Klassiker mit Feature-Upgrade
Auch wenn ein Fuzzpedal nicht immer die erste Wahl sein wird, wenn es um verzerrte Gitarrensounds geht und viele Gitarristen natürlich den cremigen Röhrensound ihres Amps oder zumindest ähnlich klingender Pedale bevorzugen, so gibt es viele Gelegenheiten, ein Fuzzpedal einzusetzen. Gerade dann, wenn es einmal nicht „so schön klingen“ soll, kann ein Fuzzpedal den Charakter eines Songs entscheidend beeinflussen, da viele dieser Pedale gerade durch ihre boshafte und etwas „unnatürliche“ Verzerrung „auffällig speziell“ klingen können. Das Sustain, welches Fuzzpedale erzeugen können, ist sicherlich beeindruckend. Der Big Muff von electro harmonix ist sicherlich ein bereits legendäres Verzerrerpedal, welches den Sound unzähliger Gitarristen entscheidend prägte. Der heutige Testkandidat, der Del. Big Muff Pi Fuzz bietet gleichfalls den fetten Ton des 1991 Sovtek „Civil War“ Big Muff, wurde jedoch noch mit zusätzlichen Regelmöglichkeiten ausgestattet.
Electro Harmonix Sovtek Del. Big Muff Pi Fuzz – Facts & Features
Die Abmessungen des Pedals belaufen sich auf (B x T x H): 146 x 121 x 64 mm, damit ist das Pedal deutlich größer als die meisten Verzerrerpedale, es mussten zahlreiche Potis darin Platz finden. Das Gehäuse wurde in hellgrau bzw. dunkelblau lackiert, die Verarbeitung macht einen sehr soliden Eindruck. Wie heutzutage üblich, wurde das Pedal mit True Bypass ausgestattet. Die Stromversorgung kann wahlweise mit Batterie oder Netzteil (Netzadapteranschluss, Hohlstecker Buchse 5,5 x 2,1 mm, Minuspol innen) erfolgen. Da die Stromaufnahme mit gerade einmal 22 mA sehr niedrig ist, könnte das Pedal auch viele Betriebsstunden ausschließlich mit einer 9-Volt-Batterie versorgt werden. Um diese zu wechseln, müssen die vier Schrauben am Boden des Pedals entfernt werden, um im Inneren an die Batterie zu gelangen. Meist werden Pedale jedoch auf einem Pedalboard platziert und über ein entsprechendes Multi-Netzteil mit Strom versorgt.
Der rechte Fußschalter schaltet den Effekt ein, der linke Fußschalter aktiviert eine parametrische Mittenregelung, die mithilfe dreier Parameter eine weitreichende Veränderung des Sounds ermöglicht. Die Fußschalter lassen den beim Betätigen „typischen Klack“ vernehmen, auf eine Relaissteuerung und Fußtaster, die die Umschaltung lautlos erledigen würden, wurde hier verzichtet. Eine rote LED leuchtet auf, wenn der Effekt aktiv ist, wird der parametrische EQ in den Signalweg geschaltet, wird dies durch eine weiße Leuchtdiode angezeigt.
Zwischen den beiden Leuchtdioden steht phonetisch gesehen das Wort „Overdrive“ in russischer Schrift bzw. kyrillischen Buchstaben geschrieben.
Die beiden Klinkenbuchsen für Eingang und Ausgang wurden seitlich angebracht. An der rechten Seite des Pedals finden wir auch eine Klinkenbuchse für ein Expressionpedal (EXP Eingang, 6,3 mm Stereoklinke). Dieses erlaubt es, die MIDS-Mittenfrequenzen per (separat zu erwerbenden) Expressionpedal zu beeinflussen. Der Hersteller empfiehlt für diesen Zweck einige Modelle wie beispielsweise das hauseigene EHX-Expression-Pedal oder weitere Kandidaten wie die Pedale von M-Audio® EX-P, Moog® EP-2, Roland® EV-5 oder das Boss® FV-500L. Wenn der MIDS EQ-Bereich umgangen wird (inaktiv ist), ist das Expression-Pedal deaktiviert bzw. funktionslos.
Fuzz Distortion Pedal von Electro Harmonix – Features
Schauen wir uns einmal die reich mit Reglern und Kippschaltern bestückte Bedienoberfläche an. Sieben Regler plus zwei kleine Kippschalter lassen erahnen, dass das Pedal klanglich flexibel ist.
Der VOLUME-Regler justiert erwartungsgemäß den Gesamtausgangspegel.
Der BLEND-Regler erlaubt es, das Effektsignal, also den verzerrten Anteil, dem Input Signal stufenlos hinzuzumischen. Dies ist ein absolut nützliches und effektives Feature, was leider nur ausgesprochen wenige Verzerrer anbieten.
TONE ist letztlich ein Höhenregler, der die hohen Frequenzbereiche beeinflusst, so wie man dies von zahlreichen weiteren Verzerrerpedalen kennt.
SUSTAIN ist ein Gain-Regler, der selbstredend den Grad der Verzerrung einstellt, hier wurde nur ein anderer Name gewählt, den die Firma Electro Harmonix schon immer für diesen Parameter verwendet.
Auch der GATE-Regler erweist sich in der Praxis als sehr sinnvoll, da unerwünschte Nebengeräusche auf ein Minimum reduziert werden können. Durch Drehen des GATE-Potis im Uhrzeigersinn wird die Gate-Schwelle erhöht, die eine größere Eingangsamplitude zum Öffnen des Noise-Gates erfordert, sodass das Gitarrensignal durchgelassen wird. Dreht man den GATE-Knopf vollständig gegen den Uhrzeigersinn, wird das Noise Gate deaktiviert.
