David Rhodes - Understatement auf höchstem Niveau
Inhaltsverzeichnis
Die schillerndsten Gitarristen der letzten Dekaden kennt ja nun wirklich jeder. Als ob wir Steve Vai, Joe Satriani, Yngwie Malmsteen, Eddie van Halen, Gary Moore und Jimi Hendrix oder Carlos Santana, Eric Clapton, David Gilmour und Jeff Beck noch irgendwem vorstellen müssten. Das sind bzw. waren die Superstars. Daneben gibt es dann natürlich noch die dem breiten Publikum weniger bekannten Kollegen, die aber auch zum Teil unter eigenem Namen produzieren und sich einer großen Fangemeinde erfreuen, wie zum Beispiel Robben Ford, Lee Ritenour, Larry Carlton und viele mehr. Uns Gitarristen sind die letzteren sicherlich alle mehr als nur ein Begriff. Frage ich jedoch meinen Lieblingsnachbarn Jürgen, ist bei diesen Namen schon das große Fragezeichen in den Augen. Komplett im Hintergrund halten sich gern die Studiogitarristen auf, deren Namen zwar wiederum in der Szene große (und manchmal auch lange) Ohren erzeugen, deren Soloprojekte aber in der Regel nur den Fans wirklich bekannt sind. Und das, obwohl ihnen die meisten Musikkonsumenten bereits gelauscht haben, ohne es zu wissen. Gitarristen wie Michael Landau, Dan Huff und Peter Weihe sind die typischen Kandidaten für den „Unknown Player Award“.


Sicherlich sind all das nur ein paar wenige Beispiele, ich bin sicher, euch fallen jetzt spontan mehrere Dutzend weitere ein. Aber es gibt dann noch diese Gruppe Gitarristen, die oftmals völlig unter dem Radar verschwindet. Ich denke hier an die Sidemen der Superstars, die oftmals Grandioses zu Gehör bringen, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Gitarristen, die den Frontfrauen und -männern zuarbeiten, ihnen eine Basis für die Performance liefern. David Kilminster und Snowy White zum Beispiel, die bei den riesigen Shows von Roger Waters die Gitarren liefern bzw. lieferten, Dominic Miller, ohne den Stings Live-Performances wesentlich unspektakulärer wären. Auch in Deutschland gibt es einige dieser Kandidatinnen und Kandidaten. Yasi Hofer, Alex Grube und Nico Schliemann fallen mir spontan ein. Ich starte hiermit eine kleine Reihe über diese Gitarristen, die im Schatten der Stars in ihrem Job brillieren und starte mit David Rhodes, dessen beachtliche Arbeit mir zum ersten Mal auf Peter Gabriels Secret World Tour Anfang der Neunziger auffiel.

David Rhodes neben Arbeitgeber Peter Gabriel und Bandkollege Tony Levin auf der „Back To Front “ Tour 2014. Bildquelle: Wikipedia, Urheber: https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Urmelbeauftragter


David Rhodes – der Gentleman Player in a Secret World
Peter Gabriels Secret World Show ist legendär. Neben perfektem Sound und routinierten, aber nie steril spielenden Musikern, ist die Performance teils atemberaubend, teils skurril, aber immer beeindruckend. Ganz gleich, ob die Band um einen Baum tanzt und in einem Koffer verschwindet, oder ob Mr. Gabriel von einem Telefonhörer in die Telefonzelle zurückgezogen wird, diese Show wird nie langweilig und man kann die Spielfreude der Musiker zu jedem Zeitpunkt spüren. Neben dem legendären Tony Levin am Bass und einem unfassbar agilen Manu Katché an den Drums, findet sich eben jener David Rhodes an der Gitarre.
David Rhodes, geboren am 02. Mai 1956 in London als drittes von fünf Kindern geboren, wurde durch seinen Vater frühzeitig musikalisch geprägt, weil er keine Chance hatte, dessen Banjo Ukulele zu entgehen. In seinen frühen Zehner-Jahren begann er mit dem Gitarrenspiel, beeinflusst durch damals aktuelle Jazz- und Bluesmusik sowie Bands wie die Telstars oder die Beatles. Mit seiner Band Random Hold, die im Bereich des New Wave wilderten, bekamen er 1980 die Chance, im Vorprogramm von Peter Gabriel zu spielen. So ganz schlecht kann er seinen Job dabei nicht gemacht haben, denn Peter Gabriel verpflichtete ihn fortan für seine eigene Band, der er seit dieser Zeit die Treue hält.


