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Test: Heritage Audio Herchild 670, Kompressor

Die Magie entschlüsselt?

6. November 2023
heritage audio herchild 670 test des retro kompressors

Heritage Audio Herchild 670, Kompressor

Der getrost als legendär zu bezeichnende Fairchild 670 Kompressor, im folgenden „Original“ genannt, bekommt Mitte 2022 ein weiteres Hardware-Klon-Modell gereicht, das sich anschickt, getestet und  verglichen zu werden. Die spanische Edelschmiede Heritage Audio hat 2022 nach mehrjähriger Projektrealisierung ihren Herchild 670 auf den Markt gebracht, mit dem Anspruch, den typischen Klang des Originals in die Neuzeit zu transportieren. Firmenintern ordnet sich das 6 HE Gerät der Sparte American Heritage zu.

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Herchild 670 Fairchild 670

Herchild 670 Fairchild 670

Das Original Fairchild 670 Stereo Kompressor

Alleine diesen Namen zu erwähnen, lässt die meisten Audioschaffenden schnell emotional werden, verbindet man doch ganz spezielle Klangerlebnisse mit dem typischen Sound dieser Wunderkiste. Nein, hier geht es um alles, nur nicht um linearen Klang, denn der Fairchild 670 greift je nach Einstellung dynamisch und harmonisch massiv ins Klangbild ein. Er kann aber auch, bei dezentem Einsatz, wie ein edler Begleiter in teurer Robe, Klänge ganz subtil und schlicht veredeln. Rudimentär beschrieben gibt es im Inneren dazu den Eingangsübertrager, im weiteren Signalfluss eine Röhrenschaltung und danach den Ausgangsübertrager.

Fairchild Kompressor: Historie, Neuzeit, Vergleichbarkeit?

Im Netz tummeln sich Fakten und Fiktion, das war schon immer so. Macht man sich die Mühe und recherchiert selbst oder tauscht sich mit den zum Thema erfahrenen Personen aus, kommt eine ganze Menge Knowhow und Fachwissen zu Tage, welche die im Test selbst gesammelten Eindrücke stützt und erklärt.

Das Original wurde in sehr geringer, wohl nur dreistelliger Auflage, von dem Rumänen Rein Narma handverdrahtet gebaut. Alleine diese Info beinhaltet schon die Spekulation, ob besagte Handverdrahtung aus jedem Modell ein Unikat macht? Und das mit allen klanglichen Konsequenzen.

Rein Narma immigierte in die USA und baute dort für Les Paul das besagte Original-Modell. Dieser setzte den Kompressor in seiner 8-Kanal-Mixkonsole ein. Rein Narma wurde dann später von Sherman Fairchild in dessen Firma geholt und als Chefelektroniker angestellt. Das Produkt Fairchild 670 bzw. die Modellbezeichung Fairchild 660 für das Mono-Modell, gingen in Serie. Viele Studios bekamen Wind ob der feinen Kompressoren und deckten sich mit der neuen Hardware ein. Schon bald prägten die typischen Klangbearbeitungssounds dieser Modelle unzählige Songs und Alben. Zu erwähnen sind dabei vor allem die Beatles Alben Revolver und Sgt Pepper.

Fairchild 670 Rückansicht

Fairchild 670 Rückansicht

Heritage Audio verfolgt den Ansatz, genau solche „discontinued products“ nachzubauen und diese, gegebenenfalls etwas um einen modernen Workflow oder moderne Anforderungen modifiziert, auf den Markt zu bringen. Die Vergleichbarkeit der beiden Kompressoren ist wegen der vielen übereinstimmender Parameter, wie der komplette Audiosignal-Röhrenpfad, Detailtreue des Nachbaus zum Original und demselben Schaltungsprinzip, gegeben.

Anmerkung: Die im Heritgae 670 verbauten replizierten Übertrager stammen von AMI und Cinemike. Es sind insgesamt 9 Übertrager von 4 unterschiedlichen Zulieferern verbaut. Es wurde solange gesucht und getestet, bis der Vergleich zum Original zufriedenstellend ausfiel.

