Class-A-Preamp mit Digital Recall-Funktion
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Kaum etwas ist aktuell mehr angesagt als eine gut bestückte Lunchbox. Die Möglichkeit, platzsparend alle wichtigen Outboard-Komponenten in einem Miniatur-Rack unterzubringen, das man mal eben ohne Rückenschmerzen von A nach B transportieren kann, ist für viele Tontechniker eine willkommene Sache. Ob nun die heißgeliebte Vocal-Chain, die Recording-Bestückung für das Live- oder Proberaum-Recording oder sogar als analoge Ergänzung zum Live-Equipment, die modularen Lunchboxen im API 500-Format bieten vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Ich wage sogar dreist zu behaupten, dass die Lunchbox wie ein Pedalboard für Tontechniker ist. Einzelne Komponenten sind schnell ausgetauscht und ein gut gefüllter Schrank an Modulen wappnet schließlich für jede Gelegenheit. Mit dem Wes Audio PHOEBE NG500 Preamp haben wir heute ein ganz besonderes Schmankerl im AMAZONA.de-Test.
Wes Audio
Wes Audio ist ein Hersteller hochwertiger Analogtechnik aus Polen. Gegründet wurde das Unternehmen 2010. Ziel des Unternehmens ist es, hochwertige Analogtechnik für den Einsatz in den modernen Produktionsumgebungen des digitalen Zeitalters zu entwickeln. Die komplette Entwicklung und Fertigung findet in Polen statt, worauf man bei Wes Audio besonders stolz ist. Einige Produkte sind an berühmte Klassiker angelehnt, andere wiederum komplette Eigenentwicklungen. Insbesondere die NG500-Reihe wartet mit einigen herausragenden Features auf. Zu dieser Reihe gehört auch der WesAudio PHOEBE NG500 dieses Tests.
Was ist der Wes Audio PHOEBE NG500?
Der PHOEBE NG500 ist ein moderner Mic/Line-Vorverstärker im API500-Format. Aufgebaut in Class-A-Bauweise, bietet er alles, was man sich von einem hochwertigen Preamp wünscht:
- komplett analoge Bauweise nach „britischem“ Vorbild
- hoher Gain mit bis zu 75 dB
- Ein- und Ausgangsübertrager von Carnhill
- Anzeige für Eingangs- und Ausgangspegel
- Phantomspeisung
- Polaritätsumkehr
- schaltbare Eingangsimpedanz von 1200 auf 300 Ohm
- passive Pegelreduzierung für den Ausgang bis zu 15 dB in 1 dB Schritten
- XLR- und Klinken-Combobuchse auf der Frontseite für Mikrofon-, Line- und Instrumentensignale
- WesAudio GCon DAW Plug-in zur Steuerung aller Parameter aus der DAW heraus
Der Preamp hat einen hohen analogen Headroom von bis zu +28 dBu. Die hohen Gain-Reserven machen ihn zur ersten Wahl für pegelschwache Mikrofone wie zum Beispiel Bändchenmikrofone oder das Shure SM7B.
Über das zugehöriges DAW-Plug-in lassen sich nicht nur alle Einstellungen speichern und später wieder aufrufen, sondern auch der Eingang vom hinteren Eingang der Lunchbox auf den vorderen Eingang umschalten. Die umschaltbare Eingangsimpedanz von 1.200 Ohm auf 300 Ohm macht den Preamp zum idealen Partner für Vintage-Mikrofone mit sehr niedriger Impedanz.
Praxis – Verarbeitung und Einbau des API500-Moduls
Der PHOEBE NG500 Preamp wird in einer schnöden Pappschachtel geliefert. Gut, mehr braucht es auch eigentlich nicht, denn das Modul wird sicherlich einmal ausgepackt, dann ins Rack gesteckt und dort fest verbaut werden. Andererseits liefert MIDAS bei seiner sehr viel günstigeren 500er Serie eine schicke Holzkiste mit.
