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Test: Chandler Limited TG12411 Channel Mk2, Mikrofon/Line-Vorverstärker

Ein Stück Geschichte fürs eigene Studio

11. Mai 2020
Chandler Limited TG12411 Channel Mk2

Chandler Limited TG12411 Channel Mk2, Mikrofon/Line-Vorverstärker

Der Chandler Limited TG12411 Channel, den man aus älteren Versionen als TG Channel Mk2 kennt (das Gerät heißt ab 2016 aber TG12411), ist nicht mehr und nicht weniger als eine Nachbildung der Schaltkreise,  die sich in den legendären „Beatles“ Konsolen der Abbey Road Studios wiederfinden. Ausgehend von den originalen Bauplänen der legendären von Rupert Neve und den Abbey Road Studios entwickelten Konsolendesigns repliziert Wade Goeke, Mitbegründer des Familienunternehmens Chandler Limited, die originalen Geräte und bringt sie zudem auf den aktuellen Stand.

Der Chandler Limited TG12411 kombiniert den EMI TG12428 Vorverstärker mit dem Equalizer aus dem TG 12410 Masteringpult, dem Gegenstück zu den Mischpulten, auf denen zahlreiche Klassiker von den Beatles, Pink Floyd und unzähligen anderen Größen eingefangen wurden.

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Chandler Limited TG12411 Channel Mk2 test

Jedoch birgt der 1 HE hohe Channelstrip nicht nur aktive Seiten, denn auf der passiven Seite steht der Equalizer. Dieser ist komplett Induktion-basiert (Spulen) und ist in etwa mit den Prinzipien eines Pultecs vergleichbar.

Auf der Chandler Limited Website wird das Gerät sympathischerweise simplifiziert wie folgt dargestellt: „Its sound is very comparable to Pultec and Lang program EQs. A simple description would be a TG Pultec with a TG pre amp thrown in.“

Das Tester-Herz erfreut sich sehr an dieser Aussage. Mit dem TG Channel sollte man seine Signale demnach ordentlich verbiegen können! Schauen wir uns das Gerät einmal genauer an. Ein Fakt, der mich persönlich erstaunte wie verzückte: Chandler Limited ist nicht etwa ein britisches Unternehmen, Wade Goeke baut und entwickelt die Geräte auf einer Farm in Ohio, während seine Mutter sich maßgeblich um die Geschäftsführung kümmert – großartig.

Wunderhübsch: Chandler Limited TG12411

Der Chandler Limited TG12411 Channel – die Basics

Auf seine Herkunft scheint der kleine Channelstrip mit Fug und Recht stolz zu sein. Ihm wurden exakt die gleichen Regler verpasst, die man bereits von der sagenumwobenen EMI Konsole kennt. Einzig etwas farbenfroher ist man geworden. Wie man es ja von den neueren Geräten von Chandler kennt, sind diese im charakteristischen dunklen Blauton gehalten.

Beim ersten Berührungskontakt fällt auf: Das Gerät meint es ernst mit seiner Flugzeugoptik. Die Verarbeitungsqualität und Robustheit des Gerätes erscheint beinahe absurd, außerdem hat man hier auf einem sehr detailverliebten Niveau gedacht. Die Drehschalter für die Frequenzwahl sind etwas schwergängiger, die für die Klangregelung besitzen einen etwas nachgiebigeren Widerstand. Bis auf auf das Poti für die Ausgangslautstärke sind es alles andere Drehschalter.

Blick auf die Equalizer-Sektion des Chandler Limited TG12411

Neben dem XLR-Mikrofon-/Instrumenteneingang auf der Rückseite befindet sich ein als „DI“ betitelter Klinkeneingang auf der Vorderseite. Hier lässt sich schnell mal etwas einstöpseln und durch feinste Transistor-Halbleitertechnik schleifen.

Ein Blick ins Innere verrät allerdings: Der DI-Input geht am Eingangsübertrager vorbei und klingt somit deutlich cleaner. Apropos: Die aufgrund ihrer angenehmen Größe Eindruck schindenden Ein- und Ausgangswandler im Gehäuse sind seltsamerweise nicht gelabelt – ich erkenne hier aber, dass diese die Crème de la Crème aus dem Hause Carnhill verkörpern.

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Ausgangsübertrager am Chandler Limited TG12411

Das PCB ist ziemlich groß und sämtliche Komponenten konnten somit mit einem gewissen Abstand zueinander montiert werden. Etwas seltsam: An zwei der Ausgangstransistoren wurden die Teilenummern abgeschliffen. Vergeblich sucht man im Inneren die, wie sie in diesen teuren Geräten üblich ist, gesonderte Platine für den Strom.