Heritage Audio

Firmiert 2011, feierte Heritage Audio just im zweiten Corona Pandemie Jahr 10-jähriges Firmenjubiläum. Die spanische Edelschmiede baut Equipment getreu der Philosophie: Vintage-Sound in modernen Studios möglich zu machen. Das Equipment der 1970er-Jahre ist dabei quantitativ leicht im Vordergrund und das Angebot bereichert die Recording-Branche mit Geräten zu Dynamik- und Klangbearbeitung, Vorverstärkung, Summing Mixern, Intercom und diversen Lunchbox Rack-Gehäusen, die mit 500er-Modulen bestückt werden können.

Die Firma kann zum Mittelstand gerechnet werden und zählt aktuell 15 Mitarbeiter. Firmenchef Peter Rodriguez stand freundlicherweise zusammen mit SEA Vertriebsmann Peter Lagemann zu einem ausführlichen Videochat zum Test Produkt Heritage 670 zur Verfügung. An dieser Stelle beiden einen speziellen Dank dafür.

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Heritage Audio Herchild 670

Heritage Audio Herchild 670

Vor dem Release des Herchild 670er Modells wurde über 2 Jahre entwickelt. Die Schaltung mit den vielen Wechselwirkungen und was da mit welchem Teil intern korrespondiert und interagiert, das muss man verstehen und danach klanggetreu als Neubau umzusetzen. Das kostet Zeit und ist nicht einfach. Kalibriert man falsch, klingt die Unit nicht und am Ende sollte ja schließlich der typische Fairchild 670 Sound rauskommen. Heritage Chef Rodriguez bezeichnet den Entstehungprozess bildlich gesprochen als den Zusammenbau eines mysteriösen 60 Jahre alten Puzzles. Man ist jetzt sehr stolz auf das Ergebnis. Den wohl einzigen originalen Fairchild in Spanien hatte Heritage Audio als Vorbild vor Ort gehabt.

Herchild 670 Stereo Kompressor: Unterschiede zum Original

Auch wenn mir der Schaltplan nicht vorliegt, so sind doch direkt Hardware-Ergänzungen auf der Frontplatte des Herchild im Vergleich zum Original zu erkennen. Heritage Audio hat dem Herchild 670 z. B. einen Side-Chain-Weg mit Frequenzfiltern spendiert und auch die Betriebsmodi erweitert. Dazu mehr im Praxisteil bei den Klangbeispielen.

Der Hauptunterschied des Heritage Klons liegt für mich in einem Schaltungsdetail des Lat Vert Modus, die im weiteren Verlauf noch ausführlich beschrieben ist. Wenn man z. B. die Mitte „fast nicht“ und Seite gleichzeitig „sehr stark“ komprimieren möchte, erhält man mit dem Herchild 670 eine fette Stereoverbreiterung on top, die das Original so nicht darstellen kann, denn es gibt beim Original keine getrennten Mid/Side bzw. Lat/Vert Aufholverstärker, sondern erst wieder nach der Rückwandlung in Left/Right. Anders beschrieben: Der Input-Gain liegt vor dem Eingangsübertrager und um Mid-Side Processing zu machen, muss die Verstärkung gleich und pro Kanal regelbar sein.

Herchild 670 Rückansicht

Herchild 670, Rückansicht

Röhrenkompression, Tubecompression, Wirkungsweise

Beide Hardware-Geräte haben je 21 (!) Röhren rückseitig verbaut. Das zieht allerlei Rattenschwänze hinter sich her. Hitzeentwicklung, Fragilität beim Transport, Wartungsaufwand. Das alles alleine sind schon sehr zeit- und kostenintensive Angelegenheiten.

Die Original-Röhren sind heutzutage nicht mehr erhältlich, Manley nutzte z. B. für sein Variable-Mu-Modell 6386 Röhren und konnte bis Ende der 1990er-Jahre ca. 150 Kompressoren damit bestücken. Der Fairchild 670 hat sogenannte stacked Tubes, das sind 2 Röhren in einem Gehäuse, der sogenannten Bottle. Das macht das interne Verhalten der Röhren in der Bottle schwer kontrollierbar. Solid-State-Elemente versuchen das dann zu realisieren. Der Herchild hat wie das Original einen reinen Röhrenaudiopfad im Mono/Stereo- wie auch im Side-Chain-Modus. Der Rest sind NF-Übertrager.

Heritage Audio hat sich aus Zulieferbetrieben der US-Armee und der Nato, Röhren der Größenordnung im 5-stelligen Bereich als Lagerware gesichert. So geht man sicher, die richtige Qualität mit genügend Quantität für künftige Chargen und den kompletten lebenslangen Support verfügbar zu haben, denn Röhren haben eine limitierte Betriebsdauer. Diese nun verwendeten Röhren performen laut Rodriguez wie die im Original verwendeten General Electric 1950 Röhren.

