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Test: Sound City Master One Hundred, Gitarrenverstärker

Legendenreanimierung!

27. April 2021

Test: Sound City Master One Hundred, Gitarrenverstärker

Jawohl, es gibt sie noch! Nachdem sich seit Jahren die gängige Liga der Verstärkerhersteller primär auf den Transfer klassischer Vollröhren-Sounds in möglichst kleine und leichte Alternativen zum fetten Vollröhren-Head konzentrieren, war das Erstaunen groß, als ich den Sound City Master One Hundred in mein Studio wuchtete. Die Verpackung war wie sein Inhalt, groß, schwer, klobig, unhandlich und beinhaltete alles, was das Gros der Amp-Schmieden heutzutage zu vermeiden versucht. Allein das Auspacken an sich forderte eine entsprechende Kraftanstrengung. Ich mag den Amp jetzt schon ;-)

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Sound City Master One Hundred Test

Sound City Master One Hundred Front

Sound City Amp Head – The British Sound Invasion

Sound City? Nie gehört! In der Tat muss man mindestens die 60 hinter sich gelassen haben, um sich noch an diesen Namen zu erinnern. Auch ich habe dieses Amp-Label in meiner Jugend nicht persönlich in Händen gehalten, allerdings wurde mir von der nächst höheren Generation immer von einem „Marshall für Fußgänger“ erzählt, welchen man „zur Not auch nehmen könnte“. Unqualifizierter hätte man die Firma Sound City nicht beschreiben können, hörte sie doch zusammen mit den Firmen Marshall, Vox und Hiwatt zu den ersten Vertretern des klassischen, britischen Rocksounds, zu einer Zeit, als die Insel als DER Nabel der Welt im Bezug auf Musik zu sehen war.

Insbesondere der Name Hiwatt ist sehr stark mit dem Trademark Sound City verbunden, da Gründer Dave Reeves nach der Einführung von Sound City Anfang/Mitte der Sechziger mit Hiwatt einige Jahre später seinen großen Durchbruch feierte. Angeblich waren die Sound City Amps leichter nach Kontinentaleuropa zu importieren, so dass gerade in Deutschland der Name zum Teil präsenter war als der Übervater Marshall. Szenegrößen wie Pete Townsend, Marc Bolan und Jimi Hendrix wurden mit den Sound City Fullstacks gesehen, aber letztendlich war das kaufmännische Geschick von Jim Marshall wohl der ausschlaggebende Faktor für seine Omnipräsenz, welche bis zum heutigen Tag (noch) anhält.

Nachdem Reeves mit „Built-As-A-Tank“ Hiwatt Modellen wohl auch aufgrund mehrerer Einstellungsmerkmalen deutlich mehr Erfolg hatte als mit Sound City, verschwand die Marke für mehr als 40 Jahre von der Bildfläche und überlebte nur in den Erinnerungen der heutigen Großväter. Erst im Jahr 2017 wurde die Marke unter der Leitung von Neil Ostberg und Verstärker Tausendsassa Steven Fryette, welcher bereits mit VHT und seinen aktuellen Fryette Amps gerade im High-Gain-Bereich in aller Munde ist, wiederbelebt und schlägt klanglich einen diametral entgegengesetzten Weg ein, als was man bisher von Fryette gewohnt ist.

Test: Sound City Master One Hundred, Gitarrenverstärker

Sound City Master One Hundred Rückseite

Das Konzept des Sound City Master One Hundred

Wer sich auf den Weg macht, einen mehr oder minder legendären Namen zu reanimieren, steht immer wieder vor den gleichen Problemen. Zum einen stehen die damaligen Bauteile wenn überhaupt nur in abgewandelter Form zur Verfügung, zum anderen haben sich die Sound- und Lautstärkengeschmäcker innerhalb von über vier Dekaden wahrlich komplett geändert. Zudem kämpft man preislich mit sehr vielen Konkurrenten, welche durch asiatische Fertigung oder zumindest einem deutlich stärkeren Trademark sich einiges an Vorsprung in den letzten Jahren erarbeiten konnten.

Sich dessen bewusst, setzt Fryette auf eine Kombination von Vintage-Haptik, kombiniert mit seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz in Sachen Klangkultur. Dies bedeutet aber auch, dass der aktuelle Sound City Master One Hundred sich klanglich deutlich von seinen Urvätern unterscheiden dürfte, jedoch nicht ohne die entsprechende Vintage-Fahne zu schwenken. Lassen wir uns überraschen.

