Modular Event in Fischbach 2009
Weltmetropole Fischbach, Pfingsten 2009. Die Frisur sitzt. Wo war das nochmal? Das liegt bei Idar-Oberstein. Wie? Wo liegt das? Das liegt bei Bad Kreuznach. Aha, ok. Der Flughafen Hahn, ehemals als Billigflugplatz von „Frankfurt“ propagiert, liegt ebenfalls dort in der Nähe des landläufig korrekt beschriebenen Weltarsches zwischen Frankfurt und Saarbrücken/Trier. Soviel zur Ortungshilfe, denn Fischbach ist auch so etwas wie ein „Dongle“ gegen eine Art Messe-Tourismus. Auch soll ein Modularsystem, gleich welcher Art, mitgebracht werden. Der Grund für solche Idee ist einfach: Der Platz ist begrenzt, und entspannt möchte man ohne große Bewachung und ohne Messe-Attitüden eher Spaß haben als seine Geräte bewachen oder zur Schau stellen – man will sich damit befassen. Und diese Form von „Nerd-Treffen“ sind in der Tat extrem entspannt und unbürokratisch. Fragen werden unverblümt und auch kontrovers über das Forum herangezogen, weshalb die Kategorie auch fest steht: Insidertreffen für Interessierte aus der Community.
Let’s play FischBach
Das Modular Synthesizer Meeting fand am letzten Wochenende im Mai 2009 statt, und die angemieteten Hallen mit christlich-echtem Abendmahl-Wandteppich boten eine perfekt passende Kulisse nebst Kirche für das nun mehr vierte Treffen dieser Art und das dritte davon in Fischbach. Jeder Besucher bekam ein niedliches und authentisches Schildchen mit Potiknopf und Namensfläche aus der Sequencer.de-Forum-Community, da Planung und Akteure zu 98% von dort stammen und für Interessierte identifizier- und ansprechbar sind. Ebenso sammeln sich dort Videos und weitere Bilder von Jams und Rundgängen dort, wie sich das für eine Web-Zweinull-Community gehört. Auch, um die allseits aktive Frage „wie ist denn dein Name im Forum“ auszuschließen, freuen sich alle über die liebevoll zusammengebastelten Poti-Schildchen. Wie so etwas aussieht, lässt sich am besten über ein paar Bilder vermitteln …
Trendforschung
Trotz der scheinbaren Regelmäßigkeit handelt es sich um ein spontanes Treffen mit Live-Jams und improvisierten Workshops und regem Austausch über alle Themen vom Synthesizer-Bau bis zu musikalischen Fragen, welches zum Ende mit der Frage „wollt ihr nochmal?“ bisher mit einem entschlossenen „Ja, bitte“ beantwortet wurde. Gastgeber in Fischbach ist Thomas Welsch. Als Anyware-Instruments dürfte er durch den Semtex und den InSeqt Modular-Sequencer einigen Lesern bekannt sein.
So wurden auch Reparaturen und Checks „mal eben“ gemacht und der Lötkolben gezückt. Man ist ja unter sich und hat Zeit. Diese Tatsache brachte stets eine entsprechend lockere Atmosphäre, die so von den Besuchern geschätzt wird. Der Bericht wird einige Namen enthalten, die den Forumsnamen entsprechen und in Anführungszeichen genannt werden. Um Vorurteilen entgegenzutreten gibt es unter den Besuchern alle Typen von Musikern von erfolgreichen Musikern bis zu reinen Hobbyisten, Clubbern und jeder Couleur von musikalischer Ausrichtung und physikalischem Alter des Nutzers oder des Equipments. Auch einige Computer wurden gesichtet.
Nun ist Zeit für einen kleinen Rundgang und Erkenntnis-Essenzfindung des letzten Meetings. Auffällig ist, dass viele Systeme von Nutzern früherer Treffen mehr und speziellere Module aufweisen, andere tauschen nur gewöhnlichere durch hochwertigere Module aus. Die günstigen Systeme von Doepfer und Synthesizers.com (ab hier als „Dotcom“ bezeichnet) dominierten nicht nur das Treffen, sie lösen zunehmend und sichtlich die historischen Systeme ab, da diese in immer astronomischere Höhenflüge verfallen. Ein weiterer Trend ist die bunte Mischung mit anderen Modulen, was sicher auch Kenntnis des Angebotes und klare Ideen für die eigenen musikalischen Ziele voraussetzt und auch die Tatsache, dass immer mehr Kleinsthersteller Angebote machen. Auch die Selbstbautätigkeit wird viel betrieben.
