500er Preamp für die einsame Insel
Rupert Neve Designs hat eine ganze Reihe hochwertiger Geräte für das API 500 Format im Angebot.
Beim hier zum Test vorliegenden Rupert Neve Designs Portico 511 handelt es sich um den preiswertesten Einstieg in die Welt der „echten“ Neve Mikrofonvorverstärker, den die amerikanische Edelmarke zu bieten hat. Letztes Jahr konnte mich bereits das 8-kanalige Dante Interface RMP-D8 begeistern und hat mein Interesse an dem kleinen Portico 511er geweckt. Mit aktuell 649,- Euro ist der 511 recht günstig, wenn man den Preis mit denen der hochklassigen Konkurrenz vergleicht. Muss man beim Rupert Neve Designs Portico 511 dafür Abstriche machen?
Rupert Neve Designs
Der Name Rupert Neve dürfte jedem Tontechniker ein Begriff sein. Da wir schon viele Produkte im Test hatten, die auf diesen genialen Kopf zurückgehen, erspare ich mir erneute Ausführungen. Weitere Informationen zu seiner Person und den verschiedenen Firmen, mit denen er im Laufe seines Lebens zu tun hatte, findet ihr beispielsweise hier. Eine schön aufbereitete Timeline gibt es zudem auf der hauseigenen Website rupertneve.com.
Soviel sei gesagt, Rupert Neve Designs mit Sitz in Texas ist die aktuelle Wirkungsstätte des umtriebigen Engländers. Seit 2005 erfreuen sich die Produkte in der Fachwelt großer Beliebtheit und besonders durch die mobile Portico Serie und den vielen kleinen 500er Modulen werden auch Kunden mit Heimstudios oder „Bedroom Producer“ angesprochen, die auf hochwertigen Klang Wert legen. Es muss nicht immer die riesengroße Neve-Konsole sein – für manche Setups genügen ein oder zwei hochwertige Vorverstärker.
Der Lieferumfang des Portico 511
Geliefert wird der 511 in einer kleinen, aber sehr stabilen Kartonbox. Darin befinden sich der Preamp, eine Bedienungsanleitung, eine Notiz zum Gehäusefinish sowie zwei kleine Schrauben für den Einbau des Vorverstärkers in einen API 500 Rahmen. Eine Notiz zum Gehäusefinish? Tatsächlich befinden sich an den Seitenwänden des Portico 511 Gebrauchsspuren und ich dachte im ersten Moment, dass das Testgerät schon einige Reviews auf dem Buckel hat.
Laut Beiblatt hängt das aber damit zusammen, dass die Gehäuse bei RND elektrogalvanisch verzinkt wurden, um die Schaltung besser vor eventuellen Einstreuungen zu schützen. Ein zusätzliches Finish des Gehäuses ist nicht möglich – diese etwas unsaubere Oberfläche nimmt man aber gerne in Kauf, wenn sich dadurch die Nebengeräusche im Zaum halten. Da 500er Module ohnehin eingebaut werden und nur die Seitenteile von den Spuren betroffen sind, sieht man davon im Betrieb nichts. Die Frontplatte des Portico 511 ist lackiert und sieht einwandfrei aus.
Verarbeitung
Die Verarbeitung des 511 ist sehr vorbildlich, alle Regler und Schalter fühlen sich haptisch gut an und machen einen robusten Eindruck. Die ersten beiden Potis “Trim” und “Gain” regeln die Verstärkungsleistung. Eine 8-stufige, mehrfarbige LED-Kette gibt Auskunft über den Ausgangspegel (vor der Silk Schaltung). Zwei kleine Druckknöpfe sind für 48 Volt Phantomspannung sowie für Phasenumkehr zuständig. Diese leuchten bei Aktivierung und geben dem Anwender Feedback zu den aktuellen Einstellungen. Ein Highpass-Filter lässt sich ebenfalls zuschalten und zwischen 20 Hz und 250 Hz stufenlos anpassen.
Zu guter Letzt lässt sich noch die für Rupert Neve Designs typische “Silk”-Schaltung aktivieren, die sich ebenfalls in der Intensität einstellen lässt.
