Tele mit Turbo zum Sparpreis
Bei unserem westlichen Nachbarn Frankreich gehört die Band Gojira zu einem festen Bestandteil der dortigen Deathmetal-Szene. Von den Künsten des Sängers und Gitarristen Joseph „Joe“ Duplantier scheint die Artist Relation Abteilung bei Charvel bzw. dem Mutterkonzern Fender wohl so angetan, dass sie dem Künstler ein Signature-Instrument spendieren. Eines aus dem Charvel Custom Shop in Kalifornien zum entsprechend stolzen Preis und ein weiteres, deutlich günstigeres Modell aus indonesischer Fertigung, das nun bei uns zum Test eingetroffen ist. An Fenders Klassiker, die Telecaster, erinnert wirklich nur die Optik – die schneeweiße Charvel Joe Duplantier Pro-Mod SD S2HH ist nämlich viel, viel böser!
Facts & Features
Bei einem Verkaufspreis von nur wenig über 500,- Euro ist das Fehlen einer Tasche bzw. Gigbags zu verschmerzen und so befindet sich im Lieferumfang der Charvel Joe Duplantier Pro-Mod SD S2HH lediglich das nötige „Bordwerkzeug“ in Form eines Inbusschlüssels zum Einstellen der Halskrümmung. Der im Tele-Style gefräste Body besteht aus Nato, einem schnell wachsenden, mahagoniähnlichen Tonholz, das überwiegend in Asien zu finden ist und dementsprechend auch von vielen asiatischen Gitarrenbauern genutzt wird. Sehr schwer scheint das verwendete Holz nicht zu sein, denn die Joe Duplantier Pro-Mod SD S2HH überrascht beim Erstkontakt mit einem überraschend niedrigen Gewicht und ruht zudem perfekt ausbalanciert auf dem Schoß.
Das Instrument ist bis auf die Halsrückseite komplett von einer satinierten, schneeweißen Lackschicht bedeckt. Die Qualität der aufgebrachten Lackierung kann man als zufriedenstellend bezeichnen, leichte Verarbeitungsmängel zeigen sich lediglich im Bereich vom Hals-Korpus-Übergang, hier wurde mit dem Lack etwas zu sparsam umgegangen, was sich durch eine raue Oberfläche zeigt. Dafür ist der Übergang aber sehr ergonomisch gestaltet und erlaubt der Greifhand so ein müheloses Bespielen bis hinauf zum letzten Bund. Insgesamt betrachtet besitzt der Korpus nur ein Shaping und das befindet sich auf der Decke in Höhe der Armauflage. Die Rückseite hingegen ist komplett ebenflächig und besitzt eine Ausfräsung für das Elektronikfach, das erfreulicherweise versenkt eingesetzt wurde und so der fetten Gürtelschnalle nicht im Wege steht.
Der Hals der Joe Duplantier Pro-Mod SD S2HH – geölt und gewachst!
Ich muss gestehen, dass ich bei einer Gitarre in dieser Preisklasse noch keinen geölten und gewachsten Hals vorgefunden habe. Doch man wird ja immer wieder aufs Neue überrascht, so geschehen beim Hals der Joe Duplantier Pro-Mod! Hier scheint man bei Charvel wohl Geschmack am „Roasted Maple“ der Konkurrenz von Music Man gefunden zu haben, denn der einteilige, mit einer Grafiteinlage verstärkte Ahornhals besitzt eine sehr ähnliche Farbe wie die neuen Hälse der Instrumente aus San Luis Obispo. Ob hier allerdings Hitze zum Ergebnis führte oder ob das Holz schlicht dunkel gebeizt wurde, darüber darf (hier) gerne spekuliert werden.
Tatsache ist jedoch, dass die Oberfläche Halsrückseite ein sehr „griffiges“ Spielgefühl vermittelt, was zusammen mit dem flachen Radius des Griffbretts zu einer insgesamt guten Performance führt. Ganz gleichmäßig verläuft die Halsrückseite übrigens nicht, denn auch die Charvel Joe Duplantier Pro-Mod SD S2HH folgt dem neuen Trend des „Compound Radius“, bei dem die Form der Halsrückseite vom Sattel bis zum letzten Bund variiert. So liegt der Radius am Sattel bei rundlichen 305 mm und verjüngt sich im Verlauf des Halses zu schlanken 406 mm. Darüber hinaus gab es an unserem Testmodell auch hinsichtlich des Settings nichts auszusetzen, die Saitenlage war angenehm flach und schepperfrei eingestellt und auch mit der Intonation klappte alles bestens. Ebenfalls eher ungewöhnlich für eine Gitarre „um die 500,- Euro“!
