Der Wert eines Zeners
Was für ein Pfund! Der Chandler Zener Limiter TG12413 wiegt 8 kg, das externe Netzteil noch mal zusätzlich 3 kg. Bei einem „Gewicht“ von 5.259,- Euro muss der 3 HE hohe analoge Limiter aber mächtig was zu bieten haben, um eine so schwere Kaufentscheidung zu rechtfertigen. Nähern wir uns dem Chandler Zener Limiter TG12413 zunächst über ein wenig Historie.
Abbey Road Studios – die frühen und späten Sechziger: Beatles, Pink Floyd, aber eben auch George Martin und später Alan Parsons. Damals gab es noch keine Konsolen vom Fließband und so ranken sich teilweise fantastische Mythen (und Preise) um die benutzten Gerätschaften.
Eins ist sicher: Zener-Limiter traten recht früh auf den Plan, bedenkt man, dass das erste kommerzielle Halbleiter-Radio (übrigens ein Autoradio von Chrysler: Mopar 914HR) erst knapp zehn Jahre zuvor (1955) auf den Markt kam. Und so löste der EMI Zener-Limiter RS168, den bis dahin verwendeten Röhren-Limiter RS144 in den Abbey-Road-Konsolen ab. Er wurde so Teil des TG12345 Konsolen-Kanals.
Basierend auf dem RS168 und dem TG12345 möchte der Chandler Zener Limiter TG12413 nun dieses Erbe weitertragen aber vor allem auch den Einsatzbereich durch anderes Regelverhalten und neue Einstellungsmöglichkeiten erweitern. Die Frage ist also: Kann der Chandler Zener Limiter TG12413 sowohl den klassischen Vintage-Sound als auch das mitunter feinfühligere und minimalere moderne Klangbild erzeugen?
Der zentrale Kern: Die Zener Diode
Kurz zur Technik: Eine Zener-Diode ist als Kontrollelement für Audio geradezu prädestiniert, das kann man schön am Kurvenverlauf der U-I Kennlinie sehen. Der Nachteil ist allerdings, dass man das Signal auf ein paar hundert Millivolt quetschen muss, sonst gibt es massig Übersteuerung. Das stellt dann wiederum hohe Ansprüche an den Aufholverstärker – der muss schon sehr rauscharm und verzerrungsfrei sein, um musikalisch sinnvolle Ergebnisse zu erzielen. Und so war eines der wichtigsten Komponenten eines Zener-Limiters immer schon der Aufholverstärker.
Robuste Kiste
Natürlich reizen einen analoge Gerätschaften immer, unter die Haube zu schauen. Gemacht, getan. Das Innere des Zener Limiter TG12413 ist sehr aufgeräumt. Großzügig auf der Platine verteilt, beinahe so groß wie der Gehäuseboden, liegen die Bauteile.
Eine flächendeckende Grundplatte, vermutlich verzinnt, ist der optisch dominierende Faktor. Alle Schalter und Regler sind fest mit der Frontplatte verschraubt und mit hochpräzisen Widerständen und Lorlin-Schalter mit Goldkontakten realisiert. Man sieht: Ein- und Ausgangsübertrager sind räumlich getrennt und selbst die Kondensatoren haben eine Schutzhülle an ihren Beinen. Nicht zu letzt die verdrillten Kabel zeugen hier von sauberer Handarbeit.
Überblickt man die Komponenten, fällt einem auf, dass erstens keine SMD-Bauteile und zweitens keine ICs zum Einsatz kommen, alles ist diskret aufgebaut – keine OpAmps weit und breit. Diskret heißt übrigens nicht immer besser, wie ja der Marketing-Pitch der letzten Jahre verheißt. Im Prinzip heißt diskret eigentlich nur, schwerer gleich gut hinzukriegen wie mit OpAmps – wenn ich etwas überspitzt formulieren darf. Ein diskreter Aufbau stellt zumindest höhere Anforderungen an das Bauteile-Layout, die Signalführung und die Wärmekopplung.
Kein integriertes Netzteil beim Chandler Limiter
Was aber auch auffällt: Es ist kein Netzteil integriert. Dieses muss extra erworben werden (301,- Euro), zusammen mit dem entsprechenden (und recht schmächtigen) Netzgerätekabel in 4-Pol-XLR-Ausführung (59,- Euro).
Zwar können zwei Chandler Geräte an dem externen Netzteil betrieben werden und man könnte argumentieren: „Wer hat, der hat!“; bei einem Gerät jenseits der 5.000,- Euro finde ich es aber persönlich gar nicht in Ordnung, so viel Geld für ein erforderliches Netzteil samt Kabel ausgeben zu müssen, damit meine Investition auch überhaupt läuft – wie seht ihr dazu?
