Test: MusicMan Ball Family Reserve John Petrucci, E-Gitarre

— Umschalter Piezo-/magnetische Pickups —

Der Schalter im unteren Korpushorn dient zur Umschaltung zwischen den magnetischen Tonabnehmern. Dabei sind drei Kombinationen möglich: Hals- bzw. Steg-Humbucker alleine oder beide Tonabnehmer zugleich, wobei dann nur die zueinanderliegenden inneren Spulen, parallel geschaltet, aktiviert sind.

— Umschalter magnetische Pickups, Volume- und Ton-Poties —

Zur Volumen- bzw. Tonregelung der magnetischen Pickups und der Piezolautstärke dienen drei mit griffigen Gummiringen versehene Poties. Das mittig angeordnete Ton-Poti besitzt Push/Pull-Funktionalität und bringt im gezogenen Zustand alle vier Spulen der Humbucker in den Signalweg, wenn vorher beide magnetischen Tonabnehmer aktiviert wurden. Die gesamte Elektronik glänzt intern durch äußerst saubere Verarbeitung.

— E-Fachabdeckung —

Nach Entfernung der E-Fachabdeckungen aus Metall, können höchst solide verlötete Poties, Kabel und Platinen bewundert werden. Die E-Fachböden bestehen ebenfalls aus Metall. Alles macht einen hochprofessionellen Eindruck und ist auf lange Lebensdauer und hohe Funktionssicherheit ausgelegt. Elektromagnetische Störeinstreuungen werden durch konsequent geführte Masseverbindungen zu den E-Fachabdeckungen und -böden effektiv vermieden. Die zur Spannungsversorgung des Piezovorverstärkers notwendige 9V Batterie befindet sich in einer leicht, aus der Korpusrückseite, herausklappbaren Halterung und kann somit schnell und bequem gewechselt werden. Die Gitarre wird in einem braunen Luxuslederkoffer, inklusive Echtheitszertifikat mit Seriennummer, Putztuch und Ersatzfedern für die Vibratoeinheit geliefert.

Praxis

Nimmt man die MusicMan Ball Family Reserve John Petrucci in die Hand, kommt sofort Wohlbehagen auf. Die extrem penible Verarbeitung der Tonhölzer, die farbliche Gestaltung und Ausführung der Lackierarbeiten, die silbrig glänzenden Bunddrähte, die Qualität der Einlegearbeiten und die perfekt funktionierende Hardware üben sofort spielinspirierende Wirkung aus. Sicher am Gurt hängend, schmiegt sich das Edelinstrument perfekt ausbalanciert an den Körper. Legt man den rechten Arm auf das sanft geschwungene und anschmiegsame Korpus-Shaping, dreht sich der Hals ganz von allein in eine optimale Spielposition.

Unverstärkt angeschlagen offenbart sich die ganze tonale Qualität der Holzkonstruktion: Nach blitzschneller Ansprache folgt mit beachtlicher Lautstärke und Obertondichte ein immens langes und stabiles Sustain. Dead Spots sind in keiner Lage auszumachen. Die Gitarre setzt rein akustisch gespielt alle Anschlagsnuancen mit hoher Dynamik und fantastischer Direktheit um. Nicht ganz Unschuldig daran ist wohl der zusätzliche Mahagoniblock im Korpus. Die Bespielbarkeit ist für Liebhaber moderner flach-breiter Hälse geradezu optimal. Hier wird spätestens klar, warum diese Gitarre den Namen eines der schnellsten Gitarristen der Welt trägt. Die Hals- und Griffbrettgestaltung ermöglicht eine extrem niedrige Saitenlage und begünstigt dadurch filigrane Highspeed-Spieltechniken alla John Petrucci – Welcome to Shredding Paradise! Für eher klassisch orientierte Spieler, die dickere Hälse oder V-förmige Profile bevorzugen, ist das wahrscheinlich gar nichts.

Im elektrischen Betrieb kann das vorhandene akustische Schwingungsfundament der Gitarre aufgrund der PU-Bestückung variantenreich weiter verstärkt werden. Die magnetische Tonabnehmerabteilung stellt analytisch straff geformte Signale zur Verfügung. Breitbandig in der Frequenzübertragung ohne übermäßig dämpfende oder verstärkende Interferenzen. Bei cleanen Amp-Einstellungen gefällt der Hals-Pickup durch seine leicht glockige Tonkultur ohne jedoch im Entferntesten die Basslastigkeit eines Neck-Pickups einer Les Paul zu besitzen. Das mag daran liegen, dass der Tonabnehmer aufgrund des 24-bündigen Halses bei 648 mm Mensur etwas weiter nach hinten versetzt montiert werden musste und somit weniger Bassanteile an der Abnahmeposition vorhanden sind. Der Stegtonabnehmer strahlt noch einmal um einiges brillanter und drahtiger, auch die gebotene Ausgangsleistung ist merklich höher. Beide Tonabnehmer zusammen liefern einen perlig glasigen Sound, der durchaus an die Artikulation einer Stratocaster erinnert, ohne jedoch durch einen zu starken Twang-Faktor aufzufallen. Bei herausgezogenem Ton-Poti ergibt sich ein ausgeglichener Mischsound, der genau zwischen dem der einzeln aktivierten Humbucker liegt. Das Ton-Potie arbeit sehr effektiv, für beide Pickups gleichzeitig und ermöglicht deren höhenreiches Klangbild, auch in Richtung dunkel-warm gefärbter Sounds, ohne die Spur eines muffigen Charakters, zu bedämpfen. Das Volume-Potie arbeit sehr fein aufgelöst, die geringste Drehung ergibt bereits deutlich hörbare Lautstärkeänderungen. Das Frequenzbild der Pickups bricht bei Volume-Absenkung nicht ein, die Signale behalten ihre Frische.

In Overdrive- und High-Gain-Gefilden spielt die Gitarre die zuvor genannten Eigenschaften im besonderen Maße aus. Die drahtig straffen Klangeigenschaften ermöglichen beispielsweise selbst sechsstimmige Lagerfeuerakkorde bei ultrabrutalen Zerr-Sounds noch konturiert und ohne Matsch erklingen zu lassen. Technische Kabinettstückchen aber auch Spiel- und Intonationsfehler bleiben bei jedem erdenklichen Verzerrungsgrad klar erkennbar. Das Piezosystem eröffnet weitere Einsatzfelder für diese Gitarre. Ohne das Instrument auf der Bühne wechseln zu müssen, steht quasi auf Knopfdruck, der Sound einer elektroakustischen Gitarre zur Verfügung. Dabei ist der gebotene Klang nicht besser, aber auch nicht schlechter, als z.B. bei einer Ovation Balladeer, und das will schon etwas heißen, denn das Piezosystem der MusicMan muss schließlich die wesentlich geringere Schwingungsenergie dünner E-Gitarrensaiten in Signalspannung umsetzen. Bei gleichzeitigem Betrieb beider PU-Systeme und geeigneter getrennter Verstärkung beider Signaltypen, sind vielfältige Klangsymbiosen möglich – der Fantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt.