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Test: Orange Rockerverb 50H MKIII, Gitarrenverstärker

Mehr optisches Trademark geht nicht!

10. März 2020

Es ist immer wieder schön, wenn etwas in der Musikindustrie optisch polarisiert. Was der eine als den Knaller im All definiert, ruft bei dem anderen massive Würgereflexe hervor. Was allerdings bei einer extremen Optik Marketing-technisch gesehen definitiv die maximale Ausbeute darstellt, ist, wenn das Produkt eigentlich keinen Namen mehr benötigt, da die Optik sie bereits mit Perfektion widerspiegelt. Auch bei dem zum Test vorliegenden Orange Rockerverb 50H MKIII genügt ein einfacher Blick auf den charakteristischen Tolexbezug, um den Hersteller in Sekundenbruchteilen auszumachen.

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Orange Rockerverb 50 MKIII, Front

Die Konstruktion des Orange Rockerverb 50H MKIII

Ich muss wohl gerade den zweistelligen Alterswert angenommen haben, als ich zum ersten Mal einen Orange Verstärker wahrgenommen habe. Es war auch beim besten Willen nicht möglich, diese Farbe zu übersehen. Selbst ein Marshall, um den man auf der Bühne ein Lagerfeuer entzündet hätte, wäre nicht so sehr im Fokus des Zuschauers gewesen, wie dieser Tolex. Wie bereits erwähnt, die Optik polarisierte schon damals und wird es auch auf ewig tun, von daher muss jeder selber wissen, ob er diesem latenten Vintage-Charme sein Herz schenkt.

Technisch hingegen hat sich seit der Firmengründung im Jahr 1968 einiges geändert. Vor knapp 10 Jahren erblickte die Urversion des Rockerverb das Licht der Welt und brachte erstmals das High-Gain in die Innereien der Gitarren-Amps. Inwieweit dies eine Verbesserung oder Erweiterung des Klangspektrums darstellt, soll dieser Test nun zeigen.

Nach wie vor handelt es sich bei dem Orange Rockerverb 50H MKIII um einen 2-kanaligen Vollröhren-Head, der, wie man dem Namen entnehmen kann, als Besonderheit eine Hallspirale mit ihrem charakteristischen Klang sein Eigen nennt. Der Begriff Röhre wird bei dem Orange Rockerverb 50H MKIII wohl auch als Gegenbewegung zur Modeling/Sampling-Bewegung sehr groß geschrieben. Nicht nur Vor- (4x ECC83) und Endstufe (2x EL34) sind als Glaskolben ausgeführt, auch der Federhall und der serielle FX-Weg werden mit einer ECC81 angetrieben bzw.gebuffert. Erwartungsgemäß stehen dem Orange Rockerverb 50H MKIII somit 50 Watt Vollröhre zur Verfügung, die, wie sich im Laufe des Tests noch herausstellen wird, einen unglaublichen Lärm erzeugen können.

Das gesamte Erscheinungsbild des Head ist mit dem Adjektiv „wuchtig“ gut getroffen. Der Amp wirkt mit den Abmessungen von 55 x 27 x 28 cm (B X H X T) sehr massiv, ist mit seinen 21 kg hingegen noch vergleichsweise handlich. Die Verarbeitung ist tadellos, es konnte kein Makel festgestellt werden.

Orange Rockerverb 50 MKIII, Piktogramme

Die Vorderseite

Ein Bericht über Orange wäre nur ein halber Bericht, wenn man nicht das zweite Alleinstellungsmerkmal der Orange Verstärker entsprechend würdigen würde, die Wahl von Piktogrammen statt der üblichen Beschriftung der Regler. Ob diese Aktion seiner Zeit aus der Not geboren wurde, um auch Personen, die nicht des Englischen mächtig waren, eine einfache Erläuterung mit auf den Weg zu geben oder ob knallhartes Kalkül hinter der Fertigung steckt, Fakt ist, die verwendeten Symbole sind immer wieder ein echtes Highlight und entlocken selbst mir nach über 40 Jahren Business immer wieder ein Schmunzeln. Bei einem oder zwei Symbolen musste ich selbst kurz überlegen, was der Hersteller wohl gemeint haben könnte, aber spätestens beim freudigen Fummeln am Regler wurde die Wirkungsweise sehr schnell offensichtlich.