Was ist ein Variable-Mu-Kompressor?

Hierbei handelt es sich um einen rein analog arbeitenden Kompressor, der auf einer Vakuumröhrenschaltung basiert. Bei steigendem Eingangssignal wird eine steigende negative Gitter-Steuerspannung an das Gitter der Röhre geschickt, dadurch tritt eine Verringerung des Verstärkungsgrades und somit eine Reduzierung des Gesamtpegels ein. Vari Mu meint variable Verstärkung.

Die Röhre wird somit speziell als Komponente zur Verstärkungsreduzierung genutzt. Die Röhre wendet diese variable Verstärkung auf das anliegende Audiosignal an, die vorwiegend von der Stärke des Audiosignals abhängt und mit mehr Eingangssignal nimmt im Verhältnis die Verstärkungsreduzierung zu. Daraus ergeben sich für die Extremeinstellungen folgende Parameter: Input-Channel weit aufgedreht, Threshold weit runtergedreht bedeutet, man hört fast nur den Übertrager-Sound. Input-Channel weit aufgedreht, Threshold weit reingedreht, man hört den Röhrensound. Einfach formuliert beschreibt dies das Grundprinzips des 670er Modells.

Herchild 670: Lat Vert, Mitte-Seite-Kompression, Betriebsmodi

Der Herchild 670 Klon ist wie sein Fairchild 670 Vorbild in mehren Modi zu betreiben. Identisch zu ihren kleinen einkanaligen Brüdern, dem Fairchild 660 bzw. Herchild 660, kann das 670 Modell 2-kanalig betrieben werden, d. h. getrennte Verarbeitung sowie Ein- und Ausgabe zweier Kanäle mit allen Features in nur einem Hardware-Gerät. Dann gibt es den Stereo Modus, der beide Inputs stereo verarbeitet und ausgibt, aber immer noch alle einzelnen Kanalpotis regeln läßt.

Des Weiteren hat man die Möglichkeit, den Link-Modus zu wählen. Ich spekuliere, das dies wie bei manch anderen Hardware-Geräten gelöst ist. Das wäre wie ein Master-Slave-Betrieb zu verstehen. Der obere Kanal fungiert als Master und regelt den unteren internen Kanal mit, die Potis des „zweiten“ Kanals bleiben inaktiv.

Richtig spannend wird es, wenn der sogenannte Lat-Vert-Modus aktiv ist. Hier greift die Mitte-Seite-Regelung. Der obere Kanal greift auf nur die Mitte, der untere Kanal auf nur das Seitensignal ein. Daraus ergeben sich sehr facettenreiche Klangeingriffe, die auch in den Klangbeispielen dargestellt sind.

50er Jahre Lat Vert

50er-Jahre Lat Vert

Die Bezeichnung Lat Vert ist der Vinyl-Langspielplatte geschuldet. Lat bezeichnet die L+R Bewegung, Vert die L-R Bewegung. Vom Coding her entspricht das Mid ist L+R, Side L-R.

Im Side-Chain-Modus, also der externe Trigger, können 4 Einstellungen zugeschaltet werden, die das Sidechain-Signal frequenzabhängig bei 50, 100, 250 und 300 Hz filtern. Das bedeutet Signale mit viel Low-End, stimulieren nicht dauernd den Ansatzpunkt des Kompressors. Man steuert die Frequenzinformation, die in den Side-Chain-Modus gegeben wird. Weniger Tiefbass gleich weniger Trigger des Gesamtsignals in der Kompression. So kann man beispielsweise mit einem Drum-Bus-Kanal gezielt mittlere und höhere Frequenzen überkomprimieren, ohne dass die tiefe Bass-Drum durch zu viel Kompression pumpt.

Arbeitspegel des Herchild 670

In den 50ern hatte man mit 600 Ohm Ein- und Ausgangspegel andere Arbeitspegel als in der Moderne. Das lag an den damaligen Telefonverbindungen und wurde als einheitliche Impedanz bezeichnet. Das war der effizienteste Weg, Spannung von Gerät zu Gerät zu übertragen. Spannung oder Voltage ist mit Signal gleichzusetzen. In der Moderne gibt bei unterschiedlichen Geräten in der Signalkette oft Impedanzunterschiede. Der Herchild 670 hat beispielsweise einen 2.000 Ohm Input. So sollten keine 6 dB Pegel verloren gehen.

