Mystische Klänge im API 500 Format
Inhaltsverzeichnis
Der Tegeler MythEQ500 ist das zweite Modell der Berliner Studioschmiede Tegeler Audio Manufaktur nach dem formidablen Audio Vocal Leveler 500 Kompressor, den der Kollege Chris Pfeil im Juni 2021 sehr positiv getestet hat. Der MythEQ 500 wurde als klangliches Gegengewicht zum Tegeler EQP-1 Röhrenequalizer konzipiert und soll tendenziell cleaner arbeiten, aber dabei bei Bedarf auch bissig klingen. Ein sehr großer Spagat, den sich die Berliner vorgenommen haben, denn der EQP-1 ist ein echter Charaktertyp mit einem klassischem Röhrensound und hohem Verzerrungsanteil. Ob das gelungen ist, schauen wir uns im Folgenden an.
Das API 500 Format
Vor dem eigentlichen Test ein kurzer Diskurs zum Thema 500er Rack. Ende der 60er-Jahre hatte die US Firma Automated Processes, Inc. (kurz: API) die Idee, Equalizer als sogenannte „Cartridges“ für spezielle Mischpulte zu fertigen. So sollte ein modularer Aufbau möglich sein. API baute aufgrund des Erfolges seine Produktpalette der API Kassetten aus und so entstanden weitere Equalizer und Kompressoren. Der Vorteil des kompakten Formfaktors lag auf der Hand und so wurde ein portabler Frame, die sogenannte Lunchbox, entwickelt, mit der man die Module (bis zu 6 Stück) schnell an den gewünschten Ort transportieren konnte.
Schließlich öffnete man den Standard für Drittanbieter und so begann der Erfolg des 500er Rack-Formats richtig aufzublühen. Heute sind die kompakten Cartridges in vielen Studios sehr beliebt, denn meist bieten die Kassetten die Technik der „großen“ 19 Zoll Modelle auf engstem Raum. Mit einer guten Lunchbox versehen hat man mit einem API Set ein echtes Channelstrip- und Effekt-Powerhouse und bekannte Hersteller, wie SSL, Rupert Neve Designs und SPL bieten eine Reihe sehr hochwertiger 500er Module an.
In meinem Test habe ich als Lunchbox die Fredenstein Bento 6S zur Verfügung mit flexiblem Audiorouting und intelligenter Spannungsverteilung.
Die Ausstattung des Tegeler MythEQ 500
Aufgrund der sehr spacigen Lackierung macht der MythEQ 500 schon einiges her. Das „Galaxy Design“ der Frontplatte ist interessant und bietet die Basis für acht recht lange und griffige Regler und einen Bypass-Schalter.
Der 4-Band-Equalizer arbeitet mit Shelving-Filter (Kuhschwanz) bei niedrigen und hohen Frequenzen und mit Glockenfiltern in den unteren und oberen Mitten. Jeweils zwei Regler gehören zu einem Frequenzband und damit wird die Frequenz und der Pegel eingestellt. Hier die Parameter:
• Höhenband-Kuhschwanzfilter: 3 kHz, 3,3 kHz, 3,7 kHz, 5,5 kHz, 8,5 kHz, 10 kHz
• obere Mitten Glockenfilter: 1 kHz, 1,5 kHz, 2,5 kHz, 4,5 kHz, 12 kHz, 16 kHz
• untere Mitten Glockenfilter: 80 Hz, 120 Hz, 190 Hz, 330 Hz, 900 Hz, 1,3 kHz
• Tiefenband-Kuhschwanzfilter: 50 Hz, 55 Hz, 65 Hz, 100 Hz, 300 Hz, 450 Hz
• maximale Anhebung/Absenkung: 15 dB
Die Regler haben keine Rasterung und auch die Filtergüte (Q-Faktor) ist nicht variabel. Die technischen Daten lesen sich sehr gut:
• Frequenzgang: 20 Hz – 40 kHz
• maximaler Eingangspegel: +20 dBu
• Eingangsimpedanz: =2,4 kO
• Ausgangsimpedanz: <600 O
• maximaler Ausgangspegel: +21 dBu
• Dynamikbereich: =100 dB
• Versorgungsspannung: +/- 16 V
• maximaler Stromverbrauch: 80 mA
• Gewicht: 540 g
Anders als der Röhren-Equalizer EQP-1, arbeitet der MythEQ 500 ganz klassisch mit Transistoren und – als besondere Spezialität – mit einem intern bei Tegeler entwickelten Übertrager. Hier handelt es sich genaugenommen um eine aktive und bewusste Färbung des Klanges, denn ein Übertrager hat immer einen Effekt auf den Klang. Inwiefern sich das in der Praxis auswirkt, dazu später mehr.
Tegeler MythEQ 500: In der Praxis
Der Tegeler MythEQ 500 ist als Mono-Equalizer ausgeführt und belegt nur einen 500er Steckplatz. Die Bauteile sind dabei durch zwei Deckplatten geschützt und somit ist es auch ausgeschlossen, die Elektronik beim Ein- und Ausstecken zu beschädigen. Die Regler laufen sehr sämig und so handelt es sich insgesamt um ein sehr hochwertiges Stück Technik, welches die Berliner Audiomanufaktur hier präsentiert.
Natürlich darf man „Tegeler“ nicht erwähnen, ohne ein Wort über die Verpackung zu verlieren. Auch der MythEQ 500 kommt in einer wunderschönen Holzkiste, mit Stroh gefüllt und verkleideten Innenwänden. Eine klassische Bedienungsanleitung ist nicht vorhanden, aber ehrlich: Was kann man denn hier falsch machen: in die Lunchbox einstecken, festschrauben, einschalten, fertig. Über Input und Output verkabelt kann man den 500er EQ im AUX-Bus oder im Insert verwenden
Schade: Es gibt leider keine LED, welche die Betriebsbereitschaft des Moduls anzeigt. Somit braucht es immer einen „Testdreh“ an einem Pegel-Regler, um zu hören, dass der MythEQ 500 in Betrieb ist. Diese Regler haben eine Mikro-Rasterung, was ich ganz angenehm finde. So kann man minimale Änderungen gut einstellen. Allerdings ist die Rasterung für einen echten Recall zu klein. Selbst mit einem Foto wird man nachher nicht die exakte Position wiederfinden.
Wie erwähnt, sind die Regler recht lang und erleichtern einem so die Bedienung, aber trotzdem liegen sie systembedingt nah beieinander und mit den entsprechenden Wurstfingern kann es schon eng werden. Wer das nicht mag, der sollte sich aber generell vom 500er System fernhalten.
Ein anderes Thema ist die Kollaboration mit anderen Modulen. Die weit herausstehenden Potis können beispielsweise die Bedienung der Nachbarmodule erschweren. Aber auch dies ist ein systembedingtes Thema. Hauptsache, es kommt nicht zu einem Wettrüsten der Modulhersteller, dass die Bedienelemente immer weiter herausstehen.
Wie klingt der Tegeler Audio MythEQ 500?
In meinem Setup kann ich den Tegeler MythEQ 500 mit meinem Elysia xfilter vergleichen, der als 500er Modul in einem vergleichbaren Preisbereich ist (Tegeler: € 699,-, Elysia: € 785,-). Der Elysia hat ein paar zusätzliche Funktionen und benötigt auch zwei Steckplätze in der Lunchbox, was den Aufpreis rechtfertigt.
Klanglich könnten die beiden Geräte kaum weiter auseinanderliegen. Man kann den xfilter zwar per „Passive Massage“ Funktion eine gewisse Färbung geben, aber das ist meilenweit von dem speziellen Charakter des Tegeler entfernt. Selbst wenn an alle Regler in der Neutral-Position belässt, dann merkt man schon beim puren Durchlaufen des Signals durch den MythEQ eine deutliche Veränderung.
Verglichen mit dem Elysia, fügt der Tegeler immer eine ganze Schippe Obertöne hinzu, was dem Klang eine helle, manchmal auch leicht blecherne Charakteristik verleiht. Wo der Elysia „einfach nur“ seinen Job tut und wie ein Gehirn-Chirurg in absoluter Präzision arbeitet, kommt mir der Tegeler im Vergleich eher wie ein Holzkünstler mit Kettensäge vor, was durchaus seinen Reiz hat. Jedes Frequenzband wird unmissverständlich bearbeitet – das fühlt sich nicht subtil oder fein an – schon ein geringer Dreh am Frequenz- oder Pegelregler macht klar: Hier wird gearbeitet. Und eines ist klar: Das macht eine Menge Spaß. Kann ich den xfilter im Notfall auch als Mastering-Equalizer verwenden, geht beim Tegeler die Marschrichtung klar in Richtung Bus-EQ – etwas anderes hat der Hersteller auch gar nicht behauptet.