Orange hat sich bei dem Orange Rockerverb 50H MKIII sehr viele Gedanken über das Thema Lautstärke gemacht. Über den Standby-Kippschalter, der sich neben dem Netzschalter befindet, kann man zwischen dem Pentodenbetrieb (50 Watt) oder dem Triodenbetrieb (25 Watt) wählen. Wohlgemerkt, es handelt sich primär um einen klanglichen Unterschied, da die Halbierung der Ausgangsleistung die Lautstärke gerade einmal um etwas mehr als 10 % absenkt. Um die Lautstärke zu halbieren, müsste der Amp auf 5 Watt gedrosselt werden.

Um der Lautstärkendiskussion zuvorz kommen, haben die Macher jedoch eine stufenlosen Attenuator-Schaltung eingebaut, die den Amp bei Bedarf bis auf Null herunterfährt. Der Klang ändert sich in der Tat nur minimal, d. h. der einmal gewählte Sound ist in allen Lautstärken von Seiten des Verstärkers her abrufbar. Merke, ein Lautsprecher, der sich weniger bewegt, klingt auch anders, eine Änderung des Klangs ist also unvermeidbar! Alle Regler des Orange Rockerverb 50H MKIII sind übrigens gerastert, was eine Reproduktion eines einmal eingestellten Sounds deutlich vereinfacht.

Über einen massiven Kippschalter schaltet man auf der Vorderseite zwischen dem cleanen und dem Lead-Kanal um, wobei sich dies auch über einen Fußschalter, der auf der Rückseite des Gehäuses angeschlossen wird (später mehr dazu), erledigen lässt. Nach rechts folgen der Lead-Kanal mit einer 3-Band Klangregelung und der cleane Kanal, der nur über eine 2-Band Klangregelung verfügt. Die beiden „Tragegriffe“ rechts und links am Panel dürften wohl nur bei Wartungsarbeiten zum Tragen kommen, um das Verstärkerteil aus dem Holzgehäuse zu pulen. Zum Transport des Gehäuses sind sie ungeeignet, man klemmt sich höchstens die Finger. Die Hebefunktion übernimmt ein massiver Tragegriff auf der Oberseite des Gehäuses.

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Orange Rockerverb 50 MKIII, Piktogramme

Die Rückseite

Da sich im Gitarrenbereich nur extrem wenige Cabinets mit 4 Ohm Impedanz aufhalten, hat Orange gleich ganz auf diese Anschlüsse verzichtet und den Orange Rockerverb 50H MKIII nur mit 2x 8 Ohm und 1x 16 Ohm ausgestattet, was im normalen Betriebsalltag nahezu jede Boxenkombination ermöglicht. Gleich drei Fußschalteranschlüsse ermöglichen die Fernsteuerung
von Kanalwahl, Reverb und Attenuator. Insbesondere die letzte Buchse ermöglicht die Funktion eines Soloboosts, falls der FOH mal wieder vergessen hat, euch im Solo hochzuziehen oder ihr in einem kleinen Pub evtl. ganz ohne PA spielt. Abschließend noch FX-Loop, Netzsicherung, Kaltgerätestecker – fertig!

Der Orange Rockerverb 50H MKIII in der Praxis

Viele von euch werden es sich wohl schon gefragt haben, warum haben knapp 90 % aller Vollröhrenamps nur zwei Kanäle? Schaltungstechnisch ist es prinzipiell kein Problem, echte Kanalmonster wie z. B. den 6-kanaligen H&K Trident MKIII auf den Markt zu bringen, bei dem sich auch noch die Endröhren unterschiedlich bestücken und schalten lassen. Nun, die Antwort ist vergleichsweise simpel, weil es in 90 % aller Fälle ausreicht und man mit einem einfachen Trick auch aus einem 2-Kanaler einen 5-Kanaler machen kann! Jetzt spätestens habe ich eure Aufmerksamkeit ;-)

Was es braucht, ist ein cleaner Kanal, der vergleichsweise dynamisch stabil bleibt und einen Lead-Kanal, der für sich genommen auch in den High-Gain-Bereich geht. Warum? Nun, zunächst bleibt zu vermerken, dass der Orange Rockerverb 50H MKIII diese beiden Basiswerte bestens erfüllt. In typisch britischem EL34 Grundklang bleibt der cleane Kanal leicht mittig fixiert und bietet immer einen Hauch von Kompression bei härterem Anschlag. Kein Weichspüler, kein Schönfärber, aber immer präsent. Was allerdings auffällt, ist der extreme Lautstärkenanstieg ab 9 Uhr im Volume-Regler des cleanen Kanals, hier hätte ich mir eine etwas gleichmäßigere Verlaufskurve gewünscht.

