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Interview: Hans Zimmer Synth Talk (2009)

(ID: 207983)

Peter:
Du meinst das Stück im Walzertakt?

Hans:
Ja genau, der Walzer. In dem Zimmer, in dem wir hier gerade sitzen, war damals der Schneideraum für „Gladiator“. Mein Zimmer war um die Ecke und das war damals ein ähnliches Konzept wie bei heute, eben alle Beteiligten an einem Ort zusammen zu haben. Das ist das Gute an Santa Monica, nämlich dass die Leute alle hier vor Ort sind. Ich war einer der Ersten, der hierher gezogen ist Jerry Bruckheimer kam hier vorbei und fand das sehr schön.  Daraufhin hat er sich seine Büros fünf Straßen von hier gekauft. Dann kam der James Dean Howard hierher, der Michael Base und das Sony Center hat eröffnet. Mittlerweile haben wir in Santa Monica eine ganze Community von Filmemachern. Gerade arbeite ich auch für eine neue Filmfirma, die auch nur zwei Straßen von uns entfernt ist. Auf einmal brauchen wir gar kein Auto mehr, sondern laufen überall hin.

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… Helmut Newton.

Peter:
Das neue Hollywood?

Hans:
Ja, genau!

Peter:
Du hast dich ja bestimmt vorher schon als Fan für Filmmusik interessiert?

Hans:
Ja, das habe ich immer. Nur in Deutschland habe ich nie einen Job bekommen, weil ich nie auf die Musikhochschule gegangen bin und ungefähr nur zwei Wochen Klavierunterricht hatte. Du weist ja, wie das in Deutschland ist, wenn man beim Fernsehen was machen will, dann fragen die, ob man das auch wirklich kann und erlernt hat. Ich weiß nicht, ob das immer noch so ist?

Peter:
Das ist immer noch so! Ganz genau so! Nochmal zu meiner Frage, ich habe so mit 13 angefangen, mich für Filmmusik zu interessieren.

Hans:
Ja, ich auch!

Peter:
„Star Wars“ kam raus, der Soundtrack von John Williams, mit dem genialen Opening. Von da an habe ich sehr viel Filmmusik gekauft. Wenn ich heute einen Track von John Williams höre, erkenne ich, dass es John Williams ist, auch wenn ich den vorher noch nie gehört hatte.

Hans:
Klar!

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Peter:
Und Jerry Goldsmith und auch Hans Zimmer. Woran liegt das, dass ich einen Hans Zimmer erkenne und genau weiß, dass es ein Hans Zimmer ist und kein Jerry Goldsmith?

Hans:
Keine Ahnung! Ich versuche bei jedem Film anders zu klingen. Die Filme, die ich zusammen mit Ridley Scott gemacht habe, „Black Rain“, „Thelma & Louise“, „Black Hawk Down“, „Gladiator“, „Hannibal“, die klingen alle anders, das sind ganz andere Kompositionen und trotzdem, wie es bereits Carl Zuckmeyer gesagt hat, es ist jedes Mal ein Stück von mir. Man praktiziert irgendwie immer seinen persönlichen eigenen Stil.

Neun Roland MKS-80, zwei MPG-80, Doepfer, Waldorf und und und …

Peter:
Ja, vielleicht auch bei der Orchestrierung?

Hans:
Ja, bestimmt! Und gerade weil ich eben nicht klassische Orchestrierung gelernt habe. Das war am Anfang auch ganz interessant, als ich nach Amerika kam, hat es ein bisschen gedauert, bis die Orchester mein Zeug spielen konnten. Weil es eben nicht diese ganz normalen Orchestrierungen waren, die man in der Schule lernt. Ich meine, ich mache meine eigenen Orchestrierungen und Arrangements, aber mein Chef-Orchestrierer passt wirklich darauf auf, dass man es überhaupt spielen kann. Es ist der Bruce Fowler, der bei Frank Zappa vor Jahren in der Band war und eben nicht von dieser E- und U- Musik Ebene kommt. Den Musikern macht es einfach Spaß, mal was anderes zu machen, ganz anders zu spielen und ganz andere Rollen zu haben.

Peter:
Was sind von deinen eigenen Stücken die Favoriten? Von den Scores, die du gemacht hast? Was gefällt dir am besten?