Technische Daten
Der Portico 511 ist in der Lage, sage und schreibe +72 dB Gain zu liefern. Das gerasterte Gain-Poti bietet 12 Stufen zu je 6 dB und regelt den Bereich zwischen 0 dB und 66 dB. Die restlichen 6 dB lassen sich bei Bedarf durch einen stufenlosen “Trim”-Regler hinzufügen. Dieser ermöglicht auch die Reduzierung des Ausgangssignals um bis zu 6 dB, falls man die Eingangstufen heißer anfahren möchte oder einfach den Pegel noch etwas präziser einstellen will.
Wenn der Gain-Regler auf Null steht, kann der Portico ein symmetrisches Eingangssignal von bis zu +20 dBu verarbeiten, wodurch man den XLR-Eingang auf für Line-Signale nutzen kann.
Das Highpass-Filter arbeitet mit 12 dB/Okt. im Bereich zwischen 20 Hz und 250 Hz. Den Frequenzbereich gibt RND mit +/-0,1 dBu zwischen 10 Hz und 31 kHz an. Tatsächlich erstreckt sich der Übertragungsbereich bis hinauf zu unhörbaren 150 kHz. Das Eingangsrauschen des 511 liegt bei niedrigen -125 dB und der maximale Ausgangspegel bei +23 dBu.
Im normalen Modus ist die Verzerrung ausgesprochen gering und der Preamp verbürgt sich einer glasklaren Übertragung mit weniger als 0,0025 % THD. Bei Aktivierung des Silk-Schalters werden dem Signal harmonische Verzerrungen im Bereich von 0,015 % bis 2 % (!) hinzugefügt.
Nimmt man die seitliche Metallverkleidung ab, erhält man einen Blick ins Innere des Portico 511. Hier sticht zunächst der gelbe Ausgangsübertrager ins Auge. Am Eingang wird auf einen Übertrager verzichtet, bei Rupert Neve Designs spricht man von „transformer like amplifier“ kurz TLA. Die Verarbeitung des 511 ist auch im Inneren vorbildlich. Ein- und Ausgänge sind natürlich symmetrisch ausgelegt.
Die Eingangsimpedanz des Portico 511 ist mit 10.000 Ohm sehr hoch, dadurch wird sich die Impedanz des angeschlossenen Mikrofons nur geringfügig auf den Klang auswirken und eventuelle Verzerrungen werden dadurch minimiert. Beim klassischen 1073er Design kommt oft eine viel geringere Eingangsimpedanz von rund 1.200 Ohm zum Einsatz, die auf den Schaltungen der alten Konsolen basierte. Der Anspruch an die Stromversorgung eines API 500 Rahmens liegt bei 100 mA, den alle Lunchboxen liefern sollten, die dem API-Standard entsprechen.
Der Portico 511 im Einsatz
Der Einbau ins Rack geht leicht von der Hand und sowohl im Fredenstein Bento 6S (hier der Test zum Bento 6D) wie auch im neuen Fredenstein Bento 8 Pro erledigt der Portico 511 seine Dienste ohne Rauschen oder sonstige Störgeräusche. Im Gegenteil – das Rauschen des kleinen Preamps ist ausgesprochen niedrig und er ist vergleichbar mit meinen bereits sehr rauscharmen API 512c.
Als Vergleichsgeräte stehen mir ein IGS 573, ein Golden Age Premier Pre-73, der Empirical Labs Mike-e sowie der Heritage Audio DTT-73, der angesprochene API 512c und die Preamps meines RME UFX zur Verfügung. Eine illustre Runde sozusagen. Da der Preamp auch Line-Signale verarbeiten kann, beginne ich den Testmarathon mit einem Synthesizer-Sample (mono) des Elektron Digitakt:
Durch die Aktivierung des „Silk“-Modus werden dem Signal wohlklingende, harmonische Verzerrungen hinzugefügt. Hier ein Vergleich zwischen normalem Signal und Silk in Vollaussteuerung. Da sich durch die Aktivierung von Silk auch die Lautstärke ändert, habe ich den Pegel beider Signale digital angepasst:
Hier eine Veranschaulichung der Auswirkungen von „Silk“ auf den Frequenzgang. Durch die hinzukommenden Obertöne steigt die Kurve nach oben hin an:
Für die Vergleichsbeispiele am Bassverstärker greife ich zum Großmembran-Kondensatormikrofon Neumann U47fet, das sich sehr gut mit den tiefen Frequenzen versteht:
Auch hier klingt der 511er sehr souverän. Zwar liefern manche Mitstreiter im untersten Bereich noch einen kleinen Tacken mehr, aber der 511er klingt sehr plastisch und wohl austariert. Er überträgt das Signal mit einer durchsetzungsfähigen Transparenz – und klingt keinen Moment mulmig. Die Silk-Schaltung teste ich erst in der 9 Uhr Position, wo sie nur sehr sachte spürbar ist, das zweite Beispiel ist dann wieder in Vollaussteuerung:
Bleiben wir noch kurz beim Bass und hören uns an, wie der Rupert Neve mit dem EV-PL20 (RE-20) harmoniert. Ein dynamisches Mikrofon, das zwar nicht die kernige Brillanz eines U47fet besitzt, sich aber ebenfalls für Aufnahmen am Bassverstärker anbietet:
Weiter geht’s zum Gitarrenamp. Hier mache ich die ersten Takes mit dem dynamischen Shure SM7B, das direkt am Lautsprecher positioniert wurde:
Da mich auch interessiert, wie der Rupert Neve Designs 511 mit einem Bändchenmikrofon interagiert, tausche ich das SM7b mit meinem Beyer 260 NCS. Damit teste ich erneut den Einfluss der Silk-Schaltung. Die Extraportion Frische kommt dem Bändchenmikro sehr entgegen und schiebt die Gitarre (bei gleicher Lautstärke) nach vorne.
