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Interview: Rainer Buchty, Ensoniq Spezialist und Synthesizer-Liebhaber

Der SQ80 war mein erster eigener Synthesizer

15. September 2021

Parallel zur Veröffentlichung des Arturia Plug-ins SQ-80 V haben wir Rainer Buchty um ein Interview gebeten. Rainer gilt unter Insidern längst als Ensoniq-Koryphäe und war auch maßgeblich an der Entwicklung des ersten SQ-80 Plug-ins SQ-8L beteiligt. Und auch Arturia bat Rainer, sie bei ihrer Version des Software-Synthesizers tatkräftig zu unterstützen.

Für uns hat Rainer ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert, was es mit den Ensoniq-Synthesizern SQ-80 und ESQ-1, die inzwischen eine feste Fangemeinde bekommen haben, so auf sich hat.

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Thilo:
Zunächst einmal vielen Dank, dass du dir die Zeit für uns nimmst.

Rainer:
Aber gerne.

Thilo:
Was fasziniert dich an den ESQ-Synthesizern von Ensoniq?

Rainer:
Gute Frage, die ich jetzt so direkt gar nicht beantworten kann, da sie mich nicht mehr oder weniger faszinieren als meine anderen Maschinen, sie begleiten mich nur schon am längsten – und ich habe mich da gewissermaßen zwangsläufig, weil es ja von Ensoniq keine Schaltunterlagen gab, am tiefsten in die Hard- und Software gekniet.

Im Vergleich zu anderen Maschinen der damaligen Zeit (aber auch später) finde ich die flexible Synthese-Engine mit den vielfältigen Modulationsmöglichkeiten sehr schön gelöst. Schade, dass Ensoniq damals nicht an MIDI-Sync von LFOs und EGs gedacht hat, das wäre noch das Sahnehäubchen gewesen.

Was ich am ESQ1/SQ80 absolut vorbildlich finde, ist das Bedienkonzept: Man kann die Maschine komplett blind bedienen, nach nur kurzer Einarbeitung quasi komplett aus dem Muskelgedächtnis.

Thilo:
Welche Beziehung hast du zum ESQ-1 bzw. SQ88?

Rainer:
Der SQ80 war damals mein erster eigener Synthesizer und löste den C64 als bisherige „Musikplattform“ ab.

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Sonderzubehör, wie z.B. die von einem Dritthersteller vertriebene Einzelausgangserweiterung, war eingedenk des Anschaffungspreises des SQ80 damals nicht mehr drin und so dachte ich mir ein paar Jahre später, das baust du selbst.

Allerdings rechnete ich nicht damit, dass Ensoniq – anders als andere Hersteller – keine Schaltpläne herausgab. Somit habe ich dann zunächst einmal den Schaltplan herausgepiepst und ernüchtert festgestellt, dass das mit bauen alleine nicht getan war, sondern die Mitwirkung des OS benötigt.

Somit habe ich anschließend das Betriebssystem disassembliert und dokumentiert. Dass der DOC-Soundchip auch im Apple IIGS verwendet wurde, war dabei großes Glück, so hatte ich Pinout und Registerbelegung für diesen Chip, was das Reverse-Engineering doch deutlich vereinfacht hat.

Dieses Unterfangen ist jetzt knapp 25 Jahre her und hat ein gewisses Eigenleben entwickelt …

Ensoniq ESQ-1

Ensoniq ESQ-1 von 1986

Thilo:
Sind sich die beiden Synths wirklich so ähnlich? Ich konnte zumindest auch ESQ-1 Sysex-Dateien in das Arturia Plug-in laden.

Rainer:
ESQ1 und SQ80 sind tatsächlich nahezu baugleich und das Sysex-Format bzw. das Format der Soundprogramme in der Tat kompatibel.

Die wesentlichen Hardwareunterschiede sind die beim SQ80 werksmäßig verbauten 64 kB Sequencer-Speicher, zusätzliche 8 kB sogenanntes DOSRAM zur Bereitstellung der Track/Sektor-Puffer für die Diskettenoperationen, das Diskettenlaufwerk samt Interface und natürlich der erweiterte Wellenformspeicher.

