Eine Majestät aus Fernost
Unseren Lesern etwas von John Petrucci zu erzählen, wäre wohl, wie das berühmte „Eulen nach Athen tragen“. Der gute Mann ist seit Jahren in aller Munde bzw. Ohren und das nicht nur mit seiner Band Dream Theater, sondern auch als Endorser für eine ganze Reihe von Herstellern. Der größte Deal für Petrucci liegt aber sicher im Hause Music Man, mit denen er eine mittlerweile nahezu unüberschaubare Anzahl an Signature-Modellen entwickelte. Die Qualität dieser US-Instrumente ist durch die Bank weg grandios, wie auch wir schon in einigen Reviews feststellen durften.
Doch wie so oft ist das liebe Geld ein Problem, denn schaut man sich die Durchschnittspreise der in den USA hergestellten Music Man Petrucci Gitarren an, dürfte für viele Interessierte schnell ein Traum platzen. Das gilt auch für das Modell Majesty, für das im Shop knapp 4000,- Euro fällig werden. Abhilfe schafft mal wieder die Fernostproduktion von Music Man, die unter dem Namen Sterling by Music Man die Majesty zu gut einem Viertel des Preises anbietet. Kann das funktionieren und auf was muss man verzichten? Machen wir den Test!
Facts & Features
Wie alle Sterling Instrumente erscheint auch die Sterling by Music Man Petrucci Majesty 6 in einem robusten Gigbag, das gibt schon mal gleich einen Pluspunkt. Der avantgardistisch designte Korpus besteht wie beim US-Modell aus Linde, auf eine Ahorndecke wurde hier aber verzichtet. Gut, die sieht man ja unter der matten, roten Lackschicht sowieso nicht. Die Carbon-Nachbildung aus einem Aufkleber in der Mitte der Decke aber schon, beim Original findet man hier natürlich ein echtes Stück Carbon. Gut ausschauen tut es aber trotzdem, die blitzsaubere Verarbeitung eines Instruments spiegelt sich gerade auch in solch kleinen Details wider. Die mattrote Lackierung unseres Testinstruments nennt der Hersteller „Iced Crimson Red“, erhältlich ist die Sterling Petrucci Majesty 6 darüber hinaus noch in Schwarz („Stealth Black“).
Unterschiede gibt es auch in der Konstruktion des Halses: Während das US-Modell über einen durchgehenden Hals verfügt, besitzt unsere koreanische Kopie lediglich ein eingeleimtes Stück aus Mahagoni. Das Shaping des Korpus auf seiner Vorder- und Rückseite sowie der Hals-Korpus-Übergang sind hingegen identisch ausgefallen, ergonomischer kann man einen Gitarrenkorpus wohl kaum bauen.
Als letzten Schliff hätte man vielleicht noch dran denken können, die Abdeckungen für die Elektronik, für das Vibratofach und den Batterieschacht versenkt in die Rückseite einzusetzen. Das ist zwar beim US-Modell nicht anders, aber auch dort nicht weniger nervig.
Der Hals der Sterling by Music Man Petrucci Majesty 6 ICR
Ganz entgegen dem momentanen Trend, das Profil der Halsrückseite oder den Radius des Griffbretts zu variieren (Stichwort „Compound Radius“), hat sich Mr. Petrucci bei der Majesty für ein gleichmäßig verlaufendes Halsprofil entschieden. Hier gibt es allerdings Unterschiede in den Maßen gegenüber der US-Version, so verfügt das US-Modell über eine größere Sattelbreite, 43 mm gegenüber der Sterling mit 42 mm, und auch das Halsprofil der Sterling ist mit 16″ etwas rundlicher, als das der US-Petrucci mit ihrem 17″ Radius.
Das will aber jetzt nichts heißen, denn das Profil unserer Testgitarre ist immer noch verdammt flach! Zusammen mit der matt lackierten Halsrückseite ergibt sich daher ein sehr komfortables Spielgefühl, das auch bei feuchter Griffhand keinen Kummer bereitet und dem passionierten Metaller die besten Voraussetzungen für anspruchsvolle Spielarten bietet. Und für Virtuositäten aller Art ist John Petrucci ja bestens bekannt.
