Eine legendäre Marke im Portrait
Inhaltsverzeichnis
Es gibt ein paar Legenden im Gitarren-Business, die ihren höchsteigenen Stempel in der Geschichte der Rockmusik hinterlassen haben. Nein, die Rede ist nicht von herausragenden Musikern, sondern von kreativen Köpfen, die den Musikern zuarbeiten, ihre Wünsche und Ideen in technische Wunderwerke umsetzen und deren Entwicklungen irgendwann in einer eigenen Marke gipfelten. Technik-Gurus wie Bob Bradshaw, Thomas Reußenzehn, Peter Diezel oder Mike Soldano sind solche Kandidaten, denen ich hier eine kleine Serie widmen möchte. Menschen, die die Rockmusik prägten, aber deren Namen zunächst nur einer kleinen Gruppe von Auserwählten ein Begriff war. Den Anfang macht einer, der aus dem Umfeld von Fender stammt und der sich im Laufe der Zeit einen großen Namen im Business erarbeitet hat. Die Rede ist von Paul Rivera, der mit seiner Firma Rivera Amplification ein paar der ganz großen Namen mit adäquaten Sounds versorgt. Here we go.
Rivera Amplification – Der frühe Paul und seine Kontakte
Über Paul Riveras genaues Geburtsdatum schweigt sich das Internet aus. Irgendwie ist das auch ganz herrlich unwichtig, oder? Wichtig ist ja, wann der Gute im Sinne des schönen Tons aktiv geworden ist. Und da finden sich seine ersten Aktivitäten in den frühen 70er-Jahren, in denen er begann, die ersten Verstärker zu modifizieren. 1976 bis 1979 dann war er in Los Angeles im legendären Shop Valley Arts Music beschäftigt, wo zu dieser Zeit bereits Edelgitarren für die Profis gebaut wurden. Gitarristen wie Jay Graydon, Steve Lukather und Paul Jackson Jr. gaben sich dort die Klinke in die Hand. Kein Wunder also, dass sich Kontakte zu den großen Namen der Szene aufbauten. Paul Rivera kümmerte sich um die Pedalboards und Amps dieser gut gebuchten Stars der LA-Szene und so ist es nur logisch, dass die modifizierten Amps auch den Weg in die Studios fanden. Dean Parks brachte seinen Fender Princeton zu Paul und bat um eine Modifikationen. Mund-zu-Mund-Propaganda macht’s möglich, in der Folge kam Larry Carlton auch um die Ecke und die Fähigkeiten des Amp Gurus sprachen sich herum wie ein Lauffeuer. Jay Graydon war einer der nächsten Kunden, der wiederum beeinflusste Session-Legende Steve Lukather maßgeblich. Die modifizierten Fender Amps gehörten fortan zum guten Ton im Westen der USA. Paul Jackson Jr. und Steve Lukather z. B. spielten bei den Recording Sessions für Michael Jacksons Thriller Album Anfang der 80er jeweils über einen der von Paul Rivera modifizierten Fender Amps. Kontakte sind alles in diesem Business, das bekommt man hier mal wieder schön vor Augen geführt.
Rivera Amplification – Pauls Gastspiel bei Yamaha
Etwa zur gleichen Zeit, also in den späten 70er-Jahren, bat die Firma Yamaha Paul Rivera um Mitarbeit an einem Verstärkermodell. Das G100 bzw. das G50 Modell mit 100 bzw. 50 Watt gab es in diversen Ausführungen, unter anderem mit 1×12″, 2×12″, 4×12″ und 4×10″ Bestückung sowie einem Modell mit einem 15″ Speaker. Dieser Amp sollte das Pendant zum damals beliebten beliebten Roland JC-120 (Jazz Chorus) bzw. zum Fender Twin Reverb werden. Der Amp basierte auf Transistor-Technologie und die verwendeten Speaker waren Yamahas Eigenproduktionen, bei deren Entwicklung aber der Sound der bei Fender genutzten Jensen Speaker Pate stand. War der erste Amp dieser Serie noch eher unbekannt und Yamahas Ausflüge in die Welt der Gitarrenamps bisweilen auch recht skurril, änderte sich dies durch die Mitarbeit von Paul Rivera schlagartig. Der Amp bekam durch ihn ein paar Features, die ihn zum heute noch gesuchten Geheimtipp machten.