Ich zitiere gern die Texte auf der Tegeler Produktseite:
„Deiner Gesangsspur fehlt noch etwas die Sonne? Kein Problem, dreh das obere Kuhschwanzfilter auf 10kHz und booste bis der Vocal die Sonne aus dem Arsch scheint.“
„Deiner Kick fehlt der Bums? Nimm den Bandpassfilter, stell ihn auf 80Hz und booste bis der Nachbar klopft.“
„Deine Snare ist für taube 2kHz-HipHoper nicht laut genug? Nimm das obere Bandpassfilter, stell ihn auf die richtige Frequenz und booste bis auch jeder in der letzten Reihe wieder etwas hört.“
Hier wird schnell klar: Der MythEQ ist nichts für zurückhaltende Gemüter. Dabei ist interessant, dass er innerhalb seiner Rauheit sehr akkurat arbeitet. Selbst bei starker Überlappung der Filter (zwischen 200 Hz und 10 kHz) verschmiert nichts und es gibt auch keine unangenehmen Effekte, wie Auslöschungen oder Resonanzen. Die Rauheit des Tegeler beschränkt sich auf das jeweilige Frequenzband – eine matschige Frequenzsuppe ist definitiv nicht zu befürchten.
Im Folgenden zwei Klangbeispiele: Zunächst habe ich die Wirkweise der Frequenzbänder anhand meiner Stimme erklärt. Dabei habe ich bei den vier Frequenzbändern den jeweiligen Pegel bis auf 12 dB erhöht, was eine ganze Menge ist. Auch bei diesem recht extremen Test wird deutlich, dass der Myth eine sehr klare Aussprache hat – auch wenn es mal in die Extreme geht:
Im zweiten Beispiel habe ich ein paar Gitarrenakkorde gespielt: Einmal ohne Equalizer und einmal mit aktiviertem Tegeler. Plötzlich bekommt die Fender Newporter viel mehr Durchsetzungskraft und Luft:
Conclusio
Auf der einen Seite haben wir die Tegeler Audiomanufaktur, die mit sehr feinen und edlen Geräten den Markt bereichern und immer einen Hauch Noblesse versprühen und dann haben wir den MythEQ 500, der so ganz und gar nicht zurückhaltend operiert. Für mich ist das ein sehr reizvoller Kontrast, der den API500 Equalizer zu einem spannenden Neuzugang in der 500er Welt macht.
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Hallo Jörg,
„In meinem Setup kann ich den Tegeler MythEQ 500 mit meinem Elysia xfilter vergleichen, der als 500er Modul in einem vergleichbaren Preisbereich ist (Tegeler: € 699,-, Elysia: € 785,-). Der Elysia hat ein paar zusätzliche Funktionen und benötigt auch zwei Steckplätze in der Lunchbox, was den Aufpreis rechtfertigt.“
Der Elysia ist ein Stereo Modul, nimmt deswegen derart viel Platz weg und klingt sauber und einfach nur gut. Der Tegeler ist ein Mono-Modul, daher preislich keinesfalls vergleichbar. Und meines Erachtens erreicht er die Elysia Qualität nicht. Der eigene Stempel, den Tegeler aufdrückt klingt für mich nicht sonderlich wertig. Aber das soll jeder für sich selbst entscheiden. Auf jeden Fall in meinen Augen vollkommen überteuert.
„Mit einer charakteristischen Färbung und einem klar definierten Einsatzbereich als Bus-Equalizer überzeugt mich das 500er Modul mit Charakter, Rauheit und Durchsetzungskraft, ohne die klassischen Werte eines Equalizers aus den Augen zu verlieren.“
Seit wann ist ein Bus Mono? Oder hattest du zwei EQs im Einsatz?!?? Auf deinen Fotos ist nur einer zu sehen.
Man könnte das Stereo Signal vorher in der DAW in links und rechts aufsplitten, dann jeweils durch das Modul jagen und dann wieder zu einer Stereosumme zusammenführen. Es gibt ja eine Menge Geräte, die so teuer sind, dass man sich vorher genau überlegen würde, ob man wirklich 2 davon kaufen will, weil die nur mono ausgelegt sind.
Vielen Dank für den Bericht und die Hörbeispiele.
Als ich von einem 500er EQ von Tegeler hörte, wurde ich auch gleich mal aufmerksam.
Die weit herausragenden Regler gefallen mir persönlich leider garnicht.
Vom Klang bin ich auch nicht 100% überzeugt. Ich glaube, mein nächster 500er EQ wird dann doch ein anderer werden. Vielleicht ein 550a oder b. Oder mal schauen, wie der Api EQ aus der Select-Linie klingt.
In der Zwischenzeit bin ich noch immer voll überzeugt von meinem Kush Electra 500. Bester Mono-EQ in dieser Preislage meiner Meinung nach.
Auch ein schöner EQ ist der Fredenstein F603B. Sehr sanfte Höhen und insgesamt sehr weich. Bissl fummelig ist die Auswahl der Frequenzen durch Kippschalter.