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Test: Chandler Limited RS660, Kompressor

Zurück in die Zukunft

18. September 2023

test des röhrenkompressors chandler limites rs660

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Der RS660 Kompressor von Chandler Limited im Test bei AMAZONA.de. Chandler Limited sind eine feste Größe im High-End-Studiomarkt und bekannt dafür analoge Klangprozessoren und Mikrofone mit höchster Fertigungs- und Klangqualität zu produzieren – zu ebenso hohen Verkaufspreisen. Vor allem der goldenen Analog-Ära ab Mitte der 1960er-Jahre haben sich die Amerikaner um Gründer und Chefdesigner Wade Goeke verschrieben und produzieren verbesserte und an den heutigen Stand der Technik angepasste Neuauflagen alter Geräte sowie Eigenkreationen auf der Basis alter Schaltungsdesigns.

Dabei arbeiteten sie im Rahmen der Abbey Road Series auch mit den Abbey Road Studios/EMI zusammen, um legendäre Studioklassiker wie den Zener Limiter oder den Curve Bender neu auf den Markt zu bringen. Nun war es wieder an der Zeit, einen alten Klassiker neu aufleben zu lassen, natürlich mit offizieller Genehmigung der Abbey Road Studios und EMI.

Die Vorgeschichte des RS660: Fairchild 660

Der Chandler RS660 ist ein direkter Nachfahre des legendären Fairchild 660 Röhren-Limiters, der vor allem für den Sound der Beatles (Revolver, Sgt. Pepper) aber auch für viele andere Bands und Produktionen aus der goldenen Analog-Zeit stilprägend war. Aber auch in neueren Produktionen wird der Röhrenklassiker gern eingesetzt, z. B. in „Rehab“ von Amy Winehouse sowie „Hello“ von Adele.

Charakteristisch für das Fairchild-Design ist die Push/Pull-Verstärkerstufe mit sehr hoher Kontrollspannung, die für sehr geringe Rausch- und Verzerrungswerte sorgt, was bei Röhrengeräten zur damaligen Zeit nicht selbstverständlich war. Auch die sehr niedrige, minimale Attack-Zeit im Limiter-Modus von nur 0,1 ms und die variable, Programm-abhängige Release-Zeit waren zur Zeit der Veröffentlichung ein Novum und sind auch heute nicht gerade selbstverständlich.

Abbey Road Techniker an der REDD-Konsole mit zwei RS124 an seiner Seite

Kommen wir nun vom Fairchild 660 zum Chandler RS660. Der RS660 stellt eine moderne Mischung des Fairchild 660 und des EMI RS124 dar, daher auch das RS im Namen. Der RS124 wurde 1960 von Abbey Road Technikern auf der Basis des Altec 436B konzipiert und ab 1964 parallel zum Fairchild 660 auf den Bussen der EMI REDD-Konsole eingesetzt, womit er ebenso klangprägend für die Beatles-Produktionen aus der Zeit war.

Vom RS124 hat der Chandler RS660 beispielsweise das Balance-Feature geerbt, auf das wir noch zu sprechen kommen. Beiden gemein ist ihre Funktionsweise als Vari-Mu-Kompressoren. Dabei wird die Pegelreduktion durch das kontinuierliche Ändern der Vorspannung einer Vakuumröhre erreicht. Die Vorspannung und damit der Verstärkungsfaktor der Röhre wird dabei über den Sidechain gesteuert. Das heißt, bei einem Vari-Mu-Kompressor erfolgt die Pegelreduktion direkt in der Vakuumröhre, was ihm seinen unverwechselbaren Klangcharakter verleiht.

Aufbau und Funktion des Chandler Limited RS660

Frontseite des Chandler RS660

Der Chandler RS660 kommt im massiven Metallgehäuse daher und nimmt im 19 Zoll Rack zwei Höheneinheiten an Platz ein. Die Ein- und Ausgänge liegen auf der Rückseite als XLR-Verbindungen vor. Für den XLR-Ausgang lässt sich per Kippschalter die Impedanz wahlweise auf 600 Ohm (aktueller Studiostandard) und auf 200 Ohm (historischer Abbey Road-Standard) einstellen. Auf der Rückseite befinden sich auch die Kaltgerätebuchse, der Link-Eingang im 6,3 mm Monoklinkenformat zur Stereokopplung zweier RS660 sowie der Zugang zur Sicherung.