Hans:
An die Meisten kann ich mich gar nicht erinnern. Wenn sie fertig sind, sind sie fertig und das macht Lust für das nächste Abenteuer.

Peter:
Es sind nicht unbedingt deine Oscar-Titel?

Hans:
Ach, gar nicht. Außerdem verhalte ich mich so pervers mit dieser Oscar Sache. Die meiste Zeit reiche ich das Zeug gar nicht ein, damit ich gar nicht erst nominiert werden kann. Ich hasse die Dinger.

Peter:
(lacht)

Hans:
Ich hasse es so! Letztes Jahr da ging es wieder los. „Dark Night“ wollten die unbedingt nominieren, weil James Newton Howard auch am Soundtrack beteiligt war.

Peter:
Da gab es doch Stress, habe ich gehört!?

Hans Zimmer zeigt uns seine Workstation

Hans:
Es gab Stress für die und für mich, weil ich den selbst gemacht hatte. Dann wurde ich überredet, dass ich das Stück doch zur Nominierung freigebe. Das musste ich machen, das Studio kann das nicht machen. Der Komponist muss der Academy schreiben.

Hans Zimmer Interview

Peter:
Du musstest also den Antrag unterschreiben!?

Hans:
Ich habe mir damals zum Spaß gedacht, ich lasse einfach mal jeden unterschreiben, der dabei war, auch den Music-Editor usw. und auf einmal hieß es, wieso sind da so viele Unterschriften drauf? Ok, ihr habt uns auf dem Dokument für fünf Unterschriften Platz gegeben und euch das nicht mal richtig angeschaut? Nun musste ich gegenüber der Academy diplomatisch bleiben und mich politisch korrekt verhalten, damit es keinen weiteren Ärger gab. Das war richtig verrückt.

Peter:
Bei deinen eigenen Scores hast du keine Favoriten?

Hans:
Es sind meistens nie die Scores, für die ich nominiert wurde. „Der schmale Grat“ mag ich zum Beispiel sehr gerne. Für den wurde ich sogar nominiert.

Peter:
„Der schmale Grat“ ist einer deiner Favoriten?

Hans:
Ja, den Soundtrack mag ich sehr gerne und „Dark Knight“ liegt mir sehr am Herzen. Ich habe sehr viel Energie in diesen Soundtrack investiert. Das Ganze war sehr experimentell und eigentlich gar nicht die Art von Musik, die man sich gerne anhört.

Peter:
Die Frage hatte ich eigentlich für später vorgesehen, aber wenn du es schon anschneidest, du hast ja mal geschrieben, dass du die Idee hattest, das Thema des Hauptdarstellers mit nur einer Note zu komponieren. Wie hieß denn gleich noch mal der Regisseur von „Dark Knight“?

Hans:
Das war der Chris Nolan. Und ja, ich hatte damals so eine Idee.

Peter:
Du hast gesagt, dass jeder andere „nein“ gesagt hätte, nur Chris Nolan hat „ja“ gesagt. Erzähl doch noch ein bisschen davon. Ich finde das sehr faszinierend.

Hans:
Ehrlich gesagt habe ich lange darüber nachgedacht, wie wir den Charakter des Jokers gestalten sollen. Es hat damit angefangen, dass ich eine schlechte Xerox-Kopie von einem Francis Bacon Bild, welches an einen Joker erinnert, neben mir hängen hatte, als wir „Da Vinci Code“ machten. Chris Nolan war hier und fand das Bild ganz interessant und auf einmal haben wir angefangen, über den Joker zu sprechen und über meine Idee. Normalerweise entwickelt sich ein Charakter während eines Films. Dieser Charakter ist jedoch immer beständig, er ändert sich nie, er lügt nie, er sagt immer, was er denkt und fühlt, er ist furchtlos und somit der verlässlichste Charakter im ganzen Film. Da dachte ich mir, was für eine Musik passt zu so einem Charakter? Daher wollte ich, dass die Musik auf einer einzigen Note aufbaut. Du weißt nie, wo diese anfängt und wo sie aufhört. Wie ein Stahlseil, das du auseinander ziehst und nicht weißt, wann es eventuell reißt. Das macht das Ganze gefährlich. Und am Ende soll die Note immer leise enden.