Herchild 670 Betriebsmodus

Herchild 670, Betriebsmodus

Herchild 670 Kompressor: Klangbeispiele & Praxis

An dieser Stelle wird es detailverliebt und aufwendig. Glücklicherweise habe ich einen modifizierten, aber originalen Fairchild 670 hier im Tonstudio, eine freundliche Leihgabe vom VDT-Vorstand Rhein Main Niels Reckziegel. Zusammen haben wir beide Kompressoren parallel mit der DAW verkabelt, diverse Klangbeispiele gehört und deren Ergebnisse der Bearbeitung durch beide Kompressoren dann verglichen.

Hörgewohnheiten und Hörgeschmäcker sind sehr verschieden, deshalb die Bitte: Hört euch intensiv die Vergleiche beider Geräte an. Schaltungsbedingt sind manchmal Pegel und L/R-Unterschiede zu verzeichnen, mal habe ich nach Gehör nachjustiert, mal exakt nach den Zahlen der Potis. Die Beispiele sind genauestens beschrieben und auch roh zu hören, können also mit euren Geräten verglichen werden bei Bedarf.

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Heritage Audio Herchild 670
Heritage Audio Herchild 670 Bisher keine Kundenbewertung verfügbar

Nur eine Randnotiz ist mir das Waves Plug-in wert, das ich bei drei Beispielen vergleichend bemüht habe. Nett gemeint, aber stets zweiter Sieger. Es gab ja und gibt immer wieder heftige Diskussionen um Analog oder Digital, Hardware oder Plug-in. Digital wird in diesem Test keine Rolle spielen, weil das Plug-in den beiden analogen Monstern nicht das Wasser reichen kann.

Big Band Aufnahme

Die Aufnahme einer Big Band wurde stereo via MS Lat Vert parallel in beide Kompressoren geschickt. Die jeweils letzte Aufnahme zeigt die Extremsituation, wenn die linke und rechte Seite dann dazu kommt. Der Fairchild kann schaltungsbedingt die Lautstärke nicht separat aufholen, der Herchild kann das. Es entsteht eine enorme Verbreiterung des Seitensignals. Wie gesagt in Extremstellung, wenn das schön dazugemischt ist, hat der Effekt eine großartige Wirkung. Hallräume ergeben je nach Decay auch erwünschte oder unerwünschte Delay-Effekte, in diesem Fall habe ich eine Art Slap-Back-Echo provoziert.

Das fiktive Mastering einer Jazz Band

Im Original schon sehr plastisch und offen gemischt, verleiht der Kompressor dem Song eine weiche Glättung und fährt das Sax milde in die Sättigung. Der Herchild macht bei identischen Einstellungen etwas mehr. Am Ende entscheidet der Geschmack über den Grad der Bearbeitung.

E-Gitarre

Als Single-Signal kommt eine am Amp mikrofonierte, leicht übersteuerte E-Gitarre zum Einsatz. Beide Kompressoren machen das Signal glatter und fülliger und addieren für meinen Geschmack Wärme und Kompaktheit. Hier kann ich keinen Unterschied hören. Heritage hat beim Klonen wohl alles richtig gemacht.

Vocals

Unbearbeitete Vocals sind oft sehr ernüchternd und ehrlich. Sehr dynamisch und frisch ist dieser Take von Ilka Müller beim Warmsingen gelungen. Mit fortschreitender Dynamik hat auch das konstant eingestellte Processing mehr Einfluss. Beide Kompressoren, auch hier sind wenig bis gar keine Unterschiede für mich hörbar, glätten weich und harmonisch, jetzt noch ein schöner Hall und dann ab ins Radio.

E-Bass

Ein E-Bass Signal extern zu komprimieren, kommt bei mir nicht zu häufig vor. Um so neugieriger war ich als Bassist auf das Ergebnis. Beide Kompressoren arbeiten zügig durch das schnelle Attack und weich für das restliche Signal, so erreiche ich eine Verdichtung, ohne zu doll zu pumpen. Fairchild und Herchild klingen für mich identisch.

