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Test: Harley Benton ST-62DLX, E-Gitarre

Etwas Luxus in der Low-Budget-Klasse

7. Dezember 2017

Harley Benton ST-62DLX Aufmacher

Das Angebot von Musikequipment der Thomann Hausmarke Harley Benton wächst und wächst erbarmungslos. Es gibt fast nichts, was die Thomänner nicht noch günstiger anbieten könnten, darunter natürlich auch eine schier unendliche Auswahl an Saiteninstrumenten. Frisch zum Test bei uns eingetroffen ist nun die Harley Benton ST-62, eine Kopie der wohl am meisten kopierten E-Gitarre überhaupt und natürlich ebenso mal wieder ein absoluter Preisbrecher. Aber auch ein echter Hingucker!

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Harley Benton ST-62DLX front

Facts & Features

Nur knapp 200,- Euro wird für die Harley Benton ST-62 aufgerufen – und dafür macht die Gitarre schon auf den ersten Blick eine ausgezeichnete Figur. Die hochglänzende, cremefarbene Lackierung wurde rundherum sauber auf den Korpus aufgetragen, dessen Formen ziemlich genau denen von Fenders Evergreen entsprechen. Er wurde aus amerikanischer Linde hergestellt, mit wie viel Teilen hier gearbeitet wurde, lässt sich aufgrund der hochdeckenden Lackschicht nicht zweifelsfrei bestimmen.

Tatsache ist jedoch, dass hier wohl ein etwas leichteres Tonholz gewählt wurde, denn vom Gewicht her betrachtet zeigt sich die Harley Benton Strat als erfreulich rückenschonend. Zudem sorgt die bekannte und beliebte Bierbauch-Fräsung auf der Rückseite für eine komfortable Spielposition, ganz gleich ob im Stehen oder aber im Sitzen mit der Gitarre auf dem Schoß. Auch auf die Balance wurde geachtet, so pendelt die Harley Benton ST-62 gut austariert am Gurt, von Kopflastigkeit ist weit und breit nichts zu bemerken.

Unser Testmodell besitzt ein Finish mit der Bezeichnung „Vintage White“ und stellt zusammen mit einem technisch identischen Modell in „Olympic White“ die Spitze dieser Gitarrenbaureihe aus dem Hause Thomann dar. Weitere Farben sind ebenfalls erhältlich – und das fast noch mal um die Hälfte günstiger! So kostet beispielsweise die Harley Banton ST-62 in einem Sunburst-Finish gerade einmal 111,- Euro!

Harley Benton ST-62DLX ST-Serie

— Die vier weiteren erhältlichen Modelle der Harley Benton ST-Serie —

Der Hals der Harley Benton ST-62DLX 


Harley Benton ST-62DLX neckZu einer „richtigen“ Strat kann natürlich nur ein eingeschraubter Hals aus Ahorn passen – und im besten Fall noch einer mit einem Ahorngriffbrett dazu. So gesehen und verbaut auch bei der Harley Benton ST-62DLX, deren Hals sogar aus einem Stück besteht. Das Griffbrett wurde separat aufgeleimt, besitzt aber eine nicht minder schöne Struktur des Holzes und trägt die 21 Bünde, die sauber eingesetzt und abgerichtet wurden, allerdings auf ihren Oberflächen nur unzureichend poliert sind, was sich an einem deutlichen Schaben vor allem beim Ziehen der Saiten (Bendings) bemerkbar macht. Und was sich natürlich auch bedeutend auf das Spielgefühl auswirkt, für die Klangbeispiele war das manchmal nicht ganz einfach. Das Problem löst sich aber früher oder später von selbst, man muss eben den ganzen Hals bzw. jeden Bund auf dem Griffbrett nur ordentlich beackern, um die Oberfläche früher oder später  glattpoliert zu bekommen. Etwas seltsam ist und bleibt es aber, denn die Bünde sind ansonsten wirklich vorbildlich eingesetzt und abgerichtet. Wieso man hier am finalen Schliff gespart hat, bleibt ein Geheimnis.

