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Interview: Ryo Ishido, der GUI-Maker

Watashi Wa Ryo San To Moshimas

9. Februar 2013

Seit langem sind mir die fantastischen GUIs von Ryo Ishido aufgefallen, die zahlreiche Facebook Freunde „geliked“ haben, woraufhin ich mich entschloss, Ryo ebenfalls zu meinen FB-Freunden zu „adden“. So schnell geht das in der heutigen Welt mit den Freunden, und schon ist man international vernetzt. Weit gefehlt. Hinter Ryo steckt nämlich ein waschechter Europäer mit Künstlernamen. Dieser Umstand, aber vor allem die ausgezeichneten GUIs, machten mich neugierig, und so entschloss ich mich, den FB-Freund näher kennen zu lernen. Und siehe da, auch FB-Freunde sind interessante Menschen mit interessanten Geschichten, wie das folgende Interview zeigen wird.

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AMZONA.de:
Hallo Ryo, fangen wir doch gleich mal bei Deinem Namen an, recht japanisch klingst du ja nicht. Ist das Dein Künstlername?

RYO:
watashi wa ryo san to moshimas … klar ist das ein Künstlername, der aber mehr oder weniger aus einer Sekt- und Bierlaune entstanden ist. Irgendwann hat sich das dann verselbstständigt und mittlerweile sind der Name und meine Arbeiten auf  wundersame Weise verknüpft.

AMAZONA.de:
Du hast mir erzählt, Du bist 61er Jahrgang und Deine Leidenschaft galt zunächst der Musik. Wie kam es dazu?

RYO:
Wie es dazu kam, dass ich Jahrgang 61 bin, muss ich leider meinen Eltern ankreiden. Und das mit der Musik eigentlich auch. Wir waren der typisch klassisch angehauchte Musikantenhaushalt. Vater bei den Berliner Symphonikern, Großvater Musikprofessor und Mutter hat grandios gekocht. Also habe ich mich zwangsläufig und rebellisch von der Klassik verabschiedet und mir erst einmal eine Stromgitarre gekauft.

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Nachdem mir dann jeder bescheinigt hatte, dass ich zwar nicht spielen kann, aber einen grandiosen Sound habe, war der Wechsel zu den Dingen, die ganz viele grandiose Sounds produzieren können, vorprogrammiert. So kann man auch Keyboarder werden ;)

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AMAZONA.de:
Kannst du dich noch an deine ersten Synthesizer erinnern?

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RYO:
Das war ein Korg Micropreset – danach folgte der Polysix und irgendwie bin ich dann recht schnell an einen Prohet-5 und einen Polymoog gekommen, die ich dann beide gegen einen Yamaha DX7 eingetauscht habe. So gesehen tut die Frage weh, können wir das überspringen?

AMAZONA.de:
Du hast mir erzählt, in den Achtzigern standest Du mit Deiner Band kurz vor dem ersehnten Plattenvertrag. Warum ist nichts daraus geworden?

RYO:
Ich hatte mit der Band einen Showcase Gig für die CBS. Der war in allen Einzelheiten geplant und geprobt und 80er Jahre gerecht durchgestylt, aber zwei Tage vor dem Auftritt mussten wir festzustellen, dass unser kanadischer Sänger das Land verlassen hat … priceless. Ich hab den Sänger übrigens vor kurzem bei Facebook wieder getroffen, und er hat weniger Haare als ich. Das war wenigstens ein kleiner Trost. Klinge ich irgendwie verbittert? ;

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AMAZONA.de:
Und dann hast du alles hin geschmissen und einen Bürojob angenommen, richtig?

RYO:
Der Bürojob kam erst später. Nach meiner Ricky Rockstar Karriere hab ich mir erst einmal die Haare föhnwellengerecht zusammen gestutzt und bin als Special-Effects Koordinator zu den Bavaria Studios nach München gepilgert. Dort habe ich unter anderem an Wolfgang Petersens „Enemy Mine“ mitgewirkt und kleine Raumschiff-Modelle gebastelt. CGI war da noch extrem in den Kinderschuhen.

Die Möglichkeit, anschließend für einen „kleinen“ Stuttgarter Filmemacher zu arbeiten, habe ich auch erfolgreich vergeigt. Es konnte ja keiner ahnen, dass er mal den Godzilla und Aliens am Independance Day auf die Staaten loslässt. Irgendwie hab ich ein Händchen für so was.

AMAZONA.de:
Wo hattest du denn das Know-How her für den Job als Special-Effects Koordinator? Und mal ehrlich, ohne Vitamin B kommt man doch auch nicht in die Bavaria an einen solchen Job ran, oder?

RYO:
Nun, das zieht sich so ein bisschen wie der berühmte rote Faden durch mein Leben. Zur rechten Zeit am richtigen Ort. Und ein kleines Talent, aus alten Röhrenradios fast funktionierende Zeitmaschinen zu basteln. Alles in allem war es vielleicht auch einfach nur Glück.

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AMAZONA.de:
Und wie kam es dann zu dem Bürojob?

