neustart abgestürzt. Trotz dieses Bugs hat sich der Lemondrop im Verlauf des Testzeitraums zu meinem Favoriten entwickelt, vor allem die Möglichkeit, Signale live in den Granular-Oszillator zu senden ist ein echter Mehrwert.
War es eine gute Design-Entscheidung, das ohnehin kompakte Format der etablierten Vorgänger noch weiter zu reduzieren? Ich bin da unschlüssig. Ich kann bei Interesse nur antesten empfehlen, man muß die Nanoboxen selbst unter der Hand gehabt haben, um sich ein eigenes Urteil bilden zu können und zu fühlen, ob man haptisch mit dem Format klarkommt. Faszinierende kleine technische Meisterwerke sind die Nanoboxen in jedem Fall.
Toller Test, schöne und aussagekräftige Klangbeispiele! Ich hätte beide gerne, weil mich der Klang wirklich anspricht. Im Vergleich zu Mitbewerbern finde ich den Preis ein wenig zu hoch. 349,00 oder 399,00 fände ich angemessener. Mobil durch die Größe, allerdings kommt ggf. noch ein Breakout-Kabel auf die Rechnung bzw. 2 ….
Und was im nämlichen Klangbeispiel ist jetzt das Firebällchen, was der Prophet und was der/die/das Iridium? So ganz deutlich riechen lässt sich das leider nicht (lächel).
Aber mir sind die Kistchen, oder sollte ich Streichholzschächtelchen sagen, eh zu fipsig – obwohl ich sonst ein großer Fan kleiner Geräte bin. Die Bedienung erscheint mir doch arg fummelig – aber schön beschrieben, danke für den Testbericht – und erinnert mich etwas an die „Taschenrechner“ von Teenage Engineering (von denen ich auch einen habe und der für mich die Grenze noch so halbwegs machbarer, wenngleich weder bequemer noch vernymphtiger Bedienbarkeit markiert).
Vom Sound her, falls ich Feuerbällchen und Zitronentröpfchen nicht verwechselt habe mit Microwave, Prophet & Co, auf Anhieb jetzt nix, was mein Blofeld oder mein Typhon dringlich vermissen ließe (um nur zwei Beispiele zu nennen) – und unterm Strich sind mir Bällchen wie Tröpfchen doch zu teuer: für das, was sie so von sich geben und wie ihnen das mutmaßlich zu entlocken ist. Ohne Akku und USB-Midi.
Aber schön, sie mal zu hören und einen Eindruck von Idee und Konstruktion zu bekommen!
Bei dem Preis bist du schon bei einem Tablet. Ist auch mobil und kann alle wichtigen Plugins abspielen.
Vielen Dank für den Test und die schönen Audiobeispiele. Ich möchte mir als Ergänzung ein paar Anmerkungen erlauben:
„Auch ist mir der Lemondrop mehrfach beim Patch-Wechsel mit Blackscreen und Neustart abgestürzt.“
Dies ist vermutlich auf korrupte Daten auf der SD Karte zurückzuführen. Eine Formatierung der Karte und die Übertragung der Werkslibrary dürfte das Problem beseitigen.
Erwähnenswert wäre eventuell noch, dass man Samples für die Granular-Engine auch direkt in lemondrop erstellen kann. Zum einen lässt sich der Line Input aufnehmen und der auch Output intern Resamplen und zum anderen kann der (granulierte) Live Buffer „eingefroren“ und dann direkt auf die SD Karte geschrieben werden.
„Der weitere Signalfluss ist bei Fireball und Lemondrop identisch.“
Das stimmt nicht ganz, da der Signalfluss in lemondrop etwas erweitert ist. Im Filtermodus „Per Osc“ verfügen die beiden Grain Oszillatoren jeweils über ein eigenes Filter. Grain 1 wird hierbei durch Filter 1 und Grain 2 durch Filter 2 geführt.
Für die nanobox razzmatazz ist übrigens gerade eine neue (Beta) Firmware erschienen, die jetzt unter anderem auch MIDI via USB ermöglicht. Fireball und lemondrop werden dieses Feature ebenfalls zeitnah erhalten.
@tomeso Also wenn Midi über USB kommt, ist das eine wesentliche Verbesserung, thumbs up
@toneup Die Antwort nehme ich zur Kenntnis. Die Signalflüsse habe ich den mir vorliegenden Dokumentationen entnommen. Wenn mir als Tester ein Testgerät mehrfach abstürzt, dann erwähne ich diesen Umstand. Das ist meine Aufgabe als unabhängiger Tester. Wenn der Fehler mittlerweile behoben wurde, was bei der Produktpflege von 1010 Music schlüssig ist, dann danke für die Information. Der Fireball ist jedenfalls völlig problemlos gelaufen.
@toneup nur fürs protokoll: der lemondrop ist mir noch nie abgestürzt und ich hab bestimmt mittlerweile 300h auf dem gerät.
@martin stimming Kann angeblich an einer „korrupten“ Micro-SD Karte liegen. Der Lemondrop hat öfters beim Programmwechsel einen Reboot gemacht. der Fireball lief einwandfrei. Gehört bei einem Test erwähnt, m.M. nach. Ich habe das in die Gesamtbewertung ja nicht einfließen lassen.
Die Soundbeispiele sind entsprechend dem Auftritt der Klangquellen beschriftet, im Fokus des Mixes also betont natürlich immer die Nanoboxen, aus meiner Sicht zu hören ist, das die Nanoboxen mit dem Sound der Vintage Originale mithalten können und sich sehr gut mit diesen mischen lassen.
den Lemondrops hab ich mir mal ausgeborgt.
mag aber bei Musikinstrumenten keinen Touchscreen, lieber viele potis und knöpfe. davon hat er leide wenig. vom Sound ist er aber schon toll.
preislich finde ich ihn auch etwas zu teuer.
Ich bin alles andere als ein Freund der Miniaturisierung bei Musikinstrumenten, jedoch lege ich meine Bibel in die Schublade, wenn es trotz bescheidener Bedienbarkeit so gewaltig tönt wie aus dem Fireball (den ich besitze). Klare, druckvolle Präsenz, hervorragendes Filter, sehr brauchbare Effekte, feine Presets. Da kommen teils schon Stossgebete der Dankbarkeit.
Und für den sauberen Altar habe ich die Nanobox auf meinem Fantom abgelegt, der extra Platz für diese kleine Sünde bietet.
So schade dass die FW noch immer nicht austauschbar ist. Sonst hätte ich sicher schon mindestens eines.