Filmrequisite: Tom Cruise‘ Schwert aus „Last Samurai“

Peter:
Das war genau die Note, die man gleich am Anfang vom Film hört?

Hans:
Ja, genau, am Anfang weißt du ja noch nicht, dass es der Joker ist. Aber um so länger du den Film anschaust, verbindest du diese Note immer mit dem Joker.

Peter:
Was war es denn? War das ein Streicher oder war das ein Synthesizer?

Hans:
Nein, kein Synthesizer, das war Martin Tillmann auf seinem Cello.

Peter:
Ich habe mir immer gedacht, du hättest da noch einen Synthesizer mit reingemischt. Das war wirklich nur ein langgezogener Cello Sound?

Hans:
Wir haben es manchmal noch mit einer Gitarre unterlegt, aber es war reiner Akustiksound. Die Produktion hat sehr lange gedauert. Ich habe wirklich jemanden gebraucht, der das unterstützt. Die meisten Menschen denken bei Musik immer an die Aneinanderreihung von mehreren Noten.

Peter:
Und Chris Nolan war sofort begeistert?

Hans:
Ja, total! Ich wollte einfach zeigen, was man mit einer Note alles machen kann. Der ganze Film ist ja total experimentell.

Peter:
Das stimmt, gerade auch die Dialoge.

Hans:
Die Dialoge sind so gut geschrieben, ich liebe die total, Chris ist so ein intelligenter Kerl. Mit solchen Leuten zusammen zu arbeiten, ist großartig. Ich glaube, die Leute meinen immer, dass der Regisseur dem Komponisten erklärt, was er zu tun hat, aber das stimmt nicht. Das Ganze funktioniert nur dann, wenn du genau das tust, womit der Regisseur nicht rechnet. Wofür braucht man dich sonst? Du musst immer pro aktiv handeln.

Overview 1 – Hans Zimmers musikalische Traumfabrik

Peter:
Und kommt dann der Regisseur am Anfang und bringt dir ein paar Sounds und sagt, so könnte ich mir das vorstellen?

Hans:
Nein, gar nicht, eigentlich ganz anderes herum. Wir haben lange über den Film gesprochen, bevor er überhaupt das Drehbuch fertig geschrieben hat. Bei den Dreharbeiten war ich auch dabei.

Peter:
Ist das noch spannend für dich?

Hans:
Natürlich, vor allem bei so Riesensachen. Bei uns geht ja auch immer viel schief. Heath Ledger ist gestorben und wir haben ziemlich viele Unfälle gehabt. Es war immer was los, immer ein bisschen zu viel. Aber der ganze Film hat irgendwie diese Intensität gehabt. Am letzten Drehtag, ich wollte, dass das keiner merkt, hat mir alles wehgetan. Dann habe ich mich einfach nur noch auf die Couch gelegt.

Peter:
Weil da auch Zeitdruck ist?

Hans:
Es ist nicht mal der Zeitdruck, sondern die Ambition, was man noch anders machen kann und die Ideen, die man danach noch im Kopf hat. Mein Job ist es eigentlich, wenn ich an solchen Filmen arbeite, sehr viele Vorstellungen, die das Studio hat, umzusetzen. Das Ding kostet ja schließlich einen Haufen Geld. Da reden immer sehr viele Leute mit. Du stehst oft mit deiner eigenen Kreativität im Konflikt und der Druck ist enorm.

Peter:
Jetzt hast du die Komposition fertiggestellt und dann geht das Ganze ins Dubbing. Hast du da eine Chance mitzureden? Die können dich ja auch wegmischen oder leiser mischen? Oder kannst du sagen, Mensch, da muss die Musik vorne sein?

Hans:
Aber das brauche ich bei Chris Nolan gar nicht zu machen.

Peter:
Ach so, weil du großes Vertrauen zu ihm hast!?

Hans:
Na klar!

Peter:
Aber kommt das vor, dass du ins Dubbing gehst?

Hans:
Natürlich. Aber meistens, um die Musik leiser zu machen.

