Korg Sigma – kein Synthesizer wie jeder andere
Das Internet hat ja doch ein paar interessante Geschichten zu diesem Instrument zu bieten. Es sei von den Möglichkeiten her wie ein Modularsynth, es besitzt 13x den Filter des MS – 20, oder: ‚Ein absolut grauenhaftes, fantastisches Instrument!‘.
In all diesen Aussagen steckt durchaus ein Körnchen Wahrheit, doch irgendwie sieht die Realität ganz anders aus.
Der Sigma kam 1979 auf den Markt, wahrscheinlich als Nachfolger des 900PS, einem Preset- Synthesizer. Ein großer Erfolg war er nicht. Es heisst, dass um die 1000 Stück davon gebaut wurden.
Sein Gehäuse ist solide, aus dickem Stahlblech mit wuchtigen Holzseitenteilen. Die orgelartigen Kippschalter lassen ihn etwas seltsam aussehen. Ganz oben hat er übrigens noch einen ausziehbaren Notenständer. Links neben der 3- oktavigen Tastatur besitzt er neben diverser Regler 2 Joysticks. Wenn ein Synth für mich retro- futuristisch aussieht, ist es klar der Sigma.
Sigma steht für ‚Summe‘. Was es damit wohl auf sich hat?
Er ist monophon und hat 11 Presets. Oder, wie Korg hier sagt: ‚Instrument‘. Nur 11? Nun gut, jedes Preset ist mit einem Regler versehen, der einen Parameter verändern kann. Der ‚Electric Bass‘ hat ein regelbares Filtercutoff, das ‚Clavi‘ regelbare Pulsbreite, die ‚Strings‘ ein regelbares Attack, ‚Hammered Percussion‘ ein regelbares Decay. Damit lässt sich schon durchaus einiges anstellen. Im Gegensatz zu allen anderen, mir bekannten Preset- Synths lassen sich aber alle Presets beliebig kombinieren, wenn man mag, sogar alle gleichzeitig. Da kommt schon Freude auf. Deswegen heisst der also ‚Sigma‘. Alles lässt sich summieren.
Technisch möglich wird dies durch einen VCO mit nachgeschalteten Frequenzteilern und für jedes Preset eigenem Waveshaping, Filter und VCA. Macht also 11x Filter und VCAs nur in dieser Sektion.
Hier kommt dann auch der Korg IC 35 ins Spiel, mit dem hier, wie auch beim MS – 20 die Filter aufgebaut sind. Im Gegensatz zu diesem sind die Einstellmöglichkeiten äußerst rudimentär. Cutoff halt und das wars.
Die Preset- Sektion ist aber nur ein Teil dieses Instruments. Daneben gibt es die frei verstimmbare Synthe- Sektion, die mit einem weiteren VCO ausgestattet ist.
Wir haben hier also einen Synthesizer mit zwei (Haupt) VCOs.
Auch beim zweiten VCO regiert die Frequenzteilung und stellt 7 verschiedene Wellenformen in verschiedenen Fußlagen bereit. Dazu kommt noch weisses Rauschen. Auch hier lassen sich alle Wellenformen beliebig anwählen. Nomen est Omen.
Im Gegensatz zur Preset- Sektion findet hier die Filterung nach den VCAs gemeinsam statt. Ausnahme: S/H mit eigenem Resonanzfilter, wobei sich hier die Geschwindigkeit der Clock regeln lässt.
Das gemeinsame Filter ist als Bandpass realisiert und wird über den rechten Joystick gesteuert. Ein Resonanzregler genauso wenig vorhanden wie eine Filterhüllkurve. Alles wird mit der Hand geregelt. Dafür bleibt der Joystick immer so stehen, wohin er zuletzt bewegt wurde.
Für mich ein Highlight ist die Ringmodulation, die aber eher nach Crossmodulation klingt. Ist sie aktiviert, werden alle Synthe- Einstellungen vor dem Hauptfilter und alle Preset- Einstellungen hinter den VCAs abgegriffen und gegeneinander moduliert.
Die Besonderheit dadurch ist, dass jede Änderung im Preset- und Synthe- Bereich Einfluss auf den resultierenden Klang nimmt. Dadurch und durch die stufenlose Verstimmung beider Sektionen entsteht ein enorm breites Klangpotential von zart- gläsern bis heftig noisig. Mit dem Joystick- Filter lassen sich obendrauf noch unwahrscheinlich spannende Nuancen herausarbeiten.