Durch den bändchentypischen Nahbesprechungseffekt sind die unteren Frequenzanteile etwas überbetont. Dank des stufenlos einstellbaren Highpass-Filters des Rupert Neve Designs Portico 511 lässt sich dieser Bereich nach Belieben justieren. Hier zwei Beispiele, bei denen das Filter bei 100 Hz die Tiefbässe reguliert bzw. bei 250 Hz den Fokus auf den Mittenbereich der E-Gitarre legt:
Während der dreiwöchigen Testperiode konnte ich den 511 an vielen weiteren Instrumenten und Mikrofonen testen. Ich habe ehrlich gesagt keine Quelle gefunden, an der er sich nicht anbieten würde. Egal ob Aufnahmen mit Akustikgitarre, Gesang, Piano oder perkussive Klänge wie Drum-Overhead, durch seine hohe Transparenz und sehr saubere Höhenabbildung eignet sich der 511er für eine Vielzahl von Anwendungen. Alle von euch, die mit der API 500er Serie liebäugeln oder die auf der Suche nach einem Preamp für die einsame Insel sind, der Rupert Neve Designs Portico ist ein heißes Eisen und preislich mit 649,- Euro sehr interessant. Dafür erhält man keinen Klon eines alten Neve Designs, sondern einen sehr gut verarbeitetes, klanglich durchsetzungsfähiges, modernes Original.
Hi Raphael,
sehr schöner Test. Ich habe nach meinem Test des 5012 auch schon mit der Anschaffung von 2x 511 geliebäugelt.
Wird dann auch wohl so kommen, aber erst, wenn sich die Lage wieder einigermaßen normalisiert hat.
Kann gerade in unserer Sparte ja noch ziemlich lange dauern.
Grüße Armin
@Armin Bauer Lieber Armin,
freut mich, dass dir mein Test gefällt! Ich habe auch schon mit dem 5012er geliebäugelt, wobei die regelbare Silk Version des 511 viel stärker färbt – was mir mehr zusagt. Mit dem 511er arbeitet man einfach gern und er bietet sich für so viele Quellen an, da macht man nichts verkehrt. Bald kommt übrigens auch der Testbericht zum 517er. ;-) Viele Grüße und bleib gesund!
@Raphael Tschernuth Genau das ist es, der regelbare Silk und natürlich der Preisvorteil. Und das bisher ungenutzte 4 Slot Heritage 500 Rack :-)
Dazu dann noch ein Paar sehr linearer Preamps, Millennia HV-35 oder der Fredenstein HD Mic Pre? Oder wenn es günstig werden soll der Sonum H2o. Der hat aber kein gerastertes Gain, schaun mer mal.
Chinesisches Sprichwort sagt: Kaufe teuer, heule einmal :)
Ich finde die Chinesen sollen sich da mal schön raus halten. Die sind nicht ganz unschuldig daran, wenn ich mir das eine oder andere verkneifen muss.
@Armin Bauer Nicht die Chinesen, SIE sind es, SIE sind überall und an allem schuld: ich sage nur BIELEFELD !