Test: Sound City Master One Hundred, Gitarrenverstärker

Sound City Master One Hundred Profil

Der Aufbau des Sound City Vollröhrenverstärkers

Der Sound City Master One Hundred gehört zu den Verstärkern, bei denen sowohl Bandkollegen als auch FOH-Mischer ein Gemisch aus weichen Knien und Sorge um die ewige Lautstärkediskussion verspüren. Holt der Gitarrenkollege nicht umgehend einen Lastwiderstand aus seiner Transportkiste, weiß jeder erfahrene Musiker, was einem bei einem 100 Watt Vollröhren Head beim ersten Powerchord droht. Ein strahlendes Gesicht beim Gitarristen und verzweifeltes Kopfschütteln bei allen anderen Anwesenden, gewürzt mit den Worten „das muss so, sonst klingt er nicht.“ Bei der Röhrenwahl hat sich Fryette ebenfalls vom gängigen Schema entfernt. Für den allgemein geringeren Gain-Anspruch des Amps wird bis auf die Phase Inverter Röhre (12AT7A) in der Vorstufe mit der 12AX7A gearbeitet, welche weniger „heiß“ ausgelegt ist als das Massenphänomen 12AX7. In der Endstufe werden 4 Stück EL34 der Firma Mullard verwendet, welche gerade im Boutique-Bereich einen sehr guten Ruf genießt.

Glücklicherweise handelt es sich beim Sound City Master One Hundred um einen Mastervolume-Amp, bei dem man die Endlautstärke bei gleichbleibender Vorstufen-Verzerrung zurücknehmen kann und ja, die Endstufen-Sättigung hält sich bei diesem Amp tatsächlich in Grenzen, wie der spätere Praxisteil noch bestätigen wird. Interessant bei diesem Amp ist in der Tat die Kombination von verschiedenen Elementen, welche man zum Beispiel bei Marshall auf verschiedene Typen aufgeteilt hat. So hat man sich bei Sound City für eine Kombination aus dem Vintage-trächtigen 4-Input Steckfeld entschieden, welches man sonst zumeist nur von Non-Master-Modellen her kennt. Das berühmte Patch-Kabel zwecks Mischung der beiden Eingangsempfindlichkeiten zzgl. der Höhenausrichtung wird gleich mitgeliefert.

Ansonsten herrscht mit klassischer Dreiband Klangregelung zzgl. Presence-Regler, einer blauen LED und dem Standby/Power-Schalterpärchen das klassische Vintage-Feeling vor, welches von der allgemeinen Optik unterstützt wird. Stilistisch passendes Tolex, Kunststoff Binding und ein massiver Tragegriff, alles wie man es erwartet. Dies gilt natürlich auch für die Rückseite, bei der lediglich eine etwas ungewöhnlich anmutende, aber sehr sinnvolle Impedanzwahl einen zweiten Blick riskiert. Für die klassische Vintage-Auslegung wird ein einzelner 16 Ohm Ausgang angeboten. Für den Fullstack Betrieb (gnade uns Gott …) je 2 Ausgänge, welche zwischen 8 und 4 Ohm umschaltbar sind. So dürfte jegliche Kombination von einzelnen oder 2 identischen Cabinets möglich sein. Ansonsten gibt es einen Line-Out für den Daisy-Chain-Betrieb an einen weiteren Verstärker (gnade uns Gott …) oder die Einspeisung an eine Speaker-Simulation.

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Mit einem Gewicht von 20 kg und den Abmessungen 29 x 65 x 26 cm (H x B x T) ist der Sound City Master One Hundred für seine Leistungsklasse sogar noch verhältnismäßig handlich, was jedoch nicht über die allgemeine Haptik eines Vollröhren-Heads hinwegtäuscht.

Sound City Master One Hundred Test

Sound City Master One Hundred Stack

Der Sound City Master One Hundred in der Praxis

Nun denn, was erwarten wir von einem Boliden der alten Schule, dessen Layout und klanglicher Ansatz knapp 5 Dekaden nach hinten verschoben ist? Um es vorweg zu nehmen, you get what you see, will heißen, der Amp klingt genau so, wie man es erwartet und zwar auf höchstem Niveau. Aber alles schön der Reihe nach.

