The Story of Billy Gibbons

“Same three guys, right here. Same three chords right here. And we’ve been doing this for 35 years.” Billy Gibbons
Die allmächtigen ZZ Top verkörpern den Superlativ von Kultfaktor, katapultierten den Blues ins Raumzeitalter und wurden ganz nebenbei auch noch zu modischen Stilikonen. Keine Band weckt stärkere Assoziationen zu Frauen, Glücksspiel, Sonnenbrillen und schnellen Autos. So verwundert es kaum, dass das texanische Trio 2004 in die Rock ’n‘ Roll Hall of Fame aufgenommen wurde. Zudem halten die drei den Rekord als längste in Urbesetzung spielende Band – Beständigkeit ist der erste Grundpfeiler ihrer beispiellosen Bandgeschichte.
Die zweite Säule ihres Erfolgs besteht aus Innovation, denn am Erfindungsreichtum der little ol‘ Band from Texas könnte sich selbst Daniel Düsentrieb noch eine Scheibe abschneiden. Die dritte Zutat zur ZZ-Rezeptur heißt Image. Doch von kalkulierten Marketingstrategien durch Plattenlabel oder Management kann hier kaum die Rede sein. Mister Gibbons ist nicht nur ein Sharp Dressed Man, sondern lebt das außergalaktische Blues-Image wie kein Zweiter. Kein Wunder, dass Dusty Hill und Reverend G. ein Angebot des Rasier-Riesen Gilette ausschlagen und ihre identitätsprägenden Bärte einer Gesichtsenthaarung im Wert von einer Millionen Dollar vor.
Doch schon AC/DC lehrten uns, dass der Weg zum Rock-Olymp ein langer ist. Gut Ding will nun mal Weile haben – die ersten Hits finden sich erst auf der dritten bzw. vierten Scheibe. „La Grange“ (1973 – Tres Hombres) besingt ein legendäres texanisches Freudenhaus und stellt den ersten großen Erfolg des Trios dar. Doch erst in der Spätlese findet sich die erste wahre Perle: Zehn Jahre nach Bandgründung erblickt das sechste Studioalbum das Licht der Welt und definiert nicht nur den typischen Sound der Herren und markiert die Entscheidung zum ausufernden Bartwachs, sondern verbindet diese auch noch mit herausragendem Songwriting und moderner Produktion. Die Scheibe strotzt nur so von Klassikern, erreicht Platin in den USA und verhilft den Burschen letztendlich zum absoluten Durchbruch.
„We do tend to pay a lot of attention to tone. Even with music like ZZ Top, I think that obscene tones are quite acceptable.“ Billy Gibbons
Schon immer waren Berührungsängste für die drei ZZs ein Fremdwort, sodass man Anfang der Achtziger konsequenterweise – ganz zeitgemäß – beginnt, mit Synthesizern zu arbeiten. Was für den konservativen Blueser Blasphemie darstellen dürfte, ist für Gibbons nicht nur Experimentierfreude und Neugier, sondern der Beginn einer neuen Ära. Mit dem Blues-Synthesizer-Gebräu von Eliminator und Afterburner holen sie zum kommerziellen Totalschlag aus und erobern mit Songs wie Rough Boy oder dem Überhit Gimme All Your Lovin‘ ein Massenpublikum.
Ein Teil der konservativen Anhängerschaft hält jedoch mit Sell-Out-Vorwürfen nicht lange hinterm Berg und kehrt dem Erfolgstrio den Rücken. Doch ZZ Top wären nicht ZZ Top, wenn sie sich davon beeindrucken lassen würden und bleiben ihrer Linie weitgehend treu. Auch wenn der Bluesrock-Anteil mit Recycler wieder deutlich erstarkt, sind die vorrangegangenen glorreichen 80s trotz härterem, direkterem Sound weiterhin unüberhörbar. Danach folgen im Abstand einiger Jahre recht gute, stabile Albumveröffentlichungen.
Doch der wirklich große Wurf ist den Herren um Mr. Gibbons seither nicht mehr gelungen. 2010 sollte uns allerdings endlich das langersehnte 15. Studioalbum erreichen. Mit Kult-Producer Rick Rubin ist erstmals ein Produzent mit würdigem Bart mit von der Partie. Die neue Scheibe lässt auf ein Comeback im Stile der American Recordings hoffen, denn der Produzentengott ist nicht nur seit Johnny Cash dafür bekannt, dem Künstler eine Art Mentor zu sein und mit reduziertem, direkten Sound zurück zum Erfolg vergangener Tage zu führen. Sollte mein Bauchgefühl nicht trügen, werfen große Ereignisse ihre Schatten voraus.