Blick ins Innere des Chandler Limited TG12411

Hier meint man es tatsächlich noch ernster: Für den Betrieb des Gerätes muss gleich eine externe, dedizierte PSU angeschafft werden, von der aus die Unit dann per 4-Pin Neutrik-Stecker mit Strom versorgt wird.

Diese, genannt Chandler Limited PSU-1, offenbart beim Blick ins Innere ein Ringkerntrafo, der an Monstrosität kaum zu überbieten ist. Warum das so ist, erklärt sich beim Blick auf die Rückseite der „halben 19 Zoll Unit“: Hiermit lassen sich zwei Geräte der Abbey Road/Neve Familie auf einmal mit Strom versorgen. Etwas umständlich: Die PSU kommt ohne Rackmount-Möglichkeit, kann also lediglich irgendwo drauf oder daneben gestellt werden, was für mich einen maßgeblichen Kritikpunkt darstellt. Die Option auf eine 19 Zoll-Kopfplatte wäre großartig gewesen, vor allem gemessen am separaten Anschaffungspreis von momentan rund 309,- Euro. Quasi nur für Strom und träge Sicherung.

Ein Blick in die Chandler Limited PSU-1

Blick auf die Vorderseite

Wie dem auch sei, schauen wir uns die Vorderseite des Chandlers an. Ganz links befindet sich der kleine Kippschalter, mit dem sich zwischen DI- und Mic/Line-Signal auf der Rückseite hin und her schalten lässt. Der Drehschalter rechts daneben (auf dem die Mic-Gain von -5 bis +65 dB verzeichnet ist) bietet eine zweite Legende für den Line-Pegel. Dieses Line-Level ist per Betätigung eines der vier rechts daneben verbauten Drucktaster zu aktivieren – hier werkelt eine Relaisschaltung an der Eingangsimpedanz.

Hübsch anzusehen ist er auch: Chandler Limited TG12411

Die weiteren drei Taster sind verantwortlich für die Aktivierung der 48 V Phantomspeisung und dem Insertieren oder Bypassen des verbauten passiven, spulenbasierten EQs. Der als „PH“ betitelte Taster dient dem Drehen der Phase.

Rechts neben den Tastern befindet sich das „Output“-Poti und sich wie ein stufenloser Konsolen-Line-Fader verhält. Vor hier aus in Richtung „Magie, Geheimwaffe“ oder für mich: Highlight.

Der Mammutanteil der Kopfplatte wird vom passiven Equalizer in Anspruch genommen: Kuhschwanz für Bässe und Höhen sowie ein Boost-Band für die oberen- und ein Cut-Band für die unteren Mitten finden sich hier! Wie man es von passiven Designs kennt, lässt sich pro Band nur in eine Richtung arbeiten, sprich entweder cutten oder boosten, nicht beides. Dafür geht eben dies aber dafür in Dimensionen, die man von aktiven Schaltungen dieser Güteklasse weder kennt noch erwarten dürfte: Hi-Shelf und Mid-Peak lassen jeweils Boosts von 18 dB zu, Mid-Cut und Lo-Boost sogar bis zu 20 dB!

Rechts daneben befindet sich zum Abschluss noch ein weicher Locut, der sich in fünf Positionen zwischen 30 und 300 Hz aktivieren lässt. Hiermit sollte sich einiges anstellen lassen. Hören wir einmal rein!

DI-Input am Chandler Limited TG12411

Praxis: Klang und Nutzbarkeit

Einiges an Versatilität zeigt der Chandler Limited TG12411 schon an der Inputstage: Mit dem Verändern des Verhältnisses von Eingangs- und Ausgangslautstärke lässt sich das Ansprechverhalten à la Slew-Rate sowie die Generierung von Obertönen maßgeblich beeinflussen. Das würde allerdings noch viel mehr Spaß machen, wenn die Kiste nicht so rauschen würde.

Versteht mich nicht falsch, es ist nicht so, als würde einen das in den Wahnsinn treiben, aber es ist deutlich mehr und wahrnehmbarer als beispielsweise der Noisefloor eines Manley Dual Mic Röhren-Preamps und ein Vielfaches von beispielsweise Geräten von SPL mit Röhre. Man spürt die alte Technik und man merkt: Hier wurde sich tatsächlich an den originalen Bauplänen von damals orientiert.