Im Karton liegt außerdem ein USB-Kabel für den Anschluss an den Computer. Der USB-Port ist wie bei allen Modulen der NG500-Reihe vorne am Modul angebracht. Das ist zweckdienlich, wenn man nur ein Modul der Reihe besitzt und ein Rack eines Drittanbieters. Wenn man allerdings mehrere Wes Audio NG500-Module besitzt und das TITAN Recall Chassis, freut man sich über einen Ethernet- und zentralen USB-Anschluss für alle Module auf der Rückseite. Über den Ethernet-Port lassen sich alle Module im lokalen Netzwerk finden und fernsteuern. Doch dazu später mehr.
Für den Test stand mir eine Fredenstein Bento 6S Lunchbox aus der Redaktion zur Verfügung, die wir für den Test von API 500-Modulen nutzen. Während sich das von mir zuvor getestete MIDAS 522-Modul problemlos einsetzen und verschrauben ließ, gestaltete sich der Umbau mit den zwei PHOEBE Preamps kniffliger. Zwar konnte ich sie schnell einsetzen, aber die oberen Schrauben wollten einfach nicht gerade ins Gewinde des Racks. Mit viel Fummelei konnte ich das erste Modul schließlich verschrauben, beim zweiten Slot konnte nur die untere Schraube eingesetzt werden. Gleiches galt für das nun von den ersten in den dritten Slot versetzte MIDAS 522-Modul. Nun ist die Bento 6S Lunchbox kein Highend-Produkt, sodass ich nicht zweifelsfrei sagen kann, wer der Schuldige ist. Gesichert ist aber, dass sich das MIDAS-Produkt aus dem Test zuvor ohne Probleme festschrauben ließ.
Die Bedienungsanleitung zum Modul steht auf der Internetseite zum Download bereit. Dem Modul selbst liegt nur ein Prospekt aller Wes Audio-Produkte bei.
Inbetriebnahme des Moduls
Nach dem Einbau bietet es sich an, das GCon DAW Plug-in von der Wes Audio Internetseite herunterzuladen und zu installieren.
Das Plug-in ist ein digitales Abbild des analogen PHOEBE NG500 Preamps. Einziger Unterschied: Anstelle der LED-Kette für den Ausgangspegel besitzt das Plug-in ein VU-Meter. Der Ausgangspegel stellt sich an einem VU-Meter nun etwas anders dar.
Zeigt das VU-Meter einen Pegel von +3 (Vollanschlag), beträgt der Ausgangspegel +24 dBu, die dementsprechend auch auf der LED-Kette der Hardware angezeigt werden. Auch die Clip-LED leuchtet dann auf.
Ansonsten spiegelt das Plug-in ziemlich genau das wider, was an der Hardware zu sehen ist: den Status des Mic-/Line-Schalters, der +48 V Phantomspeisung, der Polaritätsumkehr, der Eingangsimpedanz, die eingestellte Verstärkung, die Abschwächung des Ausgangspegels und welcher Eingang (Vorderseite, Rückseite) gerade aktiv ist. Alle Einstellungen lassen sich selbstverständlich speichern.
Stereobetrieb mit zwei Wes Audio Modulen
Der Wes Audio PHOEBE ist zunächst einmal ein Monomodul. Aber: Wenn man zwei Module besitzt, lassen sich diese auf einfache Art und Weise zu einem Stereomodul verkoppeln. Möglich wird das zum Beispiel über die USB-Verbindung zum Computer und das Plug-in, das nämlich auch in einer Stereoversion existiert.
Um eine Stereoverbindung herzustellen, müssen beide Module per USB mit dem Computer verbunden sein. Besitzt man kein TITAN Recall Rack, bei dem nur eine einzelne USB-Verbindung des Racks zum Computers ausreicht, müssen zwei USB-Kabel angeschlossen werden. Jedes Wes Audio Modul muss also separat mit dem Computer verbunden werden. Bei zwei Modulen kein großes Problem, bei mehr als zwei Modulen dürften die USB-Anschlüsse am Rechner knapp werden. Besitzt man kein TITAN Recall Rack, ist also ein USB-Hub erforderlich. Es gibt also einige gute Gründe, die für das TITAN Rack sprechen.