Rückseite des Chandler RS660

Rückseite des Chandler RS660

Der Chandler RS660 kommt wie seine historischen Vorbilder mit relativ wenigen Reglern aus. Die Stärke der Kompression wird über den Input-Regler eingestellt, die Ausgangslautstärke über den Output-Regler. Die Ein- und Ausgänge sind dabei jeweils Übertrager-gekoppelt. Für eine Extra-Gebühr kann der RS660 auch mit gerasterten Ein- und Ausgangsreglern ausgestattet werden.

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Innenleben des RS660

Das Innenleben des RS660 ist übersichtlicher als es das Äußere vermuten lässt

Ein Blick ins Innere des Chandler RS660 offenbart ein sehr aufgeräumtes Bild mit relativ wenigen Bauteilen. Doch die Besonderheiten stecken im Detail, wie die Rückseiten der Mode- und Time-Constant-Schalter eindrucksvoll zeigen.

Stufenschalter des RS660

Aufwendig verlötete Stufenschalter

Kompressor, Limiter und Sättigung-Tool

Als nächstes findet sich auf der Front ein 3-Wege-Schalter, über den der Modus ausgewählt werden kann. Zur Wahl stehen THD, COMP und LIMIT. Der THD-Modus nimmt das Regelelement aus dem Signalweg, wodurch der RS660 harmonische Verzerrungen bis hin zu leichtem Overdrive erzeugen kann, ganz ohne Kompression und Limiting.

Der LIMIT-Mode des RS660 ist in seiner Regeltätigkeit sehr schnell, um Pegelspitzen abfangen zu können und erzeugt einen lebendigen, etwas aggressiveren Klang als im COMP-Modus. Im COMP-Modus werden intern mehrere Parameter wie Threshold, Kompressionskurve und die Verstärkung verändert, um eine unauffälligere und weniger aggressive Kompression zu erzeugen. Laut Handbuch soll beides nach Vintage klingen, wobei das heutzutage ja wieder als moderne Klangästhetik angesehen wird. Für mich klingt es eher rund und fett und gleichzeitig präsent und durchsichtig, auch wenn sich diese Klangattribute normalerweise gegenseitig ausschließen.

RS660

Mode-Umschalter und Regler für die Zeitkonstanten

Als letzter klangformender Regler befindet sich ganz rechts der siebenstufige Time-Constant-Regler. Mit diesem wird die Reaktionszeit des Kompressors auf Pegeländerungen eingestellt, wobei Position 1 die kürzesten Regelzeiten und Position 7 die längsten Regelzeiten repräsentiert. Die ersten 3 Positionen sind tendenziell schnell und replizieren die drei schnellsten und beliebtesten Regelzeiten des Fairchild 660. Position 4 liegt klanglich genau zwischen den 3 schnellen und den 3 langsamen Regelzeiten und eignet sich laut Handbuch gut für Gesang oder Gitarren. Die drei letzten Positionen sind von den Regelzeiten eher gemächlich und sollen den ungefärbten und artefaktfreien Klang des EMI RS124 nachbilden.

Chandler RS660 – Kalibrierung gefällig?

RS660

Balance-Regler nebst VU-Meter zur Kontrolle der Gain-Reduction

Ganz links neben dem VU-Meter befindet sich ein unscheinbarer Drucktaster und ein kleiner Schlitzschrauben-Regler mit der Bezeichnung BAL., was für Balance steht. Der Chandler RS660 beinhaltet einen sogenannten Push-Pull-Verstärker, bei dem die positive und die negative Halbwelle von einer separaten Stufe verstärkt wird. Im Laufe der Zeit kann es dazu kommen, dass beide Stufen nicht mehr in gleicher Weise verstärken und somit aus dem Gleichgewicht kommen. War dies früher beim Fairchild der Fall, musste das Gerät aus dem Betrieb genommen und von einem Techniker neu kalibriert werden, was wertvolle Zeit gekostet hat. Irgendwann hatte der Abbey Road-Techniker Len Page einen diesbezüglichen Geistesblitz. Er baute in die Schaltung einen Impulsgeber ein, der an beide Verstärkerstufen auf Knopfdruck ein tickendes Geräusch sendet, jedoch an eine Seite phasen-invertiert. Mit der zugehörigen Schraube muss nun solange gedreht werden, bis das tickende Geräusch am leisesten ist. Dann löschen sich die positive und die negative Halbwelle nämlich maximal aus und der Push-Pull-Verstärker ist perfekt kalibriert.