Das Gerät möchte gar nicht clean und modern klingen. Noisy, hummy, buzzy! Extreme Wärme im Bass/Mittenbereich. Da sind wahrscheinlich die großen Carnhills schuld. Wenn du etwas Transparentes möchtest, schau woanders ins Regal. Für meine Ohren ist der TG12411 eine absolute Mojo-Machine! In Kombination mit dem passiven EQ lassen sich riesige Kick-Drums erschaffen, eine wahnsinnig pappige Bassgitarre und ich gehe jede Wette ein, dass dieser Preamp an sämtlichen Gitarrenverstärkern der reinste Gamechanger ist.

Chandler Limited TG12411 Channel Mk2 test

Man kann hier auch ins Extreme gehen und das Gerät übersteuern, gerade bei Gitarre und Bass eine wahre Freude. Hier kommen großartige Obertöne raus.

Auch für ein Vocal-Recording kam der TG12411 bei mir zum Einsatz, bei diesem Einsatzzweck, in Kombination mit einem per Overdubbing erschaffenen Musik-Hybriden, bestehend aus elektronischen und akustischen Elementen, war hierfür der Noisefloor allerdings schon ziemlich grenzwertig. Bei einem Bandrecording oder ähnlichem würde das aber sicherlich nicht so ins Gewicht fallen.

Auf der männlichen Stimme, die ich durch den TG aufgenommen habe, funktionierte der Channelstrip fantastisch und verlieh den Mitten eine fantastische Präsenz, während er alles andere schön weich und pappig machte.

Leider hatte ich keine Gelegenheit, das Gerät an einer Frauenstimme zu testen, ich glaube, dass gerade eine weiche und jazzige Frauenstimme unfassbar gut mit dem Gerät funktionieren würde. Nah und „breathy“, dafür wäre der Preamp ein toller Weichmacher. Es sind DIE „odd“ Transistor Obertöne, die man hier bekommt. Weich und cremig, eigentlich nicht besonders „HiFi“, in Kombination mit dem Equalizer aber dann doch wieder extrem „HiFi“.

Hier wurde sauber gearbeitet – Blick ins Innere des Chandler Limited TG12411

Sei es „bottom weight“ oder „top end air“, hier kann man ruhig beherzt eingreifen, wenn es das Material erfordert. Zumeist nicht notwendig wirkt der EQ allerdings gerade auf DI-Signalen wie Bass oder Fender Rhodes auch in extremen Settings wahre Wunder.

Die passiven Schaltungen à la Pultec suchen, was deren Natürlichkeit in starken Einstellungen angeht, einfach nach wie vor ihresgleichen, das ist beim Chandler Limited TG12411 Channel nicht anders. Fehlen tut mir lediglich etwas Feedback. Am Chandler Limited TG12411 Channel findet sich nicht mal eine LED, die signalisiert, dass das Gerät an ist. Geschweige denn ein Metering oder eine Clipping/Overload-Anzeige. Lediglich die PSU besitzt eine kleine, rote LED, die leuchtet, wenn das Gerät mit Strom versorgt wird und angeschaltet ist.

Wie immer folgen zu guter Letzt noch ein paar Klangbeispiele. Achtet bei den zwei Rhodes Beispielen einmal auf die Höhen, eines davon ist mit, eines ohne Equalizer in der Kette. Hier wird klar, wie sehr sich mit dem passiven EQ das Signal formen lässt.

Die abgezehrten Signale sind durch das Überfahren des Preamps entstanden, auch das klingt an diesem Gerät meiner Meinung nach genial und durchsetzungsfähig. All diese Signale habe ich trotz ihrer „edgyness“ gut in den Mix integrieren können.

Chandler Limited TG12411 Channel Mk2 test

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Fazit

Musikalisch und emotional klingt dieses Gerät, dafür nicht sehr transparent. Gerade auf Vocals erinnert der Chandler Limited TG12411 Channel klanglich an die 60er Jahre – wirklich, das sage ich nicht nur so. Tolle Eingangs- und Ausgangsübertrager sowie diskrete Bauteile sorgen für „den“ analogen Sound, den man als „rich“, „vintage“, voll und weich charakterisieren könnte.

Es ist somit allerdings auch eher als ein Gerät zu nennen, das sich für jemanden eignet, der bereits eine kleine Auswahl bei sich stehen hat. Oder eben für jemanden, der genau auf diesen Sound aus ist.

Plus

  • Klang
  • Verarbeitung
  • Emotionalität
  • Design

Minus

  • kein Metering
  • externes Netzteil

Preis

  • Chandler Limited TG12411: 2.599,- Euro
  • PSU-1: 309,- Euro
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Klangbeispiele
Forum

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