Harley Benton ST-62DLX back

— Die Rückseite der Harley Benton ST-62DLX – wie beim Original auch hier der „Skunk Stripe“ zum Verschließen des Truss Rods —

Ein weiterer Stolperstein ist, zumindest für mich, der komplett lackierte Hals inklusive des Griffbretts der Harley Benton ST-62DLX. Hier bedarf es für Liebhaber unbehandelter Hälse (so, wie ich es einer bin) vermutlich einer gewissen Eingewöhnungsphase, um sich unbeschwert auf dem Hals austoben zu können. Das Shaping der Halsrückseite liegt mit seiner modernen D-Form dagegen recht ausgewogen in der Hand – nicht zu schmal und trotzdem noch mit genügend „Fleisch“, um im Zweifel ordentlich zupacken zu können. Dazu gesellt sich ein sauber eingesetzter Knochensattel, der mit einer Breite von 42 mm keinen Spielertyp überfordern sollte. Die Kopfplatte finde ich übrigens in ihrem Design sehr gelungen – vorbei sind wohl die Zeiten, in denen die Kopfplatten von Harley Benton E-Gitarren extrem bieder aussahen. Man traut sich was!

Die Hardware unserer Harley Benton ST-62DLX

Verbaut wurde bei der Harley Benton ST-62DLX ein No-Name-Vintage-Vibrato mit geschraubtem Hebel sowie Mechaniken, die ebenfalls aus fernöstlicher Produktion stammen. Alle Metallteile der Gitarre haben eine vergoldete Chromschicht erhalten, dazu zählen auch der Vibratohebel, das Blech der Klinkenausgangsbuchse und sogar die Metallplatte zur Verschraubung von Korpus und Hals auf der Rückseite. Ein Vintage-Vibrato also, an einer Gitarre untersten Preiskategorie, ist das sinnvoll? Wie wir ja alle wissen, ist ein solches System nur mit großer Mühe (und den besten Hardware-Teilen als Voraussetzung) in der Praxis auch wirklich einsetzbar, ohne dass dabei die Stimmung leidet. Das gilt im Übrigen auch für Gitarren, die das Zehnfache unseres Testmodells kosten, selbst hier hatten wir schon üble Ausreißer bei uns in der Redaktion. Bei der Harley Benton ST-62DLX gilt genauso: Lieber ein mal zu wenig, als zu oft den Hebel benutzen!

Harley Benton ST-62DLX Vibrato

— Schön anzusehen, jedoch tückisch in der Praxis: das Vintage-Vibrato der Harley Benton ST-62DLX —

Ein gutes Bild geben hingegen die sechs Mechaniken an der Kopflatte ab. Sie sehen in ihrem Vintage-Kluson-Style wirklich cool aus und passen perfekt zum Erscheinungsbild der Gitarre, zudem arbeiten sie für ein Instrument dieser Preisklasse überraschend präzise. Das Stimmen wird also nicht zum Geduldspiel und wenn man den Vibratohebel nur wenig oder gar nicht benutzt, sind in der Praxis kaum Verstimmungen zu erwarten.

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Die Pickups der Harley Benton ST-62DLX

Die drei auf dem gold-anodesierten Pickguard eingesetzten Alnico-5-Singlecoils stammen von Roswell, einer noch recht jungen Firma, die es erst seit 2014 gibt und die als Ausrüster vieler Gitarren und Bässe der unteren Preisregionen gilt. Das Schaltbild ist typisch Strat, ein Fünfwegeschalter wählt die drei Tonabnehmer an, zwei Tone- und ein Volume-Regler steuern den Rest. Die Potis hinterlassen einen guten Eindruck, sie laufen zwar recht zäh auf ihren Achsen, sind dafür aber völlig frei von jeglichem Spiel.

Harley Benton ST-62DLX Roswell Pickups

— Dreimal Roswell-Singlecoils in der Harley Benton ST-62DLX —

Zwischenzeugnis

Bis hierhin kann man mal wieder nur staunen, welche Qualität die „Thomänner“ für diesen schmalen Kurs liefern können. Rein optisch betrachtet und die Fertigungsqualität im Blick, könnte es die Harley Benton ST-62DLX gut und gerne mit Instrumenten aufnehmen, die doppelt oder gar dreimal so teuer sind. Das macht Neugierig auf den Sound und darauf, wie sich die Gitarre im Praxiseinsatz wohl so schlagen mag!

