Fuzz in drei Geschmacksrichtungen
Das Beetronics Abelha Tropical Fuzz ist ein auffälliges Boutique-Verzerrerpedal, dessen Sound von der psychedelischen Musikszene Brasiliens inspiriert ist. Wie es dort klingt und was man sonst noch mit dem Effektpedal anstellen kann, klären wir in diesem Test.
Inhaltsverzeichnis
Zugegeben, ich bin nicht der größte Fan von Fuzz-Pedalen, ich stehe eher auf röhrige Sounds, wie man sie aus einem Tube Screamer, einem Klon oder aus einer Ratte kennt. Andererseits haben diverse Fuzz-Sounds Rockgeschichte geschrieben, darunter sind auch einige meiner All Time Favourites wie Working Man von Rush, Foxy Lady und nicht zuletzt hat Matt Bellamy den kratzigen Sound für mich wieder salonfähig gemacht, als mir mein Sohn Supermassive Blackhole unter die Ohren gerieben hat. Nun gut, ich gehe mit offenen Ohren daran, das Beetronics Abelha Tropical Fuzz zu sezieren und lasse euch gern teilhaben.
Beetronics Abelha Tropical Fuzz – A little history
Zunächst mal sollte hier einleitend eine kleine Erklärung stehen, warum dieses Pedal den Titel „Tropical Fuzz“ trägt und was es mit den Bienen (und Blumen?) nun auf sich hat. In Brasilien gibt es eine alternative Musikszene, die sich auf der Tropicália-Bewegung (oder auch Tropicalismo) der 60er-Jahre gründet. Wikipedia schreibt dazu: „Die Bewegung des Tropicalismo entstand in den frühen 60er-Jahren als Reaktion auf den Militärputsch in Brasilien und die einhergehende repressive Politik. Eine politische Bewegung, die gekennzeichnet war von Kritik der Konsummentalität und dem Einfluss der Massenmedien sowie von der Sorge um die Beschneidung politischer Rechte, verband sich mit der Suche nach einem neuen musikalischen Ausdruck jenseits der gängigen Pop-Klischees und Bilder von Brasilien. So entstand die Bewegung des Tropicalismo.“
Namhafte Künstler der jüngeren Vergangenheit haben sich von dieser Bewegung in musikalischer Weise beeinflussen lassen, hier seien David Byrne oder Beck genannt. Das hört sich zwar alles recht spannend an, aber wie klingt Tropicália denn nun? Tropicália ist eine Mischung aus traditioneller brasilianischer Musik, wie etwa dem Bossa Nova, mit Avantgarde und Elementen des Rock, wie Jimi Hendrix ihn zelebrierte. Auch die Beatles tauchen stilistisch immer wieder in Songs des Tropicália auf. Die bekannteren Künstler dieser Subkultur nennen sich
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Beetronics Abelha Tropical Fuzz – Facts & Features
Das Beetronics Abelha Tropical Fuzz-Pedal erweist sich direkt beim Auspacken als echtes Schmuckstück. Ein leicht pultförmiges, längliches Pedal entweicht der komplett aus Pappe und Papier bestehenden Verpackung. Richtig gelesen, ich kann, außer dem beigelegten Plektrum, keinerlei Kunststoff entdecken und feiere diese Tatsache direkt als ersten Pluspunkt. Eine dreidimensionale Platte, die die Oberseite des Pedals ziert und in die alle Bezeichnungen der Regler eingraviert wurden, gibt dem Beetronics Abelha Tropical Fuzz eine edle, vintageorientierte Note.
Das Pedal ist etwa 184 × 86 × 69 mm groß, alle drei Anschlüsse befinden sich an der Frontseite. Für die Inbetriebnahme ist ein Netzteil mit 9 V und mindestens 60 mA notwendig, die Hohlsteckerbuchse hat Standardmaße und trägt den Minuspol innen. Batteriebetrieb ist nicht vorgesehen. Ein Input und ein Output im Klinkenformat wollen mit Gitarre und Amp in Verbindung treten. Das sollen sie auch, aber zunächst noch ein paar Details.