David Rhodes erste Solo Performance
In 2009 veröffentlichte er sein erstes Solo-Album mit dem Namen Bittersweet. David Rhodes ist ein eher zurückhaltender Geselle, der sich selbst nicht zu gern im Rampenlicht sieht, dementsprechend ist sein Solo-Album auch nur mit wenigen Bildern gespickt. Das originale Artwork des zunächst ausschließlich zum Download erhältlichen Albums enthielt nur wenige Schnappschüsse und auf dem „Cover“ eine Kopfplatte einer Gitarre, die gerade gestimmt wird. Später erschien Bittersweet dann auch als CD mit ein paar mehr Informationen im Booklet, trotzdem sind die Informationen über David Rhodes spärlich. Hört man sich dieses Album jedoch mit offenen Ohren an, weiß man, was diesen Ausnahmemusiker ausmacht. Gleich der erste Song, Reality Slips, ist sehr Gabriel-inspiriert und zeigt Rhodes‘ geniales, immer zurückhaltendes, songdienliches Spiel, welches er auch bei Peter Gabriel präsentiert. Aber auch als Sänger ist er erstklassig und steht seinem zeitweiligen Arbeitgeber in nichts nach.
Sideman für Kate Bush – David Rhodes
Im Jahr 2014 übernahm er dann auch den Sideman-Job bei Kate Bush anlässlich ihrer genialen Before The Dawn Shows im Londoner Hammersmith Apollo. Die Fachwelt ist sich einig, dass dies eine der beeindruckendsten Live-Shows aller Zeiten ist, die Lady Bush dort nach 35 jähriger Bühnenabstinenz abgefeuert hat. Musik und Theater verschwimmen auf geradezu geniale Weise. „Was auf den ersten Blick nach Größenwahnsinn und Musical-Kitsch klingt, ist in Wahrheit die perfekte Symbiose aus Musik, Theater, Tanz, Film, Puppenspiel, Architektur, Kabarett und Malerei. Kate Bush selbst hat dabei die beruhigende Ausstrahlung einer Mutter, die stets alles unter Kontrolle hat. Kein Pathos, nur Kunst – so beschrieb der Musikexpress seinerzeit die Show.


