Lord of the Choirs

Wenn man nicht in Hollywood arbeitet und keine satten Budgets für Liveaufnahmen bekommt, ist man immer gezwungen, auf Librarys auszuweichen. Die Qualität dieser Librarys ist mittlerweile auf einem so unglaublich hohen Niveau (selbst wenn sie niemals eine echte Aufnahme ersetzen werden), dass selbst namhafte Komponisten aus dem Grossraum L.A. Sample-Librarys benützen. WOTAN gehört sicher zu dieser Kategorie.

Der Name Wotan ist eine Reminiszenz an Richard Wagners „Der Ring der Nibelungen“. Dort taucht er als Bariton auf bzw. ist es Wagners Variante vom nordischen Gott Odin. Klingt schick und passt. Exkurs Ende ;o)

Chor- und Solisten-Librarys gibt es mittlerweile sehr viele. Selbst Hersteller Strezov hat mit Storm Choir 1+2 gut vorgelegt, ist in Bezug auf Chöre etabliert und entwickelt/verbessert demnächst diese Librarys, um sie auf das Niveau von Wotan zu bringen.

Neben der Geschmacksfrage ist es auch immer eine Frage der Vielseitigkeit der Library und wozu man sie benötigt. Wie zeitlos sind die Samples und wie lange kann man mit dieser Investition arbeiten? Hier sind es aktuell 349 Euro. Ich bin ein absoluter Fan von Stimmen- und Instruments-Librarys die EINE Sache richtig gut können, statt einer Presetschleuder, die zwar viel bietet, aber oft sehr wenig so richtig geil kann. (Ausgenommen von dieser Kritik sind natürlich hervorragende Librarys wie Omnisphere)

Hier geht es aber nicht um synthetische Sounds. Denn die WOTAN Library begrenzt sich auf nur acht Presets, zudem auf wirklich richtig gut aufgenommene Männer. Das ist kein Sexismus, sondern zweckdienlich und ein klares Zeichen dafür, dass man sich hier lediglich auf eine Gruppe Herren konzentriert hat. Das nächste Mal gibt es wahrscheinlich eine Walküre-Library, über die ich mich sehr freuen würde. Ich habe nämlich noch keine, die mich zu 100% überzeugt. Der Hersteller hat aber schon mitgeteilt, dass der nächste Schritt ansteht, Wotan um weibliche Stimmen zu erweitern.

Die Library bekommt man als 5 GB Download und sie wird über NI Kontakt angesteuert. Wenn ihr der Install-Beschreibung folgt, spart es euch Ärger und Zeit. Zu finden auf der Webseite des Herstellers, rechts neben der WOTAN-Library.

Recording: Aufgenommen wurden die zehn Bässe und zehn Tenöre in den Sofia Session Studios. (Wo auch die beiden Herren Phoenix und Bergersen – Two Steps from Hell – vieles aufnehmen/produzieren lassen.) Die Aufnahmequalität und Professionalität im „Osten“ ist und war schon immer beachtlich. Finde ich sehr gut, weil in Ländern wie Bulgarien, Tschechien und Ukraine hervorragende und talentierte Musiker arbeiten, die sich über anspruchsvolle Arbeit genau so freuen wie wir.

Patches: Es gibt wie gesagt acht WOTAN-Patches mit den Namensendungen Basses, Cluster, Men, Tenors, Whispers & Shout. In einem kleinen Lite-Unterordner finden wir Basses, Men, und Tenor mit jeweils dem Anhang „No Offset“.

Wotan – Tenors Screen

Silbenbilder: Es gibt zwei Herangehensweisen: Phrasenbildung und Wortbildung. Bei Wotan hat man sich auf acht Silben/Phrasenbildungen konzentriert, die man x-beliebig kombinieren und gestalten kann: Buh, Chak, Ki, No, Niya, Rih, Seh und Thum.

Es gibt die Funktion des Wortbilders, indem man die Samples in Attack, Release, Volume, Offset und Rhythmus anpassen kann. Zudem gibt es die Artikulationen Sustain, Staccato und Legato. Jede Silbe kann man somit einzeln und unabhängig anpassen. Wenn man sich sein Preset zusammengestellt hat, kann man dieses auch abspeichern und – logisch – wieder abrufen. Durch Funktionen wie Crossfades, Länge und Release steuert man, wie lange die Silbe dauert und wann sie von der nächsten Silbe bei Tastendruck abgelöst wird. Sehr einfaches Konzept, das meinen Workflow ungemein beschleunigt hat.

Keyswitches: Diese muss man selbst definieren. Die acht Silben hätte man auch einfach auf die erste oder zweite Keyboard-Oktave zum Switchen legen können. Aber gut … alternativ ohne Keyswitch kann man der Reihe nach die Silben einfügen, die man hören will. Nachteil: Bei Stop und wieder Start bzw. Wiedergabe nimmt die Engine die nächste Silbe, die in der Reihe ansteht und nicht die erste. Da muss jeder seinen Weg finden. Denke, dass nach einer kleinen Einarbeitungszeit alles recht schnell geht.

Clusters/Effects: Statt die Flüster- und Clustertöne als separaten Patch zu sehen, kann man sie hier natürlich und dynamisch über das Keyboard ansteuern. Spielt man leise, wird das Flüstern angetriggert, während lautem Spielen Shouts ansteuert. Aufgenommen als Round Robin, somit gibt es keinen Wiederholungseffekt.

Manual Integration: Klickt man einen beliebigen Button oder eine Funktion, erscheint in der ersten Zeile eine Beschreibung, wozu dieser dient.

Wotan Mixer und Mic Position

Mixer und Mics: Es gibt zwei Mikrofon-Positionen – Close, Decca und als drittes Hall. Wobei ich nicht weiß, ob das nun ein drittes Mikrofon mit Raumklang ist oder ein integriertes Hallgerät eingeschleust wurde. Die Unterschiede sind leider nicht so deutlich, wenn man den Hall abdreht. Ich hätte gerne die Option zwischen wirklich direkt/trocken oder eben „nass“ wie eine Kathedrale. Hier klingt es sehr kirchlich nass, auch wenn ich den Hall ausschalte. Das ist insofern ungünstig, weil ich für meine Produktionen gerne einen Custom Made Reverb benütze, der je nach Komposition nicht unbedingt wie eine Kathedrale klingen soll. Selbst im Close-Modus höre ich noch deutlich viel Raum im Hintergrund.