Knapp die komplette untere Hälfte des Pedals gehört dem Fuß und zwar in Form eines stabilen, mit dem Gehäuse verschraubten Tasters. Diesem wohnen mehrere Funktionen inne. Ein kurzer Tip erweckt das Beetronics Abelha Tropical Fuzz zum Leben und outet sich somit als Bypass-Schalter, der einen True-Bypass auslöst. Neben der im Fender-Amp-Style gehaltenen Kontrollleuchte an der oberen Kante des Gehäuses, melden sich sechs kleine LEDs zu Wort, die zwischen Pink und Blau changieren und eine kleine Lightshow veranstalten.
Drückt man den Fußtaster doppelt, wechselt das Pedal in den „Tropical Mode“. Was das ist, erkläre ich später. Als Zeichen der Aktivierung des Tropical Modes wechseln die sechs Gizmos nun auf ein anderes Farbmuster, das zwischen Gelb, Grün und Blau wechselt. Es ist auch möglich, diesen Modus durch dauerhaftes Drücken des Tasters vorübergehend zu aktivieren, durch Loslassen das Tasters kehrt man dann in den normalen Modus zurück. Drei unterschiedliche Tempoprofile für den Schaltvorgang können für diesen Schaltmodus gespeichert werden, Immediate, Medium und Lazy. Das ist vorbildlich gelöst und für mich der zweite große Pluspunkt.
Damit man weiß, aus in welchem Modus man sich befindet, bevor man das Fuzz aus dem Bypass befreit, lohnt ein Blick auf die sechs kleinen LEDs. Ist der normale Modus im Bypass, leuchten diese türkis. Falls man aus dem Tropical Modus in den Bypass gewechselt hat, sind die LEDs grün. Ein kleines, aber nicht unwesentliches Hilfsmittel, um vor vermeidbaren Peinlichkeiten zu schützen.
Ein kleiner, vor versehentlichem Umschalten gut geschützter Kippschalter, vom Hersteller liebevoll „Flavor Toggle“ genannt, schaltet zwischen drei unterschiedlichen Geschmäckern des Fuzzes um. Für die Bienchen, die auf Pollen stehen, kommt der Polen Mode zur Anwendung, hier liefert das Beetronics Abelha Tropical Fuzz einen kratzigen, spitzen Sound, der ein wenig an eine sterbende Batterie in einem Germanium-Fuzz erinnern soll. Etwas süßer geht’s im Nectar Mode zu, hier wird der Effekt runder, weniger „kaputt“ und insgesamt deutlich fetter. Für die ganz verwöhnten Bienchen ist der Honey Mode gedacht, er liefert noch mehr Gain und ist der vielseitigste der drei Modi.
Vier Regler kümmern sich um die Feineinstellungen des Sounds, wobei Loud hier die Lautstärke des Effektes, Buzz den Gain-Anteil und Hi und Lo die entsprechenden Frequenzen bearbeiten. Bleibt zu klären, was genau den Tropical Mode nun auszeichnet. Technisch betrachtet handelt es sich um ein Hochpassfilter, das genau das macht, was es soll, es lässt die hohen Frequenzen durch und unterdrückt die tiefen Frequenzen unterhalb einer fest definierten Frequenz. Wo genau diese Frequenzabsenkung greift, geht aus den mitgelieferten und online einsehbaren Dokumenten nicht hervor. Dieses Hochpassfilter ist nicht einstellbar. Das finde ich etwas schade, weil eine gewisse Eingriffsmöglichkeit, zum Beispiel über ein Trimpoti, die Flexibilität des Pedals noch erhöhen könnte.