Was macht David Rhodes denn als Gitarristen nun so besonders, dass er für solche Shows gebucht wird? Ganz einfach: professionelle Vorbereitung, songdienliches Spiel nach Vorgaben der Auftraggeber, flexible Gitarrensounds, Präzision, Persönlichkeit und Erfahrung. Das folgende Video vermittelt einen hörenswerten Eindruck in seiner Fähigkeiten. Es ist nicht die Virtuosität, die diesen Ausnahmemusiker definiert. Sein Sound ist stets transparent und eigenständig und nie beliebig, die Bühnenpräsenz ist atemberaubend.
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David Rhodes – Sound und Equipment
Dabei ist sein Equipment übersichtlich, aber sehr gut gewählt, wie der Rig Rundown zur So-Tour zeigt. Zwei Rivera Amps und das legendäre TC 2290 bilden die Basis des Stereo-Sounds. Daneben befinden sich auf dem Board auch Rivera, Boss und Roger Mayer Pedale. Sehr Old-School, aber eben auch sehr flexibel. Chris Lawson, der Guitar-Tech, verrät dabei auch einiges über die Herangehensweise an solche Produktionen. Shows, bei denen die Gitarre nicht im Vordergrund steht, sind oftmals viel schwieriger umzusetzen und bedürfen neben Flexibilität und handwerklichem Können auch Einfühlungsvermögen. Sonst ist der Job schneller vorbei, als man „This one goes to Eleven“ sagen kann.
Ab 10:20 erfahren wir etwas über den heimlichen Star der Show, das 12-saitige Steinberger Paddel („The most indestructible instrument we have“), wahrscheinlich ein Prototyp, dessen Serienkollegen heute bei Reverb schon mal knapp fünfstellig gehandelt werden. Bitte beachtet das geniale Tuning System, das mit einem einzigen, verstellbaren Tuner auskommt. Die danach gezeigte „Early 90’s Blade“ ist ebenfalls nicht zu verachten, ich hatte das Modell in Lila selbst einige Jahre im Einsatz. „A great piece of Swiss engineering“, wie Lawson treffend bemerkt. Auf der Seite equipboard.com gibt’s ein paar zusätzliche Schätzchen zu sehen. Die Liste ist aber leider offensichtlich nicht vollständig.
Ansonsten sieht man Mr. Rhodes gern und viel mit Gitarren der Firma Gibson, hier sind seine Hauptgitarren eine rote Les Paul mit Robot Tuning System und eine Gold Top mit P90-Pickups. Auf Solopfaden kommt auch hin und wieder ein SG zum Einsatz. Obwohl David Rhodes auf analoge Klangerzeugung schwört, war er nach eigenen Angaben bei Soloshows auch schon mit Laptop und Guitar Rig 4 auf der Bühne, hierzu nutzt er dann das Guitar Rig Kontrol Fuß-Board, das Audiointerface und Fußschalter in einem ist.
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Ein echtes Sahne- und Lehrstückchen in Sachen Triosound ist die Liveperformance im Little Big Beat Studio. Das schlicht „Rhodes“ betitelte Album der David Rhodes Band ist das Ergebnis dieser Performance vor Studiopublikum. Im Video gibt’s ein paar Interviewfetzen mit einem gut gelaunten, sehr sympathischen David Rhodes. Auf Peter Gabriels neuestem Geniestreich i/o, von dem monatlich jeweils bei Vollmond ein neuer Track veröffentlicht wird, ist David Rhodes selbstverständlich auch wieder vertreten und liefert schöne Sounds. Mein Anspieltipp ist Panopticum, ein typischer Gabriel-Song mit fantastischem Sound, luftigem, aber drückendem Arrangement und einer wunderbar sphärischen Gitarrenarbeit von David Rhodes.
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Vielen Dank !
Jetzt bitte noch einen Artikel über Gabrel Reeves (Bowie, Cure etc.) -danke !
@Organist007 Ist auf meiner Liste 😉
@Jan Steiger danke !!!!
Ich freue mich schon auf Freitag: Peter Gabriel in der Waldbühne auf seiner i/o-Tour mit David Rhodes an der Gitarre. Danke für den schönen Artikel!
@costello Du Glücklicher 🥰
Viel Spaß, genieß es!
@Jan Steiger Hi Jan, komme gerade zurück: war ein geiles Konzert! Tolles Wetter, tolle Stimmung und ein traumhafter Sound. :)
@costello Ich bin zum Glück ÜBERHAUPT NICHT NEIDISCH!!! NEIN, BIN ICH NICHT!!!11!!
Du Glückskeks 🖤🖤
Danke für die Story, auf die ich immerhin „schon“ ein gutes halbes Jahr ™ später gestoßen bin. :)
Die 12er Steinberger ist wirklich der Hammer. Ich geh mal meine Spirit streicheln… besser noch, kurz spielen. Gut, dass es die Paddeln weiterhin gibt – wenn auch nicht ganz in damaliger futuristischer Qualität, dann immerhin in absolut bezahlbaren Regionen. Das ist die Gitarre, die auch Tastendrücker und Sequenzierer überzeugen kann.
Btw. Bowers & Wilkins‘ Society of Sound (SoS) habe ich so gut in Erinnerung. So kam ich zu Musik, die ich so in der Art aus freien Stücken wohl kaum je gehört hatte. David Rhodes war eine meiner ersten Entdeckungen, die dadurch zustande kamen. Aber auch jede Menge anderes Zeugs war dabei, von „relativ Unbekannten“ wie Peter Gabriel („Scratch my Back“, Premiere bei SoS) bis hin zu Musikern, auf die ich wohl nie gekommen wäre: so unterschiedlich voneinander wie John Meatcalfe, 9Bach oder Julianna Raye – to name just a few. Die ganze Klassik, Barock, Romantik und Moderne von u.a. LSO sowieso. (Doof nur der oft dirigierende Gergiev, der sich später als Putin-Fan outete –seitdem sind mir seine Aufnahmen allesamt ein No-Go.) Oder das „Killing an Arab“-Cover auf Arabisch von Kiss of Electric Sand, kongenial. Alles natürlich in Top-Audioqualität, sozusagen audiophiles Zeug für Leute, die die dazugehörige Musik nicht stört. ;-) Danke nach Worthing für dieses Abenteuer – sehr schade, dass das Angebot gestrichen wurde.