Die dritte Sektion nennt sich ‚Effect‘ und dient den übergeordneten Einstellungen, wie Transposition, Portamento, Pitch Bend, Tuning, Triggering, Key Hold. Sogar ein Schalter um die Tastatur in Vierteltönen zu spielen, ist vorhanden. Der Wirkungsgrad des Pitchbends lässt sich für beide VCOs getrennt regeln, was für sehr spaßige Effekte sorgen kann.
Ebenfalls findet man hier einen Vibrato- LFO für die ‚Instrument‘- Sektion mit einstellbarer Geschwindigkeit und Verzögerung. Der macht, was er soll und weiter nichts. Also keine Geschwindigkeiten bis in den Audio- Bereich hinein.
Das Pitchbend wird mittels des linken, zur Mitte zurückfedernden Joysticks geregelt. Bending läuft nach links und rechts, Vibrato- Intensität nach oben und eine schöne Noisemodulation nach unten. Sieht man nicht so oft, aber der Korg Delta (gleiche Serie) hat es auch.
Zwischen den beiden Joysticks gibt’s einen Taster für die spontane Aktivierung des Portamentos, solange die Taste gedrückt ist. Zusätzlich gibt’s noch Aftertouch, welches Pitchbend und Vibrato ebenfalls beeinflusst, für beide VCOs separat oder doch gemeinsam. Die ‚Synthe‘- und ‚Instrument‘- Sektion lässt sich mittels eines großen Reglers stufenlos überblenden.
Ganz klar richtet sich dieser Synth an Spieler. Viele Spielhilfen, ein User- Interface, welches möglichst viele Klänge bei einfacher Handhabung bereitstellen will, ohne sich mit der Komplexität subtraktiver Synthese auseinanderzusetzen.
Vielleicht wurde er deswegen auch kein Hit. Für Synthispieler sieht er auch mit seinen großen Kippschaltern zu sehr nach Orgel aus, wovon man sich aber nicht täuschen lassen sollte.
Auf der Rückseite finden sich immerhin 9 Anschlussbuchsen. Beide Sektionen lassen sich getrennt oder gemeinsam abnehmen. Ein Kopfhörerausgang ist genauso vorhanden, wie CV/ Gate rein und raus in Hz/V- Manier, wie damals bei Korg üblich. Zusätzlich gibt es noch FM- Eingänge für den ‚Synthe‘- VCO und den Master- VCF.
Mittels einem Korg SQ- 1 lässt sich der Sigma wunderbar mit jedem Rechner verbinden. Die entsprechenden Einstellungen am SQ- 1 führen zu einem sauberen Halbtonabstand über 3 Oktaven (wie auch beim MS – 20).
Interessanter Artikel über einen sehr speziellen Synthesizer. Das Design des Sigma ist echt gewöhnungsbedürftig. Wäre doch eigentlich was für die „Blue Box“-Rubrik gewesen ;-) Über ein paar Klangbeispiele hätte ich mich allerdings schon gefreut.
Der Sigma ist, wie auch der Delta, ein sicherlich unterschätztes Gerät. Meine Faszination hat er schon seit 1979. Aufgrund des Preises von über 3.000 DM wurde es dann doch ein MS-20.
Das er weder „Fisch noch Fleisch“ sein soll, hat man damals (TM) aber noch nicht so gesehen. Speicherbare Synthesizer gab es kaum, Presets waren beliebt weil nicht jeder an Sounds schrauben, aber trotzdem modern klingen wollte.
Einen Sigma hätte ich schon gerne, und ich habe mich gefreut ihn vor kurzem auf einem aktuellen Live-Foto sehen zu dürfen.
Ach ja, Soundbeispiele wären tatsächlich schick gewesen. Vielleicht kommen die ja später dazu ..
Schön, dass ich die Vorstellung des Korg Sigma von dir gelesen habe. Mit sehr viel Liebe zum Detail ist dein gutes Stück hier beschrieben. Die Klangbeispiele habe ich mir über YouTube besorgt. Hier spürt man deutlich den innovativen Geist, den Korg in dem Gerät verbaut hat.
->https://youtu.be/d3-P1DvjybY
danke für das nette Feedback :)
Ich muss mal sehen, dass ich Klangbeispiele noch nachreiche, obwohl ich mir auch gesagt habe, dass auf Youtube und Co. genug davon zu finden ist. Mal sehen…
Das Gehäuse gefällt mir gut, erinnert mich an meinen CS 40, das war zwar ein richtiger Synth, aber die könnten sich beim Sigma bedient haben
Prima erste Leserstory, die Du da geschrieben hast, Philipp ;-)
Ach ja… ein schönes Audio Demo im TRG Style wär doch mal was feines… ;-)