Paul Rivera nutzte seine Erfahrung, die er bei der Modifikation von Amps für die LA Studio Cats machte. So besitzt dieser Amp zum Beispiel einen für damalige Solid State Amps eher untypischen „Current Feedback Power Amp“, also eine Endstufe, die mit den Speakern in einer sonst den Röhrenamps vorbehaltenen Art und Weise interagiert. Zudem bekam er, neben der Kanalumschaltung zwischen clean und verzerrt, einen „Pull Fat Switch“, der die Bassfrequenzen anhebt. Eine Modifikation, die Paul bereits als sechsstufigen Drehschalter für Jay Graydon entwickelt hatte. Auch die sich gegenseitig beeinflussenden EQ-Regler, die manch einen Nutzer der späteren Rivera Amps zur Verzweiflung bringen konnten, entstammen dem Yamaha G100 MK2.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Seiner Zeit weit voraus war dann der dem Preamp nachgeschaltete parametrische EQ, der es ermöglichte, eine spezielle Frequenz auszuwählen und diese mit wählbarer Flankensteilheit abzusenken oder zu betonen, was einerseits sehr durchsetzungsfähige Sounds erzeugen konnte, aber andererseits auch in der Lage war, störende Frequenzen zu eliminieren. So ist eine Les Paul eben manchmal dröhnend im Bass, während eine Telecaster Bundgeräusche erzeugen kann, denen mittels eines parametrischer EQs wirkungsvoll entgegengetreten werden kann. Diese parametrischen Equalizer waren zur damaligen Zeit eher den Toningenieuren vorbehalten.
Die Fender-Ära von Paul Rivera
Fast noch spannender als die Neuentwicklung eines Amps aus bereits erprobten Modifikationen ist die Modifikation eines legendären Amps selbst. Paul Jackson Jr’s. Fender Deluxe Reverb ist Paradebeispiel für eine gelungene Weiterentwicklung eines für sich sehr guten, aber eben nicht sehr vielseitigen Amps. Paul Jackson bezeichnet diesen Amp in der Retrospektive als „den Dumble Amp, bevor es Dumble Amps gab“. Wenn das kein Ritterschlag ist. Seinen Angaben zufolge wurden ihm für das Original 15.000 $ aus Japan geboten…
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Die von Rivera Amplification modifizierten Amps besitzen meist den sogenannten „Stage 2 Mod“, der neben der Kanalumschaltung einige zusätzliche Features bietet. Der oben schon erwähnte „Six Position Fat Switch“ ist eins davon. Eine zusätzliche Boost-Funktion, die mittels eines Pull-Potis hinzugeschaltet werden kann, macht den Amp zusammen mit einem ebenfalls nachgerüsteten Bright-Switch noch mal deutlich vielseitiger. Einer der beiden Regler für das bordeigene Vibrato wurde zum Master-Volume umfunktioniert, der nun fehlende Regler auf die Rückseite des Amps verlegt. Ein zusätzlicher Regler erlaubt die Presence-Regelung. Der Amp hat auch durch die Modifikation deutlich mehr Gain als der originale Fender Amp, der Master-Volume-Regler erlaubt die volle Verzerrung bei moderater Lautstärke.
Die Konsequenz: Rivera Amplification baut eigene Amps
Was macht ein Paul, wenn er mit seiner Arbeit sehr erfolgreich ist, aber nur begrenzte Kapazitäten hat, den Modifikationswünschen der Kunden nachzukommen? Ganz einfach, er baut eigene Amps, in die die Modifikationen bereits in Serie verbaut werden. Ich selbst hatte eine zeitlang einen Rivera Knucklehead Top, den ich leider im Zuge diverser privater Umstrukturierungen verkaufen musste. Kaum etwas bereue ich heute mehr! Schaut man sich auf der Homepage von Rivera Amplification um, ist der klassische Knucklehead mittlerweile durch den Knucklehead Tre ersetzt worden, der mir alles in allem etwas übersichtlicher erscheint. Fakt ist, dass ich seinerzeit mit den Regelmöglichkeiten des Knucklehead gnadenlos überfordert war. Aber man sieht beim genauen Blick auf den Amp, dass der Rivera Mod der Fender Amps Pate stand.
Das Angebot von Rivera Amplification umfasst derzeit 7 Topteile, 13 Combos, 6 Cabinets, wovon eins ein Isolation-Cabinet für die schmerzfreie Aufnahme aufgerissener Amps ist, sowie einige Power-Attenuatoren bzw. Cab-Sims und ein paar Pedale, von denen ich ein paar zum Test zu bekommen versuche. Sehr interessant erscheint mir auch der Rivera Venus Recording Amp. Der geniale Tim Pierce demonstriert das Teil hier und ich persönlich finde, man kann es soundmäßig kaum besser machen. Über die Skills von Tim Pierce müssen wir natürlich erst gar nicht reden…
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Rivera Amplification – Das Bonehead Disaster
Natürlich ist es für einen Hersteller immer von Vorteil, wenn man ein paar große Namen in der Szene mit Equipment versorgt. Mick Thomson von Slayer zum Beispiel hat sich einen Amp auf den Leib schneidern lassen. Sinnvollerweise hört der Amp auf den Namen „Seven“, was Insidern sofort etwas sagen müsste. Manche Kooperationen laufen aber leider auch aus dem Ruder, dazu gehört die des Rivera Bonehead, der speziell für Steve Lukather entwickelt wurde, ein Kunde der ersten Stunden. Das Besondere am Konzept des Bonehead war die Möglichkeit, ein Subwoofer-Cabinet anschließen zu können, was dem Sound neben massivem Druck im Bass auch eine gewisse Klarheit in den sonst eher schwierigen unteren Mitten bringen sollte. Steve Lukather bestritt mit diesem System ein paar auf YouTube veröffentlichte Gigs, unter anderem die legendäre Tour mit Larry Carlton. Hört man sich diese Gigs an, scheint der Sound wirklich sehr differenziert und druckvoll zu sein.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Ich selbst habe in der betreffenden Zeit Toto live in der Essener Grugahalle gesehen und habe nach 30 Minuten den Saal verlassen, weil der Gitarrensound eine unglaubliche Schneise ins Publikum geschlagen und mir den Abend echt versaut hat. Nun gut, das kann das Versagen des Tontechnikers gewesen sein oder die reine Physik. Gut geht aber definitiv anders. Fakt jedenfalls ist, dass es einen Streit zwischen Paul Rivera und Steve Lukather gab, weil Paul nach Ansicht Lukathers mit dem System und dem Patent Geld verdienen wollte, ohne Lukather zu beteiligen. In einem Interview beantwortete Lukather die Frage nach dem Streit mit einem herzlichen „He can kiss my fucking ass“. Seitdem ist der Bonehead aus dem Portfolio verschwunden. Keiner von beiden lässt sich zu einem weiteren Statement hinreißen, was bedeuten könnte, dass man sich „geeinigt“ hat.
Rivera Amplification Stage IV
Der Stage IV von Rivera Amplification, der als Combo konzipiert wurde und alle Features eines Rivera Mods der letzten Jahrzehnte besitzt, ist bereits jetzt eine kleine Legende und das vorläufige Ende einer langen Entwicklung. Dieser kleine Kerl kann so ziemlich alles, was den „Rivera Sound“ ausmacht. Bei der Entwicklung des Stage IV waren neben Paul Rivera auch Jay Graydon, Dean Parks und Larry Carlton involviert. Dieser Amp klingt wie kaum ein anderer und ich weiß ehrlich gesagt nicht, was man Besseres in Sachen Gitarrensound entwickeln könnte.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mick Thomson bei Slayer???? Hab ich was verpasst? Und sein Signature Rivera Modell nennt sich glaub ich KR-7.
@JackF Slipknot natürlich. Sorry!