Chandler Limited RS660 in der Praxis

Chandler Limited RS660

Chandler Limited RS660

Um dem RS660 klanglich auf den Zahn zu fühlen, habe ich ihn einem kleinen Praxistest unterzogen und ein paar Klangbeispiele vorbereitet. Zwei Dinge, für die gern ein Kompressor eingesetzt wird, sind Schlagzeug und Bass. Wir hören nun einmal Bass und Schlagzeug unbearbeitet und einmal jeweils mit dem Chandler RS660 im Limit-Modus mit kurzen Regelzeiten komprimiert.

Der RS660 kann im Limit-Modus wirklich gut zupacken und verlässlich Pegelspitzen abfangen kann. Dabei klingt das Material trotzdem nicht überkomprimiert, da die Details in der Dynamik erhalten bleiben, dabei aber auf einem konstanten Pegel gehalten werden. Dabei klingt das Signal obenrum frisch und in den Bässen rund und druckvoll. Die Komprimierungs-Charakteristik konnte ich mit keinem Plug-in und auch nicht mit meinem zugegebenermaßen wesentlich günstigeren Klark Teknik KT-2A nachahmen.

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Chandler Limited RS660 Tube Compressor
Chandler Limited RS660 Tube Compressor Bisher keine Kundenbewertung verfügbar

Im Vergleich mit anderen Kompressoren und Plug-ins fällt auf, dass trotz hoher Lautheit, das Crash-Becken in der Schlagzeug-Spur nicht heraussticht und schön eingebettet bleibt. Die Signale werden dabei im Bassbereich subtil aber hörbar angefettet, ohne zu matschen und auch im hohen Frequenzbereich wird der Klang durch die harmonischen Obertöne der Röhrenschaltung dezent aufgefrischt. Kompressor-Pumpen oder harsche Artefakte durch Anschneiden von Transienten lassen sich kaum provozieren. Der RS660 klingt stets unaufgeregt und komprimiert jegliches Signal scheinbar mühelos, während andere Kompressoren schon längst die Schmerzgrenze erreicht haben.

Wellenformvergleich

Wellenform-Vergleich: (von oben nach unten) 1.unbearbeitet 2. Chandler RS660 3.Klark Teknik KT2A 4. Art SCL2 5. Shadow Hills Class A 6. UAD Fairchild Native

Vergleicht man die Wellenform des Schlagzeugs mit unterschiedlichen Kompressoren, zeigt sich, dass alle Geräte oder Plug-ins selbst mit kürzesten Attack-Zeiten zwischendurch unkontrollierte Pegelspitzen auf den Transienten erzeugen, die dann sogar lauter sind als im Original, mit Ausnahme des Chandler RS660. Hier bleibt alles im gesteckten Rahmen ohne Pegelausreißer.

Im nächsten Beispiel zeige ich die klangliche Auswirkung des Time-Constant-Reglers. Mit jedem Durchlauf des Bassthemas wird auf Bass und Schlagzeug die Zeitkonstante umgeschaltet von der Langsamsten angefangen bis hin zur Schnellsten.

Mit kürzer werdenden Regelzeiten nimmt nicht nur die Klangfärbung zu, auch die Lautheit erhöht sich und beim Schlagzeug kommen die Raumanteile weiter in den Vordergrund. Mir persönlich gefallen die kurzen Regelzeiten besser, doch manchmal soll es auch unauffällig sein und dafür bieten sich die längeren Regelzeiten bestens an.

Als nächstes habe ich die drei Modi verglichen. Mit jedem Durchlauf des Themas wird der Modus umgeschaltet, beginnend bei COMP über LIMIT und endend im THD-Modus.