Parametrische Mitten-Klangregelung (schaltbar)
Der MIDS FREQ-Knopf kann über ein externes Expression-Pedal oder eine Steuerspannung (CV) gesteuert werden. Die Position des MIDS FREQ-Reglers legt die Zehenposition des Expression-Pedals oder die maximale Frequenz für CV fest. Die Fersenposition des Expression-Pedals entspricht der Position des vollständig gegen den Uhrzeigersinn MIDS FREQ-Knopfes.
MIDS FOOTSWITCH / LED – aktiviert oder umgeht den MIDS EQ-Bereich. Wenn die weiße Status-LED leuchtet, ist der MIDS EQ-Schaltkreis aktiv und die Regler MIDS LEVEL und FREQ können verwendet werden, um eine Vielzahl verschiedener Sounds zu erzeugen.
Der Knopf rechts oben (MIDS Level -/+) hebt (oder senkt) bei Bedarf den mit dem FREQ-Regler gewählten Mittenfrequenzen an, was vor allem bei hoher Verzerrung ein „Scoopen“ der Mitten beispielsweise für einen Metal-Sound begünstigt.
Der High/Low Q-Kippschalter stellt die Resonanz oder Bandbreite des MIDS EQ ein. Dies bedeutet, dass der EQ im LOW-Modus einen größeren Frequenzbereich beeinflusst. Im HIGH-Modus klingt der EQ schärfer und beeinflusst einen engen Frequenzbereich, ähnlich wie das auch bei einem Mischpult mit parametrischen Mitten funktioniert.
Die per Kippschalter aktivierbare Wicker-Funktion fügt dem Sound bei Bedarf etwas mehr Höhen und „Attack“ hinzu.
Der perfekte Fuzz-Sound für dich – Trimmpotis!
Falls die Werkseinstellung des Pedals nicht genau den gewünschten klanglichen Charakter erzeugt, kann man durch Öffnen das Pedals und dem Manipulieren der eingebauten Trimmpotis, noch mehr aus dem Pedal herausholen. Sollte man sich hieran zu schaffen machen, empfiehlt es sich, die Werkseinstellung kurz abzufotografieren, damit man diese im Notfall wieder auf die eingestellten Werte zurückbringen kann.
Hier eine kurze sinngemäße Zusammenfassung der Anleitung, wie diese Feineinstellung zu erledigen wäre:
Verwenden Sie zum Einstellen der Trimmpotis einen Schlitzschraubendreher mit einer Breite von 2 mm. Der Signalweg verläuft in dieser Reihenfolge:
HI Q AMT (TRIM1) → HI Q VOL (TRIM2) → MID EQ OUT VOL (TRIM3)
Ändern Sie die Bandbreite von HI Q, indem Sie HI Q AMT anpassen. Der Lautstärkepegel des HI Q-Modus ändert sich ebenfalls: Durch Erhöhen von HI Q AMT wird die Lautstärke von HIGH Q erhöht. Durch Verringern von HI Q AMT wird die Lautstärke des HIGH Q verringert. Wenn Sie HI Q AMT einstellen, müssen Sie möglicherweise auch den HI Q VOL-Trimmer einstellen.
Wenn Sie die Lautstärke des LOW Q-Modus ändern möchten: 1) Passen Sie die Trimmung von MID EQ OUT VOL entsprechend an, bis Sie mit der Lautstärke von LOW Q zufrieden sind. 2) Vergleichen Sie die Lautstärke von HIGH Q mit der Lautstärke von LOW Q und passen Sie gegebenenfalls die Trimmung von HI Q VOL an.
So klingt das EHX Big Muff Sovtek Big Muff!
Aus klanglicher Sicht bleibt auch diese Luxusvariante des Big Muff dem typisch gewohnten und bekannten Sound und Charakter treu, die klanglichen Möglichkeiten sind jedoch bedeutend höher, da der Sound in den mittleren Frequenzen gezielt und fein bearbeitet werden kann. Hören wie Beispiel eins. Der Sound ist erst clean zu hören, nach einigen Sekunden wird der Effekt aktiviert. Bei allen Hörbeispielen steht der TONE-Regler auf 3h.
Hier wird dieselbe Einstellung verwendet, nach einigen Sekunden wird der Mid-Switch aktiviert, der in diesem Beispiel die Mitten spürbar anhebt:
Im folgenden Beispiel sind die Mitten „gescoopt“, also spürbar abgesenkt. Auch hier ist der SUSTAIN-Regler voll aufgedreht:
Nun steht das SUSTAIN-Poti auf 12 h, der Mid.-Switch ist nicht aktiv:
Der Sound hat gewisse Ähnlichkeit mit dem von Eric Clapton gelegentlich erzeugten „Womans Tone“.
Im folgenden Hörbeispiel steht der BLEND-Regler auf 12h, das Originalsignal ist noch deutlich wahrnehmbar und sorgt für einen etwas durchsichtigeren Ton, obwohl der SUSTAIN-Regler auch hier voll aufgerissen ist.
Die parametrische Mittenregelung ist sicherlich das entscheidende Feature, um eine große Bandbreite von Klängen zu realisieren. Auch ein Wah Wah Pedal könnte in Verbindung mit einem weniger luxuriös ausgestatteten Big Muff Pedal sicherlich dessen Klangpalette erhöhen, die meisten Wah Wahs bieten jedoch nicht die Flexibilität des parametrischen EQs des Del. Big Muff Pi Fuzz.
Die Klangbeispiele wurden mit folgendem Equipment aufgenommen:
Stratocaster HSS – Electro Harmonix Del. Big Muff Pi Fuzz – Peavey Classic 20 MH – MESA/Boogie 1 x 12″ Thiele Box mit Creamback Celestion Lautsprecher – Shure SM57 – Apogee Duett – Mac mit Logic (etwas Hall bzw. Delay hinzugefügt).