Auch ist natürlich das Keyboard unterschiedlich: Wo der ESQ1 ein herkömmliches mechanisches, anschlagdynamisches Keyboard mitbringt, hat der SQ80 das induktiv funktionierende Polypressure-Keyboard.

Prinzipiell kann man einen ESQ1 mit vergleichsweise geringem Aufwand zu einem SQ80 aufrüsten. Dass man jedoch nicht so einfach ein SQ80-OS in den ESQ1 reinstecken kann, liegt – neben dem fehlenden DOSRAM, das auch für den Normalbetrieb zwingend benötigt wird als Hilfsdatenhalde – an den Unterschieden in den Keyboard-Prozessoren bzw. deren Ansteuerung und Protokoll.

Dieses Entwurfskonzept hat Ensoniq auch bei den späteren aus EPS und VFX abgeleiteten Maschinen beibehalten: Aufbauend auf einer Ursprungs-Hardware wurden die nachfolgenden Maschinen durch graduelle Erweiterung dieser Ur-Plattform fortentwickelt.

Das Arturia Plug-in SQ-80 V

Thilo:
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Arturia?

Rainer:
Zwar hatte ich Anfang des Jahres Kontakt mit dem Projektverantwortlichen bei Arturia, der auf Betreiben eines gemeinsamen Kontaktes zustande kam, aber ich selbst war nicht direkt in die Plug-in Entwicklung involviert.

Thilo:
Welche Rolle spielte dabei das Freeware-Plug-in SQ8L, das von Siegfried Kullmann programmiert wurde. Hatte er auch einen Anteil daran?

Rainer:
Der Bekanntheitsgrad von SQ8L spielte sicherlich eine Rolle. Zu diesem Plug-in bekomme ich heute noch Anfragen, wie es denn mit einer Weiterentwicklung aussieht. Allerdings muss ich da die Leute an den Programmierer Siegfried verweisen. Ich selbst habe zum SQ8L nicht mal den Sourcecode.

Sigi war hier allerdings nicht involviert. Aber, wer weiß, vielleicht motiviert ihn das Arturia Plug-in nun dazu, den damals begonnenen, aber leider nie vollendeten SQ8L-Nachfolger SQ8X zu Ende zu bringen.

Thilo:
Wenn du darüber reden kannst, wie genau sah dein Beitrag zu dem Arturia Plug-in aus?

Rainer:
Aktiv habe ich nicht an der Erstellung mitgewirkt; allerdings stand ich über die Entwicklungsphase in E-Mail-Austausch mit dem Programmierer.

Diesen kannte ich schon von einer früheren Kontaktaufnahme, denn er hat vor einiger Zeit ein SQ80 Plug-in auf Basis des Emulations-Frameworks MAME erstellt, darüber kamen wir dann in initialen Kontakt.

Im Zuge der aktuellen Arbeiten habe ich ihm den von mir erstellten Sourcecode des SQ80-OS zur Verfügung gestellt und wir haben uns zu Detailfragen bezüglich des Hardware- und OS-Verhaltens ausgetauscht.

Thilo:
Ist das deine erste Mitarbeit an einem kommerziellen Plug-in?

Rainer: Vor ca. 20 Jahren (ist das wirklich schon wieder so lange her?) habe ich dem Programmierer eines Musiksoftwarehauses bezüglich Reverse-Engineering von Formaten zur Seite gestanden, so dass die von ihm programmierte Software schließlich in der Lage war, Konkurrenzformate zu lesen.

Aber, wie auch beim SQ80 Plug-in, lief auch das gewissermaßen auf dem kleinen Dienstweg zwischen Programmierer und mir und war keine offizielle Mitarbeit.

Das Ensoniq Rack-Modell ESQ-M

Thilo:
Wie genau ist die Emulation nun? Wurde auch den AM- (bzw. DOC)-Bug gedacht?