Zudem gibt es tendenziell immer mehr Euro-Rack-Systeme (3.5mm Klinkenpatchkabel), da sie auch in kleine Schlafzimmer passen und bei weitem nicht mehr eine Domäne ultraspezieller Studiobesitzer oder gut betuchter Leute sind. Interessant ist auch, dass die großen System oft etwas traditioneller aufgebaut sind, jedoch nicht teurer als die kleinen sind. Einig ist man sich auch in der Forderung, dass es mehr ungewöhnliche Module geben sollte, die die digitale Technik mit einbezieht.
Gut spiegelt sich das Mischen von Modulen im System von „Mr.Roboto“ wieder, was durchaus Russenkraftwerk-Qualitäten hat und sogar optisch gewinnt, wenn ein paar Blindplatten vorhanden sind. Auch Computerangst oder Einseitigkeit ist heute eher seltener. Man lebt immerhin im Jahre 2009. Auch viele Schweizer Besucher beteiligten sich, hier das großes Dotcom-System von „Cello“.
Neuzeitsaurier?
Typische Neuzeit-Mischsystem für die Live-Performance von „ACA“, „moondust“ „haesslich“ und „Rechner7“ sind heute oft tragbar im selbst entwickelten Koffer eingebaut und für den Live-Einsatz optimiert oder eben groß und fürs Studio gemacht, wie das System von „Elektrolabel“ mit sehr vielen Details, wie etwa dem selbstgebauten, rund angeordneten Sequencer und vielen Modulen von Dotcom.
Hier und da findet man Kompaktsysteme, wie den Analogue Solutions Vostok von „c0r€“, der ebenfalls der „Kofferphilosophie“ folgt. So kann man auch mal im kleinen Club spielen und muss nicht so viel schleppen. Hier ist er in seiner Variante mit Wavetables zu sehen, neuere Modelle haben an seiner Stelle einen dritten analogen VCO.
„ACA“ brachte neben seinem Live-Koffer mit Schrittmacher-Sequencer auch ein Roland System 100 mit. Der Vorteil dieser alten Maschinen und einige anderer sporadisch auftauchenden CV-Synthesizern ist sicher auch die Bereitstellung der Steuerspannung ohne den MIDI-Umweg. So fanden sich hier und dort Synthesizer wie Moog Prodigy, Little Phatty, Roland Promars und andere wieder, jedoch dominieren MIDI-Keyboards, Controller oder auch Sequencer. Das System 100 war eigentlich eher ein in zwei „Teile“ aufgespaltener typischer Synthesizer seiner Zeit (1978), was dem Käufer quasi einen Ratenkauf ermöglichte. Heute ist das System sehr teuer. Der Klang ist allerdings auch legendär durch den Glanz früherer Synthpop-Helden und unzähligen älteren und aktuellen Techno-Produktionen. Deshalb braucht man schnell Anschluss an den Rechner, weshalb sich auch spontan Interessengruppen bildeten, um die Modulars mittels MOTUs Software Volta anzusteuern. Klappt es? Welches Interface funktioniert und wie hoch ist die Spannung, die maximal aus den einzelnen Interfaces kommt? Leider ist der Hersteller sehr spärlich mit Information, sodass viel gemessen und ausprobiert wurde. Weichenstellungen für die Zukunft und dem eigenen kleinen Studio.

h.exe und ACA beim Ausloten von Volta mit Kraftzwerg, System 100 und Yamaha WX-Controller (nicht im Bild)
Der von mir mitgebrachte EMS Synthi A (hier mit KS) benötigt ungewöhnliche Spannungswerte. Dafür hat ein roter (!) MFB Kraftzwerg (von „h.exe“) eine eher rudimentäre und pitchbendlose MIDI-Implementation. Das Treffen bot daher gute Möglichkeiten h.exe’s controllerdatenintensive Wind/Blascontroller (Yamaha WX Serie) via Volta auszuloten und somit Spar-MIDI-Implementationen in Bühnenreife zu verwandeln. Genau die Erkenntnisse, für die in Foren zu wenig Geduld herrscht und eher Workshops ähneln konnten gemacht werden. Immerhin muss diese Technik ja heute auf der Bühne funktionieren und daher prüfte, wer wollte, wie analoge und modulare Synthesizer in eine MIDI- oder USB/Computer-Umgebung oder auch neue oder andere Controller als „Keyboards“ mit ihnen interagieren können. So lohnt sich so ein Treffen fast schon finanziell für pragmatischere Menschen.