Peter:
(lacht)

Ganz alleine vor der Bibliothek, der Waldorf Wave

Hans:
Ich weiß auch, wie das manchmal so läuft. Sie lieben ein Musikstück und machen es laut. Weil es das erste neue Ding von so einem Film ist, das sie zu hören bekommen. Weißt du, die sitzen da seit über einem Jahr vor ihrem Film und auf einmal bekommen sie was Neues. Dann musst du denen sagen: „Bitte macht es leiser.“ Aber ich kann das sehr gut.

Peter:
Erlauben die das? Du bist natürlich ein „Big Star“, aber erlauben die das jedem Komponisten, ins Dubbing zu gehen?

Hans:
Es gibt so zwei bis drei große Sound-Ingenieure hier in der Stadt, man kennt sich einfach. Das sind immer die Gleichen, mit denen man zusammenarbeitet, wie zum Beispiel Eddy Nelson. Mit dem habe ich schon viel aufgenommen.

Peter:
Eddy Nelson?

Hans:
Ja, er hat früher in London gearbeitet. Er war einer der Sound-Ingenieure für „The Who“.

Peter:
Echt?

Hans:
Wir kommen alle vom Rock ’n‘ Roll und begegnen den Dingen mit einer Rock ’n‘ Roll Attitüde. Bei „Dark Knight“, das ist das beste Beispiel, haben wir so eng mit den Sound-Effekt Leuten zusammengearbeitet und der Regisseur war gleichzeitig der Autor.

Peter:
Das wäre auch meine nächste Frage: Was ist eigentlich der genaue Unterschied zwischen Filmmusik und den Sound-Effekten?

Hans:
Es gibt eigentlich keinen großen Unterschied. Mit meinem Freund Mill Weston, den ich schon sehr lange kenne und der wirklich ein großartiger Sounddesigner ist, versuchen ich die ganze Zeit alles aus der Welt des Sounddesigns herauszuholen.

Ich bin immer auf das Gesamtbild fixiert, auf die gesamte Klangwelt, die wir für den Film schaffen können. Am Anfang beginnt das immer mit einem „Knall“ und Momente später, wenn du dann die Melodie hörst, weißt du, jetzt geht es los. Das ist einfach die Rock-’n’-Roll Denkweise: „Oh, ich brauche eine Hook, ich brauche einen akustischen Aufhänger“. All das haben wir von den Plattenproduktionen gelernt.

Peter:
Lass uns noch über Synthies reden, viele von den Lesern interessiert natürlich, wie du über Synthesizer denkst. Du hast ja schließlich auch eine riesige Sammlung an Geräten. Ich erinnere mich, gerade in der Zeit, in der du in Amerika angefangen hast, hört man noch sehr viel FM-Sounds. Bei „Green Card“ zum Beispiel.

Hans:
Natürlich, FM war damals the greatest thing. Ich liebe Synthesizer, die sind großartig.

Hans Zimmer Interview

Andenken zu KungFu Panda 2008

Peter:
Heutzutage hört man gar keine Synthesizer mehr in deinen Tracks. Was waren denn deine ersten Geräte, zum Bespiel während deiner Zeit in England?

Hans:
Der MODULAR MOOG war immer dabei, den habe ich von Chris Franke bekommen, der wollte sich was Neues bauen und wusste, wenn er das Ding nicht abgibt, wird er sich nie was Neues bauen.

Peter:
Der war damals bestimmt noch für einen Schnäppchenpreis zu haben, nehme ich an!?

Hans:
Ja, es war damals ein Schnäppchen. Die ganze Zeit, als keiner das Zeug wollte, habe ich das einfach ganz billig gekauft und es auch immer benutzt. „Dark Knight“ und „Batman“ sind voll von richtigen analogen Sachen. Mein anderes Gerät war damals der Fairlight, der furchtbar viel Geld gekostet hat, aber ohne ihn hätte ich gewisse Sachen nie schreiben können.

Peter:
Kannst du dich an etwas Konkretes erinnern, wo du sagen kannst, da ist die Hookline aus dem Fairlight?

Hans:
„Rain Man“ ist nur Fairlight. Ich habe den ganzen „Rain Man“ Soundtrack bei Barry Levinson im Büro gemacht.

Peter:
Da sind ja diese ganzen Percussion-Parts!?

Hans:
Ganz genau! Ich habe mich eigentlich immer als Komponist gesehen, der Technologie versteht.

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