Der Lead-Kanal hingegen bietet einerseits sehr charakterstarke Crunch-Sounds, die sich hervorragend für Classic Rock aller Art anbietet, andererseits kann man den Amp auch in echte High-Gain-Gefilde hochschieben. Der High-Gain-Sound ist gut, allerdings merkt man meines Erachtens, dass Orange erst seit vergleichsweise kurzer Zeit sich mit diesem Thema beschäftigt. Während die Crunch-Sounds eine hohe Punktzahl einfahren, kommt der High-Gain-Sound mir noch ein wenig zu undifferenziert daher. Dies ist allerdings eine rein subjektive Wertung und hängt natürlich auch extrem vom verwendeten Lautsprecher ab. Von daher, selber ausprobieren!

Wie ist das denn nun mit dem 5-Kanaler? Nun, um diese Erweiterung zu fahren, bedarf es eines zusätzlichen, hochwertigen High-Gain Distortion-Pedals, das man vor den cleanen Kanal hängt. Ein hochwertiger Vollröhren Amp zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass er sehr gut am Volume-Regler der Gitarren hängt, was viele Gitarristen immer wieder vergessen. Wenn euer Verzerrer dies ebenfalls kann, habt ihr folgende Zusammenstellung:

1.) Cleaner Kanal ohne alles
2.) Cleaner Kanal mit externem Distortion-Pedal bei vollem Gain = High Gain 1
3.) Cleaner Kanal mit externem Distortion-Pedal bei vollem Gain, aber mit reduziertem Volume-Regler an der Gitarre = Crunch 1
4.) Lead-Kanal bei vollem Gain = High Gain 2
5.) Lead-Kanal bei vollem Gain, aber mit reduziertem Volume-Regler an der Gitarre = Crunch 2

Im Allgemeinen klingen die Zerren vom Pedal und der Vorstufe des Vollröhrenamps unterschiedlich genug für zwei komplett unterschiedliche Zerrsounds.

In der Tat erledigt der Orange Rockerverb 50H MKIII diese Aufgabe ganz hervorragend. Insbesondere der cleane Kanal überzeugt mit hoher Impulstreue und einem hervorragend straffen Grundklang. Die gesamte Konstruktion harmoniert in bester britischer Tradition mit Zerrpedalen aller Art und ermöglicht so eine Unmenge an Sounds, je nach Konzept der Pedale.

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Fazit

Mit dem Orange Rockerverb 50H MKIII bietet der britische Traditionshersteller alles, was man in der Oberliga von „Made In UK“ erwartet und noch ein wenig mehr. Ein ausgeklügeltes Lautstärkemanagement, eine sehr gute Verarbeitung und nicht zuletzt ein guter Basissound, der zudem hervorragend mit Boost-, Overdrive-, Distortion- und Fuzz-Pedalen aller Art harmoniert.

Plus

  • Klang
  • Verarbeitung
  • Optik (sofern man sie mag ...)
  • Lautstärkenmanagement

Preis

  • 1.899,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    Tai AHU

    …der britische Traditionshersteller…

    Wow, kann mich noch gut daran erinnern, als ich den ersten im Beat Club gesehen habe. War das nicht vorgestern? Hmm eher nicht, Tradition spricht dagegen. Ich fand die immer cool, habe nie einen besessen. Farbe und Icons, ganz meine Linie. War nicht Albatross der erste damit aufgenommene Song? Orange natürlich, nicht diese Version ;)

    • Profilbild
      Healfix

      @Tai „Wow, kann mich noch gut daran erinnern, als ich den ersten im Beat Club gesehen habe.“

      Ja, an den Beat Club und den Nachfolger Musikladen muss ich auch immer denken, wenn ich einen Orange Amp sehe.

  2. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    “ Die Verarbeitung ist tadellos, es konnte kein Makel festgestellt werden.“

    Sind das etwa Plastik Potis? Für 1899 euro? Da fuck?
    Soundmäßig aber mit „Rockerverb“ wirklich in Schwarze und genau zwische die Augen getroffen.

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