Kanalkompressor der SL 4000 Konsole
Inhaltsverzeichnis
Der SSL 611 E-Dyn ist ein API500 Dynamikmodul, das den Kompressor, das Gate und den Expander der SL 4000 E Kanalzüge nachbildet.
Anfang der 80er-Jahre galten die Mischpulte von SSL unter anderem wegen ihrer hohen Flexibilität als äußerst innovativ. Dank Total Recall, vielseitigen Routing-Optionen und üppig ausgestatteten Kanälen, beschleunigten und erleichterten sich viele mühselige Vorgänge im Studioalltag.
Dabei half auch die Dynamik-Sektion der einzelnen Kanäle, deren umfangreiche Ausstattung einem praktischen Multifunktions-Tool für unterschiedlichste Anwendungen entsprach.
SSL 611 Dynamikmodul auf den ersten Blick
Die aktuelle MK2 Neuauflage des 611 E-Dyn lässt SSL seit einigen Jahren in China fertigen, wobei laut Herstellerangaben die Entwicklung sämtlicher Geräte immer noch in England erfolgt. Rundum betrachtet macht das unverkapselte Modul samt SMD-Platine erst mal einen guten Eindruck und wirkt ordentlich verarbeitet. Gemäß dem von API im Jahre 1969 eingeführten Format, hat es eine Höhe von 3 HE und benötigt einen freien Slot in einem entsprechenden Rack mit Standardnetzteil.
Auf dem soliden, grauen Frontpaneel aus Metall sind sämtliche Bedienelemente in Form von sechs freilaufenden Potentiometern und Drucktastern untergebracht, die sich wie folgt gliedern:
In der oberen Hälfte befindet sich die Kompressor- und Limiter-Sektion und in der Mitte die übergeordnete Bypass-Schaltung für alle Komponenten. Direkt daneben liegen zwei einfache, grob gerasterte LED-Anzeigen. Die rechte signalisiert die Pegelreduktion des Kompressors in Gelb und die linke das Regelverhalten des Gates und Expanders in Grün.
Passend dazu haben die Kappen der Potentiometer des Gates und Expanders, die auf der unteren Hälfte der Benutzeroberfläche platziert sind, grüne Enden.
Zusammen mit dem erst vor Kurzem getesteten 611 E-EQ ergibt dieses VCA-Dynamikmodul fast einen vollständigen SSL Channelstrip, natürlich ohne Fader, Routing oder Hoch- und Tiepassfilter.
Der Kompressor/Limiter des SSL 611 E-Dyn API500 Dynamikmoduls
Wer schon mal mit einem der verschiedenen DBX 160 VCA-Kompressoren gearbeitet hat, wird mit dem 611 E-Dyn schnell zurechtkommen. Die Ähnlichkeit ist auch nicht verwunderlich, da SSL für die ersten Revisionen seiner Kanalzüge sogar noch die VCA-Chips von DBX verwendete.
Auch wenn die Klangregelung recht überschaubar wirkt, bietet sie doch einige Möglichkeiten:
Der Regelbereich der Ratio reicht von 1:1 (in dieser Position befindet sich der Kompressor im Bypass-Modus) bis hinzu 1:∞ für den Gebrauch als Limiter, wobei der Threshold zwischen +10 und -20 dB greift.
Als Attack-Zeiten stehen zwei festgelegte Presets mit 3 oder 30 mS zur Auswahl, während Release eine Spanne von 0,1 bis 4 Sekunden hat. Zusätzlich kann ihr Regelverhalten linear oder logarithmisch ausgerichtet werden. Auch die Kennlinie bietet zwei verschiedene Charaktere, Hard- und Soft-Knee, wobei SSL den Letztgenannten sogar im Sprachgebrauch von DBX als Over-Easy-Modus bezeichnet.
SSL 611 E-Dyn API500 Dynamikmodul – Gate und Expander
Das Gate und der Expander bilden eine eigenständige Sektion, von der sich wahlweise eine Komponente gleichzeitig mit dem Kompressor nutzen lässt.
Die Ratio beträgt im Gate-Modus 20:1 und bei der Verwendung des Expanders 2:1. Mit dem Range-Regler wird die Tiefe des Effektes von maximal 40 dB eingestellt. Per Threshold kann man entweder die Schwelle für das Öffnen des Gates oder den Grenzwert zur Reduktion der leiseren Pegel des Downward-Expanders bestimmen.
Das Release-Verhalten ist identisch mit dem des Kompressors, wohingegen die Attack-Zeit mit optional 100 µs oder 1,5 mS deutlich schneller ausfällt.
In der Praxis
Wie so oft bei unverkapselten Modulen, bedarf es etwas Fingerspitzengefühl beim Einsetzen der Karte in ein 500er-Rack.
Anschließend gestaltet sich die Bedienung recht passabel: Alle Regler sitzen fest und erzeugen beim Drehen einen gesunden Widerstand. Wie schon bei dem 611 E-EQ, fallen aber leider sämtliche Drucktaster etwas wackelig aus und haben viel Spiel zu den Seiten. Ursächlich sind dafür auch hier die weichen Kunststoffstreben, die den Tastenbefehl zur Platine weiterleiten.
Bei der Bearbeitung von Audiosignalen liefert der 611 E-Dyn den klassischen SSL-Sound, der sich insbesondere bei der Verwendung des Gates und Expanders überaus nüchtern und zweckgemäß zeigt – was bei dieser Art von Dynamikprozessoren natürlich sehr wünschenswert ist. Dank einer automatischen, variablen Angleichung des Threshold-Wertes werden zudem flimmernde und zittrige Ergebnisse, die gerade mit einem Gate entstehen können, äußerst gelungen verhindert.
Etwas spannender und eigenwilliger ist hingegen der Kompressor. Auch er hat einen sauberen und transparenten Klang, der – wie für eine VCA-Schaltung üblich – stets sehr druckvoll und mit viel Punch in Erscheinung tritt. Mit ihm lassen sich zwar schnörkellos und funktional durchaus unterschiedlichste Signale bändigen, für filigranere Einsätze oder Klangveredelungen eignet er sich allerdings nicht so gut. Gerade bei Drums und Percussion, deren Transienten hervorgehoben werden sollen, blüht dieser VCA-Kompressor regelrecht auf. Dabei darf er auch ruhig etwas kräftiger zugreifen, wodurch das charakteristische und so oft gehörte VCA-Poppen entsteht.
Da der 611 E-Dyn keinen Regler für das Makeup-Gain besitzt, zeigt er unverblümt, was ein Kompressor nun mal macht: Er verringert die Spitzenwerte und somit die Gesamtlautstärke. Eigentlich soll der E-Dyn laut Bedienungsanleitung über eine Autogain-Funktion verfügen, die aber leider in der Praxis nicht wirklich zu hören ist.
Gerade bei kräftigeren Einsätzen entsteht daher das Problem, dass beim Vergleich des unbearbeiteten und komprimierten Signals, das Letztere immer viel zu leise ertönt.
Das lädt kurzzeitig zum Schmunzeln ein, da hiermit einer zu lauten Aufholverstärkung – dem häufigsten Anwendungsfehler beim Einstellen eines Kompressors – drastisch entgegen gewirkt wird. Leider ändert es aber nichts daran, dass letztendlich die fehlende Anpassungsmöglichkeit beim Arbeiten enorm stört.
Zwar lässt sich, sowohl mit einer DAW als auch in einer rein analogen Bearbeitungskette, dieses Problem mit einem entsprechenden Routing kompensieren, dennoch ist es in beiden Fällen deutlich aufwendiger als einfach nur einen Regler anzugleichen.
Neben einer fehlenden Link-Option für Stereoanwendungen mit einem zweiten Modul, wäre
auch ein Sidechain-Filter oder zumindest ein Sidechain-Eingang wünschenswert. Natürlich ist das konzeptbedingt leider mit den meisten 500er Rocks nicht umsetzbar.
Klangbeispiele
Alle Audiofiles sind wieder wahlweise im WAVE-Format (44,1 kHz, 24 Bit) oder als MP3 (320 kBit/s) aufrufbar.
Vocal
Bei dem ersten Beispiel handelt es sich um eine Gesangsspur von Mani Mathia, die mit einem Neumann U87 und dem IGS Audio NE573 aufgenommen wurde. Die Nachbearbeitung erfolgte mit dem SSL E-EQ im Brown-Knob-Modus:
Grundsätzlich erfüllt der Kompressor bei diesem Beispiel nüchtern und funktional seine Aufgabe. Er veredelt und verschönert nichts, sondern verringert einfach nur die Dynamik des Gesangs. Bei einem Rock-Vocal wäre das zackige Ansprechverhalten wahrscheinlich stilistisch etwas passender, ebenso wie die kräftiger betonten oberen Mittenfrequenzen.
Das Ergebnis ist einmal im Soft- und Hard-Knee-Modus zu hören:
Einstellung Kompressor:
1 – Ratio: ca: 4:1, Soft-Knee, slow Attack, log. Release, ca. 0,4 Sek., max. GR: 6 dB, durchschnittliche GR 3: dB
2 – Ratio: ca: 4:1, Hard-Knee, slow Attack, log. Release, ca. 0,4 Sek., max. GR: 6 dB, durchschnittliche GR 3: dB
Snare-Drum
Weiter geht es mit einem Snare-Track, den Christoph Eggener für den Test des UnderToneAudio MPDI-4 eingespielt hat. Auch diese Aufnahme wurde mit dem SSL 611 E-EQ im Black-Knob-Modus nachbearbeitet.
Anhand der Snare soll der 611 E-Dyn seine berühmten, poppenden Transienten demonstrieren – eine Art der Drum-Kompression, die man schon in unzähligen Studioproduktionen gehört hat. Das Beispiel wurde sowohl mit logarithmischer als auch linearer Release aufgenommen:
Bei den nächsten beiden Beispielen verringert einmal der Expander die Lautstärke der leiseren Ghostnotes, anschließend blendet das Gate sie vollständig aus:
Einstellungen:
1 – SD Comp. 1: Ratio 8:1, Soft-Knee, Fast Attack, log. Release: 0,15 Sek., max. GR.: 10 dB, durchschnittliche GR: 6 dB
2- SD Comp. 2: Ratio 8:1, Soft-Knee, Fast Attack, lin. Release: 0,15 Sek., max. GR.: 10 dB, durchschnittliche GR: 6 dB
3 – SD Expander: Fast Attack, Threshold: ca. -10 dB, Release: ca. 0,2 Sek., Range: 35 (3 Uhr)
4 – SD Gate: Fast Attack, Threshhold: ca. +3 dB, Release: ca. 0,15 Sek., Range: 30 (2 Uhr)

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Bass
Als letztes Beispiel soll noch eine E-Bass DI-Aufnahme mit dem 611 E-Dyn bearbeitet werden. Auch hier zeigt sich der Kompressor recht nüchtern, die Transienten springen etwas mehr hervor und der Tiefbassanteil ist natürlich auf Grund des fehlenden Sidechain-Filters etwas geringer. Dennoch ist das Ergebnis zweckgemäß und brauchbar:
Einstellung Kompressor:
1 – Ratio: ca: 5:1, Hard-Knee, fast Attack, log. Release, ca. 0,8 Sek., max. GR: 6 dB, durchschnittliche GR 3: dB
Infos zu den Klangbeispielen
Vocal:
Sänger: Mani Mathia
Mikrofon: Neumann U87
Preamp: IGS Audio NE573
Snare-Drum:
Schlagzeuger: Christoph Eggener
Snare: Sonor Special Edition
Mikrofon: Shure SM 57
Preamp: UnderToneAudio MPDI-4
Bass:
E-Bass: Bogart 5-String Custom
Preamp: Rupert Neve Designs Shelford Channel
500er-Rack: Fredenstein 6S
Audiointerface: RME Fireface 800, Lucid 88192
DAW: Logic Pro
Die Klangbeispiele sind unbearbeitet, nur die Lautstärken wurden angepasst.