RYO:
Irgendwann war Familie und Verantwortung angesagt. Also lässt man das ganze Schöngeistige außen vor und wird Sales & Marketing Manager bei einer IT Firma. Bei meiner Vita wäre auch die Fleischereifachverkäuferin nicht fern gewesen.

AMAZON.de:
Und wieder die Frage. Man wird ja auch nicht Fleischereifachverkäufer ohne Ausbildung. Woher kam das ganze Wissen um Marketing?

RYO:
Die Zeit in den Bavaria Studios war da schon von Vorteil. Obwohl der Film in Deutschland produziert wurde, hatte die 20th Century Fox das letzte Sagen über alle Entwürfe und Modelle. Also lernt man zwangsläufig, diese in Präsentationen und Meetings bestmöglich zu „verkaufen“. Und man lernt, seinem Gegenüber aufmerksam zuzuhören, zu verstehen und das Verstandene auf den Punkt umzusetzen. Irgendwann war ich mehr in Meetings unterwegs, als dass ich an Modellen arbeiten konnte. Ja, das klingt alles sehr holprig, aber vielleicht hat man das auch in den 80ern etwas lockerer gesehen. Ich hab ja selbst später in meiner Agentur lieber talentierte und „hungrige“ Quereinsteiger eingestellt als Hochschulabsolventen. Mea Culpa

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AMAZONA.de:
Aber auch das hast du nicht allzu lange gemacht. Durch Multimedia-Präsentationen kam es zum nächsten Berufsstep, korrekt?

RYO:
Ich war hauptsächlich international auf Messen unterwegs und durfte unser IT-Produkt mit einer unendlich grausamen Powerpoint-Präsentation den Kunden näher bringen. Da dies mit meiner bescheiden grafischen Ethik nicht zu vereinbaren war, habe ich in einer Nacht und Nebel Aktion eine eigene Präsentation gebaut, die dann auf den nachfolgenden Messen für dezente Aufmerksamkeit gesorgt hat.
Und was macht man dann als fürsorglicher Familienmensch? Man kündigt sofort seinen hoch dotierten Job und versucht sich selbstständig in Messepräsentationen.

Richtig … epic fail. Aber dann hat sich ein „Kunde“ erbarmt und mir anstelle der Messegeschichte den Auftrag zur Erstellung einer Website angeboten. Letztendlich wurde aus dieser Option eine eigene Werbeagentur, die bis Ende 2010 ziemlich erfolgreich war.

AMAZONA.de:
Werbeagentur? Erfolgreich?

RYO:
Wir haben hauptsächlich für die Gaming-Branche gearbeitet und von 2001 bis 2010 alle wichtigen IPs im Internet begleitet. Darunter waren Kunden wie Square Enix, Eidos, Nintendo, Sony, THQ, DTP und viele andere. Dazwischen haben sich dann auch schon mal Miley Cyrus, Rosenstolz, Bushido und Jürgen Drews bei uns blicken lassen – und der Jürgen ist ein ganz Netter. Das wollte ich nur mal so sagen dürfen (grinst).

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AMAZONA.de:
Von der Werbeagentur zu GUI-Designs. Wo hattest Du die grafische Ausbildung her?

RYO:
Nun, eigentlich ist die „grafische Ausbildung“ nur die Quintessenz aus allem, was ich bis dato gemacht hatte. Dazu kommt noch die Liebe zum Detail, Geschichten erzählen, den Betrachter „mitnehmen“… und ganz viel Ehrgeiz gepaart mit trial and error. Ab einem gewissen Punkt spürt man, dass manche Menschen deine grafischen Dinge lieben. Und das Gefühl, etwas gefunden zu haben, was Jahre in einem selbst geschlummert hat, ist einfach schön, treibt an und lässt einen „ankommen“. Ich habe einen immensen Respekt vor jedem, der sich durch harte Studienjahre gearbeitet hat, bin aber auch dankbar, dass es mir mehr oder weniger in den Schoß gefallen ist

AMAZONA.de:
Fehlt mir noch der Link von der erfolgreichen Werbeagentur zum einsamen GUI-Designer.

RYO:
Nun, der Erfolg mit der Werbeagentur brachte auch die hässliche Fratze des Geschäftes mit sich. Du räumst den ersten internationalen Preis ab, findest dich im Spiegel und der Page wieder, wirst von der UNICEF gebeten, an einem Buchprojekt teilzunehmen – und willst mehr. Und man macht mehr, ohne auch nur ansatzweise auf den Körper und seine Warnsignale zu achten.

AMAZONA.de:
Stop, stop, stop! Jetzt bitte genauer. Welcher internationale Preis und welches Buchprojekt?

RYO:
Ich mag das eigentlich nicht wirklich wieder ausgraben, aber bitte:
Promax BDA Miami 2001, 11 FWA Awards 2002-2008, Flash Film Festival San Francisco 2004, Animago 2005, London International Awards 2006 … soll ich weitermachen?