Song

Im Klangbeispiel Song habe ich das File zuerst stereo komprimiert und dann MS komprimiert, ohne jedoch den Grundmix des Songs zu verändern. Im MS, Lat Vert Modus, habe ich andere Eingriffsmöglichkeiten, je nachdem, wie das Panorama aller Instrumente zueinander voreingestellt ist. Gegebenenfalls muss die Lautstärkenrelation der Einzelspuren zueinander durch die MS-Komprimierung angepasst werden. Hier macht der Fairchild ein leicht abgeändertes Bild, denn die Snare schaut weniger raus als beim MS-Mix durch den Herchild. Ansonsten sind beide Sounds in Sachen Dynamikbearbeitung sehr sehr nah beieinander.

Rhythmus

Nur zur Rhythmusfraktion. Ich habe zwei Drumrecordings auf dem Rechner, die ich gerne für den Test mit Komprimierung bearbeiten möchte.

Zuerst ein als Drumbus Aux-Send-Signal. Der Lat Vert MS-Modus ist bei beiden Kompressoren aktiv, hier hört man wieder leicht die Lautstärkenunterschiede der Fairchild Kanäle. Heritage hat das super gelöst, so kann der Komprimierungsgrad in Sachen Lautstärke bequem wieder aufgeholt werden. Danke an Kai Bergerin fürs Trommeln. Die Drums sind auszugsweise übrigens das Backing des Beispiel-Songs.

Ein weiteres Drum-Recording, diesmal wurde die Summe zu den beiden Hardware-Kompressoren geschickt und dann im Stereo-Modus komprimiert. Beide Kompressoren hören sich ziemlich identisch an, machen eine sanfte Glättung und bügeln die Spitzen weg. Die längere Release-Zeit macht das Signal dazu fülliger. Mein Dank dazu geht an Jan Kehder fürs Trommeln zu einem Projektsong.

Hier noch ein spezielles Schmankerl für die Tieftonfraktion. Elektronische Drums und FX, kombiniert mit meinem Godin Fretless 4-Saiter, der doch untenrum erstaunlich viel Bauch und satte Masse hat. Für mich ist der Herchild 670 dem Original überlegen, da er die verschiedenen Sidechain-Frequenzfilter besitzt. Auf Wunsch können voreingestellte Frequenzen umkomprimiert durchgelassen werden. Das habe ich mit der Bassdrum rausgearbeitet. Der Fairchild klingt zwar für die Summenkompression sehr ordentlich, doch macht er mir persönlich die Bassdrum zu dicht. Hier müßte ich für ein schöneres Ergebnis die Intensität reduzieren. Der Herchild 670 hat durch die vielen Filterfrequenzen mehr Möglichkeiten und bringt variablere Ergebnisse.

Außer Konkurrenz stelle ich ein paar Files vergleichend zum Jack Joseph Puig 670 Plug-in ein. Wer die Hardware nicht kennt, wird sicherlich das Waves Plug-in mögen, doch wie schon erwähnt, kann das Plug-in den analogen Vorbildern nicht das Wasser reichen.

Ach ja, selbstverständlich ist der aufgerufene Preis für das Heritage Herchild 670 Rack-Monster nicht für jeden Geldbeutel gewollt und erschwinglich. Doch Soundergebnisse wecken Begehrlichkeiten. Wie auch in der Formel 1, sind die letzten rausgekitzelten PS am teuersten, so ist das sinnbildlich auch hier zu sehen. Tonschaffende, die den Fairchild Sound lieben, aber ihn schlicht nicht mehr bekommen können, haben mit dem Herchild 670 die Möglichkeit, einen würdigen Klon ihr Eigen nennen zu dürfen.

Herchild670 Recall Sheet

Das leere Blatt liegt, ganz old school und analog, der 6 HE Rackunit bei, hier können die Einstellungen für das nächste Meilenstein-Projekt notiert werden. Das schreit nach „beschrifte mich“.

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Fazit

Näher dran geht nicht. Der Heritage Audio Herchild 670 schaut seinem Fairchild 670 Vorbild nicht nur in fast jeder Nuance zum Verwechseln ähnlich, auch die so wichtigen inneren Werte überzeugen auf ganzer Linie. Außerdem hat der Herchild durch eine „modernisierte“ Mid-Side-Schaltung eine Stereoverbreiterung on top. Das handwerkliche Können, in Kombination mit den zu erzielenden Ergebnissen, lassen nur die glatte 1 als Bewertung zu. Wer genau das sucht, wird auch bereit sein, den aufgerufenen  Preis dafür zu berappen.