Der LIMIT-Modus klingt erwartungsgemäß aggressiver und weiter vorne als der COMP-Modus, in der Grundcharakteristik aber ähnlich. Im THD-Modus findet keine Kompression an sich statt, sondern nur die natürliche Kompression der Röhren-Sättigung mit all ihren harmonischen Obertönen. Der Grad der Sättigung lässt sich über Input- und Output-Regler fein dosieren bis hin zu schönem Overdrive, der aber stets geschmackvoll bleibt.

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Fazit

Der Chandler Limited RS660 Röhrenkompressor ist ein Gerät, wie aus der Zeit gefallen, als wäre Marty McFly mit seinem DeLorean gerade aus der Vergangenheit zurück in die Zukunft gereist. Kompromisslose Analog-Technik, hochwertigste Bauteile und ein Klang, der von machem als Vintage bezeichnet wird, den ich aber als fett, klar, rund und im besten Sinne als mühelos bezeichnen würde.

Nun die wichtige Frage: Ist der RS660 als Monokompressor die knapp 4.500,- Euro wert ist, die dafür aufgerufen werden? Ich kann nur sagen, wenn ich das Geld hätte und mit der Musikproduktion die entsprechenden Einnahmen generieren würde, würde ich mir sofort zwei RS660 zulegen, um auch die Stereo-Summe damit bearbeiten zu können. Mit keinem mir zur Verfügung stehenden Hardware-Kompressor und mit keinem Plug-in konnte ich den Klang und das Regelverhalten des RS660 replizieren, er muss also etwas ganz Besonderes sein. Absolute Kaufempfehlung.

Plus

  • zuverlässige Kontrolle von Pegelspitzen
  • fetter, runder und gleichzeitig frischer Klang
  • müheloses Klangverhalten selbst bei starker Kompression
  • zusätzlich Nutzung als Röhren-Sättigungsgerät im THD-Modus
  • einfache und effektive Bedienung

Preis

  • 4.469,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Süchtigmachender Kompressor Sound, absoluter Wahnsinn, wie ein eh schon gutes Signal zu leben beginnt, wie alles rausballert ohne zu nerven. Es ist im Artikel alles gesagt, auch mir ist sofort das Crash aufgefallen, wie gut ist das eingebettet ohne zu zittern. Das ganze Klangbild einfach gross, dabei rund, superstabil – Chandler halt. Ob da nun viele Bauteile drin sind oder nicht – ich habe leider keine 4700€ dafür…bzw 9400€ für 2 Kanäle. Aber das Geld wäre besser angelegt als für den zigsten Synth.

    • Profilbild
      0dB

      Vielleicht mal den SoundSkulptor MU524 ins Auge fassen. Dessen Signatur erinnert mich sehr an die Klangbeispiele und ist auch als fertiges Gerät eine andere Preisklasse.

  2. Profilbild
    13 Ghosts

    Ich weiß, dass man das so nicht ganz rechnen kann, aber ein durchschnittlicher Preis für ein Bauteil (Widerstände, Kondensatoren, etc.) von ca. 55€!? Crazy Gewinnmarge.

    Aber klar, wer es braucht, soll es sich leisten. Schön sieht es ja aus so ein Aufbau; etwas leer vielleicht…

    • Profilbild
      AMAZONA Archiv

      @13 Ghosts Nicht nur „nicht ganz“, sondern gar nicht;) Wade „Chandler“ Goeke ist einer der ganz großen Designer, egal was der baut, das klingt auch magisch. Dass er das mit wenig Bauteilen kann ist um so genialer.

    • Profilbild
      0dB

      @13 Ghosts Da wirst Du mit 55,- auch nicht ganz hinkommen…da wird schon jeder der Trafos teurer sein.

  3. Profilbild
    MichBeck

    Interessant, in der Wellenformdarstellung des Klark Teknik KT2A scheint mir doch ne ziemliche Phasenschieberei veranstaltet worden zu sein. 🤔

      • Profilbild
        r.biernat RED

        @D-Joe Der KT-2A hat den ersten Schlag des Drumstes nicht so richtig gut verkraftet, da er dort wie alle anderen aus dem Kaltstart zu komprimieren beginnt. Bei laufendem Drumset passiert das so nicht. Was dort genau technisch passiert ist, kann ich nicht genau sagen. Es klingt auf jeden Fall etwas nach Phasen-Schweinerei…

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