»Amp2« setzt mit den Verzerrungen wesentlich früher ein, vollkommen cleane Sounds sind hier schon in »OD1«-Mode kaum noch möglich, bluesig angezerrte hingegen schon, wenngleich die Reserven bereits hier in den High Gain-Bereich reichen. Insgesamt bietet dieser Kanal deutlich mehr Tiefmitten als »Amp1« und klingt dadurch wärmer, was ihn auch für kräftige, volle Leadsounds à la Mesa/Boogie prädestiniert. »OD2« lässt erwartungsgemäß keinerlei Wünsche mehr offen, was die Gainreserven betrifft – nur die Härtesten unter uns, mit sehr sauberer, akkurater Spieltechnik und Feedback-unempfindlichen Pickups werden dies bis an die Grenzen ausnutzen wollen.
Allen bislang beschriebenen Sounds ist eine gewisse Marshall-typische Rauheit in der Obertonentwicklung gemein, die auch für deren sprichwörtliche Durchsetzungsfähigkeit im Bandkontext sorgt. Erreicht wurden diese Klänge weitgehend bei Nullstellung aller Klangregler mit einer »Les Paul«. Setzt man die Klangreglung ein, lassen sich die Sounds effektiv maßschneidern, da die Regler sich – ungewohnt für viele Marshall-Verstärker – sehr wirkungsvoll zeigen. Insbesondere gilt dies für die Bassregler, aber dies sollte man bei Verstärkern für die Metal-Fraktion auch erwarten dürfen. Ungewöhnlich ist, dass es neben dem in der Endstufe arbeitenden und damit alle Sounds beeinflussenden »Presence«-Regler einen weiteren »Resonance«-Regler gibt, eine Art Master-Bass-Boost. Und der lässt in Verbindung mit beherztem Einsatz der anderen Bassregler und des Master-Volumens mehr als nur die Hosenbeine flattern: Ich habe das einmal unter Außerachtlassung aller gesundheitlichen Vorbehalte ausprobiert, und das Ergebnis kam dem sprichwörtlichen Tritt in die Magengrube schon recht nahe. Lange ging das allerdings nicht gut, denn obwohl ich mich in einem ehemaligen Kinosaal mit etwa 1,5 Meter dicken Wänden befand, spürte ich nach kürzester Zeit nicht nur den Boden unter meinen Füßen, sondern auch das Telefon in meiner Tasche vibrieren – die Nachbarn!
Da sich die zwei Soundoptionen innerhalb einer der zwei »Amp«-Modes jeweils einen Lautstärkeregler teilen müssen, fällt dem Gain-Regler neben der Einstellung des Zerrgrads eine weitere wichtige Aufgabe zu, denn seine Stellung bestimmt auch das Lautstärkeverhältnis der zwei Sounds eines »Amps«. Ungefähr in 13-Uhr-Stellung des Reglers sind beide Sounds gleich laut – wird der Gain-Regler anders eingepegelt, etwa weil man den Clean-Sound bluesig verzerren möchte, sind unter Umständen Lautstärkekompromisse einzugehen.
Aufs Angenehmste getäuscht hat mich der Reverb: Zunächst dachte ich, ich hätte es hier mit einem grandiosen Federhall zu tun – vielmehr handelt es sich hier allerdings um einen sehr gelungenen Digitaleffekt. Noch ein Satz zum Floorboard: Es erledigt die ihm zugedachte Aufgabe klaglos, alle Schaltvorgänge erfolgen verzögerungs- und geräuschfrei.
Röhre vs. Transistor
Der »Mode Four« kann, je nach Einstellung, wie viele seiner Marshall-Vorgänger klingen, und die waren bekanntlich Vollröhrenverstärker. Ich wage weiterhin zu behaupten, dass der Unterschied im Live-Betrieb und im Bandkontext nur den Wenigsten auffallen wird. Dennoch gibt es Unterschiede, und die liegen für mein Empfinden nicht so sehr im für den Zuhörer produzierten Sound als im Anspracheverhalten. Der »Mode Four« reagiert anders und zeigt ein anderes Kompressionsverhalten als ein Vollröhrenverstärker, weshalb sehr dynamisch spielende Gitarristen, die Wert auf feinste Nuancen legen, sich wohl auch vom »Mode Four« nicht von ihren gewohnten Vollröhrenamps abbringen lassen werden.
Wer gerne mit dem Volumenregler seiner Gitarre arbeitet, um den Verzerrungsgrad zu steuern, kann dies auch beim »Mode Four« tun – die Resultate sind ähnlich wie bei vielen Röhrenamps, wenngleich etwas weniger brillant (zumindest in Verbindung mit meinen Testgitarren, einer alten »Les Paul Standard« und einer »Les Paul Junior« mit P-90 Singlecoils).
Studiobetrieb
Auf Grund der Tatsache, dass es sich beim »Mode Four« um einen Verstärker mit Transistorendstufe handelt, kann dieser auch ohne Box betrieben werden, was ihn beispielsweise für den nächtlichen Heimstudiobetrieb prädestiniert. Dafür hat er einen frequenzkorrigierten Line Out, und das neben der Klinke sogar in professioneller XLR-Ausführung. Der so realisierbare Sound ist durchaus brauchbar, bleibt aber, wegen niedrigerer Dynamik und Feinauflösung ein Kompromiss, dem die Mikrofonabnahme – wenn möglich – vorzuziehen ist.