Plus

  • detailverlieber Nachbau der Hardware
  • Sound fast 100 % am Original
  • moderne Zusatz-Features wie Frequenzfilter und Mid-Side-Bearbetungsmöglichkeiten
  • Lifetime-Service durch großen Röhrenlagerbestand abgesichert
  • Anwendnungen in allen Bereichen der Recording-Signalkette bis zum Mastering

Preis

  • 9.999,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    Ron

    Chapeau !! Hut ab sich dieser Herausforderung zu stellen und solch einen echt guten Bericht zu erstellen. Sehr guter und umfangreicher sowie detailverliebter Bericht. Besser kann man kein Produkt vorstellen. Der Preis ist natürlich eine. Ansage aber wenn man die Hintetgründe kennt und versteht so kann man diesen auch rechtfertigen.

  2. Profilbild
    ach herrjemine

    Ganz herzlichen Dank für den tollen Testbericht und die vielen aussagekräftigen Klangbeispiele. Das ist ganz grosses Kino!!!

    Super spannend!

  3. Profilbild
    ach herrjemine

    Noch eine Frage zu den Klangvergleichen: War der hier zu hörende Fairchild 670 mit originalen 6386 Röhren bestückt oder mit den aktuell erhältlichen 6386 Nachbauten von „JJ Electronic“?

  4. Profilbild
    arnte

    Wow! Was für ein Hammer Vergleichstest! Ich glaube besser kann man das nicht machen. Ich bin beeindruckt.

  5. Profilbild
    jochen_schnur RED

    Hallo Leute, danke für das Feedback. Alleine schon die Möglichkeit des Vergleiches zu haben, ist etwas Besonderes. Zur Frage: Hier im originalen Fairchild sind wiederaufgelegte Röhren eines slowakischen Unternehmens im Einsatz. Exemplarisch: Elektro Harmonix, made in Russia, 1212, 12BH7AEH. Wichtig ist ja die Kennlinie und die Performance, das sagen auch einheitlich der Besitzer des Fairchilds und Heritage Chef Peter Rodriguez.

    • Profilbild
      ach herrjemine

      @jochen_schnur Hallo, danke Dir für die Antwort auf meine obige Frage zu den Röhren.
      Ja, der Vergleich ist definitiv etwas besonderes.
      Ich finde man hört in Deinen Klangbeispielen sehr schön den Unterschied zwischen den beiden Kompressoren. Das Original haut es in deinem Low-End Beispiel natürlich komplett aus der Rille :)
      Ansonsten regelt der Herchild erheblich auffälliger und unruhiger als das Original.

      Meine Röhrenfrage rührt daher, dass ich das Vergnügen hatte im Studio eines Freundes einen mit Originalröhren bestückten 670 zu hören und das ist dann insbesondere was die Tiefenstaffelung angeht nochmal ein anderer Schnack als die JJs die wir im Vergleich gehört haben. Schlecht sind die natürlich auch nicht aber die vintage Röhren (RCA glaube ich) hatten anscheinend eine bessere Qualität als die heute produzierten.

  6. Profilbild
    ollo AHU

    Es gibt aber auch noch von Telefunken/Fairchild das quasi Original, das dürfte wohl noch teurer sein.

    https://fairchildusa.com/

    Ansonsten zeigt der Test für mich, dass ich sowas nicht bräuchte, weil es den Klang in meinen Ohren nicht so aufregend verbessert, wie es dass für so viel Geld tun müsste.

  7. Profilbild
    defrigge AHU

    Klasse Bericht. Und auch, wenn ich nicht zur Zielgruppe gehöre, freut es mich sehr, dass diese Hardware wieder in Studios Sound verbessern wird.

  8. Profilbild
    FaderMode

    Auf diesen Vergleichstest habe ich innerlich und unausgesprochen seit Einhundertmillionen Jahren gewartet. Danke!

  9. Profilbild
    harrymudd AHU

    Interessant wäre jetzt noch ein doppelter Blindtest mit einem Plugin geweswen.
    Der 670 ist aber schon eine interessante Kiste, auch vom Schaltungsdesign her.
    Und, man braucht keine Heizung mehr:)

    • Profilbild
      SlapBummPop

      @harrymudd Hallo harrymudd,
      ein Vergleich mit dem API 2500+ und oder dem AMS Neve 33609/N würde mich interessieren.
      Ich muss auch zugeben, dass ich bisher jetzt nicht wirklich viel besonderes rausgehört habe.
      Ich werde mir die Soundschnipsel aber am WE noch mal in aller Ruhe auf unterschiedlichen Kopfhörern anhören.
      Mein persönliches Fazit bisher, API 2500+ und AMS Neve 33609/N gefallen mir besser.
      Den Bettermaker Mastering Limiter V2 habt ihr ja auch vor kurzem getestet und auch den finde ich persönlich interessanter als den Hairchild 670.
      (ich gehöre vermutlich auch eher nicht zur Zielgruppe.)

      Gruß
      SlapBummPop

  10. Profilbild
    cosmolab

    Man möge mir verzeihen, aber die Bildunterschriften in der Skizze zur Plattenaufzeichnung irritieren mich. Ich glaube sogar, die stimmen hinten und vorne nicht… ;-)

    Vorausgesetzt sei meine Annahme, das in allen Grafiken (obwohl ein wenig „hingekliert“) immer eine exakt parallele Auslenkung der Linien gemeint war.
    Mal abgesehen davon, dass als Bildunterschrift bei 3. und 4. jeweils offenbar dasselbe steht („Left>Right“) – m.E. wäre beides auch noch falsch. Höchstens wenn da gemeint wäre „Left=Right“, dann wäre 4. wohl richtig. 3. entspräche dagegen defacto „nur Rechts“ (L=0 wegen Auslöschung von dessen Teilauslenkungen).

    Zum Verständnis muss man wissen, dass das linke Signal invertiert zum rechten Signal aufgezeichnet wird. Die Grafik ganz rechts entspricht damit der klassischen Seitenschrift einer reinen Mono-Platte, das Signal also „L+R“ . Die reine Tiefenschrift (also nur senkrechte Auslenkung der Nadel) entspricht dem Signal „L-R“, weil sich linke und rechte Schwingung dabei aufheben (wenn man sich die resultierende Auslenkung für den linken und rechten Kanal vorstellt).

    Wenn also in 3. die Tiefenschrift in der Mitte dieselbe Auslenkung hat wie links, käme das nur der Auslöschung von L gleich (und damit = „nur R“). Und daraus ergibt sich, dass auch die Bildunterschriften zu 1 und 2 falsch sind. ;-)

    • Profilbild
      cosmolab

      @cosmolab Nachtrag zu oben
      („weil sich linke und rechte Schwingung dabei aufheben“)
      Gemeint war: “ weil sich aufgrund der invertierten Aufzeichnung der beiden Kanäle die gleichartigen Schwingungsanteile von links und rechts dabei subtrahieren“. Das, was dann jeweils von NUR Links oder Rechts „übrig bleibt“, bleibt natürlich erhalten.

      Hier nochmal für „Nerds“ die mathematische Herleitung dessen, was da eigentlich passiert –
      einfach, aber genial:

      (L+R)+(L-R)= 2L (also nur der Linke Kanal)
      (L+R)-(L-R)= -2R (also nur der Rechte Kanal, der bei der Wiedergabe dann nur noch „gedreht“ werden muss)

      (L+R)= M („Mittensignal“, wie die klassische Monoplatte oder UKW in Mono)
      (L-R) = S („Seitensignal“, also all das, was eben NICHT gleichzeitig in beiden Kanälen zu hören ist)

      • Profilbild
        cosmolab

        @cosmolab … upps – natürlich ist (L+R)-(L-R)= 2R – da brauch´mer dann auch nix mehr „drehen“. ;-)

  11. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Der Test ist ja super gemacht, aber – schlagt mich nicht – ich finde den Herchild angesichts des 10k Preises schon sehr weit vom Original entfernt. Diesen „finished“ sound höre ich beim Herchild nicht so richtig, sorry. Wo der Fairchild einfach einen stabilen und ganz eigenen Guss drüber legt, der so eben mit wenig anderem Kompressoren zu machen ist, klingt mir der Herchild zu „offen“, zu unkomprimiert, als wenn er eben viel zu wenig macht und nicht wie beim Jazzbeispiel geschrieben, er würde stärker eingreifen. ABer es kann natürlich auch sein, das ich das einfach falsch höre, es muss also jeder für sich entscheiden. Laut Gearspace soll der POM Nachbau sehr gut sein, aber habe ich selbst nicht gehört.

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