Griffbrett und Bundierung
CITES scheint bei Sterling noch nicht richtig eingeschlagen zu haben, zumindest nicht beim Griffbrett unserer Testgitarre. Hier wurde noch ein echtes Stück Palisander benutzt, in das die Petrucci-typischen Wappenembleme als Positionsmarker eingesetzt sind. Die Verarbeitung der 24 Bundstäbchen ist sehr gut gelungen, dem hingegen sitzt der Sattel leider nicht ganz mittig in seiner Position. Das ist jetzt selbst in dieser Preisklasse nichts wirklich Dramatisches, sollte aber in einem Review nicht unerwähnt bleiben.
Die Kopfplatte besitzt das gewohnte Music Man 4-2-Design, trägt die Unterschrift des Meisters und natürlich die sechs Klemmmechaniken. Womit wir auch schon bei der Hardware der Sterling by Music Man Petrucci Majesty 6 angelangt wären.
Die Hardware der Sterling by Music Man Petrucci Majesty 6
Fangen wir doch gleich mit den Mechaniken an. Wie die gesamte übrige Hardware auch, sind die sechs Klemmmechaniken an der zierlichen Kopfplatte schwarz verchromt und optisch kaum von den Schaller Tunern zu unterscheiden, die am US-Modell ihren Dienst tun. Für Mechaniken aus fernöstlicher Produktion verrichten sie aber einen guten Job – sie laufen ohne großes Spiel und halten zusammen mit dem Vintage-Vibrato die Stimmung mehr als zufriedenstellend. Der Vibratoblock arbeitet wunderbar leichtgängig und besitzt einen gesteckten Vibratohebel, der ebenfalls ohne Spiel in seiner Hülse sitzt und nach Benutzung den Aktionsradius der rechten Hand ohne nachzuhelfen ganz schnell wieder verlässt. Prima!
Durch die Unterfräsung im Korpus sind ab Werk Tonerhöhungen („Upbendings“) bis zu drei Halbtonschritten möglich, nach unten hingegen reicht der Spaß bis zur fast kompletten Erschlaffung der Saiten. Trotzdem sollte gesagt sein, dass es sich immer noch um ein Vintage-Vibrato handelt und solche „Dive-Bomb-Exzesse“, wie sie etwa mit einem Floyd Rose System möglich sind, hier nur schwer realisierbar sind. Dafür aber geht es deutlich gefühlvoller zu, das System überträgt selbst Nuancen mit dem kleinen Finger auf die Saiten.
Die Pickups der Sterling by Music Man Petrucci Majesty 6
Zwei Humbucker sind auch hier angesagt, natürlich wegen Kostengründen aus fernöstlicher Produktion. Sie werden angesteuert über einen griffgünstig platzierten Dreiwegeschalter, dessen Qualität aber leider nicht von der besten Sorte ist. Das Gleiche gilt auch für das Volume/Booster-Poti, das ebenso bedenklich in seinem Sitz wackelt. Durch ein Klicken auf dieses kombinierte Poti wird ein Booster aktiviert, der dem Signal eine Erhöhung von 12 dB mit auf den Weg gibt. Das ist ganz ordentlich und reicht vermutlich, um manchen schlappen Amp mit etwas mehr Zerrung auf die Sprünge zu helfen.
Den Abschluss der Elektronik bildet ein Tonepoti, das wiederum von guter Qualität ist. Vermissen tut man eine Singlecoil-Schaltung der Pickups, meiner Meinung nach hätte man hier anstelle des Boosters besser eine solche Möglichkeit verbaut. Verzichten gegenüber dem US-Modell muss man bei der Sterling by Music Man Petrucci Majesty 6 natürlich auf das Fishman Piezosystem, aber damit lässt sich, denke ich, leben.
Sound & Praxis mit der Sterling by Music Man Petrucci Majesty 6
Ich hatte ja bereits das Vergnügen, das US-Modell einem Test zu unterziehen. Hinsichtlich der Ergonomie gibt es kaum Unterschiede zu bemerken, auch unsere Sterling by Music Man Petrucci Majesty 6 ist ein Leichtgewicht und hängt zudem perfekt ausbalanciert am Gurt. Die Bespielbarkeit des Halses ist durch das flache Profil und die matte Lackierung sehr angenehm, ein Lob geht dieses Mal auch an das Werkssetting, das bei unserem Testinstrument nahezu perfekt eingestellt war.