Dass es sich bei dem Sound City Master One Hundred nicht um einen High-Gain-Amp handelt, dürfte jedem klar sein. Wer eine Zerre jenseits von dezentem Lead im Stil eines 2203 oder 2204 von Marshall benötigt, möge bitte sein favorisiertes Overdrive-, respektive Distortion-Pedal vor den Amp schalten. Der Amp funktioniert wie auch fast alle anderen Kollegen der Garde Alltube-Crunch-Head ganz hervorragend mit zusätzlichen Pedalen. So weit, so gut.

Was den Amp allerdings ganz nach oben in die Elite der Crunch-Liga schiebt, ist der Grund-Sound des Amps. Trotz des sehr guten Vintage-Flairs, sowohl im Humbucker- als auch im Singlecoil-Bereich, besitzt der Amp einen sehr eigenständigen Klang, bei dem man in jedem Anschlag die Handschrift von Steven Fryette erkennt. Der leicht kehlige, stets mit prägnanten Hochmitten versehene Sound lässt die großen Hits der Sechziger und Siebziger auferstehen und schafft es, mühelos in die Kerbe zwischen Marshall auf der einen und Hiwatt auf der anderen Seite zu hauen.

Zudem hängt der Amp geradezu vorbildlich am Volume-Regler der Gitarre und ermöglicht auch bei zurückgefahrenem Volume-Anteil herrlich dynamische Cleansounds, welche sich nahtlos in fette Crunch-Riffs überblenden lassen. Ein Amp, geschaffen für den klassischsten aller Soundansätze, in Form von cleanen und Crunch Sounds per Volume-Regler und einem zusätzlichen Pedal für die Lead-Sounds. Einfach nur großartig.

Ja, der Amp ist groß, schwer, unhandlich und dank amerikanischer Fertigung mit ca. 2.300 Euro auch recht teuer, aber er verkörpert optisch und tonal das, was den Rock ’n‘ Roll groß gemacht hat. Wohl dem, der heute noch die Eier hat, einen solchen Amp live zu spielen!

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Fazit

Mit dem Sound City Master One Hundred wurde ein altes Trademark unter der Ägide von Steven Fryette zu neuem Leben erweckt. Mit neuem Wein in alten Schläuchen schafft es das VHT-Urgestein eine Crunch-Marke der Oberklasse zu reanimieren und eine hörenswerte Alternative zu den großen britischen Namen des Crunchs zu schaffen.

Wer die Möglichkeit hat, einen 100 Watt Vollröhrenamp in seiner Gänze ausfahren und erleben zu können, sollte diesen Amp auf jeden Fall einmal antesten, allein schon, um einmal kurz zu erleben, was Rockmusik einmal bedeutet hat und warum alle Gitarrenhelden entweder tot oder über 70 Jahre alt sind.

Plus

  • Sound
  • Verarbeitung
  • Optik
  • Eigenständigkeit

Preis

  • ca. 2.300,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Die Soundbeispiele mit Single Coil klingen extrem vielversprechend. Die Kombi mit der Box sieht außerdem auch noch sehr gut aus, das Auge schleppt ja mit.

  2. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Es freut mich jedesmal, wenn ich ein Review zu einem echten Amp lesen und hören darf.
    Wenn ich mal ne Test-Anregung geben darf:

    Magnatone Super Fifty Nine oder Super Fifty Nine M-80

    Billy Gibson spielt diese Dinger

  3. Profilbild
    ctrotzkowski

    „…was Rockmusik einmal bedeutet hat und warum alle Gitarrenhelden entweder tot oder über 70 Jahre alt sind.“

    KÖSTLICH!!!

    Wieder einmal ein hervorragend gechriebener Artikel.

    Danke Axel!

  4. Profilbild
    t.goldschmitz RED

    Sauber. Mein erster Amp war tatsächlich ein Sound City SC-30 – gefertigt in Lizenz im VEB Klingenthal (DDR): ein reiner Transistoramp. Bin noch gar nicht soooo alt ;) Für ne Punk-Band natürlich absolut ungeignet ohne Zerrer. Allerdings kann man den immer noch gut als PA nutzen.
     
    Zum Amp hier: Ich finde der klingt einfach genau wie mein Sound Ctiy 50+ Head. Vor allem das EQing unterscheidet sich deutlich von den Marshalls/Fenders. Denn das ist mit aktiven Filter realisiert, deswegen „klingelt“ der auch so schön.
     
    Ach ja, wenn das Reissue schon 2 Mille kostet – was ist dann wohl mein Sound Ctiy 50+ wert?

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