Ein weiterer, für ein Instrument dieser Preisklasse ebenfalls auffälliger Punkt ist das Griffbrett. Kein Billigpalisander oder „dritte Wahl Rosewood“ wurde hier verwendet, nein: Hier wurde doch tatsächlich ein Stück rabenschwarzes Ebenholz aufgeleimt. Darin eingepflanzt sitzen die 22 Jumbobünde, an deren Qualität es ebenfalls nichts auszusetzen gibt, der genaue Blick vom Halsfuß in Richtung Kopfplatte zeigt sowohl eine saubere Abrichtung der Bünde in der Höhe als auch an ihren Kanten zum Griffbrett. Lediglich beim Polieren der Oberfläche hätte man sich noch etwas mehr Mühe geben können, doch die Zeit bzw. die „Bendings“ erledigen diese Arbeit ohnehin nach ein paar Spielstunden mit dem Instrument. Noch ein Wort zum Halsfuß – auch die Charvel Joe Duplantier Pro-Mod SD S2HH besitzt, wie viele neue Instrumente aus der Fender-Familie auch, den Zugang zur Halseinstellschraube am Halsfuß. Hierzu wurde eine Aussparung in das Griffbrett eingesägt. Bequemer kann man einen Gitarrenhals wohl kaum einstellen!
Bei der Mensur hält sich die Charvel an die alte Fender-Schule: 648 mm, kein bisschen mehr oder weniger. Die Sattelbreite beträgt schlanke 42,8 mm. Und damit ab zu der Elektrik und der Hardware.
Elektrik & Hardware der Charvel Joe Duplantier Pro-Mod SD S2HH
„Duncan Designed“ steht als Bezeichnung auf den beiden schwarzen Humbuckern, die in ihren Rahmen direkt in die Decke eingelassen wurden. Es handelt sich also offensichtlich um Fernostvarianten aus dem Hause Seymour Duncan, die an Hals- und Stegposition der Charvel Joe Duplantier Pro-Mod SD S2HH sitzen und mit einem Dreiwegeschalter angewählt werden. Ein Volume-Poti komplettiert die elektrische Schaltung, viel ist es also nicht, was man regeln könnte. Schalter und Poti sind aber immerhin von guter Qualität, Schade ist wiederum, dass die Pickups über keine Singlecoil-Option verfügen.
Obwohl das Instrument kein Vibratosystem besitzt, hat man ihm sechs Klemmmechaniken spendiert. Sie sind, wie die komplette Hardware, schwarz lackiert und bieten einen gesunden Drehwiderstand und fallen zudem mit nicht zu viel Spiel auf ihren Achsen auf. Beim Halten der Stimmung gibt es ebenfalls einen Daumen nach oben, denn während der Testdauer gab es diesbezüglich keinerlei Probleme.
Am anderen Ende sorgen der Steg und ein Tailpiece für die Aufnahme der Saiten. Beide Komponenten wurden sehr nah beieinander angebracht, sodass hier die rechte Hand garantiert eine bequeme Auflagefläche finden wird. Erwartet hätte man vielleicht noch eine String-Through-Saitenführung, was ja dem Grundsound in aller Regel noch zusätzliche Resonanzen und Aufwertungen im Sustainverhalten verschafft. Hier muss also die klassische bzw. bewährte Bauart ausreichen. Und das tut sie, wie wir nun im Soundcheck erfahren werden.
Na, die Joe Duplantier von Charvel kommt aber verdammt gut weg bei dem Test. Ich habe mir eine bei Thomann bestellt. Aber sie ging nach ein paar Tagen zurück, ich bekam ein Austauschmodell. Der Grund lag darin, dass sie absolut nicht bundrein war. Ich habe viel ausprobiert, aber das Problem war, dass bei der G-Saite (hier war es am extremsten) beim ersten Bund eine Abweichung von +12 Cent vorlag. Absolut inakzeptabel. Sie klang immer verstimmt, wenn man Akkorde in den tiefen Lagen gespielt hat. Beim Sattel stimmte was nicht, aber da hab ich mich nicht selbst rangetraut. Und das Austauschmodell? Hatte leicht abgemildert das gleiche Problem. Außerdem schnorrt hier B-Saite – bekomme ich auch nicht weg, weil es wieder ein Problem des Sattels sein dürfte.
Ich habe sie jetzt behalten, weil mir die Gitarre im Weiß gut gefällt und sie was Besonderes ist. Aber eine hohe Fertigungsqualität ist was anderes. Ich werde sie mal von einem guten Gitarrenbauer einstellen lassen … Dann passt es hoffentlich. Ansonsten ist sie wirklich gut bespielbar, und die Pickups sind für günstige Pickups nicht schlecht, wenn auch – wie im Test erwähnt – nich gerade vielseitig.
Aber insgesamt: Vorischt bei dem Schmuckstück!
@uelef Hey :)
Vielen Dank für deinen Kommentar, der mich ehrlich gesagt wundert. Unsere Testgitarre war diesbezüglich Tip-Top in Ordnung, aber vielleicht hast du einfach zwei Modelle der gleichen, qualitätstechnisch etwas missglückten Charge bekommen … die Sachen von Fender (Charvel gehört ja dazu) sind auch im niedrigen Preisbereich echt vollkommen OK, hab ja auch gerade noch die Adrian Smith da – ebenfalls sehr ordentlich!