Auch modifizierte Systeme wie das Oberheim SEM von „Oliver“ gab es zu sehen.
Es stecken zwei Original Oberheim SEMs (Synthesizer Expander Module) in diesem 19“-Rack und haben eine kleine Elektronik verpasst bekommen, die es faktisch wie ein Modularsystem nutzen lässt, ähnlich die des Semtex von Gastgeber Anyware.
To DIY for
Basteleien gab es viele zu sehen. „Stone Rose“ aus der Schweiz zeigte einen DIY-Lauflicht Drumcomputer mit eigener analoger Klangerzeugung nebst bunter Modular-Eigenentwicklung.
Kleine Hilfsgeräte werden oft unterschätzt, so fanden sich an diversen Systemen solche Helferlein wie beispielsweise der kleine Orb Sequencer von Future Retro oder den Flame Geräten – Insbesondere praktische Hilfe für Beats und Kommunikation zwischen MIDI und Steuerspannung sind gefragt. Heute wollen viele mit dem System einfach nur arbeiten und auch im Verbund mit MIDI-Grooveboxen.
Vielleicht nicht immer praktisch, aber irgendwo zwischen Circuit Bending und großräumig verkabelten Minisample und Sound-Toys lieferte „Feinstrom“ auch musikalisch erstaunliche Ergebnisse ab und zeigte dazu die wahren und wirklichen „vintage“ Sägezähne. Aber auch Synthesizer, wie die Rozzbox V2.0 oder den britischen Aviator oder minitortenförmige Kleinstsynthesizer, die statt Kerzen Potis haben (Chimera) oder auch indische Tabla-Sequencer oder auch 2Bit-Mantra-Absonderungsgeräte in Fingergröße.
Exotisch wäre wohl untertrieben, jedoch gab es deutlich mehr seltsame Maschinen zu sehen, so zeigte „Sadnoiss“ neben einem Doepfer-System ebenfalls zwei Exotensynthesizer, „Elektrolabel“ brachte einen „Okita“-Vocoder mit. Schon mal davon gehört?
Augenfänger
Blickfang Nummer 1 war der von „System700“ gezeigte Buchla 200e. Er polarisierte durch seine Verarbeitung und Reaktion und Funktion, aber auch durch die ungewöhnliche Bedienung, die Speicherbarkeit, die Displays und den ebenfalls rund aufgebauten Sequencer, der sich beliebig loopen lässt. Format und Erscheinung waren nicht weniger beeindruckend als der Preis und die Parametrisierung der Module. Da kommen auch ziemliche Kenner ins Schleudern, denn zu den bekannterem Modulen finden sich Low-Pass-Gates, wo sonst normale VCAs wären und Doppel-VCOs mit Nebenoszillatoren. Filter spielen eine eher untergeordnete Rolle aufgrund der besonderen Philosophie von Buchla, Serge oder Wiard. Beeindruckt waren aber alle von dem System. Insider hat vermutlich nur das Keyboard davor verwundert.
Exotisch sind auch die Modularsysteme von Horst Theis, die es in alter und ganz neuer Fassung von „Tronique“ und „TMA“ zu sehen gab. Übrigens ist das sporadisch eingefügte Brötchenmodul nur temporär eingebaut worden. In der Praxis ist das TMSS doch mehr als ein Brot & Butter-Synthesizer.
Sequenzen und Frequenzen
Zwerchfellsensoren spürten den Sequencer mit dem Namen „Bratigel“ auf. Der Hersteller ist übrigens Deutscher und somit wohl nicht humorfrei und tauchte in der Synthesizer-Blog-Szene schon einige Male auf. Auch „Fonik“ brachte einen DIY-Sequencer mit, der Klee wurde jedoch im Bericht vom letzten Jahr schon erwähnt. Neu ist die spezielle Bandpass-Filterbank in seinem System mit entsprechender Hochwertoptik und ein ebenfalls wertig-schwarz aufgebautes Euro-Rack-System.