Das Netzgerät ist dabei allersimpelste Technik: ein Ringkerntrafo, Gleichrichterdioden, ein paar lineare Spannungsregler und Kondensatoren, gepackt in eine robuste Blechkiste mit großem Pilotlicht und Netzschalter (übrigens kein Schalter am Chandler Zener Limiter TG12413 selber). Da es keinen 19-Zoll-Maßen gehorcht, muss man sich dann auch noch überlegen, wo man das Netzteil unterbringen kann.
Alles in allem ist der Aufbau und die Robustheit nicht zu bemängeln – am Chandler Zener Limiter TG12413 wird man Jahre, eher Jahrzehnte seine Freude haben!
Die Bedienelemente
Alle Regler befinden sich auf der Frontplatte und sind jeweils für einen Kanal ausgeführt. Er bietet zwar einen Stereo-Link-Schalter, der bewirkt aber lediglich, dass rechtes und linkes Signal gleichzeitig für die Gain-Reglung herangenommen werden. Die Einstellungen der einzelnen Schalter muss man dann manuell angleichen.
Wie bei einem Zener-Kompressor üblich, gibt es hier keine direkte Threshold-Einstellung, das wird über die Regelung des Input-Gains erreicht. Der Output-Gain ist dann die Aufholverstärkung. Dann gibt es noch einen Attack-Regler mit 21 Schritten, der von 1 bis 11 nummeriert ist (this one goes to eleven), wobei die genauen Zeiten im knappen PDF-Handbuch einzusehen sind. Gleiches gilt für die Release-Zeiten.
Ein Sidechain-Filter begrenzt den Einfluss von tiefen Frequenzen auf das Regelverhalten bei Frequenzen von 15 Hz bis 300 Hz. Schließlich bestimmt man noch das generelle Regelverhalten: Comp 1, Comp 2 und Limit.
Wem schon die weißen Ziffern auf den Skalen aufgefallen sind: Sie stehen für die Einstellungsmöglichkeiten der originalen Konsolen-Version. Alle gelben Einstellungen sind neu hinzugekommen.
Bleibt nur noch das VU-Meter, das die Gain-Reduktion anzeigt sowie die beiden Schalter, betitelt mit Input Gain und THD. Input Gain sorgt im Hi-Mode für eine Eingangs-Impedanz von 300 Ω und 1,2 kΩ im Low-Mode. So lassen sich die Eingänge verschieden „heiß“ anfahren und so Aspekte der Vorgänger besser replizieren.
Mit dem THD-Schalter nimmt man das Regelverhalten der Zener-Schaltung weg und lässt stattdessen das Audiosignal der Sidechain mit an den Ausgang. Das ergibt natürlich mehr und mehr harmonische Verzerrungen, je heißer man den Chandler Zener Limiter TG12413 anfährt, da Zenerdiode und Aufholverstärker zusehends übersteuert werden, jedoch ohne dabei fies zu clippen.
Bei so einer überschaubaren Anzahl an Bedienelementen könnte man meinen, es gäbe klanglich nicht viel zu entdecken – weit gefehlt. Wie die einzelnen Komponenten ineinandergreifen, muss erst mal erlernt werden. Und das geht zum Glück schnell. Der TG12413 ist definitiv einer der Vertreter, die nach Gehör eingestellt werden. Dabei handelt es sich z. T. um subtile Änderungen, der Chandler Zener Limiter TG12413 kann natürlich auch richtig brachial zupacken und ein Drum-Set im Mix wirklich plakativ nach vorne bringen.
Praxis
Also nehme ich mir den Zener-Limiter mal bei ein paar Beispielen zur Brust. Mir kam es darauf an herauszuarbeiten, dass der TG12413 keineswegs ein One-Trick-Pony ist, sondern die verschiedenen Einstellungen tatsächlich einen großen Einfluss auf viele Details haben. Dafür habe ich hauptsächlich Subgruppen oder Down-Mix-Spuren genommen, denn dort wird der Chandler Zener Limiter TG12413 wohl auch am häufigsten im Einsatz sein – was nicht heißt, er wäre nicht gut für einzelne Instrumente einzusetzen; besonders Comp 2 bietet sich hier an für Snare, Gitarre oder Trompete …
Am deutlichsten beeinflusst das Sidechain-Filter – eine der Neuerungen im Chandler Zener Limiter TG12413 – das akustische Geschehen. Man kann hier sehr deutlich hören, wie die tiefen weniger und weniger ins Regelgeschehen eingreifen – Ergebnis ist eine sehr genaue Kontrolle über das wahrgenommene Pumpen.