Rainer:
Da ich das Plug-in in der Tat nicht kenne und abgesehen von Fachgesprächen mit dem Programmierer nicht in die Entwicklung involviert war, kann ich dazu keine fundierte Aussage treffen.

Allerdings gehe ich davon aus, dass die Modellierung hinreichend exakt ist. Nicht nur hat sich der Programmierer detailliert mit den Abläufen des Betriebssystems und bekanntes Verhalten der Hardware (wie etwa dem AM-Bug) befasst, sondern es stand auch als Referenz ein SQ80 bereit, der, soweit ich es mitbekommen habe, nach Strich und Faden vermessen und analysiert wurde.

Man hat dabei sogar an Dinge wie Nichtlinearitäten der DOC-internen D/A-Wandler gedacht — etwas was beim SQ8L ebenso wenig berücksichtigt wurde wie eine korrekte Modellierung der CEM3379-Charakteristik.

Effekte hat der SQ80 übrigens keine, seinerzeit wohl der größte Nachteil gegenüber dem D-50; der Fake-Reverb („2nd release“) ist ja eine reine Hüllkurvengeschichte.

Solide gebaut, der ESQ-1 und SQ-80

Thilo:
Würdest du deinen ESQ1/SQ88 jetzt verkaufen?

Rainer:
Weder meinen ESQ1 noch meine zwei SQ80.

Tatsächlich stehe ich total auf Hardware-Maschinen, idealerweise mit Klaviatur. Schon Modulsynthesizer und -sampler haben mich nie so begeistert, weil mir da der direkte Zugang des Ransetzens und Loslegens fehlt.

Thilo:
Rainer, vielen Dank für das Interview.

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Forum
  1. Profilbild
    dAS hEIKO AHU

    Ensoniq war schon immer besonders und anderst. Wohlwollendes Raunen in der Musikwelt verkaufte aber noch lange keine Geräte. Ich denke dass vieles nicht oder falsch verstanden wurde und die Synthesizer deutlich unterschätzt wurden. Dass Creative Labs anscheinend nur die Patente wollte und mit den technischen Unterlagen im Winter 1997 die Büroräume heitzte ist schade und findet heute kaum noch Erwähnung. Und E-Mu Systems erging es nur unwesentlich besser.

    Ensoniqs größter unternehmerischer Fehler war vermutlich, dass sie die Wavetables und deren Synthese nie Patentieren ließen und mit Creative Labs ausgerechnet ihre Nemesis den Begriff lange vor einer drohenden Übernahme verramschte indem sie schlicht ihre Samples so nannten.

    Dabei standen immer Gute Ideen im Fokus. Sei es, dass man lange LCDisplays mied, weil sie früher einfach schei…schlecht lesbar waren. Oder der Soundfinder™, weil man merkte, dass Speicherbänke weit jenseits der 64 oder 128 Plätze andere Lösungen verlangten. Bei meinem MR fand ich außerdem die Idee, einfach einen (ordentlichen!) Drumcomputer oder die „Blackboxfunktion“, die ständig mit aufzeichnete eine Große Hilfe als Ideensammler.

    So bleibt uns nur noch der Klang in Form einer Software übrig.

    • Profilbild
      toby67

      @dAS hEIKO Zumindest Wavetables kann man nicht patentieren, auch Gebrauchsmusterschutz oder ähnliche Register-Schutzrechte sind da weit entfernt. Allerdings könnten die Wavetables (sozusagen automatisch) in vielen Staaten durch das Urheberrecht geschützt sein. Die These bedarf aber der Verifizierung im EInzelfall :-)

  2. Profilbild
    Tai AHU

    Ich bewunderte deren Ansatz und Umsetzung z.B. beim EPS/ASR Sampler. Das reichte eine lausige 800kB Diskette, um ein hervorragend klingendes Instrument incl. der Sequenz abzuspeichern.

    Heute schreit die Gemeinde Nein!! wenn jemand in einem Forum fragt, ob 16 GB RAM reichen für‘s Musikmachen. 20.000 mal mehr, habe ich richtig gerechnet? Soviel besser sind die Sounds allerdings nicht

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