Sind Plug-in und Modul per USB verbunden, folgen von nun an alle Bedienelemente brav den Einstellungen des Plug-ins und umgekehrt das Plug-in den Einstellungen, die am Preamp vorgenommen werden. Das alles geschieht in Echtzeit.
Total Recall
Durch die Plug-in Anbindung lassen sich nicht nur alle Einstellungen innerhalb der DAW vornehmen, sondern auch speichern. Die Wes Audio Module erlauben es also, trotz ihres analogen Aufbaus alle Einstellungen zu speichern und zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu laden. Das mag auf dem ersten Blick nicht spektakulär erscheinen, aber für viele Anwendungsbereiche macht das Sinn:
- Einstellungen für verschiedene Mikrofone
- Einstellungen für verschiedene Sänger/Instrumente
- Tracking über mehrere Tage mit wechselnden Besetzungen
- Overdubs
Dies sind nur einige Beispiele für den Nutzen, den das Speichern von Preamp-Einstellungen hat. Hat man verschiedene Mikrofon am Start, lassen sich schnell Grundeinstellungen wieder aufrufen, wie die Phantomspeisung, Impedanz, Gain und so weiter. Wenn man einen festen Kundenstamm hat und unterschiedliche Sänger, die aber immer das gleiche Mikrofon verwenden, lassen sich auch für diese jeweils eigene Presets im Plug-in speichern und dann auf die Hardware übertragen.
Dauert das Tracking eines Albums mehrere Tage und wird unterbrochen, zum Beispiel durch das Recording einer anderen Band, ist der Wechsel zwischen Einstellungen schnell möglich. Auch später erforderliche Overdubs oder Korrekturen werden einfacher, wenn man die Einstellung, die beim Main-Recording genutzt wurde, wieder aufrufen kann. Es gibt noch viele weitere Einsatzbereiche, zum Beispiel auch bei der Nutzung mehrerer Preamps als Live-Rack oder für das Live-Recording einer Band an unterschiedlichen Tagen.

Das Plug-in für die DAW ermöglicht nicht nur das Abspeichern und Fernbedienen aller Parameter, sondern auch den Stereobetrieb mit zwei Preamps
Wie klingt der Wes Audio Phoebe?
Einen Preamp im Klang zu beurteilen, ist immer äußerst schwer. Natürlich gibt es klangliche Unterschiede, allerdings sind diese oftmals sehr subtil und werden nicht immer von jedem Hörer gleich empfunden.


Für mich persönlich steht deshalb immer beim Klang im Vordergrund, dass dieser so gut es geht frei von Nebengeräuschen ist. Der Klang eines Mikrofons oder Instruments sollte außerdem immer unverfälscht wiedergegeben werden – und das über einen weiten Gain-Bereich. Gerade bei diesen Punkten „versagen“ viele günstige Preamps. Bei höherer Verstärkung rauscht es dann übermäßig und der Klang verändert sich auch deutlich. Das erschwert dann die weitere Bearbeitung des Signals.
In dieser Hinsicht ist der WesAudio PHOEBE Preamp absolut unauffällig.
Ich finde der beste Test, ob ein Preamp gut klingt, ist mit einem Shure SM7B.
Wenn das Mikro damit wirklich gut klingt, ists ein super Preamp. Wenn es fad oder „2-Dimensional“ klingt, ist er nicht besser als die meisten Preamps von Audio-Interfaces.
@tenderboy Oder SM58 oder SM57, wobei das SM7B durch den größeren Abstand der Kapsel etwas mehr Gain benötigt als die beiden anderen Vertreter mit der identischen Kapsel. In der Regel habe ich immer eines der beiden Mikros zur Hand und teste damit.