Ibanez AD9
Wie sich die Zeitgeschmäcker doch ändern! Wieder einmal haut es mir einen Retro-Flash um die Ohren, als ich das Ibanez AD9 zum Test auf AMAZONA.de geliefert bekomme. Warum? OK, wir setzen uns wieder in unsere berüchtigte Zeitmaschine und flitzen über zwei Dekaden zurück in die Vergangenheit.
In der seeligen Zeit der aufkommenden Achtziger war analoge Prozessorverwaltung das Maß aller Dinge. Die aufkeimende Digitaltechnik steckte zwar noch in den Kinderschuhen, offenbarte sich aber bereits in Sachen Promotion und Preisgestaltung als der heilige Gral der Musikindustrie. Mein AD80 Analog- Delay, welches ich heute noch besitze, konnte mit seiner maximalen Verzögerungszeit von 300 ms nicht wirklich für Begeisterungsstürme innerhalb der Muckerszene sorgen : dumpfer werdende Wiederholungen des Originalsignals und 18 Volt Betriebsspannung (2 x 9 Volt Blocks in das kleine Gehäuse gestopft, beide nach ein paar Stunden leer, keine Akkus im Handel erhältlich und stabilisierte 18 Volt Netzteile nur über dunkle Pfade als Import erhältlich) wollten keine echte Freude aufkommen lassen.
Aber dann (Trommelwirbel!), kamen die I/O Wandler wie von Geisterhand über uns und offenbarten uns Frequenzgänge jenseits unserer Vorstellungskraft, gepaart mit Verzögerungszeiten, welche die 1000 ms mit der Leichtigkeit einer Feder erreichten (Trommelwirbel vorbei!). Tataaaa! Da war auch klein Axel willens zu investieren und kaufte sich für den unvorstellbaren Preis von 1.600,- DM!!! ein Roland 19 Zoll Digital Delay, ausgerüstet mit 8 (!) Speicherplätzen und einer max. Verzögerungszeit von 1.800 ms (… dann aber nur mit halbem Frequenzgang, vollen Frequenzbereich gab es immerhin bis 900 ms). Der pure Wahnsinn, ich war begeistert, ich war wer!
Zurück in die Gegenwart. Digitaltechnik ist ein uralter Hut, so alt, dass er zu einem nie erwarteten Preisverfall von ca. 95% bei meinem wunderbaren 19 Zoll Delay geführt hat. Im Gegenzug offenbarte sich eine diametrale Preis-Entwicklung was meine „alten Gurken“ im Pedalbereich anging (ich habe auch noch einen alten Ibanez Tube Screamer). Was habe ich nicht schon alles an Angeboten für meine alten Tretminen aus dem Hause Ibanez bekommen. Plötzlich waren all die damals so gering geschätzten Merkmale absolut hip!
Wie gesagt, nun hat mich der kleine Kollege wieder eingeholt, mal sehen ob er die (mittlerweile hoch geschätzten) Eigenarten seines Großvaters tonal reproduzieren kann.
Konstruktion
Den Original Farbton haben sie bei Ibanez schon mal sehr schön getroffen, wobei das Adjektiv „schön“ im Auge des Betrachters liegt. Ich fand die Telekom-lastige Farbgebung ehrlich gesagt immer etwas „anstrengend“, aber hey, ihr solltet mal einen alten Ibanez Flanger in Gelb sehen, den kann man nur mit Sonnenbrille betrachten- so farblich streng waren damals die Geschmäcker.
Damit hat es sich aber auch schon mit der Original Replika, alles andere wurde einem Reifeprozess unterzogen und entsprechend verändert. Das Gehäuse hat nunmehr die gleichen Abmessungen wie alle Pedale aus dieser Ibanez- Serie, das heisst, es wurde etwas verbreitert. Zudem wurde ein massiveres Stahlgehäuse verbaut, welches deutlich stabiler als die alte Legierung ist, jedoch aber auch mindestens 50% mehr Gewicht auf die Waage bringt.
Drei Potentiometer regeln die Bereiche DELAY TIME (10 ms – 300 ms), DELAY LEVEL und REPEAT. Die Funktionen der Regler sind selbsterklärend. Alle Potentiometer sind recht schwergängig, was den Vorteil hat, dass sich die gewählte Einstellung nicht so schnell durch eine unbeabsichtigte Berührung wieder verstellt. Da diese Geräte im wahrsten Sinne des Wortes „mit Füßen getreten werden“, sind schwergängige Potis bei Pedalen ein echter Pluspunkt.
Das AD9 wird wahlweise mit einem 9V Block oder einem entsprechenden Netzteil betrieben, vorbei ist die Suche nach dem damals faktisch nicht vorhandenen 18V Pendant (welche zudem noch sehr heiß während des Betriebes wurden).