Sound & Praxis mit der Harley Benton ST-62DLX

Zunächst die positiven Aspekte an unserer Testgitarre. Der akustische Grundsound überrascht mit einer guten Portion Sustain und auch die Bespielbarkeit des Halses mit der eingestellten Saitenlage ab Werk geht in Ordnung, insofern man eben mit lackierten Hälsen und Griffbrettern umgehen kann bzw. keine Probleme darin sieht. Die Ernüchterung erfolgt aber unmittelbar nach dem Anschließen an den Verstärker, denn die Pickups vermögen kaum den eigentlich recht guten Grundsound der Harley Benton ST-62DLX aufzunehmen. Egal, in welcher Position man den Fünfwegeschalter auch setzt, stets hat man das Gefühl, als läge ein Schleier über dem Sound, der keine rechte Spritzigkeit aufkommen lassen will. Es fehlt schlicht an Mitten und Höhen, da ist es nur ein kleiner Trost, dass die drei Roswell-Pickups unerwartet wenig vom gefürchteten 50-Hertz-Brummen produzieren.

Hören wir rein in den Sound der Harley Benton ST-62DLX, für den folgendes Equipment am Start war: Orange Micro Dark Verstärker mit einer H&K GL112-Box und 12″ Celestion Vintage 30 Speaker, sowie ein AKG C3000 Mikrofon für die Aufnahme in Logic.

Klangbeispiel 1 zeigt den Sound der ST-62DLX mit dem Roswell-Singlecoil am Hals. Wie bereits erwähnt, ist ein lackiertes Griffbrett und eine lackierte Halsrückseite ganz und gar nicht nach meinem Geschmack. Der Klang allerdings auch nicht, denn er ist sehr dumpf und besitzt nur sehr wenig Dynamik, was infolge das Spielgefühl recht zäh gestaltet. Ach, und nicht zu vergessen sei natürlich die Besaitung der Gitarre ab Werk, die mit 010-046 ebenfalls nicht meine bevorzugte Stärke ist.

In Klangbeispiel 2 hören wir einen Cleansound des Front- und Mittel-Pickups, eigentlich eine Domäne der Strat. Leider aber auch hier wieder ziemlich beschnitten in Höhen, Präsenzen und Dynamik.

Etwas besser sieht es für die unverzerrten Sounds aus, wenn man den Stegpickup wählt. Richtige Höhen sind dort zwar immer noch nicht zu hören, dafür aber ein kräftiges und mittenbetontes Klangbild.

Klangbeispiel 4 zeigt die Harley Benton ST-62DLX mit einem verzerrten Sound, gespielt auf dem Roswell-Singlecoil am Steg. Überraschend sind hier die geringen Nebengeräusche, die der Tonabnehmer produziert.

Im abschließenden Klangbeispiel nun der verzerrte Sound des Singlecoils am Hals. Das Bild ist unverändert – wenig Nebengeräusche, dafür aber auch keine Höhen und nur ein schwacher Hauch von Dynamik.

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Fazit

Mehr Schein als sein? Nun, ein klein wenig schon, denn wenn man sich die Harley Benton ST-62 einfach nur genau betrachtet, dann wird man sich wundern, wie solch eine gute Verarbeitung zu einem solchen Preis möglich ist. Das relativiert sich aber spätestens dann, wenn die Gitarre am Amp hängt und einen ziemlich dumpfen Sound abliefert. Der Schwachpunkt – und damit meine ich wirklich den einzigen an dieser Gitarre – stellen die Roswell-Pickups dar. Ein Tausch der Tonabnehmer gegen einen Satz neuer oder gut erhaltener Gebrauchter kann sich hier absolut lohnen und die Harley Benton ST-62 zu einer Stratkopie machen, die auch die Konkurrenz aus den höheren Preislagen nicht zu scheuen braucht!

Plus

  • sehr gute Verarbeitung
  • guter Bespielbarkeit
  • hübsche Optik

Minus

  • Pickups
  • Bünde beim Testmodell nur unzureichend poliert

Preis

  • Ladenpreis: 199,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Ziemlich gutes Modell für den Preis. Aber bei sowas lohnt es sich echt im Laden zu kaufen und mindestens 30 Modelle zu vergleichen. Oft ist es gerade bei den Stratocaster Modellen so, dass es die eine oder andere Perle gibt die zufällig mal sehr gut ist und günstig. Also eine echte Empfehlung sind die Gitarren der Firma VINTAGE. Relativ teurer Nachbau aber sauber und sehr gut. Meist um die 350€.