Öffnet man das Pedal durch Lösen der vier seitlichen Schrauben, die die Bodenplatte halten, stößt man auf ein wenig aussagekräftiges, aber dafür umso schöneres Inneres. Wissen über die verwendeten Bauteile erlangt man auf diese Weise also nicht, aber letztlich ist das ja auch egal, denn wenn das Ding gut klingt, ist es vollkommen unerheblich, warum es das tut. Und wenn es nicht klingt, natürlich auch. Ein bisschen Nebelkerze ist im Boutique-Bereich ja auch erlaubt. Falls eine(r) unserer Leserinnen oder Leser dieses Pedal schon mal chirurgisch genauer betrachtet hat, dann lasst uns aber gern teilhaben.
So klingt das Beetronics Abelha Tropical Fuzz
Um das klangliche Potenzial des Beetronics Abelha Tropical Fuzz zu demonstrieren, schließe ich das Pedal ohne Umwege direkt an mein UA Volt 476 Audiointerface an und füttere damit einen Ampsound Aus dem Scuffham Amps S-Gear Plug-in, dem lediglich ein bisschen Plattenhall fürs räumliche Wohlbefinden nachgeschaltet ist. Equalizer oder Kompressoren sind keine im Signalweg. Wer es genau wissen möchte: Der Referenzsound besteht aus dem „The Duke“ Amp mit Boost, Bright und Bass on, ausgegeben über das Vintage Basketweave 4×12″ Cabinet, abgenommen mit einem SM57.
Beginnend mit der ersten Einstellung bin ich direkt geneigt, meinem Vorsatz, etwaige Fuzzpedale zu meiden, augenblicklich Folge zu leisten. Polen macht, wie versprochen, erst mal herrlich kaputt. Die sterbende Batterie bzw. der Low-Voltage-Effekt ist extrem und mir zu viel des Guten. Schaltet man zwischendurch in den Tropical Mode, macht das die Sache nicht unbedingt besser. Wem dieser Sound gefällt, der kommt hier aber voll auf seine Kosten. Sehr gut zu hören ist die Wirkung des Hochpassfilters im Tropical Mode.
Überrascht bin ich dann aber im Nectar Mode, wie satt und fast röhrig das Pedal klingen kann. Hier höre ich eher ein Overdrive und bin fuzzt wieder versöhnt. Der Honey Mode strafft dann die Bässe noch mal deutlich und fügt ein paar durchsetzungsstarke Hochmitten hinzu, dieser Sound dürfte sich im Bandkontext fantastisch durchsetzen. Das zwischenzeitliche Umschalten in den Tropical Mode erfolgt absolut flüssig und ohne zu knacksen, das ist erstklassig!
Zeit, mal ein wenig an den Reglern zu schrauben. Die nächsten Klangbeispiele entstammen alle dem gleichen Setup, die Namen der Files geben jeweils Auskunft über die Veränderungen an den Reglern. Die Nebengeräusche nehmen bei höheren Buzz-Settings erheblich zu, aber ein Fuzz, das nicht buzzt, fuzzt nicht. Oder so ähnlich. Nun ja, ohne Noisegate würde ich das Teil nicht nutzen wollen.
Für denselben Preis von 349€ erhält der durchschnittliche Gitarrist sogar ein Tonex oder für 25 Euro ein Behringer Fuzz, das ebenfalls über 3 Modi verfügt und erstaunlich gut klingt! Ich ziehe keinen direkten Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen, sondern eher zwischen einem Golf und einem Porsche. Das Gehäuse ist von höchster Qualität und äußerst kunstvoll gestaltet. Doch um ehrlich zu sein, müsste man wohl ein absoluter Fuzz-Fan sein, der den ganzen Tag nichts anderes als Fuzz spielt, um an so etwas wirklich interessiert zu sein. Denn Geld wächst nicht auf Bäumen und die meisten von uns müssen hart dafür arbeiten. Was ich sagen will, ist einfach: Für mich persönlich ist es einfach zu teuer, auch wenn es verdammt cool aussieht.
TEST: BEETRONICS ABELHA TROPICAL FUZZ, VERZERRER-PEDAL
Mit Geschmack: geht aber muss nicht sein. Riecht doch schon genug
😂