Ein ganz anderer Sequencer ist der ausschließlich als DIY (Eigenbau) erhältliche Ucapps MIDIbox Sequencer, den „BasicIO“ gern vorführte. Er erinnert an den nicht mehr erhältlichen Sequentix P3 und bietet viele interessante Funktionen an, welche nach Wünschen des Erbauers mit USB, mehreren MIDI-Ports und anderen Optionen ausrüstbar ist.
Diese individuelle Lösung und die offene Struktur und Nachbaubarkeit, sowie die „Open Source“-Mentalität haben offenbar bei Hardware keinen rückständigen Charakter. Einige kommerzielle Hersteller würden vermutlich etwas ängstlicher reagieren, wenn es ihn auch fertig zu kaufen gäbe? Aber eins ist schon deutlich: sehr viele Modularnutzer greifen auch heute noch zum Lötkolben und hier und da sieht man geöffnete Maschinen. Hier beispielsweise ein Semtex von Anyware.
Oder Elektrolabels runder Sequencer von innen
Groß im Einsatz fand sich Anywares großes Sequencerprojekt InSeqT eher mit den „großen“ Schränken (6.3mm Klinken), wie dem von „Xerox“.
Doepfer Prototypen
Zu guter Letzt brachte „Moondust“ mit den Worten „du musst da mal was fotografieren“ einige Prototypen neuer Doepfer Module mit. Ein kleiner Lauflicht-Triggersequencer mit 8 Steps und LED-Anzeige, die helle Version von „Dark Matter“, aber auch ein polyphones MIDI-to-CV/Gate-Modul für die Ansteuerung bis zu vier analogen Stimmen via MIDI. Was haben wir uns für so was früher die Hacken ablaufen müssen. Die gezeigten Module werden sich wohl noch ändern, aber sowas bekommt man eben auch mal mitgegeben. Sehr praktisch ist der von Moog bekannte Matrix-Mixer und das neue digitale Effektmodul.
Da Worte nur teilweise Stimmungen übertragen können, füge ich noch einige Bilder aus verschiedenen Blickwinkeln ein und die lapidare Information, dass es sich um sehr gemütliche Treffen mit spontanen Jams, Gesprächsrunden und Ausprobier-Willigkeit handelt. Für böse Zungen vielleicht ein Modelleisenbahnertreffen unter Nerds, in Wirklichkeit aber eine sehr vielseitige und offene Mischung aus Musikern, Forums- und DIY/Elektroniktreffen und wirklich jeden Kilometer nach Fischbach wert. Hier haben sich definitiv Freundschaften und Tauschmöglichkeiten gefunden, und einen kleinen Flohmarkt gab es außerdem.
Man kauft doch gern von Leuten, die man kennt, und wenn man doch eh gleich da ist, kann man das neue Modul oder ein Stylophone in „stylischer“ Verpackung auch gleich für kleines Geld mitnehmen. Außerdem bedauere ich schon hier, dass das Redaktionssystem nur 30 Bilder und keine Projekt-Brainstorm-Stimmungsvideos zulässt. Weshalb ich für weitere Bilder und vor allem Videos an besagte Community verweise.
Tja Thomas, das hast ja ein tolles Event auf die Bühne gestellt. Wenn ichs gewußt hätte wäre ich vielleicht mal in die alte Heimal gekommen.
Gruß
Piet
Werde ich ihm weiterleiten. Es gibt 2010 zu Pfingsten ein nächstes Treffen, Planung einfach im Forum verfolgen..
Die Idee stammte allerdings von uns allen im Forum, Bernie (Aliens-Project) machte dann bei sich den ersten Event 2006 und ist seit 2007 bei Tommy, was sehr gut klappt..
Ist gemütlich und unkompliziert und offen für alles, ich mein die Stimmung. Also, dann sehen wir uns ja dann..
Schöner Bericht und ich freue mich 2010 wieder dabei zu sein!
Meic
ich auch, hier ist schon die Planung für 2010
http://www.sequencer.de/synthesizer/viewtopic.php?t=34955&highlight=
Vermute aber, dass bis DA HIN noch ein zweiter Thread entstehen könnte. IdR gibt es nicht viel wirklich zu bereden, da gehts oft mehr um Kleinkram und Vorfreude oder Prakmatisches.
@moogulator Sa mo muss äisch mrem Modularsystem kumme orra kunn äisch ach so kumme? ( Ja meine Heimalsprache)
Siehe Link: Nur mit Modular. Wegen des begrenzten Platzes.