    • Profilbild
      Stephan Güte RED

      Vintage Gitarren sind echt ok, aber dann doch fast doppelt so teuer, wie diese hier … mein Tipp: ein paar Euro in gute Pickups investiert (müssen ja keine Neuen sein) und dann kann man mit der HB Strat echt ne Weile auskommen!

  2. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Naja bei diesem HB Modell müsste man also erst einmal andere Pickups kaufen und dann hoffen das der Klang dann einem gefallen könnte. Da möchte ich lieber gleich mehr investieren und dann die ganze Gitarre mit dem Sound testen und auswählen unter vielen. Hinterher will man sie dann wenigstens nie wieder verkaufen.

  3. Profilbild
    tantris

    Auch in diesem Fall gilt der alte Grundsatz: nicht das Instrument macht die Musik, sondern der Spieler.
    Drück diese Gitarre Jimi Hendrix in die Hand und er würde die meisten anderen Gitarristen mit ihren Deluxe-Premium-Special-Edition-Modellen von der Bühne blasen.

    • Profilbild
      AMAZONA Archiv

      @tantris Jut, mit der generell eher dumpfen Sound würde ich das Dingen für einige Stilistiken eher nicht verwenden wollen, da müssten dann vermutlich wirklich andere Tonabnehmer oder ’ne offen klingendere Gitarre her, aber für denjenigen, der mal eben im Studio damit was einpfeifen will und die nicht im Vordergund, solistisch, stehen haben will, geht das Saitenluder vollkommen klar – so wie es ist.

      • Profilbild
        AMAZONA Archiv

        Achja wenn wir gerade am Empfehlungen aussprechen sind. Die so ziemlich teuersten und jedoch auch wirklich geilste Strat Nachbau gibt es aus der Schweizer Gitarrenschmiede von Gary Levinson. Ich spreche von Blade Gitarren. Diese Qualität kann Fender alle mal an die Wand pusten. Jedoch nicht wirklich billig, gebrauchte gibt es vereinzelt und dann muss man sie am besten selbst abholen um sich vor Ort zu überzeugen. Eine Gitarre fürs Leben!

        • Profilbild
          Stephan Güte RED

          Bin ich aber SOWAS von bei Dir!! Als Musikalienhändler in den Mid-90s habe ich einige von den Teilen verkauft, die Qualität war atemberaubend gut! Und jetzt gibt es sogar eine Signature-Gitarre einer meiner Helden von Blade, die Steven Rothery Signature, da bin ich dran!!

          • Profilbild
            AMAZONA Archiv

            @Stephan Güte Hammer! Da drücke ich dir ganz fest die Daumen damit das für dich klappt!

          • Profilbild
            AMAZONA Archiv

            @Stephan Güte Ich habe mir Anfang der 90er meine erste E-Gitarre gekauft, eine Blade Tele in Misty Violett, damals noch designed in Switzerland, made in Japan. Mit 2200 DM inklusive No-Name-Koffer habe ich vermutlich zu viel bezahlt, das ist aber immer noch meine liebste Gitarre, auch wenn mich die Jumbo-Bünde mittlerweile nerven.
            Die Strat von Thomann würde ich mir nicht kaufen, maximal nach einem Wohnungsbrand mit Totalverlust.
            Das die Hälse endlich wieder lackiert werden, ist allerdings eine gute Nachricht, den zersetzenden Einfluß von Handschweiß und Körperfett auf unbehandeltes Holz würde ich nicht unterschätzen. Keiner dieser Hälse wird jemals Vintage-Alter erreichen.

  4. Profilbild
    THEBIGBASS

    habe eine genau solche st-62, allerdings in black. was mich nicht weiter störte, da ich die gitarre auseinander montierte, den korpus und den headstock in wunderschönem lake placid blue lackierte und alles brav wieder zusammenschraubte.
    rein von den hölzern her tönt das instrument unplugged hervorragend.
    über meinen damaligen amp (kustom, ca 50 watt – transistor – oder so) tönte die gitarre nicht muffig. der andere gitarrist motzte immer, weil ich sie zu grell eingestellt hatte – oder der kustom eben so hell war. spielte sie mit dean markley saiten. optimal für strat. meiner meinung nach.
    später dann die pu ersetzt durch tonerider. seither über meinen vox ac4tv göttlich. und kein komma darunter.
    die tonerider kosteten gleich viel wie das ganze instrument.

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