Für alle die, die es vielleicht noch nicht wissen: Jedes Sterling by Music Man Instrument geht nach der Produktion noch mal auf eine große Reise an die Westküste der USA. Genauer gesagt nach Orange/Kalifornien, wo eine finale Inspektion stattfindet. Es gilt schließlich, einen Ruf zu verlieren und deshalb möchte das Mutterhaus noch mal gerne einen Blick auf jedes einzelne Instrument werfen, bevor es den Handel erreicht. Ein Aufwand, der sich lohnt und sich auch in der hohen Fertigungsqualität unserer Sterling by Music Man Petrucci Majesty 6 widerspiegelt.
Doch nun zurück zum Praxisteil, hören wir rein in den Sound der Gitarre. Für die nun folgenden Klangbeispiele habe ich wie immer meinen Orange Micro Dark, eine H&K GL112-Box mit Celestion Vintage 30 Lautsprecher und ein AKG C3000 Mikrofon benutzt. Aufgenommen wurde in Logic Audio, außer einer Pegelanpassung fand keine weitere Bearbeitung statt.
Klangbeispiel 1 zeigt den Cleansound des Tonabnehmers am Hals. Gar nicht mal so schlecht und vor allem gar nicht mal so mittig und „quackig“, wie man es von einem „Doppelspuler“ ja in aller Regel erwartet.
Nun weiter mit Klangbeispiel 2 und beiden Pickups im unverzerrten Modus. Das gespielte Thema ist das Gleiche wie vorher. Man hört deutlich die zugefügten Höhen des Kollegen am Steg.
Nun zu den Overdrivesounds, in denen die Gitarre ein sehr überzeugendes Klangbild abliefert. Pluspunkt hier sind die wenigen Nebengeräusche selbst bei hoher Verzerrung, trotzdem sollte man es mit der Zerrung nicht zu sehr übertreiben – unschönes Matschen wäre die Folge. Trotzdem: Für No-Name-Pickups ist das schon ziemlich gut! Klangbeispiel 3 zeigt unsere Sterling by Music Man Petrucci Majesty 6 mit einer hohen Verzerrung und einem Riff, gespielt auf dem Humbucker am Steg bzw. Vibrato.
Nun zu den Leadsounds. Zunächst eine Linie mit dem Pickup am Steg mit relativ hoher Verzerrung. Das ist zwar nicht besonders erträglich für den Sound, macht aber auf diesem Hals verdammt viel Spaß!
Abschließend nun noch ein Beispiel für den Leadsound des Fronthumbuckers, dieses Mal mit aktiviertem Booster.
Den Cleansound finde ich jetzt gar nicht mal so gut. ;-)
Hat man hier den Piezo Tonabnehmer völlig vergessen? Und das Carbon ist auch aus decefix? Selbst die große Musikman Aufschrift fehlt! Na dann kann ich mir auch eine stink normale Ibanez kaufen. Ich glaube ohne Piezo ist das Ding nichts besonderes mehr. Bei Gitarren muss man ohnehin 5 bis 6 mal in Müsik laden rennen und jeweils einmal oder 10 mal alle Klampfen durch testen bis da die perfekte Entscheidung fallen kann. Dann ist man meist auch eine üble Stange Geld los, aber was solls, man lebt nur einmal! So ging es mir zumindest. Denn Gitarren sind eine sehr persönliche Erfahrung. Trotzdem netter Testbericht.
Wer wirklich auf Petrucci/DT steht, der wird hier sehr wahrscheinlich der Sterling den Vortritt vor ner Ibanez geben … und so ein Piezo ist ja ganz nett, aber dann wäre der VK vermutlich zu hoch ausgefallen. Ich fand sie wirklich Klasse, bis auf die beschriebenen Schwächen, nicht sehr flexibel im Sound und eben der wackelige Schalter.