Billy Gibbons – there really are no rules!
Kein Geringerer als Jeff Beck beschreibt den Spielstil Billy Gibbons als magische Formel bestehend aus: Tone, Groove, Attitude und Mystery. Damit bringt er die vier Eckpfeiler auf den Punkt, auf denen Ton, Sound und Spieltechnik des Meisters beruhen.
Reverend Billy G. beschreibt predigt die Dreifaltigkeit aus Girls, Cars & Rock’n’Roll. Mit einer ebenso lässigen und unkomplizierten Einstellung begreift er auch die sechs Saiten. Der Rat des weisen Bärtigen ist ebenso sinnig wie simpel:
„Learn to play what you want to hear!“ Billy Gibbons
Musikalität und Kreativität stehen bei Billy demnach vor endlosen Skalenübungen, Blattspiel und anderen Quälereien. Er lernt schlicht, was es braucht, um wirklich gut zu klingen. Der Entwicklung eines individuellen Stils und ausgeprägter Tonbildung stehen oftmals nur starre Übungsdogmen, zu viel Musiktheorie oder kompliziertes Tonmaterial im Wege.
„And of course you can follow a chord structure, and you can follow a scale, and come up with a delightful and correct piece. However, I think today it’s a game of getting out there and getting after it, and if it feels right, you’ll know.“ Billy Gibbons
Reverend G. ist ebenso weise wie wortgewandt und versteht es, sich nicht um Regeln, Grundsätze oder Traditionen zu kümmern. Hier können wir wesentlich mehr Grundsätzliches lernen, als uns eine exakte Analyse der Spieltechnik und des Equipments lernen würden. Daher nachfolgend ein paar eher allgemeingültige Exempel, wie sich seine Einstellung auf Spiel und die Wahl der Ausrüstung auswirkt.
„I’ve been told that I play the action too high, and I’ve been told that I use too heavy of a string. I’ve got the Billy G-strings!“ Billy Gibbons
Ein absolutes Paradebeispiel stellt seine Saitenwahl dar: .008er und zuweilen sogar speziell von Dunlop gefertigte .007er Saitensätze. Und das oftmals auch noch mit Downtuning und kurzer Gibson-Mensur. Die vermeintliche und weitverbreitete Grundregel „dickere Saiten = besserer Ton“ ist somit widerlegt. Einst folgte auch Billy G. selbst diesem Grundsatz, bis er von keinem Geringeren als Bluesgott B.B. King eines besseren belehrt wurde. Zudem verwendet er eine sechssaitige mexikanische Münze anstelle eines konventionellen Plektrums.
„Pearly Gates seems simply to have been on the assembly line on the right day at the right time. It was the right glue, the right wood, the right finish on the right day“ Billy Gibbons
Selbst seine heilige Pearly Gates betrachtet er ebenso nüchtern wie ehrlich. Einerseits trägt Billy das ein oder andere Mal gerne zu Mythos und Legendenbildung bei und baut sich etwa eine Gitarre aus den Teilen Muddy Waters Dachstuhls, andererseits gibt er sich auch gerne mal herrlich demystifizierend und bemerkt lapidar:
„It’s just meat on metal on wood.“ Billy Gibbons
Ob Vintage oder Fließband, analog oder digital – den Reverend lassen diese gerne mal bis hin zu Ideologiefragen ausufernden Grundsatzentscheidungen völlig kalt. Er nutzt den Marshall JMP-1 Preamp mit Transistorendstufe, jagt sein Signal direkt in die PA, schaltet sechs Bixonics Expondora Overdrives gleichzeitig in Reihe oder überzieht seine Gibson Explorer kurzerhand mit knalligem Kunstfell.
Ten ClassicZZ
„La Grange“ (1973 – Tres Hombres)
„I Thank You“ (1979 – Degüello)
„Cheap Sunglasses“ (1979 – Degüello)
„Sharp Dressed Man“ (1983 – Eliminator)
„TV Dinners“ (1983 – Eliminator)
„Rough Boy“ (1985 – Afterburner)
„Planet of Women“ (1985 – Afterburner)
„My Heads in Mississippi“ (1990 – Recycler)
„Doubleback“ (1990 – Recycler)
„Viva Las Vegas“ (1992 – Greatest Hits)