AMAZONA.de:
Nein, das reicht …

RYO:
Und irgendwann kam die UNICEF auf mich zu, und fragte, ob ich nicht Lust und Zeit hätte, mit 60 internationalen Künstlern an einem Buch-Projekt mitzuwirken: „Unity for Children“ Und jetzt ist’s aber gut mit dem Thema.

AMAZONA.de:
OK, zurück zum … Burnout?

RYO:
Drei Monate Klinik und halbwegs zusammengeflickt, möchte man nur noch fliehen, legt sich komische japanische Namen zu und entsagt allem Grafischen. Zur Ruhe kommen und nur noch Musik machen, war die Devise. Aber nach fast 20 Jahren musikalischer Pause war ich erst mal erstaunt, dass die Welt der 4-Spur Tascams und 48 Spur Reel-to-Reel Maschinen digitalen Audio Workstations gewichen war.

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Für mich absolutes Neuland – aber spannendes Neuland. Zwangsläufig kommt man mit dem ersten Kontakt Instrument zusammen, freut sich über die Sounds und ist gleichzeitig erstaunt über die zwar zweckmäßige, aber dennoch leicht langweilige Optik der VSTis.

Also habe ich mich hinreißen lassen, einem der Developer einen kleinen Mockup zu schicken. Etwas, was ich mir optisch besser vorstellen könnte. Das war damals 8DIO … und heute kann ich mit leichtem Stolz auch die folgenden Namen an die liste hängen wie Sonokinetic, Samplelogic, Cinesamples, Soundiron, Audiobro, Project Sam, Heaviocity, Eduardo Tarilonte/Best Service, Open Labs, Ilya Efimov, Embertone, Evolution und aktuell Daniel James „Alpha“ library.

AMAZONA.de:
Mit welchen Programmen erstellt man GUIs eigentlich – und was für besondere Fähigkeiten sollte man deiner Meinung nach mitbringen?

RYO:
Mit was man die „eigentlich“ erstellt, weiß ich nicht. Ich nutze hauptsächlich Photoshop, Cinema 4D und After Effects. Eine ganz wichtige Fähigkeit, die man mitbringen sollte, ist „verstehen“. Verstehen, welche Vision der Developer beim Erstellen der Library hatte, verstehen, wie man Sounds visualisieren und lebendig machen kann und verstehen, was letztendlich der Käufer an Usabilty wünscht. Die Schere kann da streckenweise heftig auseinander gehen, aber den Spagat sollte man schon meistern können

AMAZONA.de:
Inzwischen ist Deine GUI-Kundschaft stetig gewachsen. Was waren Deine spannendsten Projekte?

RYO:
Immer das zuletzt abgeschlossene (er grinst). Jedes Interface ist eine kleine Reise, angefangen von den ersten Sound Samples, die man hört, über die Geschichte, die man erzählen möchte, bis hin zu dem Moment, wenn das Ganze „live“ geht. Nicht bei allem, was ich mache, werde ich mit Rosen zugeschmissen. Herbe Kritik auf Userbase gehört da genauso dazu – und man lernt daraus. Auch das ist spannend.

AMAZONA.de:
Inzwischen hast Du Dich auch wieder der Musik gewidmet. Was unterscheidet Deine heutige Musik von der, die Du vor 30 Jahren gemacht hast?

RYO:
Sie klingt deutlich besser (grinst wieder). Aber irgendwie bin ich auch ein wenig in den 80ern kleben geblieben. Nicht falsch verstehen, die Haare werden nicht mehr toupiert und Streifenleggins würden bei mir mittlerweile reichlich dämlich aussehen. Nein, die 80er waren für mich sehr melodiebetont, ich liebe die Sounds aus der Zeit immer noch, und wenn ich auch heute im Bereich der „epischen“ Trailer Musik unterwegs bin, ganz leugnen kann man den Ursprung immer noch nicht. Und das ist auch gut so.

AMAZONA.de:
Sicher bist Du als GUI Designer fixiert auf Plug-ins, oder irre ich mich da?

RYO:
Wenn Du für so ziemlich jeden Developer arbeitest, stapeln sich zwangsläufig auch alle erdenklichen Plug-ins auf der Festplatte. Dennoch bin ich ein Fan von Hardware geblieben: Knöpfe anfassen macht Spaß und die diesjährige NAMM hat ja einige Perlen an Synthesizern hervorgebracht. Dass zu mindestens der MS20 light den Weg in mein Studio finden wird, ist nur natürlich.

AMAZONA.de:
Und jetzt? Welche Pläne und Ziele hast Du für die Zukunft?

RYO:
Mich daran freuen, dass ich es nach all den Wirren wieder geschafft habe, wieder „gerade“ zu stehen … mich daran freuen, wenn zwei oder drei Leute meine Arbeiten schätzen und dankbar sein. Klingt kitschig? Ok, für mich passt das.

AMAZONA.de
:
Wir bedanken uns herzlich für Deine Zeit und das Interview!

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    AMAZONA Archiv

    Tolles Interview. Mehr solcher Menschen bräuchte die Gesellschaft. Alles Gute Ryo!

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