Die Werte der Regler sind so gut aufgelöst, dass man wohl immer den richtigen Kompromiss zwischen „zu viel“ und „zu wenig“ finden wird. Auch empfiehlt es sich, den Grundklang erst mal einzustellen, um von da aus weniger intensiv an die Sache zu gehen. Das bringt einen recht sicher zum Ziel. Das einzige was hier fehlt, ist eine Möglichkeit, das Eingangssignal mit dem Ausgangssignal direkt am Gerät zu mischen. Persönlich konnte ich die aber gut verschmerzen, denn eine Abstimmung der Input- und Output-Regler ergab eine für mich ausreichende Kontrolle über das Klangbild.
Dabei fand ich persönlich den Limiter immer am sensibelsten von allen – klar, denn hier ist auch die höchste Kompressions-Ratio im Einsatz. Wenn man hier nicht aufpasst, kommt es leicht zu einem sehr pumpenden und fordernden Klang. Findet man hier aber die Balance (vermittels des Side-Chain-Filters z. B.), kann man jedem Mix den richtigen Zusammenhalt verpassen. Die beiden Kompressor-Einstellungen erlebte ich da als unproblematischer und vor allem Comp2 machte auf dem Drum-Bus stets eine gute Figur.
Beispiele
Zunächst einmal die Grundeinstellungen für die Beispiele.
Abweichungen zu den Grundeinstellungen kann man dann jeweils im Klangbeispiel nachlesen. Gruppiert sind diese nach Ausgangsmaterial.
Ich vermisse die ollen 3 Pol DIN Buchsen für die Kohle :-)
Die geschwungenen Leiterbahnen erinnern mich an frühe (70er) Elektor Layouts, einfach schön.
Danke für den spannenden Test! …und die ausführliche Bebilderung des Innenlebens. Werde mir in Ruhe anhören wie die Schönheit klingt.
Als Anregung könntet Ihr noch den sehr aufschlussreichen Amazona- Chandler TG-1 Test verlinken. Die beiden Kompressoren sind ja verwandt.
Das externe Netzteil finde ich bei Rackgeräten super, da sich so das Teparaturmanagement in vollgestopften outboard Racks erheblich besser in den Griff bekommen lässt. Das erhöht in Folge die Lebensdauer der Geräte und lässt sich leichter reparieren bzw. separat zur Reparatur schicken.
Die potentielle Reduktion von Einstreuungen in den Signalpfad ist ein weiterer Pluspunkt. Der Preis des Chandler ist allerdings insgesamt schon nicht so ohne, da könnte das Netzteil in der Tat gut und gerne im Grundpreis mit dabei sein.
Danke für die zahlreichen Hörbeispiele. Ich kann mit dem Chandler Sound leider nicht viel anfangen, gerade im elektronischen Bereich ist mir die Farbe dieser Gerätschaften einfach zu viel des Guten. Die Preisgestaltung finde ich etwas überzogen. Die Technik hinter dem Zener ist aus heutiger Sicht keine Herausforderung mehr und die Bauteile an sich rechtfertigen diesen Preis nicht. Zweifelsohne liegt hier Handarbeit vor und das schätze ich sehr. Ich würde Chandler den Preis auch nicht ankreiden wollen. Abbey Road wird bzgl. der Lizenz eine Abgabe von Chandler verlangen und diese zusammen mit dem Namen und der Geschichte dieser Geräte zahlt der Endkunde einfach mit.
Habe ihn mir angehört. Ähnlich wie auch der TG-1 liefert der 124131 den angesagten retro-Klang nur das es hier noch etwas extremer zur Sache geht als beim TG-1. Erinnert sich jemand an die White Stripes? Das war der zweite Aufguss des EMI Sounds. Der Effekt ist richtig dosiert wirklich sehr hochwertig, aber es ist eben ein Klang den man bewusst einsetzen und wirklich wollen muss. Mir persönlich ist der Klang viel zu modisch. Tolles Teil aber nix für mich. Meinen Respekt für den Konstrukteur, den Klang so auf den Punkt zu bringen. Der Erfolg gibt ihm wohl Recht, Chandler Outboard sieht man in fast jedem Profi Studio. Wer im Pop/Rockmusik Genre produziert und keinen Chandler Kompressor im Rack hat ist vermutlich eh schon zu spät dran um noch auf die Welle aufzuspringen ;)
Mit dem THD-Schalter nimmt man das Regelverhalten der Zener-Schaltung weg und lässt stattdessen das Audiosignal der Sidechain mit an den Ausgang.
Im Handbuch steht: The THD toggle on the right top of each channel disengages the limiter threshold so that the channel will stop limiting but signal still runs through the entire audio path and sidechain.
Wo liest du da, dass das Sidechainsignal an den Ausgang gelangt?
@digital-synthologie Da hatte ich wohl Wortsalat zum Frühstück.
Was ich sagen wollte war eigentlich genau das: „the signal … still runs through the entire audio path and sidechain. „